Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Urteil vom - Az: L 2 EG 3/21
Keine Bonus-Monate beim Elterngeld wegen Bereitschaftsdienst
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. September 2021 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine höhere endgültige Festsetzung des Elterngeldes Plus nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) unter Nichtanrechnung ihrer Bereitschaftszeiten als angestellte Klinikärztin und wendet sich gegen eine Erstattung der vorläufigen Leistungen auf das Elterngeld Plus i.H.v. 1215,68 Euro.
Die Klägerin beantragte für sich im April 2016 nach der Geburt ihres dritten Kindes am 14. März 2016 Elterngeld für den 1. bis 11. Lebensmonat. Mit Bescheid vom 15. April 2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 14. März 2016 bis zum 13. Februar 2017 Basiselterngeld i.H.v. 1752,98 Euro für jeden Lebensmonat des Kindes (für die Zeit vom 14. März bis 13. Mai 2016 unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes: 0 Euro für den ersten bzw. 233,72 Euro für den zweiten Lebensmonat). Die Zahlung des Elterngeldes erging unter dem Vorbehalt des Widerrufes, weil der Steuerbescheid für die Klägerin oder eine andere berechtigte Person noch nicht vorliege und noch nicht sicher angegeben werden könne, ob die Einkommensgrenze überschritten werde. Der Ehemann der Klägerin nahm ab dem 12. bis zum 14. Lebensmonat des Kindes Elternzeit und bezog für diesen Zeitraum ebenfalls Elterngeld.
Am 1. Juni 2017 beantragte die Klägerin die Partnerschaftsbonusmonate für den Zeitraum 14. Mai bis 13. September 2017 (15. bis 18. Lebensmonat des Kindes). Sie übe eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 25 Stunden wöchentlich aus. Hierzu legte sie einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vor, wonach sie in dem genannten Zeitraum mit 62,5 % teilzeitbeschäftigt werde. Dies entspreche zurzeit 25 Stunden in der Woche der regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit. Weiter führte der Änderungsvertrag aus, dass die Klägerin sich im Rahmen begründeter dienstlicher oder betrieblicher Notwendigkeiten zur Leistung von Mehrstunden, Überstunden, Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaftsdiensten verpflichte. Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit erfolge nach Dienstplan.
Die Beklagte prüfte in diesem Zusammenhang die bisherige Bewilligung und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 19. Juni 2017 mit, dass sie im Zeitraum 14. März 2016 bis 13. Februar 2017 Elterngeld in Höhe von insgesamt 282,58 Euro zu Unrecht erhalten habe. Im Bemessungszeitraum sei ein falsches Einkommen zugrunde gelegt worden (beispielsweise sei das Einkommen im Januar 2015 inklusive der Nachzahlungen für den Dezember 2014 berücksichtigt worden). Es bestünde die Möglichkeit, die entstandene Überzahlung mit der Gewährung für die Partnerschaftsbonusmonate zu verrechnen.
Die Klägerin äußerte sich dahingehend, dass das berücksichtigte Einkommen in dem Bescheid vom 18. April 2016 genau dem bescheinigten Lohn entspreche. Sie habe nicht erkennen können, dass die Beklagte ein falsches Einkommen zugrunde gelegt habe.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2017 änderte die Beklagte die Bewilligung für den Zeitraum 14. März 2016 bis 13. Februar 2017 ab und gewährte für jeden Lebensmonat des Kindes noch 1722,04 Euro. Für den Zeitraum 14. Mai bis 13. September 2017 (Partnerschaftsbonusmonate) gewährte sie der Klägerin für jeden Lebensmonat des Kindes vorläufig 272,98 Euro. Bis zur Tilgung des überzahlten Betrages würden die laufenden Leistungen monatlich um 141,29 Euro einbehalten. Für die endgültige Entscheidung bezüglich der gewährten Partnerschaftsmonate seien nach Ablauf des Elterngeldbezugszeitraumes die monatlichen Einkommensnachweise und ein Nachweis über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit vom Arbeitgeber einzureichen.
Am 25. Juli 2017 widersprach die Klägerin dem Bescheid vom 11. Juli 2017 hinsichtlich der Aufhebung und Erstattung. Mit Bescheid vom 15. Mai 2018 half die Beklagte dem Widerspruch ab und erhöhte zudem das Elterngeld Plus für die Partnerschaftsbonusmonate auf 303,92 Euro je Lebensmonat des Kindes. Das Elterngeld werde bis zu einer endgültigen Entscheidung gemäß § 8 Abs. 3 BEEG vorläufig gezahlt.
Erst auf mehrmalige Anforderung (21. November 2017, 1. Februar und 20. April 2018) zum Nachweis der Einkünfte für die Monate Mai bis September 2017 reichte die Klägerin eine E-Mail der Arbeitgeberin vom 3. Mai 2018 ein, wonach sie im Zeitraum vom 14. Mai bis zum 13. September 2017 eine vertraglich vereinbarte Teilzeitbeschäftigung über 25 Stunden in der Woche ausgeübt und durch Übernahme von Diensten durchschnittlich 29 Stunden pro Woche gearbeitet habe.
