Arbeitsgericht Mainz

Urteil vom - Az: 6 Ca 2161/03

Keine Ermessensüberprüfung einer Dienstanweisung (§8 BAT)

1.Die Feststellungsklage einer Angestellten im Öffentlichen Dienst darauf gerichtet, dass sie eine Dienstanweisung nicht befolgen muss, wobei ihr in diesem Fall arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht wurden, ist zulässig.
2. Dienstanweisungen aufgrund von §8 BAT können durch die Arbeitsgerichte nicht auf billiges Ermessen hin überprüft werden.

I. Die Klage wird abgewiesen. 

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt. 

III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

 

Tatbestand  

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, einer dienstlichen Anweisung der Beklagten, ihrer Arbeitgeberin, Folge zu leisten.

Die Klägerin ist seit dem 01.04.1969 bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 01.04.1969 (Bl. 5 u. 6 d.A.). Die Parteien haben arbeitsvertraglich die Geltung des Bundes- Angestelltentarifvertrages (BAT) in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart. Die Klägerin bezieht derzeit Gehalt nach Vergütungsgruppe Vc in Höhe von ca. 2.500,- EUR brutto monatlich. Zu den Aufgaben der Klägerin gehört u.a. der Einzug von Gebühren für Abwässer und in diesem Zusammenhang die Entscheidung über Absetzungen bei der Bemessung dieser Gebühren. Die Klägerin ist in der Dienststelle der Beklagten die einzige Mitarbeiterin für Abwasserabgaben. Anfang des Jahres 2003 kam es zu Differenzen über einen Abgabenbescheid für eine Frau F. Diese hatte Absetzungen für Pflanzenschutzspritzungen geltend gemacht und behauptet, sie habe den entsprechenden Antrag rechtzeitig gestellt. Die Klägerin hat die Absetzungen nicht berücksichtigt, weil sie die Auffassung vertritt, Frau F habe den Antrag nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 21 der Satzung (Bl. 7 - 13 d.A.) gestellt. Mit Schreiben vom 03.04.2003 (Bl. 17 u. 18 d.A.), sowie vom 02.07.2003 (Bl. 19 u. 20 d.A.) wies der Bürgermeister der Beklagten die Klägerin dienstlich an, den Abgabenbescheid für Frau F in deren Sinn abzuändern. In dem Schreiben vom 02.07.2003 wurden ausdrücklich arbeitsrechtliche Sanktionen angekündigt für den Fall, dass die Klägerin sich weigere, dieser Anordnung nachzukommen. Mit vorliegender, am 16.07.2003 bei Gericht eingegangener Klage wendet sich die Klägerin gegen die dienstliche Anweisung der Beklagten vom 03.04. und 02.07.2003. Sie vertritt die Auffassung, diese Anordnung sei rechtswidrig. Der Antrag der Frau F auf Absetzung von Gebühren für  Pflanzenspritzungen sei nicht bis zum 15. Januar des folgenden Jahres gestellt worden, wie dies § 21 Abs. 5 der Satzung fordere. Durch die Erteilung eines in der Sache falschen Bescheides drohe eine Selbstbindung der Verwaltung. Dies bedeute, dass in vergleichbaren Fällen u.U. ebenfalls falsche Bescheide erlassen werden müssten. Wenn sie ihren Bescheid nun ändern müsse, leide ihr Ansehen und auch das der Beklagten. Der Bürgermeister der Beklagten habe gegenüber seinen Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht, die es verbiete, rechtswidrige Arbeitsanweisungen zu erteilen. Seine Anordnung sei im zu entscheidenden Fall willkürlich.   

Die Klägerin beantragt daher zuletzt (Bl. 53 d.A.), festzustellen,  dass sie nicht verpflichtet ist, den Anordnungen der Beklagten vom 03.04.2003 und 02.07.2003 zum Erlass eines Änderungsbescheides im Falle F zur Buchungsnummer 2456 - 11715 Folge zu leisten. 

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 

Sie verweist auf § 8 Abs. 2 BAT, wonach die Klägerin dienstlichen Anweisungen Folge zu leisten habe. Die Verantwortung für die dienstliche Anordnung treffe nach dieser Tarifvorschrift denjenigen, der sie gegeben habe, vorliegend also den Bürgermeister der Beklagten. Nur wenn Anordnungen für den Angestellten erkennbar den Strafgesetzen zuwider laufen würden, müsse der Angestellte sie nicht befolgen. Davon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein. Die Anordnung des Bürgermeisters der Beklagten sei im Übrigen aber auch in der Sache gerechtfertigt. Frau F habe hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie ihren Antrag auf Absetzung von Gebühren für Pflanzenspritzungen am 05.01.2003 in der Telefonzentrale der Beklagten abgegeben habe. Dort seien zu der fraglichen Zeit Umbaumaßnahmen vorgenommen worden, so dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Antrag der Frau F in der Verwaltung verloren gegangen sei.

