Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Urteil vom - Az: 5 Sa 210/17

Kein Zurückbehaltungsrecht an Arbeitsleistung bei fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers

1. Dem Arbeitnehmer steht kein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung aufgrund von Lohnrückständen zu, wenn er nach Beilegung eines Kündigungsrechtsstreits an der Nachberechnung der Lohnansprüche nicht mitwirkt.
(Leitsatz des Gerichts)

(2.) Durch die Begründung eines Arbeitsverhältnisses verpflichtet sich der Arbeitnehmer, die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen. Als Gegenleistung hierzu verpflichtet sich der Arbeitgeber zur Gewährung einer Vergütung. Erfüllt eine der Vertragsparteien die vereinbarte Leistung nicht, so steht diesem ein Zurückbehaltungsrecht zu und kann die ihm obliegende Leistung so lange verweigern bis sein Gegenüber seine Leistungspflicht bewirkt hat.

(3.) Zur rechtmäßigen Ausübung des Zurückbehaltungsrechts muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber offen darlegen, wieso dieser sich auf die Zurückbehaltung seiner Arbeitsleistung beruft. Nur so kann dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Überprüfung oder zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs gegeben werden. Bei fehlender Mitwirkungshandlung des Arbeitnehmers - beispielsweise die Beilegung etwaiger Unterlagen, die für den Rechtsstreit entscheidend sind - ist die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nicht zulässig.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund – Kammern Neubrandenburg - vom 06.07.2017 – Aktenzeichen 12 Ca 286/15 – wird dieses abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 2.726,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2014 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 70 Prozent und das beklagte Land zu 30 Prozent.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über ausstehende Lohnansprüche.

Der Kläger war seit September 2009 in der Europäischen Gesamtschule Insel U. als Mathematiklehrer beschäftigt.

Die monatliche Vergütung betrug ab August 2013 brutto 3.109,46 Euro.

Unter dem 23.10.2012 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis; darüber hinaus wurde der Kläger mit Schreiben vom 24.10.2012 unter Fortzahlung der Bezüge vom Dienst suspendiert.

Es erfolgten Lohnzahlungen bis einschließlich Oktober 2012.

In dem vom Kläger vor dem Arbeitsgericht Stralsund –Kammern Neubrandenburg- geführten Kündigungsschutzverfahren fanden gerichtliche und außergerichtliche Vergleichsverhandlung zum Beenden des Arbeitsverhältnisses statt.

Mit Schriftsatz vom 19. August 2013 übersandte der Klägervertreter ein Angebot für einen Auflösungsvertrag zum 31. Dezember 2013.

Mit Schreiben vom 29. August 2013 teilte das beklagte Land mit, dass es der Vertragsauflösung zum 31. Dezember 2013 zustimmt und der Kläger umgehend seinen Dienst in der Europäischen Gesamtschule Insel U. in A. antreten solle und sich zu diesem Zweck mit der Schule in Verbindung setzen solle.

Mit Schreiben vom 08.10.2013 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers das beklagte Land auf, die gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe zurückzunehmen; davon würde der Kläger seine Aufnahme von der Unterrichtstätigkeit abhängig machen. Des Weiteren wies der Kläger darauf hin, dass die Vergütungsansprüche für die im Jahr 2012 geleistete Unterrichtstätigkeit erst mit großer Verspätung bezahlt worden seien und bisher keine Anrechnung, geschweige denn eine Auszahlung der unter Verzugsgesichtspunkten angefallen Vergütungsansprüche für den Zeitraum bis einschließlich 30.09.2013 vorliege. Insoweit übe der Kläger ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich seiner Arbeitskraft aus.

Zwischenzeitlich teilte das beklagte Land dem Kläger mit, dass dieser nunmehr nicht an der Gesamtschule Insel U. eingesetzt werden solle, sondern stattdessen in S. seinen Dienst verrichten soll.

Unter dem 9. Oktober 2013 schrieb das Staatliche Schulamt an den Prozessbevollmächtigten:

 „In oben genannter Angelegenheit gehe ich davon aus, dass Ihr Mandant seinen Arbeitsantritt spätestens seit dem 9. Oktober 2013 zu Unrecht verweigert. Ein Zurückbehaltungsrecht seiner Arbeitskraft steht ihm unter keinem Gesichtspunkt zu. Sofern Vergütungsansprüche hier angeblich nicht geleistet worden sind, bitte ich Sie, diese zu beziffern. Sodann erfolgt eine Prüfung und im Schuldensfall selbstverständlich die Auszahlung.

Weiterhin weise ich darauf hin, dass der Einsatz einer Lehrkraft nicht nur im Unterricht stattfinden kann, sondern sich auch auf den sonstigen Schuldienst bezieht. Die Aufnahme der von Herrn A. in unserem bestehenden Arbeitsverhältnis geschuldeten Arbeit ist nicht abhängig von der Rückgängigmachung irgendwelcher Aussagen oder von erhobenen Vorwürfen in einem Prozess, in dem es um die fristlose Kündigung Ihres Mandanten ging.

Ich erwarte den umgehenden Arbeitsantritt Ihres Mandanten und teile Ihnen mit, dass aufgrund der Verweigerung Ihres Mandanten, die geschuldete Tätigkeit anzutreten, ab dem 9. Oktober 2013 die Lohn- oder Gehaltsfortzahlung eingestellt wird.

Ich gehe davon aus, dass sich Ihr Mandant bereits in einem neuen Arbeitsverhältnis befindet und mithin weder Willens noch in der Lage ist, seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Land Mecklenburg-Vorpommern zu erfüllen.“

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2013 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit:

 „[…]

Nachdem Herr A. nicht bereit ist, den Schuldienst im Sinne von Unterrichtstätigkeit wieder aufzunehmen, solange die Vorwürfe, insbesondere der der angeblichen Bedrohung von Schülern nicht zurückgenommen werden, ist diesbezüglich eine unverzügliche Abklärung notwendig.

Außerdem wird um Abrechnung und Auszahlung der Vergütungsansprüche, jedenfalls bis einschließlich 30.09.2013, bis spätestens Ende Oktober 2013 ersucht.“

Mit Schreiben vom 05.11.2013 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit:

 „[…]

Nach Rücksprache mit dem Mandanten teilen wir Ihnen mit, dass dieser nicht bereit und aus finanziellen Gründen auch nicht in der Lage ist, den Dienstort aufzusuchen und seiner Dienstpflicht nachzukommen. Zur Begründung verweisen wird darauf, dass aufgrund des Zahlungsverzugs von Seiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern die verfügbaren Geldmittel vollständig aufgebraucht sind und die Kosten für die Anreise und die Unterkunft nicht vorfinanziert werden können.

In rechtlicher Hinsicht macht Herr A. von dem ihm zustehenden gesetzlichen Zurückbehaltungsrecht Gebrauch, solange und soweit die Zahlungsrückstände nicht ausgeglichen sind. Nach Eingang der entsprechenden Überweisungen auf seinem Konto wird er sich unverzüglich auf den Weg zum Einsatzort machen.

 […]“

Das Staatliche Schulamt G. teilte mit Schreiben vom 8. November 2013 mit, dass ein Zurückbehaltungsrecht nicht bestünde. Finanzielle Schwierigkeiten des Mandanten würden das behauptete Zurückbehaltungsrecht jedenfalls nicht begründen.

Mit Schreiben vom 13. November 2013 informierte das Staatliche Schulamt den Prozessbevollmächtigten des Klägers darüber, dass die Abrechnung der Vergütungsansprüche des Klägers bis inklusive Monat September 2013 dem Landesbesoldungsamt gemeldet worden seien und dieses mitgeteilt habe, dass eine Auszahlung erst möglich sei, wenn eine Prüfung der Anrechnung eventueller Zwischenverdienste erfolgt sei. Somit sei vom Landesbesoldungsamt abzuklären, ob Arbeitslosengeld gezahlt worden sei oder anderweitige Einkünfte erzielt worden seien. Für Zeiträume ohne Einkommen müsse eine eidesstattliche Erklärung vorgelegt werden.

Mit Schreiben vom 20.11.2013 wandte sich der Kläger an das Landesbesoldungsamt und teilte mit, für den Monat April und Mai 2013 einen Bruttolohn von jeweils 4.500,00 Euro erhalten zu haben. Arbeitslosengeld sei nicht geflossen.

Mit E-Mail vom 27.11.2013 teilte das Landesbesoldungsamt Mecklenburg-Vorpommern mit, dass Angaben zur gesetzlichen Krankenkasse benötigt würden sowie Angaben zur aktuellen Steuerklasse und eine Erklärung darüber, dass kein anderweitiger Verdienst in den verbleibenden Zeiträumen erzielt worden sei.

Nach Erhalt des ausstehenden Lohnes im Monat Dezember fand am 13.12.2013 eine Besprechung zwischen dem Kläger und der Schulleiterin statt. Der Kläger hat sich an diesem Tag gegen 07:15 Uhr in der Schule eingefunden. In der darauffolgenden Woche war der Kläger täglich ab zirka 07:30 Uhr in der Schule, wo er auch unterrichtete.

Mit der bei dem Arbeitsgericht Stralsund –Kammern Neubrandenburg- am 15. Juli 2015 eingegangenen Klage begehrt der Kläger Verurteilung zur Zahlung eines Betrages von 9.328,38 Euro. Dieses entspricht dem Betrag von 3 Bruttomonatsgehältern.

Am 06.07.2017 verkündete das Arbeitsgericht Stralsund –Kammern Neubrandenburg- ein Urteil, mit welchem das beklagte Land verurteilt wurde, an den Kläger 1.837,41 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2014 zu zahlen. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Das Urteil ist dem Kläger unter dem 13.11.2017 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 24.11.2017, welcher am selben Tag bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern einging, legte der Kläger Berufung gegen dieses Urteil ein.

Der Kläger meint, ihm stünden die Gehaltsansprüche für die Monate Oktober bis Dezember 2013 zu, da er zu Recht von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht habe. Er sei aus finanziellen Gründen nicht in der Lage gewesen, die Kosten für eine Anreise und Unterkunft in Mecklenburg-Vorpommern vorzufinanzieren. Der Kläger sei grundsätzlich bereit gewesen, die geschuldete Arbeitsleistung im letzten Quartal 2013 zu erbringen. Die geschuldeten Zahlungen seien über Monate hinweg verzögert worden, was als bewusste Vertragsverletzung auf Arbeitgeberseite zu bewerten sei. Es hätte ausgereicht, wenn Abschlagszahlungen in angemessener Höhe an den Kläger geleistet worden wären. Die Lohnansprüche des Klägers seien fällig gewesen. Die Zahlungen seien auch nicht unmittelbar vom Land veranlasst worden. Das Landesbesoldungsamt habe erst Ende November 2013 auf Grund eines Anrufs des Klägers hiervon Kenntnis erhalten. