Arbeitsgericht Mainz

Urteil vom - Az: 4 Ca 1285/99

Keine Verletzung der Treuepflicht durch Kündigungsmitteilung; Beweislast

Beendet der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis, so darf er dies den Kunden des Arbeitgebers mitteilen.
Bei einem Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer aus einer Verletzung der Treuepflicht, hat der Arbeitgeber die Treuepflichtverletzung zu beweisen (hier: Abwerben der Kunden).
Das Urteil wurde in der Berufungsinstanz (LAG Rheinland-Pfalz) bestätigt.

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 6.217,60 brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus DM 4.000,00 seit 01.06.1999 zu zahlen; die Widerklage wird abgewiesen.

II. Die Kosten trägt die Beklagte.

III. Der Wert wird auf DM 97.000,00 festgesetzt.

 

Tatbestand  

Der Kläger war bei der Beklagten seit 01.10.1998 bis 31.03.1999 als Altenpfleger beschäftigt.

Er war als Pflegedienstleiter für den Bereich Bad Kreuznach/Bingen tätig. Auf Grund einer Vereinbarung vom 06.08.1998 hatte der Kläger seinen Klientenstamm (ca. 25 Klienten) an die Beklagte zum 01.10.1998 zu einem Gesamtpreis von 20.000,- DM übertragen.  Mit Schreiben vom 02.02.1999 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis zum 31.03.1999. Die Beklagte schuldet noch die Gehälter für die Monate Februar und März 1999 in Höhe des Klagebetrages.  Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.217,60 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag zu zahlen. 

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.  

Die Beklagte trägt vor, sie sei zur Aufrechnung in voller Höhe berechtigt ohne Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenze, weil der Kläger sich durch eine unerlaubte Handlung gegenüber der Beklagten schadenersatzpflichtig gemacht habe. Im Übrigen erhebe man Widerklage und beantrage widerklagend, den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 88.859,90 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.

Die Beklagte und Widerklägerin trägt vor, noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nach der Eigenkündigung des Klägers sei der Kläger aktiv an die Klienten der Beklagten, insbesondere an den Klientenstamm, der im August 1998 an die Beklagte übertragen worden sei, herangetreten und habe mitgeteilt, dass er sich von der Beklagten trennen werde, dass jedoch eine weitere Pflege durch ihn bzw. seinen neuen Arbeitgeber, die Firma H. e.V., ..., möglich sei. Er habe während seiner aktiven Abwerbung auch die Beklagte gegenüber den Klienten diskreditiert, so dass diese Klienten sich zur Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Kläger zum 31.03.1999 entschlossen hätte. Insgesamt habe der Kläger zum 06.08.1999 18 Klienten übertragen. Insgesamt hätten zum 31.03.1999 12 Klienten den Pflegevertrag mit der Beklagten gekündigt. Der Kläger und Widerbeklagte erwidert hierauf, lediglich gesagt zu haben, dass er bei der Beklagten ausscheiden werde. Er habe jedoch nicht Kunden beeinflusst. Im Übrigen bestreite er die Höhe der Gegenforderung. Wegen des Sachvortrages der Prozessparteien wird auf die Schriftsätze und Dokumente sowie auf die Erklärungen in den Sitzungsprotokollen verwiesen. 

 

Entscheidungsgründe  

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Bezahlung der der Höhe nach unstreitigen Gehälter für Februar und März 1999 inklusive der geforderten Zinsen. Die Beklagte hat keine Gegenforderung, so dass sie weder aufrechnen konnte, noch ist die Widerklage dem Grunde und der Höhe nach begründet. Da hier kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart worden war, konnte sich die Kammer ganz auf die Darstellung der Rechte und Pflichten der Prozessparteien während des Laufs des Arbeitsvertrages, also bis zum 31.03.1999, beschränken. Hier hat die Beklagte nicht im Einzelnen dargelegt und bewiesen, dass der Kläger durch Einsatz unlauterer Mittel und unter Verletzung seiner Treuepflicht gegenüber der Beklagten während des Laufs des Arbeitsverhältnisses Kunden der Beklagten zur Kündigung veranlasst hätte. Aus Art. 12 Abs. 1 ff folgt, dass ein Arbeitnehmer, der in den Dienst eines anderen Arbeitgebers treten will, hierauf Kunden seines Arbeitgebers hinweisen darf.

Hier sind die Kündigungsschreiben einzelner Kunden vorgelegt worden, aus denen sich jeweils eine ordentliche Kündigung des Betreuungsvertrages ergibt. Teilweise sind die Kündigungen erst im April ausgesprochen worden, so dass sie hier schon deshalb nicht zu berücksichtigen sind. Teilweise wurden die Kündigungen wegen Mängel in der Pflegeleistung ausgesprochen. In einem Fall wurde nicht gekündigt, sondern es wurde ein Aufhebungsvertrag geschlossen und in einem weiteren Fall wurden anderweitige Gründe für die Kündigung, nämlich eine räumlich nähere Betreuungsmöglichkeit in ... erwähnt. Bei dieser Sachlage wäre es Sache der Beklagten gewesen, im Einzelnen das angeblich treuwidrige und, weil die Beklagte von einer unerlaubten Handlung des Klägers ausging, gesetzwidrige oder strafwürdige Verhalten des Klägers im Einzelnen darzustellen. Hierzu hat die Beklagte aber keine erheblichen Tatsachen vorgetragen. Vielmehr wurde auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 30.07.1999 im Fall der Frau ... von „Bedrängen“ gesprochen, im Fall der Frau ... wurde davon gesprochen, dass „der Druck so groß geworden sei“, dass diese Kundin daraufhin bei der Beklagten gekündigt habe.

Dieser Sachvortrag ist nicht ausreichend; vielmehr enthält dieser Vortrag lediglich Wertungen; eine Zeugenvernehmung wäre auf einen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen. Im Übrigen waren diese Klienten noch nicht einmal als Zeugen benannt worden. Vielmehr hatte die Beklagte lediglich im ersten Schriftsatz die Mitteilung der ladungsfähigen Anschriften angekündigt, dann aber im nächsten Schriftsatz aus praktischen Gründen und mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand der alten Leute kein Beweisangebot im Einzelnen durch Vernehmung der alten Leute gemacht. Dies ist menschlich verständlich, verändert aber nicht die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten. Die Beklagte hat lediglich eigene Mitarbeiter zum Beweis dafür angeboten, was die alten Leute diesen Mitarbeitern auf Befragen wegen der Kündigung erzählt haben sollen.

 Ausnahmsweise gibt es auch eine Beweisaufnahme durch Vernehmung solcher „Zeugen vom Hörensagen“ (vgl. BGH, NJW 1984, 2039). Abgesehen davon, dass der Beweiswert solcher Aussagen gering ist, konnte hier auch nicht auf diesem Wege mit einer Beweisaufnahme begonnen werden zur Sammlung von Indizien, weil zunächst einmal ein eindeutiger Tatsachenvortrag in den Prozess eingeführt werden muss. Daran fehlt es. Außerdem sind solche „Zeugen vom Hörensagen“ nur unter Umständen zu vernehmen, wenn Indizien gesammelt werden sollen für eigene Beobachtungen oder sonstige eigene Wahrnehmungen dieser Zeugen. Hier aber dreht es sich nicht um Wahrnehmungen dieser Zeugen selbst, sondern um Berichte der alten Leute an diese Zeugen darüber, was diese alten Leute bei einem anderen Termin mit dem Kläger besprochen haben sollen. Dass es hierbei zu Ungenauigkeiten und Unklarheiten auf Grund von Gedächtnislücken und mangelhaften sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten der alten Leute und der Zeugen kommen kann, liegt auf der Hand. Deshalb war dem Beweisangebot der Beklagten, die „Zeugen vom Hörensagen“ zu vernehmen, hier nicht nachzugehen. Im Übrigen ist die Gegenforderung der Beklagten vom Kläger der Höhe nach bestritten worden; hierauf hat die Beklagte nicht substantiiert geantwortet und für jeden einzelnen Klienten den Schaden genau dargelegt und vor allem auch Beweis angeboten. Deshalb ging die Kammer davon aus, dass der Beklagten kein Gegenanspruch zusteht. Demnach war die Widerklage abzuweisen. Da die Beklagte den Prozess in vollem Umfang verloren hat, hat sie die Kosten zu tragen (§ 91 ZPO); der Streitwert wurde gem. § 3 ff. ZPO festgesetzt. 



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen