Arbeitsgericht Lübeck

Urteil vom - Az: 1 Ca 323 öD/23

Kirchenmusiker vergisst Trauerfeier – unwirksame Kündigung trotz Abmahnungen

(1.) Ein Kirchenmusiker, der unentschuldigt nicht zu einer gebuchten Trauerfeier erscheint, darf trotz vorheriger Abmahnungen nicht außerordentlich gekündigt werden. Dies gilt zumindest dann, wenn die Abmahnungen sich inhaltlich nicht auf ein „Vergessen der Aufnahme der Arbeitspflicht“ beziehen, sondern „andere Themen“ betreffen.

(2.) Zwar stellen das fahrlässige unentschuldigte Fernbleiben, die fehlende Erreichbarkeit sowie das Verhalten des Arbeitnehmers im Nachgang an die Trauerfeier, insbesondere der unterbliebene Rückruf und die verspätete Entschuldigung, schwerwiegende vertragliche Pflichtverletzungen dar. Zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung fehlt es jedoch an einer vorhergehenden thematisch einschlägigen Abmahnung.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 08.02.2023 nicht beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage zu Ziff. 1. als Kirchenmusiker weiter zu beschäftigen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

4. Der Urteilsstreitwert beträgt 25.268,00 EUR.

5. Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht gesondert zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten nach Ausspruch einer außerordentlichen Beendigungskündigung durch den Arbeitgeber über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses und über einen Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung.

Der am geborene, verheiratete und einem minderjährigen Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der beklagten Kirchengemeinde seit dem 16.10.1996 als Kirchenmusiker mit einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoverdienst iHv. EUR 6.317,00 tätig. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet der kirchliche Arbeitnehmer/innen-Tarifvertrag (KAT) vom 01.12.2006 Anwendung.

Unter dem 19.07.2022 (Anlage B 5), 26.09.2022 (Anlage B 6) sowie 28.12.2022 (Anlage B 7) erteilte die Beklagte dem Kläger Abmahnungen. Hinsichtlich des Inhalts der Abmahnungen wird auf die jeweiligen Anlagen Bezug genommen.

Am 12.12.2022 erklärte der Kläger gegenüber dem Gemeindebüro verbindlich seine Bereitschaft zur Übernahme der musikalischen Begleitung einer Trauerfeier am 16.12.2022. Noch am 12.12.2022 sprach der für die Liturgie der Trauerfeier zuständige Pastor die für die Trauerfeier vorgesehene Liederauswahl auf den Anrufbeantworter des Klägers. Andere dienstliche Aufgaben waren dem Kläger für den Tag der Trauerfeier durch die beklagte Kirchengemeinde nicht zugewiesen worden.

Am 16.12.2022 erschien der Kläger zur Trauerfeier nicht. Der Kläger war weder für den Pastor noch das Bestattungsunternehmen an diesem Tag telefonisch erreichbar. Einer Bitte des Pastors um Rückruf kam der Kläger nicht nach.

Mit E-Mail vom 19.12.2022 (Anlage B 2), gerichtet an den Pastor, bat der Kläger für sein Fehlen um Entschuldigung. Er begründete sein Fehlen mit einem seit Tagen anhaltenden Dauereinsatz und damit, dass der nächste große Einsatz alle seine Gedanken bestimme und ein Blick in den Kalender und auf den Anrufbeantworter kaum noch stattfinde.

Nachdem zunächst Mitglieder des Kirchengemeinderates und sodann der Vorsitzende desselben Kenntnis des Nichterscheinens des Klägers auf der Trauerfeier erlangten und der Kirchengemeinderat auf der folgenden Sitzung das Verhalten des Klägers erörtert hatte, kündigte die beklagte Kirchengemeinde das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich mit Kündigung vom 08.02.2023, nachdem sie zuvor die gebildete Mitarbeitervertretung zum beabsichtigten Ausspruch der außerordentlichen Kündigung angehört hatte.

Mit Klagschrift vom 27.02.2023, beim Arbeitsgericht Lübeck als elektronisches Dokument am selben Tag eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben und begehrt die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der beklagten Kirchengemeinde weder durch die außerordentliche Kündigung vom 08.02.2023, noch durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst ist. Zudem begehrt er Weiterbeschäftigung in seiner Funktion als Kirchenmusiker.

Der Kläger hat behauptet und meint:

Die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung sei unwirksam. Es fehle an einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB. Der beklagten Kirchengemeinde sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit ihm nicht unzumutbar.

Die Wahrnehmung der von ihm zugesagten musikalischen Begleitung der Trauerfeier am 16.12.2022 habe er auf Grund der auch an diesem Tag laufenden Vorbereitungen für das von ihm organisierte Kindermusical vergessen. Dieser fahrlässige Pflichtenverstoß sei für eine außerordentliche Kündigung nicht ausreichend.

Die beklagte Kirchengemeinde habe bei Ausspruch der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung die Kündigungserklärungsfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt.

Die ihm, dem Kläger, im Zusammenhang mit den erteilten Abmahnungen vorgeworfenen Pflichtverletzungen seien inhaltlich unzutreffend.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 08.02.2023 weder außerordentlich fristlos noch ordentlich aufgelöst ist.

