Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 9 Sa 475/12

Küche auf Kosten des Arbeitgebers bestellt (und einbauen lassen)- fristlose Kündigung

Es stellt eine an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigende Pflichtverletzung dar, wenn ein Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert oder entgegennimmt (sog. Vorteilsannahme), unabhängig davon, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung kommt.
Hier: Bejaht für den Fall, dass der Arbeitnehmer als Einkaufsleiter eines Möbelhauses eine Küche für den Eigenbedarf bestellt und den Kaufpreis mit -dem Arbeitgeber zustehenden- Gutschriften verrechnet.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.08.2012, Az.: 4 Ca 1042/12 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 13.3.2012, die Verpflichtung zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung, einen Anspruch auf Zahlung der Arbeitsvergütung für den Zeitraum ab 13.3.2012 bis einschließlich Juni 2012 sowie einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

Der am 20. März 1966 geborene, verheiratete Kläger wurde von der Beklagten, die ständig weitaus mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 5. Januar 2009 seit dem 1. Februar 2009 als Ein- und Verkaufsleiter für den Bereich Küche und Bad zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 9.021,03 Euro beschäftigt.

Die Beklagte betreibt mehrere Möbel- und Einrichtungshäuser. Die Ausstellungsstücke werden von den Lieferanten an die Beklagte unter anderem dergestalt zur Verfügung gestellt, dass zunächst Rechnungen hierüber erstellt werden. Nach Ablauf einer gewissen Zeit, in welcher die Ware in den Ausstellungsräumen der Kundschaft präsentiert wurde, erteilen die Lieferanten der Beklagten über die gelieferten Ausstellungsstücke jedoch Gutschriften zur Verrechnung, so dass eine Bezahlung ganz oder teilweise entbehrlich wird. Diese Gutschriften werden von den Mitarbeitern der Beklagten mit den Lieferanten „ausgehandelt“.

Anfang des Jahres 2012 stellten Mitarbeiter der Beklagten in deren Einrichtungshaus in H. Unregelmäßigkeiten bei der Bearbeitung von Kaufverträgen fest. Nach einigen Tagen wandten sich die Mitarbeiter damit an den Personalleiter der Beklagten, Herrn B. In der Folgezeit legten die Mitarbeiter immer mehr Beweismaterial vor.

Ende Februar 2012 erachtete der Personalleiter B. die Beweislage für derart sicher, dass er die Angelegenheit mit dem Geschäftsführer C.M. besprach. Dieser erstattete am 28.2.2012 Strafanzeige. In der Folge kam es am 13.3.2012 zu einer Hausdurchsuchung u.a. beim Kläger.

Der Kläger bestellte (zu einem nicht genannten Zeitpunkt) für eine Küche Elektrogeräte bei verschiedenen Lieferanten. Die dazugehörigen Holzteile der Marke N. ließ er von der Mitarbeitern E. bestellen. Die komplette Bestellung der Küche (Positionen 4 - 15 der Anlage 2, Bl. 58 d.A) lief nicht, wie bei der Beklagten üblich, über einen Kaufvertrag, sondern wurde so ausgeführt, wie die Bestellungen für die Ausstellungsflächen in den Häusern der Beklagten. Als der Wareneingang dieser Küche verbucht werden konnte, wurde der Logistikleiter der Beklagten, Herr S. D., vom Kläger darüber informiert, dass „seine Küche“ angeliefert worden sei. Herr D. wurde sodann vom Kläger gebeten, ein entsprechendes Montageteam für die Auslieferung und den Aufbau zur Verfügung zu stellen. Dies wurde ausgeführt. Die Küche wurde am 9. und 10. März 2012 an den Kläger nach D. ausgeliefert und montiert.

Der Kläger bezahlte die Küche nicht. Auf seine Anweisung hin wurden jedoch später diverse Gutschriften (der Lieferanten), die auf die Beklagte ausgestellt waren, in Höhe des Einkaufspreises mit den Rechnungen für die Küche verrechnet. Ein Kaufvertrag über diese Küche wurde nicht geschrieben.