Mit Schreiben vom 3. Juli und 10. August 2018 forderte die Beklagte die Klägerin erneut zum Nachweis der Einkünfte aus der nichtselbständigen Erwerbstätigkeit für den Zeitraum Mai bis September 2017 inklusive aller Nachberechnungen sowie Nachweise über den Bezug von Kinderkrankengeld sowie einer vom Arbeitgeber ausgeführten "Anlage 3a" zum Umfang der tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit auf. Hierauf antwortete der Ehemann der Klägerin, dass bereits alle Unterlagen eingereicht worden seien. Die Sache sei endlich zu entscheiden.
Mit Bescheid vom 30. August 2018 setzte die Beklagte das zustehende Elterngeld der Klägerin für den Zeitraum 14. März 2016 bis 13. Februar 2017 auf 1752,98 Euro für jeden Lebensmonat des Kindes fest (für die Zeit vom 14. März bis 13. Mai 2016 unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes). Für den Zeitraum vom 14. Mai bis zum 13. September 2017 gewährte er kein Elterngeld. Die Voraussetzungen für die Gewährung von vier zusätzlichen Monatsbeträgen Elterngeld Plus hätten nicht vorgelegen. Es sei kein aktueller Nachweis über die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit während der Partnerschaftsbonusmonate eingereicht worden. Das Elterngeld werde nunmehr endgültig festgestellt. Die Klägerin habe einen Betrag i.H.v. 1215,68 Euro zu erstatten.
Die Klägerin verwies in ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch auf die E-Mail vom 3. Mai 2018, mit der die Arbeitgeberin die tatsächlich geleistete Arbeitszeit bescheinigt habe.
Die Beklagte forderte die Klägerin daraufhin erneut auf, die Lohnscheine für Mai bis September 2017 inklusive eventueller Nachberechnungen sowie einen Nachweis über die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit zu übersenden. Die Klägerin antwortete, die Beklagte möge auf die Bestätigung vom 3. Mai 2018 vertrauen. Im Krankenhaus gäbe es keine Stundenzettel oder Arbeitszeitnachweise, keine Stechuhr o. ä. Das Kommen und Gehen der Ärzte werde nicht registriert. Daraufhin wandte sich die Beklagte an die Arbeitgeberin der Klägerin und forderte die gewünschten Unterlagen ab. Die Arbeitgeberin übersandte insbesondere ausführliche Stundennachweise. Danach waren im Monat Mai 2017 100 Stunden, im Monat Juni 2017 133 Stunden, im Monat Juli 2017 126 Stunden, im Monat August 2017 136 Stunden und im Monat September 2017 149 Stunden als Arbeitszeit erfasst worden. Hierbei waren auch Stunden erfasst, die als Bereitschaftsdienst gekennzeichnet waren. Ebenso waren in den übersandten Verdienstabrechnungen für die Monate Mai bis September 2017 Entgelte für die Leistung von Bereitschaftsdiensten ausgewiesen.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2019 setzte die Beklagte unter Bezugnahme auf die Bescheide vom 11. Juli 2017 und 15. Mai 2018 das Elterngeld erneut endgültig fest, wobei sie die Höhe gegenüber dem Bescheid vom 30. August 2018 nicht änderte. Unverändert forderte die Beklagte eine Erstattung i.H.v. 1215,68 Euro. Zur Begründung führte sie aus, dass eine endgültige Festsetzung zunächst nach Aktenlage erfolgt sei, weil die erforderlichen Nachweise zur endgültigen Entscheidung nicht vollständig vorgelegt worden seien. Nunmehr seien im Wege der Amtsermittlung die Nachweise von der Arbeitgeberin abgefordert worden. Nach der Prüfung der Arbeitszeitnachweise habe sie feststellen müssen, dass die wöchentlich zulässige Arbeitszeit im Durchschnitt der Lebensmonate des Kindes deutlich überschritten worden sei. Abzustellen sei auf die tatsächlich geleistete Arbeitszeit und nicht darauf, inwiefern die Arbeitszeit dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben oder in Folgemonaten als Mehrarbeit oder als Überstunden ausbezahlt worden sei.
Auch dem widersprach die Klägerin. Der Bereitschaftsdienst sei nicht mit einer Arbeitszeit gleichzusetzen. Die vorliegenden Urteile zur Bewertung der Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit beträfen lediglich den Arbeitsentgeltanspruch bzw. die Schutzvorschriften des Arbeitszeitgesetzes. Diese seien auf das BEEG nicht zu übertragen.