2. Die Beklagte wird für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziff. 1 verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Kirchenmusiker bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage weiter zu beschäftigen.

Die beklagte Kirchengemeinde hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die beklagte Kirchengemeinde hat behauptet und meint:

Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe in Folge der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung im Zeitpunkt des Zugangs derselben beim Kläger geendet. Die außerordentliche Kündigung sei rechtswirksam. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB sei gegeben und die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

Ihr, der beklagten Kirchengemeinde, sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles auch nicht bis zum Ablauf einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Beendigungsfrist zumutbar. Der Kläger habe sich vorsätzlich dazu entschieden, die musikalische Begleitung der Trauerfeier am 16.12.2022 nicht wahrzunehmen, da ihm die Vorbereitung des von ihm organisierten und nicht durch die beklagte Kirchengemeinde angewiesenen Kindermusicals wichtiger gewesen sei als die Begleitung der Trauerfeier. Die vorsätzliche Weigerung des Klägers sei bei Würdigung seines Verhaltens vor und nach der Trauerfeier indiziert. Insbesondere das abgemahnte Verhalten des Klägers in der Vergangenheit zeige, dass der Kläger arbeitgeberseitige Weisungen nicht immer befolge und andere Prioritäten setze.

Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Erst am 03.02.2023 sei nach Abschluss der Ermittlungen und nach erneutem Austausch im Kirchengemeinderat der Entschluss zum Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung gefallen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vor dem Vorsitzenden und vor der Kammer Bezug genommen.

 

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die streitgegenständliche außerordentliche, fristlose Kündigung vom 08.02.2023 nicht beendet worden (hierzu 1.). Auf Grund des Obsiegens mit der punktuellen Kündigungsschutzklage war die beklagte Kirchengemeinde auch zur Weiterbeschäftigung des Klägers zu verurteilen (hierzu 2.).

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche, fristlose Kündigung vom 08.02.2023 nicht beendet worden, da die streitgegenständliche Kündigung rechtsunwirksam ist. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB. Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles ist der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger nicht unzumutbar.

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände" an sich", d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Als dann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (st. Rpsr., vgl. etwa BAG Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 651/13 – NZA 2015, 294, 295).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtlichen milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rpsr., vgl. etwa BAG Urt. v. 9.6.2011 – 2 AZR 323/10 – juris Rn. 24 ff.).

Einer Abmahnung als milderes Mittel bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG Urt. v. 20.05.2021 – 2 AZR 596/20 – juris Rn. 27). Liegt nur eine dieser Fallgruppen vor, kann Ergebnis der Interessenabwägung nicht sein, den Kündigenden auf eine Abmahnung als milderes Mittel zu verweisen (vgl. BAG v. 27.2.2020 – 2 AZR 570/19, NZA 2020, 1405 Rn. 24).

b) Unter Anwendung der vorstehenden rechtlichen Grundsätze auf den vorliegenden Fall fehlt es an einem als wichtigen Grund geeigneten Kündigungssachverhalt.

aa) Die beklagte Kirchengemeinde hat nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt, dass der Kläger der von ihm übernommenen Verpflichtung zur musikalischen Begleitung der Trauerfeier am 16.12.2022 vorsätzlich nicht nachgekommen und die Erbringung seiner Arbeitsleistung damit beharrlich verweigert hat.

(1) Vorsatz ist eine innere Tatsache, auf deren Vorliegen nur durch äußere Umstände geschlossen werden kann. Im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO kann das Gericht entsprechend dem Regelbeweismaß nur dann vom Vorliegen einer inneren Tatsache ausgehen, wenn aus aufgrund der äußeren Umstände zu der vollen Überzeugung (Gewissheit) gelangt ist, dass eine innere Tatsache in der handelnden Person im Zeitpunkt ihres Handelns vorgelegen hat. Ein bloßes für überwiegend wahrscheinlich halten ist insoweit nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit (vgl. zum Regelbeweismaß Musielak/Voit/Foerste, 20. Aufl. 2023, ZPO § 286Rn. 19).

(2) Im vorliegenden Fall hat die Beklagte keine hinreichenden äußeren Umstände dargelegt, auf Grundlage derer die Kammer die nach den vorstehenden rechtlichen Grundsätzen erforderliche Gewissheit über ein vorsätzliches Handeln des Klägers hätte erlangen können.

Zunächst kann zu Gunsten der beklagten Kirchengemeinde unterstellt werden, dass die Sachverhalte, die Gegenstand der dem Kläger erteilten Abmahnungen sind, sich so wie in den Abmahnungen dargestellt auch zugetragen haben. Doch auch unter ergänzender Berücksichtigung des Verhaltens des Klägers im Nachgang zu der Trauerfeier, insbesondere des Fehlens telefonischer Erreichbarkeit, des Unterbleibens eines Rückrufs sowohl gegenüber dem Bestattungsunternehmen als auch gegenüber dem Pastor und des Unterbleibens einer Entschuldigung direkt gegenüber den Angehörigen des Verstorbenen ist ein vorsätzliches Nichterscheinen des Klägers auf der Trauerfeier am 16.12.2022 allenfalls wahrscheinlich. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lässt sich die durch den Kläger vorgebrachte Rechtfertigung, er habe die musikalische Begleitung der Trauerfeier auf Grund der parallelen Vorbereitung des Kindermusicals schlicht und einfach vergessen, jedoch nicht negieren.

Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass keine der dem Kläger erteilten Abmahnungen einen Sachverhalt zum Gegenstand hat, in welchem der Kläger die von ihm als Kirchenmusiker geschuldete Arbeitsleistung gar nicht erbracht hätte. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger, wäre ihm die Vorbereitung des Kindermusicals wichtiger gewesen, die Übernahme der Trauerfeier gar nicht erst hätte zusagen müssen.

Das Verhalten des Klägers im Nachgang zu der durch ihn verpassten Trauerfeier, insbesondere die unterbliebenen Rückrufe und die fehlende umgehende Entschuldigung bei den von seinem Fehlen betroffenen Personen unterstreicht zwar das gestörte Vertrauensverhältnis zwischen Kläger und den für die beklagte Kirchengemeinde handelnden Personen, ist jedoch gerade vor diesem Hintergrund nicht ausreichend, um von einem vorsätzlichen Fernbleiben des Klägers auf der Trauerfeier ausgehen zu können. Das Verhalten des Klägers kann auch gerade darin begründet sein, das dem Kläger bewusst war, dass auf Grund der bereits schwierigen Situation im Arbeitsverhältnis eine Entschuldigung durch ihn nicht als ausreichend angesehen werden wird und er aufgrund der vergessenen Trauerfeier sowieso mit erneuten arbeitsrechtlichen Sanktionen zu rechnen haben wird.

Letztlich war zu berücksichtigen, dass der Kläger sich dann am 19.12.2022 in der von ihm versandten E-Mail für sein Nichterscheinen auf der Trauerfeier doch entschuldigt, dieses erklärt und um Verständnis gebeten hat. Dass der Inhalt dieser E-Mail taktisch geprägt und der Inhalt nicht ernst gemeint war, konnte die Beklagte nicht hinreichend darlegen.

bb) Die fahrlässige und damit schuldhafte Verletzung der Pflicht zur musikalischen Begleitung der Trauerfeier durch den Kläger ist als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht ausreichend. Vor dem Hintergrund, dass die bisher dem Kläger erteilten Abmahnungen ein "Vergessen der Aufnahme der Arbeitspflicht" nicht zum Gegenstand hatten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass nach Abmahnung des dem Kläger iRd. streitgegenständlichen Kündigung vorgeworfenen Verhaltens eine Verhaltensänderung in der Zukunft ausgeschlossen ist.

cc) Auch das Verhalten des Klägers nach der Trauerfeier am 16.12.2022 ist nicht als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers geeignet. Soweit der Kläger durch den unterlassenen Rückruf an den Pastor trotz entsprechender Bitte desselben und durch das Unterlassen einer Rückmeldung gegenüber dem Bestattungsunternehmen schuldhaft gegen seine Rücksichtnahmepflicht auf die Interessen der beklagten Kirchengemeinde gem. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen haben sollte, wäre auch dieses Verhalten zunächst abzumahnen gewesen.

c) Da es bereits an einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche, fristlose Kündigung fehlt, kann dahinstehen, ob die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt ist.

d) Das Arbeitsverhältnis hat auch nicht infolge einer hilfsweisen ordentlichen fristgemäßen Beendigungskündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist seine Beendigung gefunden. Eine Umdeutung der rechtsunwirksamen außerordentlichen Beendigungskündigung gem. § 140 BGB in eine wirksame ordentliche Beendigungskündigung scheitert am tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutz des seit mehr als 15 Jahren in einem Arbeitsverhältnis zur beklagten Kirchengemeinde stehenden und im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung 61-jährigen Klägers gem. § 27 Abs. 3 KAT. Der Kläger ist tarifvertraglich ordentlich unkündbar.

2. Auf Grund des Obsiegens des Klägers mit seiner punktuellen Kündigungsschutzklage war die beklagte Kirchengemeinde auch antragsgemäß zur Weiterbeschäftigung des Klägers in seiner Funktion als Kirchenmusiker bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Bestandschutzantrag zu verurteilen. Der Weiterbeschäftigungsantrag folgt aus dem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nach Obsiegen im erstinstanzlichen Urteil im Kündigungsschutzverfahren (vgl BAG GS Beschluss vom 27.02.1985 – GS 1/84 NZA 1985, 702 ff.).

II.

Die hat als die unterlegene Partei des Verfahrens dessen Kosten gem. § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen. Der gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Urteilsstreitwert folgt bezüglich der punktuellen Kündigungsschutzklage entsprechend § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG iH. eines Vierteljahresbruttoverdienstes und hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsbegehrens iH. eines Bruttomonatsgehaltes. Über die gesonderte Zulassung der Berufung war gem. § 64 Abs. 3 a) ArbGG zu entscheiden. Gründe für eine gesonderte Zulassung der Berufung waren nicht ersichtlich.



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