Bei der Hausdurchsuchung am 13. März 2012 wurde beim Kläger die oben erwähnte Küche nebst Elektrogeräten vorgefunden (Bl. 45 d.A).

Mit Schreiben vom 13. März 2012 (Bl. 7 d.A), welches dem Kläger anlässlich der Hausdurchsuchung übergeben wurde, erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Kündigung des Arbeitsverhältnisses „mit sofortiger Wirkung“ und „hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin“.

Hinsichtlich des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Teil-Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.8.2012, Bl. 177 ff. d.A.

Soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, hat das Arbeitsgericht durch das genannte Urteil die gegen die Kündigungen vom 13.3.2012 gerichtete Kündigungsschutzklage sowie hinsichtlich der auf tatsächliche Beschäftigung, Zahlung der Vergütung für den Zeitraum 14.3.2012 bis einschließlich Juni 2012 (nebst Zinsen) und Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichteten Klageanträge abgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht -zusammengefasst- ausgeführt:

Die Kündigung vom 13.3.2012 sei als außerordentliche wirksam. Der Kläger habe zu Lasten der Beklagten für sich Elektroküchengeräte beschafft und hierbei aus dem Vermögen der Beklagten ihr zustehende Gutschriften für eigene Zwecke verwendet und hiermit schwerwiegend gegen arbeitsvertragliche Pflichten in Bezug auf das Vermögen der Beklagten verstoßen. Der Kläger habe Rechtfertigungsgründe nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Seine Behauptung, das Verhalten sei ihm vom Geschäftsführer C. M. nach Beginn seiner Tätigkeit erlaubt worden bzw. er habe eine entsprechende Regelung bei seiner Einstellung schon vorgefunden, entbehre jeglicher Angaben dazu, wann, wo und wie die behauptete Erlaubnis erteilt worden sein solle. Auch die Interessenabwägung falle zu Lasten des Klägers aus. Dieser könne nicht auf eine lange Betriebszugehörigkeit verweisen. Die Pflichtverletzung sei mit einem ganz schwerwiegenden Vertrauensverlust verbunden. Eine Abmahnung sei entbehrlich, weil es sich um eine schwere Pflichtverletzung handele, die dem Kläger ohne weiteres erkennbar hätte sein müsse und hinsichtlich derer eine Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen gewesen sei.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 4.10.2012 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 16.10.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 29.11.2012 bis zum 4.1.2013 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 3.1.2013, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 4.1.2013 begründet.

Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 233 ff. d.A.), macht der Kläger im Wesentlichen geltend:

Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt worden. Der von Mitarbeitern der Beklagten recherchierte Sachverhalt sei durch den Mitarbeiter B. dem Geschäftsführer C. M. bereits am 28.2.2012 unterbreitet worden, so dass der Lauf der Frist an diesem Tag begonnen habe. Es habe auch nicht nur ein Verdacht bestanden, der durch das tatsächliche Auffinden der Küche nebst Elektroteilen im Rahmen der Hausdurchsuchung bestätigt worden sei. Diese Durchsuchung habe vielmehr der ausschließlich der Sicherstellung der werthaltigen Möbel gedient. Auch für den Kündigungsentschluss sei das Ergebnis der Hausdurchsuchung nicht maßgeblich gewesen, da das vom Geschäftsführer bereits vor der Hausdurchsuchung unterschrieben war und bei dieser übergeben wurde.

Auch in der Sache seien sowohl die außerordentliche, als auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung rechtsunwirksam, da entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sehr wohl ausreichend substantiiert Rechtfertigungsgründe dargelegt worden seien.

Soweit das Arbeitsgericht eine zeitliche Präzisierung der behaupteten Gestattung durch den Geschäftsführer vermisse, könne dem Kläger nicht entgegengehalten werden, dass er sich nicht mehr an den exakten Zeitpunkt erinnere. Es genüge aber die zeitliche Eingrenzung dahingehend, dass die Erklärung des Geschäftsführers zeitlich im Zusammenhang mit dem Erwerb zweier Teppiche erfolgt sei und auch sonstige Begleitumstände mitgeteilt worden seien. Angesichts dessen hätte sich die Beklagte mit diesem Nebensachverhalt auseinander setzen können und müssen, was nicht erfolgt und der vom Kläger behauptete Sachverhalt damit unstreitig sei. Jedenfalls habe das Arbeitsgericht einen entsprechenden Hinweis erteilen müssen.

Der Kläger korrigiert seinen diesbezüglichen, erstinstanzlichen Sachvortrag zu dem behaupteten Erwerb zweier Teppiche und dem Erwerb weiterer Einrichtungsgegenstände. Insoweit wird auf Seiten 6-8 der Berufungsbegründung (Bl. 238 ff. d.A.) Bezug genommen. Nachdem er vom Mitarbeiter B. im April oder Mai 2011 trotz Schenkung von Einrichtungsgegenständen durch den Geschäftsführer auf die noch offene Rechnung angesprochen worden sei, sei es zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer C. M. gekommen, in welchem dieser erklärt habe, dass der Kläger zukünftig bei persönlichen Einkäufen grundsätzlich nur den Preis zahlen müsse, den die Beklagte tatsächlich im Rahmen des Einkaufs in Rechnung gestellt bekomme. Ca 14 Tage vor Weihnachten 2011 sei es zu einem weiteren Gespräch gekommen, in welchem der Geschäftsführer die Leistungen des Klägers gelobt habe. Ferner habe der Geschäftsführer, nachdem er erfahren habe, dass der Kläger zwischenzeitlich von seiner Ehefrau getrennt lebte, wörtlich erklärt: „Ach du lieber Gott, auch das noch. Wenn Sie Hilfe benötigen, fordern Sie jedwede Hilfe, die Sie als erforderlich erachten von mir ein. Wir werden sie gewähren.“ Diese Erklärung sei im Zusammenhang mit dem Hinweis des Klägers gefallen, dass er angesichts der neuen Situation größtenteils auch neue Möbel benötige. Dies sei für den Kläger Anlass gewesen, die Küche in seinem Domizil durch Mitarbeiter der Beklagten aufbauen zu lassen, ohne sich hierfür selbst eine gesonderte Rechnung zu stellen. Er habe dies als von der Erklärung des Geschäftsführers gedeckt angesehen. Zu berücksichtigen sei auch, dass der weitere Geschäftsführer der Beklagten in der gleichen Weise eine Küche geliefert bekommen habe, wie sie sich der Kläger für sich selbst organisiert habe.

Es müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger sich keinen geldwerten Vorteil zu Lasten der Beklagten beschafft habe. Es seien keinerlei Waren unterhalb des Einkaufspreises bezogen worden. Er habe sich immer an die mit dem Geschäftsführer C. M. getroffene Vereinbarung -Möbel für seinen Privatgebrauch zum Einkaufspreis der Beklagten erwerben zu können- gehalten. Wenn im Ergebnis der Beklagten aufgrund des besonderen Verhandlungsgeschicks des Klägers keine Rechnungen gestellt wurden oder die Kosten ggf. in Form von Gutschriften, die nur explizit für den Kläger gedacht waren, auf 0 gestellt wurden, sei er daher auch berechtigt gewesen, die Möbel eben zu diesem Preis zu erwerben, was bedeute, dass er dann keine Zahlung zu leisten gehabt hätte. Wenn -wie dies die Beklagte behaupte- der Bezug von Waren nur zu den üblichen, für andere Mitarbeiter geltenden Konditionen (Mindesteinkaufspreis x 1,55) hätte erfolgen können, hätte es an einem Anreiz gefehlt, einen zusätzlichen Herstellerbonus in Form von Gutschriften auszuhandeln. Da die Kündigungen damit rechtsunwirksam seien, bestehe auch ein Anspruch auf weitere Gehaltszahlungen und auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