Das Landesverwaltungsamt wies die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 30. August 2018 und 20. Februar 2019 zurück (Widerspruchsbescheid vom 19. August 2019). Das vorläufig gezahlte Elterngeld Plus sei zurückzufordern. In den einzelnen Lebensmonaten des Kindes habe die Klägerin tatsächlich folgende Stunden gearbeitet:
14. Mai bis 13. Juni 2017: 132,48 Stunden (zulässig 110-133 Stunden),
14. Juni bis 13. Juli 2017: 147,36 Stunden (zulässig 107-129 Stunden),
14. Juli bis 13. August 2017: 170,54 Stunden (zulässig 110-133 Stunden),
14. August bis 13. September 2017: 156,48 Stunden (zulässig 110-133 Stunden).
Danach sei die maximal zulässige Arbeitszeit von 30 Wochenstunden im 16., 17. und 18. Lebensmonat überschritten worden. Selbst die Auswertung der in den Arbeitszeitnachweisen als IST-Stunden geführten Arbeitszeit ergebe eine Überschreitung im 17. und 18. Lebensmonat (137 Stunden und 144 Stunden). Deshalb sei die Beklagte gehalten gewesen, die Bewilligung der Partnerschaftsbonusmonate aufzuheben und das hierfür gezahlte Elterngeld zurückzufordern.
Am 6. September 2019 hat die damals noch unvertretene Klägerin beim Sozialgericht Halle (SG) Klage "gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. August 2019" erhoben. Im Rahmen des BEEG könne nicht maßgeblich sein, dass Bereitschaftsdienstzeiten als Arbeitszeit gelten würden. Auch soweit sie hierfür Entgelt bezogen habe, würden diese Zeiten nur als Arbeitszeit gewertet bzw. in eine andere Vergütung als die für tatsächliche Arbeit umgerechnet. Dementsprechend seien die Bereitschaftsdienstzeiten von dem Umfang der aufgezeichneten Stunden abzuziehen. Anhand des Geburtenbuches der Klinik habe sie nachvollzogen, in welchem Umfang sie während des Bereitschaftsdienstes tatsächlich gearbeitet habe. Auf dieser Grundlage ergebe sich im 16., 17. und 18. Lebensmonat eine Erwerbstätigkeit im Umfang von 111, 132 und 132 Stunden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf eine während des Klageverfahrens eingeholte Auskunft der Arbeitgeberin vom 13. November 2020 verwiesen, wonach die Klägerin während des Bereitschaftsdienstes in der Klinik habe anwesend sein müssen. Die Zeit des Bereitschaftsdienstes zähle nach dieser Auskunft als Arbeitszeit unabhängig davon, ob ein Mitarbeiter die ganze Zeit gearbeitet oder Ruhephasen gehabt habe. Die Zeiten des Bereitschaftsdienstes würden entweder auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben oder im Folgemonat pauschal vergütet.
Mit Urteil vom 21. September 2021 hat das SG, dem in der mündlichen Verhandlung formulierten Antrag folgend, "den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2019" aufgehoben, "soweit eine Erstattung der Partnerschaftsbonusmonate i.H.v. 1215,68 Euro geltend gemacht wird". Insoweit sei die Festsetzung des Beklagten rechtswidrig. Nicht als Zeiten der Erwerbstätigkeit seien die Zeiten anzusehen, in denen sich die Klägerin im Bereitschaftsdienst ohne Tätigkeit befunden habe. Dies ergebe sich auch aus der hier noch nicht einschlägigen Regelung des § 4bBEEG. Darin habe der Gesetzgeber das Problem des Bereitschaftsdienstes aufgegriffen. Maßgeblich seien daher nur die wirklich geleisteten Arbeitsstunden.
Gegen das ihr am 29. Oktober 2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. November 2021 Berufung eingelegt. Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass die Bereitschaftszeiten als Zeit der Erwerbstätigkeit zu werten seien und der hierfür geleistete Lohn zu berücksichtigendes Einkommen darstelle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle von 21. September 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es könne nicht sein, dass sie dafür bestraft werde, dass sie ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachgekommen sei. Mit der Berücksichtigung der für die Bereitschaftszeiten erzielten Löhne verstoße das BEEG gegen die Verfassung, insbesondere ihr Recht auf freie Berufsausübung und das allgemeine Benachteiligungsverbot, weil sie als Mutter dreier Kinder die Erwerbstätigkeit und Erziehung vereinbaren müsse. Es könne auch nicht sein, dass ihr Mann ebenfalls Elterngeld zurückzahlen müsse, obwohl er die Stundenobergrenze eingehalten habe. Es stelle sich zudem die Frage, warum das neue Recht nicht auch für Altfälle wie ihren gelte. Hierin liege ein klarer Verstoß gegen die allgemeine Gleichbehandlung. Das Gesetz hätte eine Härtefallregelung enthalten müssen. Sie habe sich dem Bereitschaftsdienst nicht entziehen können. Für das ärztliche Personal in Krankenhäusern seien derartige Dienste üblicher Bestandteil des Arbeitslebens. Sie könnten bei Berücksichtigung der Bereitschaftsdienste nicht von den Möglichkeiten zur Teilzeittätigkeit profitieren. Im Übrigen sei eine reine Bereitschaft zur Erbringung der Arbeitsleistung nicht mit einer Erwerbstätigkeit gleichzusetzen.
Der Vorsitzende hat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass auch der Bescheid vom 20. Februar 2019 Gegenstand des Klageverfahrens und des Urteils sei. Die Beteiligten haben daraufhin übereinstimmend erklärt, er solle auch Gegenstand des Berufungsverfahrens sein.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Gründe
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.
1. Gegenstand des Verfahrens ist die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 21. September 2021. Mit diesem Urteil hat das SG in vollem Umfang dem Begehren der Klägerin entsprochen, die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Entscheidungen dazu zu verurteilen, ihr Elterngeld Plus für die Zeit vom 14. Mai bis zum 13. September 2017 endgültig zu gewähren, und die Erstattungsentscheidung aufzuheben. Gegenstand des Klageverfahrens war bei der nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Auslegung des Klagebegehrens neben dem Bescheid vom 30. August 2018 auch der Bescheid vom 20. Februar 2019, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2019.
Die erstinstanzlich nicht anwaltlich vertretene Klägerin hat zwar in ihrem Antrag, den sie in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellt hat, nur den Bescheid "vom 28. August 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2019" erwähnt. Insoweit ist aber gemäß § 123 SGG auf das erkennbare tatsächliche Klagebegehren abzustellen. Die Klägerin begehrte nicht nur die Aufhebung des Bescheids vom 30. August 2018 (dessen Entwurf in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten das Datum 28. August 2018 trägt), sondern auch die des Bescheids vom 20. Februar 2019. Diesen Bescheid hatte die Beklagte nach erneuter Prüfung des Sachverhalts erlassen. Er stellte deshalb einen sog. Zweitbescheid mit eigener Regelungswirkung dar. Beide Bescheide waren Gegenstand des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2019, welchen die Klägerin in ihrer Klageschrift als Klagegegenstand bezeichnet und den sie bei Klageerhebung eingereicht hat. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin mit der Formulierung ihres Antrags in der mündlichen Verhandlung den Streitstoff begrenzen und den Bescheid vom 20. Februar 2019 bewusst ausklammern wollte.
Das SG hat über das so verstandene Klagebegehren in vollem Umfang entschieden und ihm stattgegeben. Dem steht nicht entgegen, dass der Bescheid vom 20. Februar 2019 im Tenor des Urteils nicht ausdrücklich erwähnt wird. Das SG hat diesen Bescheid gesehen und im Tatbestand seines Urteils erwähnt, und es hat umfassend über den Anspruch der Klägerin auf Elterngeld Plus für die streitgegenständliche Zeit und den darauf bezogenen Erstattungsanspruch des Beklagten entschieden. Wenn das SG im Tenor des Urteils vom "Bescheid des Beklagten vom 28. August 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2019" spricht, ist damit erkennbar der Bescheid vom 30. August 2018 in der Fassung des Bescheids vom 20. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2019 gemeint.
Im Übrigen haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat ausdrücklich mit einer Einbeziehung des Bescheids vom 20. Februar 2019 in das Berufungsverfahren einverstanden erklärt.
2. Die Berufung ist danach gemäß § 143 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ohne Zulassung statthaft. Unabhängig davon, ob die Rückforderung bei Außerachtlassung der Bereitschaftszeiten - worauf das Urteil allein gestützt wird - gänzlich entfallen würde, ist die Beklagte nach dem Tenor der Entscheidung mit der Aufhebung der vollen Rückforderung von 1251,68 Euro beschwert. Ihre Berufung ist auch in zulässiger Weise, insbesondere fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben worden.
3. Die Berufung ist begründet. Die Klage ist im Wesentlichen zulässig, aber unbegründet.
a) Soweit die Klage sich gegen den Bescheid vom 20. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2019 richtet, ist sie als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2, § 56 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Lediglich soweit sie sich darüber hinaus auch gegen den Bescheid vom 30. August 2018 richtet, ist sie unzulässig, weil sich dieser Bescheid durch den nachfolgenden Bescheid vom 20. Februar 2019 erledigt hat. Da hier eine vollständig neue Entscheidung nach erneuter sachlicher Prüfung durch die Beklagte ergangen ist, erfolgte insoweit eine erneute Regelung i.S.d. § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), so dass es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne eines Zweitbescheids handelt. Deshalb war die erste endgültige Leistungsfestsetzung vom 30. August 2018 rechtlich nicht mehr existent und nicht mehr für das Klageverfahren relevant, weil sie durch die zweite Leistungsfestsetzung ersetzt und damit gemäß § 39 Abs. 2 SGB X "auf sonstige Weise erledigt" worden ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 25. April 2018 - B 8 SO 24/16 R - juris Rn. 11).
b) Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Entgegen der Auffassung des SG sind auch die Zeiten der Bereitschaftsdienste der Klägerin im Rahmen der Bestimmung des Umfangs einer anspruchsunschädlichen Teilzeitbeschäftigung zu berücksichtigen. Eine Auslegung, dass nur tatsächliche Vollarbeit zu berücksichtigen wäre, ist weder im Wortlaut des BEEG angelegt, noch mit dem Gesetz vereinbar. Weil sich die endgültige Festsetzung für den Zeitraum 14. Mai bis 13. September 2017 auf "Null" auch im Übrigen als rechtmäßig darstellt, ist die Klägerin zur Rückzahlung verpflichtet.
aa) Rechtsgrundlage der Rückforderung des Elterngeld Plus ist die von der Beklagten mit den Bescheiden vom 11. Juli 2017 und 15. Mai 2018 genutzte Befugnis, das Elterngeld Plus zunächst vorläufig zu bewilligen (§ 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BEEG in der ab 1. Januar 2015 geltenden alten Fassung [a.F.] des Gesetzes zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 18. Dezember 2014, BGBl. I S. 2325) und die danach gemäß § 26 Abs. 2 BEEG, § 328 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) eröffnete Möglichkeit einer endgültigen Entscheidung, wobei vorläufig erbrachte Leistungen auf die zustehende Leistung anzurechnen sind. Falls mit der abschließenden Entscheidung kein oder ein niedrigerer Leistungsanspruch zuerkannt wird, sind die auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen zu erstatten (§ 328Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB III).
bb) Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen des Elterngeldanspruchs gemäß § 1 Satz 1 BEEG. Sie hatte im Bezugszeitraum des Elterngelds ihren Wohnsitz in Deutschland, lebte in einem Haushalt mit dem Kind, welches sie selbst betreute und erzog und übte keine volle Erwerbstätigkeit im Sinne des § 1Abs. 6 BEEG (in der vom 18. September 2012 bis 31. August 2021 geltenden a.F. des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10. September 2012, BGBl. I S. 1878) aus.
cc) Die speziellen Voraussetzungen der Gewährung von Elterngeld Plus waren hingegen nicht erfüllt, weil die Klägerin ihre Erwerbstätigkeit nicht in einem Maß eingeschränkt hatte, dass neben dem Lohn unterstützend Elterngeld Plus zu gewähren war.
Über das hier bereits vollends ausgeschöpfte Basiselterngeld und die Partnermonate hinaus haben beide Elternteile gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 BEEG (in der ab 1. Januar 2015 geltenden a.F. des Gesetzes zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 18. Dezember 2014, BGBl. I S. 2325) Anspruch auf vier weitere Monatsbeträge Elterngeld Plus (Partnerschaftsbonus), wenn sie in vier aufeinander folgenden Lebensmonaten gleichzeitig
1. nicht weniger als 25 und nicht mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats erwerbstätig sind und
2. die Voraussetzungen des § 1 BEEG erfüllen.
Vorliegend ergeben die Aufzeichnungen der Arbeitsstunden der Klägerin, dass sie im 15. bis 18. Lebensmonat des Kindes wie folgt beschäftigt war: im Zeitraum vom 14. Mai bis 13. Juni 2017 132,48 Stunden, vom 14. Juni bis 13. Juli 2017 147,36 Stunden, vom 14. Juli bis 13. August 2017 170,54 Stunden und vom 14. August bis 13. September 2017 156,48 Stunden. Die Obergrenze von 30 Wochenstunden ist danach selbst bei Herausrechnung von Pausenzeiten nicht in vier aufeinander folgenden Monaten eingehalten worden. Der Senat stützt sich insoweit auf die Stundenverzeichnisse (Blatt 141 ff. der Verwaltungsvorgänge) und die Aufstellung der Beklagten in Blatt 150 ff. der Verwaltungsvorgänge. Es liegt keine lediglich marginale Abweichung für einen Monat vor, so dass dahinstehen kann, ob eine solche unschädlich wäre (vgl. insoweit Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. Februar 2022 - L 2 EG 5/21 - juris).
Die gemäß den Aufzeichnungen geleisteten Bereitschaftszeiten (Kürzel: BD) im Zeitraum vom 14. Mai bis 13. Juni 2017 (18,00 Stunden), vom 14. Juni bis 13. Juli 2017 (31 Stunden), vom 14. Juli bis 13. August 2017 (40 Stunden) und vom 14. August bis 13. September 2017 (9 Stunden) sind zu Recht vom Arbeitgeber als Arbeitszeit der Klägerin eingerechnet und vergütet worden. Sie stellen auch im Sinne des § 4 Abs. 4 BEEG a.F. Zeiten der Erwerbstätigkeit dar.
Der Begriff der Erwerbstätigkeit wird im BEEG nicht definiert. Erwerbstätigkeit ist weit zu verstehen als jede auf Erwerbseinkünfte gerichtete Tätigkeit, unabhängig davon, in welchem Rahmen dies geschieht. Es kann sich ebenso um eine abhängige Beschäftigung wie um eine selbstständige Tätigkeit oder eine Tätigkeit im Rahmen eines Beamtenverhältnisses handeln (BSG, Urteil vom 13. Mai 1998 - B 14 EG 2/97 R - juris; Brose in: Weth/Volk/Brose, BEEG, 9. Aufl. 2020, § 1 Rn. 78). Im BEEG werden lediglich einige Besonderheiten u.a. für Ausbildungsverhältnisse geregelt (§ 1 Abs. 6 BEEG). Mit der Erwerbstätigkeit knüpft der Gesetzgeber also an die auf eigener Leistung beruhende Situation an, welche die Lebensstellung des Betroffenen wirtschaftlich prägt. Ein weites Begriffsverständnis ist angezeigt, weil nach den Motiven des Gesetzes die vor der Geburt ausgeübten vollen Erwerbstätigkeiten reduziert oder aufgegeben werden und sich die Eltern vorrangig der Betreuung des Kindes widmen können sollen (vgl. BT-Drs. 16/1889, S. 18) und der Sinn und Zweck des Elterngeldes darin liegt, den wegen der Betreuungsleistung entstehenden Einkommensausfall zum Teil wieder auszugleichen (vgl. BT-Drs. 16/1889, S. 19). In seiner Rechtsprechung führt das BSG aus, dass der Wortlaut "Ausübung einer Erwerbstätigkeit" ein tatsächliches, aktives Verhalten des Anspruchstellers im Sinne einer Ausführung oder Verrichtung nahelege. Bestätigt werde dies durch § 1 Abs. 6 BEEG, wonach das "Nichtübersteigen der Arbeitszeit von 30 Wochenstunden" (nunmehr 32 Wochenstunden) im Sinne der tatsächlichen Verrichtung von Arbeit unterhalb der angegebenen zeitlichen Grenze zu verstehen sei (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 10 EG 7/11 R - juris Rn. 27). Andererseits soll das Merkmal "Tätigkeit" nicht allein ausschlaggebend sein, weil beispielsweise die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub im unverändert fortbestehenden Vollzeitarbeitsverhältnis nicht dazu führe, dass im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BEEG keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Zwar arbeite der Arbeitnehmer während des Erholungsurlaubs tatsächlich nicht. Ausgehend von dem Sinn und Zweck des BEEG, die Zeit für die Betreuung und Erziehung des Kindes sicherzustellen, stelle das BEEG dafür aber nicht den Erholungsurlaub zur Verfügung, sondern den davon zu unterscheidenden Anspruch auf Elternzeit nach § 15 BEEG (siehe BSG, Urteil vom 15. Dezember 2015 - B 10 EG 3/14 R - juris Rn. 15).
Ausgehend vom Sinn und Zweck des Gesetzes sind danach alle im Rahmen des (geänderten) Arbeitsvertrages von der Klägerin geschuldeten und auf die konkrete Direktion des Arbeitsgebers hin ausgeübten Tätigkeiten Erwerbstätigkeiten (und Erwerbstätigkeitszeiten), weil sie zum Zweck des Lebensunterhalts tatsächlich ausgeübt werden, sie arbeitsrechtlich als Arbeitszeit zu werten und zu vergüten sind und in diesem Umfang gerade keine Einschränkung der beruflichen Tätigkeit stattfindet bzw. keine umfassende Betreuung und Erziehung des Kindes durch den Anspruchsberechtigten stattfinden kann.
Hierzu zählen insbesondere die nach dem Änderungsvertrag (weiterhin) geschuldeten und zu vergütenden Bereitschaftsdienste.
Arbeitsrechtlich bedeutet Bereitschaftsdienst Arbeitszeit i.S.d. Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Denn er ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Arbeitnehmer, ohne dass von ihm wache Aufmerksamkeit gefordert wird, für Zwecke des Betriebs an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, damit er erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufnehmen kann (vgl. Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 17. April 2019 - 5 AZR 250/18 - juris; Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 29. April 2021 - 2 C 18.20 - juris). Typischer Bereitschaftsdienst liegt bei Ärzten und beim Pflegepersonal in Krankenhäusern vor, wenn sie sich in eigenen oder ihnen eigens dafür zur Verfügung gestellten Zimmern aufhalten können und nur in besonderen Fällen (z.B. Notoperation) die Arbeit aufnehmen müssen (Roloff in: Erfurter Kommentar, 23. Aufl. 2023, ArbZG, § 2 Rn. 19). Der qualitative Unterschied zwischen aktiver Arbeit und Bereitschaftsdienst rechtfertigt es lediglich, für den Bereitschaftsdienst eine andere Vergütung vorzusehen als für die Vollarbeit (vgl. BAG, Urteil vom 17. Juni 2008 - 6 AZR 505/07 - juris). Weil sich aus der Arbeitgeberbestätigung ergibt, dass die Klägerin die Bereitschaftsdienste in der Klinik auszuführen und bei einem Ruf unverzüglich die Arbeit aufzunehmen hatte, lag darin berücksichtigungspflichtige Arbeitszeit und nicht nur eine nicht als Arbeitszeit geltende Rufbereitschaft, bei der der Arbeitnehmer sich unter relativ freier Ortswahl lediglich auf einen Aufruf zur Arbeitsaufnahme einzurichten hätte. Ein Bereitschaftsdienst ist danach nicht etwa Erholungs- oder Freizeit, sondern vergütungspflichtige Arbeit im Sinne des § 611 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (vgl. st. Rspr. BAG, Urteil vom 17. April 2019 - 5 AZR 250/18 - juris Rn. 21 m.w.N.).
