Verwaltungsgericht Koblenz

Urteil vom - Az: 5 K 1088/22.KO

Keine finanzielle Abgeltung für über Mindesturlaub hinausgehenden Urlaub

Ein Beamter kann bei einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand eine finanzielle Abgeltung von nicht genommenen Urlaubstagen nur dann verlangen, soweit im entsprechenden Kalenderjahr der unionsrechtlich gewährleistete Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen nicht ausgeschöpft worden ist.
(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die weitere finanzielle Abgeltung nicht in Anspruch genommenen Urlaubs.

Der zuletzt als A*** im Dienst des Beklagten stehende Kläger wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2022 wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Im hier noch streitgegenständlichen Jahr 2020 nahm er 23 Urlaubstage und einen sogenannten Arbeitszeitverkürzungstag in Anspruch.

Mit Bescheid vom 22. März 2022 gewährte der Beklagte dem Kläger eine finanzielle Abgeltung von 14 Tagen Erholungsurlaub für das Jahr 2021. Der Abgeltungsanspruch sei auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen (20 Tage) Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Hierauf sei der im jeweiligen Jahr bereits in Anspruch genommene Urlaub anzurechnen. Ausgehend hiervon könne der Kläger nur für das Jahr 2021 die Zahlung von Urlaubsabgeltung für nicht in Anspruch genommene Urlaubstage verlangen.

Dagegen erhob der Kläger unter dem 11. April 2022 Widerspruch, mit dem er eine finanzielle Abgeltung von insgesamt 39 Urlaubstagen für die Jahre 2020 und 2021 beanspruchte und im Wesentlichen geltend machte, der Beklagte habe bei der Berechnung Resturlaubsansprüche aus den Vorjahren unberücksichtigt gelassen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2022 (zugestellt am 19. Oktober 2022) wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei zutreffend ermittelt worden. Bereits in Anspruch genommener Urlaub sei mit dem europarechtlich gewährleisteten Mindesturlaub zu verrechnen. Dabei sei unerheblich, ob diese Urlaubstage aus dem laufenden oder durch Übertragung aus dem vorhergehenden Urlaubsjahr stammten. Eine finanzielle Abgeltung für nicht genommenen Urlaub, der über den Mindesturlaub hinausgehe, komme nicht in Betracht.

Mit der am 21. November 2022, einem Montag, erhobenen Klage begehrt der Kläger noch eine finanzielle Abgeltung von weiteren neun Urlaubstagen für das Jahr 2020. Er führt aus, er habe den unionsrechtlichen Mindesturlaub von 20 Tagen im Jahr 2020 nicht voll in Anspruch genommen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass Mindesturlaub des laufenden Jahres nicht die Urlaubstage sein könnten, die Mindesturlaub des vorangegangenen Jahres seien. Demgemäß verbleibe für das Jahr 2020 noch ein Abgeltungsanspruch für neun Urlaubstage.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 22. März 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2022 zu verpflichten, ihm eine finanzielle Abgeltung für weitere neun Urlaubstage für das Jahr 2020 in europarechtlich vorgegebener Höhe nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren.

Der Beklagte beantragt unter Verweis auf seine Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Akte gereichten Schriftsätze, die sonstigen von ihnen zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsvorgänge verwiesen (ein Heft). Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die finanzielle Abgeltung von weiteren neun Urlaubstagen aus dem Jahr 2020. Der Bescheid vom 22. März 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2022 ist – soweit er Gegenstand der Klage ist– rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 11b Abs. 1 Urlaubsverordnung – UrlVO –. Danach ist vor Beendigung des Beamtenverhältnisses (§ 21 Beamten- statusgesetz) wegen vorübergehender oder dauerhafter Dienstunfähigkeit nicht abgewickelter Erholungsurlaub im Rahmen des nach Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) zu gewährleistenden Mindestjahresurlaubs von vier Wochen finanziell abzugelten, soweit er nicht nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 UrlVO verfallen ist. § 11b Abs. 3 Satz 1 UrlVO bestimmt, dass in dem betreffenden Urlaubsjahr bereits abgewickelter Erholungs- oder Zusatzurlaub auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindestjahresurlaub anzurechnen ist, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch entstanden ist. Das gilt entsprechend für einen nach § 3 Arbeitszeitverordnung in Anspruch genommenen dienstfreien Arbeitstag (§ 11b Abs. 3 Satz 2 UrlVO).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht dem Kläger ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung von weiteren neun Urlaubstagen für das Jahr 2020 nicht zu. Er hat im hier streitgegenständlichen Jahr 2020 23 Urlaubstage und einen sogenannten Arbeitszeitverkürzungstag und damit mehr als den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von 20 Urlaubstagen in Anspruch genommen. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 11b Abs. 3 UrlVO kommt es bei der Berechnung der abzugeltenden Urlaubstage allein darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr bereits genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenem Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat (stRsp, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 – 2 C 10.12 –, juris, Rn. 18 f. und Rn. 23, und vom 15. Juni 2021 – 2 A 1.20 –, juris, Rn. 20; Beschlüsse vom 25. Juli 2014 – 2 B 57.13 –, juris, Rn. 8, und vom 16. Juni 2016 – 2 B 72.15 –, juris, Rn. 10; OVG RP, Beschluss vom 5. August 2016 – 2 A 10508/16.OVG –, juris, Rn. 6). Eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Abgeltung solchen nicht genommenen Urlaubs, der über den Mindesturlaub hinausgeht, besteht nicht.

Die von dem Kläger in diesem Zusammenhang angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts München (Urteil vom 24. März 2021 – M 21a K 19.532 –, juris, Rn. 31 f.) sowie des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (Urteil vom 25. Mai 2022 – 1 K 2617/19 –, juris, Rn. 30 ff.) rechtfertigen keine andere rechtliche Bewertung. Sie betreffen einen anderen Sachverhalt. Dort war zu entscheiden, ob ein Beamter, der in einem Kalenderjahr weniger Urlaubstage als den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub in Anspruch genommen hat, für diese fehlenden Tage eine finanzielle Abgeltung verlangen kann, wenn er sie im folgenden Jahr in seinen über den unionsrechtlich garantierten Mindesturlaub hinausgehenden Urlaub eingebracht hat. Das steht hier nicht zur Rede.

Hat der Kläger nach alledem keinen Anspruch auf die finanzielle Abgeltung von weiteren neun Urlaubstagen, so steht ihm auch der mit der Klage außerdem verfolgte Zinsanspruch entsprechend § 291 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch nicht zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124, 124a VwGO), liegen nicht vor.

 

Rechtsmittelbelehrung

Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen. Dabei müssen sie sich durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation vertreten lassen.

Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich oder nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Dokument zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In den Fällen des § 55d VwGO ist ein elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO zu übermitteln.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich oder nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Dokument einzureichen. In den Fällen des § 55d VwGO ist ein elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO zu übermitteln.



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