Wegen aller Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im Übrigen wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, auf die Sitzungsprotokolle, sowie auf die zu den Akten gereichten Schriftstücke Bezug genommen. 

 

 Entscheidungsgründe

 Die Klage der Klägerin ist zulässig. Insbesondere liegt das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Unter den Begriff „Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses“ fällt nicht nur das Bestehen eines Rechtsverhältnisses als Ganzes, sondern auch einzelne Folgen solcher Rechtsbeziehungen z.B. ein einzelner Anspruch oder die Wirksamkeit eines ausgeübten Gestaltungsrechts (so Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl. 1998, Rd. Nr. 7 zu § 256 ZPO). b) An der Feststellung des Inhalts der zu erbringenden Arbeitsleistung besteht bei entsprechendem Streit der Parteien regelmäßig ein Interesse i.S. des § 256 ZPO (so BAG, Urteil vom 30.08.1995 - 1 AZR 47/95 - AP Nr. 44 zu § 611 BGB „Direktionsrecht“, m.w.N.).

Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, ob sie verpflichtet ist, den Gebührenbescheid für Frau F entsprechend der Anweisung der Beklagten zu ändern. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Beklagte für den Fall der Weigerung bereits arbeitsrechtliche Konsequenzen angekündigt hat. Die Klage der Klägerin ist nicht begründet. Die Klägerin ist verpflichtet, der Anweisung der Beklagten nachzukommen. Dies ergibt sich aus § 8 Abs. 2 BAT. Diese Vorschrift findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung, weil in § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 01.04.1969 die Geltung des BAT in seiner jeweils geltenden Fassung zwischen den Parteien als Vertragsrecht vereinbart worden ist. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BAT ist der Angestellte verpflichtet, den dienstlichen Anordnungen nachzukommen. Damit der Angestellte insoweit nicht in Konflikte geraten kann, bestimmt Satz 2 dieser Vorschrift, dass beim Vollzug einer dienstlichen Anordnung die Verantwortung denjenigen trifft, der die Anordnung gegeben hat. § 8 Abs. 2 Satz 3 BAT schließlich bestimmt, dass der Angestellte Anordnungen deren Ausführungen - ihm erkennbar - den Strafgesetzen zuwider laufen würden, nicht zu befolgen hat. Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 BAT schließt es aus, dass die Gerichte für Arbeitssachen dienstliche Anordnungen daraufhin zu überprüfen hätten, dass sie billigem Ermessen entsprechen (§ 315 BGB). Dies wäre in der Praxis auch überhaupt nicht durchführbar. Denn jeder Angestellte könnte sich gegen einzelne Dienstanweisungen des Arbeitgebers auf den verschiedensten Sachgebieten wenden.

Die Gerichte für Arbeitssachen hätten damit eine Art „Superkompetenz“ auf sämtlichen Rechtsgebieten. Selbst wenn man davon ausgeht, die dienstliche Anweisung müsse gemäß § 315 BGB billigem Ermessen standhalten, ändert sich nichts am Ergebnis. Die Klägerin verkennt, dass sie auch als Sachbearbeiterin den dienstlichen Anweisungen ihrer Arbeitgeberin zu folgen hat. Sie ist nicht frei in ihren Entscheidungen, sondern weisungsgebunden. Wenn der Dienstvorgesetzte die Auffassung vertritt, es sei nicht ausgeschlossen, dass ein Antrag rechtzeitig bei der Verwaltung eingegangen ist, kann die Klägerin diese Ansicht nicht durch ihre eigene Ansicht, dies sei nicht der Fall, ersetzen. Die im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.10.2003 geäußerte Ansicht, der Bürgermeister der Beklagten sei ihr gegenüber überhaupt nicht weisungsbefugt, weil sie bei dem Eigenbetrieb „Abwasserwerk“ beschäftigt sei, hat sich dadurch erledigt, das in dem Termin zur streitigen Verhandlung vom 21.11.2003 unstreitig gestellt worden ist, dass Arbeitgeberin der Klägerin nicht der Eigenbetrieb, sondern die Verbandsgemeinde C ist. Die Klage der Klägerin vermochte nach alledem keinen Erfolg zu haben. Sie musste abgewiesen werden.  



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