Der Kläger beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.08.2012, Az.: 4 Ca 1042/12 teilweise abzuändern und

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.03.2012 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.03.2012 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 13.04.2012 hinaus zu seinen bisherigen Arbeitsbedingungen gem. Arbeitsvertrag vom 05.01.2009 als Ein- und Verkaufsleiter für den Bereich Küche und Bad zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von € 9.021,03 weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.

Die Beklagte zu verurteilen über den Betrag von € 3.909,11 brutto hinaus weitere € 32.175,01 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 5.111,92 brutto seit 01.04.2012 sowie aus weiteren € 9.021,03 brutto seit 01.05.2012 sowie aus weiteren € 9.021,03 brutto seit 01.06.2012 und aus weiteren € 9.021,03 brutto seit 01.07.2012 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 13.2.2013, auf den Bezug genommen wird (Bl. 246 ff. d.A.), als zutreffend.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und -auch inhaltlich ausreichend- begründet.

II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.3.2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang beendet. Damit besteht auch kein über diesen Tag hinausgehender Vergütungsanspruch des Klägers und auch kein nur in einem noch bestehenden Arbeitsverhältnis in Betracht kommender Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Ebenso scheidet damit ein Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung aus. Die Berufungskammer folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies gem. § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist Folgendes auszuführen:

1. Die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. März 2012 ist nicht bereits wegen Versäumung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB rechtsunwirksam.

a) Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis aller für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören nicht nur die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Zu den maßgeblichen Umständen, die vom Kündigungsberechtigten zu ergründen und festzustellen sind, gehört es auch, mögliche Beweismittel für die ermittelte Pflichtverletzung zu beschaffen und zu sichern (BAG 17.3.2005 -2 AZR 245/04- EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; 2.2.2006 -2 AZR 57/05- EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1; KR-KSchG/Fischermeier, 10. Aufl., § 626 BGB Rz. 330).

b) Die am 13.3.2012 durchgeführte Hausdurchsuchung erbrachte die Gewissheit, dass sich die Küche nebst Elektrogeräten (und weiteren Einrichtungsgegenständen) beim Kläger aufgebaut befinden. Ihr Ergebnis stellt damit ein wichtiges Beweismittel im Hinblick auf die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe dar, welche zuvor nur anhand (fehlender) Buchungsunterlagen und der Bekundungen von Mitarbeitern untermauert waren. Die Beklagte hat nach eigenem Vortrag des Klägers nach Information des Geschäftsführers über das Ergebnis der bis dahin angestellten eigenen Aufklärung unverzüglich Anzeige erstattet. Die Festsetzung des Zeitpunkts der Hausdurchsuchung oblag nicht mehr ihr, sondern der zuständigen Staatsanwaltschaft.

c) Soweit der Kläger geltend macht, das Ergebnis der Hausdurchsuchung sei nicht kausal für den Kündigungsentschluss der Beklagten gewesen, weil das Kündigungsschreiben zum Zeitpunkt der Durchsuchung bereits vom Geschäftsführer unterschrieben war, ist darauf hinzuweisen, dass eine Kündigung als einseitige Willenserklärung erst Wirksamkeit mit Zugang beim Empfänger erlangt und -unstreitig- das Kündigungsschreiben erst anlässlich der Hausdurchsuchung übergeben wurde, zu einem Zeitpunkt also, in welchem für die anwesenden Vertreter der Beklagten ersichtlich war, dass sich u.a. Küche und Elektrogeräte tatsächlich beim Kläger befanden. Ein Zugang des Kündigungsschreibens wurde also erst nach Kenntnis des Ergebnisses der Hausdurchsuchung bewirkt.

c) Soweit der Kläger geltend macht, die Durchsuchung sei nicht zur Auffindung von Beweismitteln, sondern zur Sicherstellung der Gegenstände durchgeführt worden, ist darauf hinzuweisen, dass sie im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und damit nach Maßgabe der StPO erfolgte. § 102 StPO verlangt aber (neben dem hier nicht maßgeblichen Ziels der Ergreifung eines Täters) die begründete Vermutung, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln führen werde.

2. Es liegt auch ein an sich zur Kündigung berechtigender Grund vor. Das Arbeitsgericht hat die hierfür nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geltenden rechtlichen Grundsätze zutreffend dargestellt, so dass von einer erneuten Darstellung abgesehen wird.

Der Kläger hat -ohne dass es auf die strafrechtliche Wertung ankommt (vgl. etwa BAG 24.5.2012 -2 AZR 206/11-, NZA 2013, 137)- in schwerwiegender Weise und in mehrfacher Hinsicht arbeitsvertragliche Pflichten verletzt.

a) Gem. § 241 Abs. 2 BGB trifft den Arbeitnehmer die Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Pflicht wird verletzt, wenn der Arbeitnehmer Eigentums- oder Vermögensdelikte zu Lasten seines Arbeitgebers begeht. Ebenso stellt es eine an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigende Pflichtverletzung dar, wenn ein Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert oder entgegennimmt, unabhängig davon, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung kommt (BAG 24.5.2012, aaO.).

b) Der Kläger hat nach seinem eigenen Sachvortrag hinsichtlich der aufgefunden Elektrogeräte („G.“, vgl. Einlassung des Klägers als Anlage zu dessen Schriftsatz vom 25.7.2012, Bl. 160-162 d.A.) in Verhandlungen mit Mitarbeitern der Herstellerfirma keinen vollständigen Preisnachlass auf „Null“ erzielen können, sondern es verblieb ein Restbetrag in Höhe von 3.580 EUR, der dadurch abgedeckt werden sollte, dass durch die Geschäftsentwicklung bis zur Fälligkeit die Möglichkeit bestehen würde, diesen Betrag endgültig auf „Null“ zu stellen. Der Kläger wollte damit erst zukünftige, nicht unmittelbar auf dieses Geschäft bezogene, sondern im Zusammenhang mit anderen Geschäften zu erzielende Vorteile nutzen, um die Restverbindlichkeit, die seitens des Lieferanten gegenüber der Beklagten bestand und zu deren Ausgleich er ggf. verpflichtet wäre, abzulösen. Bezüglich dieser Vorgehensweise konnte er -selbst wenn sein Sachvortrag bezüglich der angeblichen Vereinbarungen mit dem Geschäftsführer zuträfen- nicht von einem Einverständnis der Beklagte ausgehen (dazu sogleich unten).

Es kommt hinsichtlich der Küche und der aufgefundenen Elektrogeräte hinzu, dass der Kläger nicht etwa Waren bezogen hat, die von der Beklagten ohnehin bestellt waren oder er Waren zu den Konditionen bestellt hat, die auch bei einer von seiner Person unabhängigen Bestellung Geltung gehabt hätten. Vielmehr ergibt sich aus der Einlassung des Klägers, dass er diese Waren gezielt und in individuellen Verhandlungen unter Hinweis darauf, dass es sich um Ware für ihn persönlich handelte, bestellt hat. Der Kläger war in seinem Bereich für den Einkauf zuständig. Zentraler Bestandteil seiner arbeitsvertraglichen Pflichten war es daher, für die Beklagte bestmögliche Konditionen bei den verschiedenen Lieferanten zu erzielen und ausschließlich dieses Interesse der Beklagten wahrzunehmen. Wenn der Kläger sich die „Einkaufsmacht“ der Beklagten für die Lieferanten erkennbar zum persönlichen Erwerb nutzbar macht, begibt er sich damit diesen gegenüber in eine gewisse Abhängigkeit, die aus Sicht der Beklagten berechtigterweise die Gefahr begründet, der Kläger werde bei zukünftigen Einkäufen und Verhandlungen nicht mehr allein die Interessen der Beklagten wahrnehmen. Hierdurch hat der Kläger das Vertrauen in seine Redlichkeit und Zuverlässigkeit zerstört.

c) Selbst wenn der Sachvortrag des Klägers im Hinblick auf eine Einwilligung des Geschäftsführers C. M. ausreichend substantiiert wäre und in tatsächlicher Hinsicht zuträfe, konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass sein Verhalten gerechtfertigt war.