Zudem sind die entgeltlichen Bereitschaftsdienste der Klägerin nach den eingangs geschilderten elterngeldrechtlichen Grundsätzen als Erwerbstätigkeit im Sinne des BEEG anzusehen, weil sie auf Direktive der Arbeitgeberin am Arbeitsplatz ausgeführt wurden und zu vergüten waren. Außerdem fand keine Einschränkung des Arbeitsumfangs zugunsten der Kindesbetreuung während der Bereitschaftsdienste statt, weil wegen der Abwesenheit von den Kindern eben keine vollumfängliche Kindesbetreuung wahrgenommen werden konnte. Schließlich prägen die Bereitschaftsdienste ebenso wie die Vollarbeit das Einkommen der Klägerin mit und sind daher für die Bemessung des Basiselterngeldes am vorgeburtlichen Einkommen mit heranzuziehen gewesen. Weil das BEEG in Bezug auf die Qualifikation einer Tätigkeit nach der Geburt als Erwerbstätigkeit keine abweichenden Maßstäbe aufstellt, sind die Bereitschaftsdienste der Klägerin folglich auch in der Zeit nach der Geburt mitzuzählen.
Dementsprechend stand der Klägerin aufgrund des Gesamtumfangs ihrer Erwerbstätigkeit nach der Geburt kein Elterngeld Plus zu.
Wegen der zunächst vorläufigen Bewilligung wäre es auch unerheblich, wenn die Klägerin beim Erhalt der vorläufigen Leistungen zunächst davon ausgegangen wäre, sie und ihr Ehemann würden die Voraussetzungen für das Elterngeld Plus gemeinsam erfüllen. Bei einer endgültigen Bewilligung auf eine zunächst vorläufige Bewilligung räumt das Gesetz einen solchen Vertrauensschutz von vornherein nicht ein (vgl. Schmitt in: Brose/Weth/Volk, 9. Aufl. 2020, BEEG § 8 Rn. 46). Dies beruht auf der Anwendung der Regelungen in § 26 Abs. 2 BEEG i.V.m. § 328Abs. 3 S. 1 SGB III, die als speziellere Regelung eine Anwendung der Vertrauensschutz vorsehenden §§ 45 ff. SGB X ausschließen. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, in § 328 SGB III bzw. ähnlichen Vorschriften zur endgültigen Bewilligung Vertrauensschutzregelungen entsprechend der §§ 44 ff. SGB X zu erlassen. Hätte er Vertrauensschutzgesichtspunkte berücksichtigen wollen, so hätte er dies angesichts der unterschiedlichen Zielsetzungen von vorläufigen und endgültigen Bewilligungen ausdrücklich regeln müssen. Zudem kann sich die Klägerin auch nicht auf einen Vertrauensschutz hinsichtlich einzelner Berechnungselemente berufen. Nach der vom Senat geteilten ständigen Rechtsprechung des BSG kommt der vorläufigen Entscheidung nach Zweck und Bindungswirkung allein die Funktion zu, eine (Zwischen-)Regelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen. Vorläufig bewilligte Leistungen sind daher als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen, wobei ihre Bewilligung keine Bindungswirkung für die endgültige Leistung entfaltet (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 31/14 R - juris Rn. 23 m.w.N.; ähnlich bereits BSG, Urteil vom 22. August 2013 - B 14 AS 1/13 R - juris Rn. 15). Im Hinblick auf das Elterngeld sind auch keine Teilregelungen im Sinne eigenständiger (beschränkter) Verwaltungsakte denkbar, auf die sich der Vertrauensschutz gründen könnte. Im Rahmen des § 328 SGB III hat die Behörde wegen der Rückforderung zudem kein Ermessen.
Die Klägerin hat danach die vorläufigen Zahlungen auf das Elterngeld Plus in voller Höhe zu erstatten.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Regelung des § 4Abs. 4 Satz 3 BEEG a.F. verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes [GG]) liegt nicht vor. Die Regelung gilt für alle berechtigten Eltern in gleicher Weise und kommt ohnehin nur dann zum Zug, wenn sie die Variante des Elterngeld Plus für sich wählen. Für alle gilt dann auch, dass sie nach dem 14. Lebensmonat für den Bezug von Elterngeld Plus ihre Erwerbstätigkeit nach den Vorgaben des Gesetzes einschränken müssen, wenn sie zur finanziellen Absicherung einer intensiveren eigenen Kinderbetreuung von dem als "Partnerschaftsbonus" gedachten Elterngeld Plus profitieren wollen. Dass die Regelung eine bestimmte Gruppe der Eltern, nämlich angestellte Klinikärzte, von vornherein schlechter stellt, ist nicht zu erkennen. Der Grund für die Verfehlung der Stundenobergrenze liegt nicht in den persönlichen bzw. beruflichen Merkmalen der Klägerin, sondern in der konkreten Vertragsgestaltung bei Abschluss des Änderungsvertrages, der u.a. zu Bereitschaftsdiensten ohne zeitliche Obergrenze verpflichtete. Die Bereitschaftsdienste mögen bei angestelltem medizinischen Personal, insbesondere Ärzten, typisch sein. Gleichwohl hatte die Klägerin es in der Hand, mit ihrem Arbeitgeber ein dem Gesetz entsprechendes Stundenmodell durch niedrigere Bemessung der Vollarbeit und/oder der Bereitschaftszeiten zu formen (vgl. §§ 15 f. BEEG). Allein der Umstand, dass einer vom Arbeitnehmer gewünschten Verringerung der Arbeitszeit im Einzelfall z.B. dringende betriebliche Gründe entgegenstehen können (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG; vgl. z.B. Landesarbeitsgericht [LAG] Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. Juli 2018 - 6 Sa 521/17 - juris), stellt nicht die Stundengrenze als solche in Frage.
Dass der Gesetzgeber verpflichtet gewesen wäre, im Hinblick auf die zeitliche Überschreitung der Erwerbstätigkeit z.B. eine Härtefallregelung oder eine zu der dem seit 1. September 2021 geltenden Regelung in § 4b Abs. 5 BEEG (Unschädlichkeit der Verfehlung der Voraussetzungen für das Elterngeld Plus in einzelnen Lebensmonaten trotz grundsätzlich geeigneter Planung, vgl. Entwurfsbegründung BT-Drs. 19/24438, S. 31) gleichwirkende Regelung zu treffen, ist nicht zu erkennen. Im Bereich des Sozialrechts, zu dem das Elterngeldrecht gehört, hat der Gesetzgeber einen großen Gestaltungsspielraum (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - juris Rn. 54; Beschluss vom 6. Juni 2011 - 1 BvR 2712/09 - juris). Dies gilt umso mehr, als das Elterngeld weder verfassungsrechtlich zwingend geboten ist noch auf Eigenleistungen der Leistungsempfänger beruht. Der Gesetzgeber darf insbesondere im Sozialrecht bei der Ordnung von Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2019 - B 10 EG 6/18 R - juris Rn. 29). Deswegen durfte der Gesetzgeber auch generalisierend festlegen, dass Elterngeld Plus nur bei Einhaltung einer Mindest- und einer Obergrenze der Erwerbstätigkeit durch beide Elternteile zugleich bezogen werden kann.
Die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin (Art. 12 Abs. 1 GG) ist ebenfalls nicht verletzt. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Der Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit ist durch die für das Elterngeld Plus aufgestellten Mindest- und Höchstgrenzen der Erwerbstätigkeit nicht betroffen. Eltern können frei entscheiden, ob sie ihre berufliche Tätigkeit reduzieren wollen, um sich in größerem Maße um die Kinderbetreuung zu kümmern und damit die Voraussetzungen für den Elterngeldbezug zu schaffen. Durch die Gewährung von Elterngeld wird kein mittelbarer Zwang zur Aufnahme oder Fortführung einer Erwerbstätigkeit ausgeübt (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - B 10 EG 1/11 R - juris Rn. 45), ebenso wenig ein mittelbarer Zwang zur Reduzierung oder Aufgabe einer solchen. Doch selbst wenn man wegen der mit § 4 Abs. 4 Satz 3 BEEG a.F. verbundenen Anreizfunktion von einem Eingriff in die Berufsfreiheit ausgehen wollte, wäre dieser gerechtfertigt. Die Regelung dient dem legitimen Zweck, einen Anreiz zur Kinderbetreuung zu schaffen und gleichzeitig die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Beruf zu erhöhen. Die im Gesetz vorgesehenen zeitlichen Unter- und Obergrenzen für die Erwerbstätigkeit sind geeignet, erforderlich und aus den im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG dargelegten Gründen auch angemessen, um diesen Zweck zu erreichen.
Auch andere Grundrechte sind nicht verletzt. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) ist nicht betroffen, weil das Elterngeld keine existenzsichernde Funktion hat. Die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht einschlägig, weil es nicht auf Eigenleistungen der Leistungsberechtigten beruht. Schließlich ergibt sich aus dem Grundrecht auf Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) weder eine Verpflichtung, jegliche die Familie treffenden finanziellen Belastungen auszugleichen, noch erwachsen daraus konkrete Ansprüche auf staatliche Leistungen (BSG, Urteil vom 4. September 2013 - B 10 EG 6/12 R - juris Rn. 62).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
5. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.