Soweit der Kläger behauptet, der Geschäftsführer habe anlässlich eines Gesprächs nach einer Rückfrage des Mitarbeiters B. bezüglich der Bezahlung von Gegenständen erklärt, dass der Kläger zukünftig bei persönlichen Einkäufen grundsätzlich nur den Preis zahlen müsse, den die Beklagte tatsächlich im Rahmen des Einkaufs in Rechnung gestellt bekomme, trägt diese behauptete Äußerung des Geschäftsführers die Vorgehensweise des Klägers im Sinne eines Rechtfertigungsgrundes nicht. Nach dem Inhalt der behaupteten Äußerung ging der Geschäftsführer davon aus, dass ein Preis, wenn auch ein vergünstigter in Ansatz gebracht wird. Erkennbar bezieht sich die behauptete Äußerung des Geschäftsführers auch auf die jeweiligen allgemeinen, für die Beklagte geltenden Einkaufskonditionen, die dann an den Kläger und ggf. einen engeren Kreis von Führungskräften bei einem Einkauf weitergegeben hätten werden sollen, nicht aber auf das Aushandeln individueller, für den speziellen und nur auf die Bedürfnisse des Klägers zugeschnittenen Einkauf. Dem Kläger musste bewusst sein, dass die von ihm persönlich ausgehandelten, für die Vertragspartner erkennbar dem persönlichen Bedarf dienenden Konditionen auch im Hinblick auf dessen Stellung als Einkaufsleiter gewährt wurden.

Auch die behauptete Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten vor Weihnachten 2011 „Ach du lieber Gott, auch das noch. Wenn Sie Hilfe benötigen, fordern Sie jedwede Hilfe, die Sie als erforderlich erachten von mir ein. Wir werden sie gewähren.“ ergibt -ihre Richtigkeit unterstellt- keinen Rechtfertigungsgrund. Hierin käme zum Ausdruck, dass der Kläger den Geschäftsführer im Falle von für nötig gehaltener Hilfe ansprechen solle („fordern Sie von mir ein“), was diesem die Entscheidung ermöglicht hätte, hierüber im Einzelfall zu entscheiden. Nicht gedeckt ist hiervon aber ein Vorgehen ohne Kenntnis der Geschäftsführung.

Soweit der Kläger darauf verweist, auch hinsichtlich der Beschaffung von Küchen und Zubehör für einen der Geschäftsführer sei entsprechend verfahren worden, kann er für sich hieraus nichts herleiten, da er nicht Geschäftsführer ist.

3. Die Berufungskammer teilt schließlich auch die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung. Sie entspricht der auch vom Berufungsgericht vorgenommenen Interessenabwägung. Wie ausgeführt, hat der Kläger in mehrfacher Hinsicht arbeitsvertragliche Pflichten verletzt, wobei diese Pflichtverletzungen das für die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen vollständig auch aus Sicht eines verständig urteilenden Arbeitgebers restlos zerstörten. Angesichts der Stellung des Klägers als Leiter u.a. des Einkaufs für seinen Bereich und der Schwere der Pflichtverletzungen ist eine Wiederherstellung des Vertrauens ausgeschlossen. Insbesondere ist daher auch die Berufungskammer der Auffassung, dass es einer vorherigen Abmahnung nicht bedurfte.

III. Die Berufung war daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund besteht nicht.



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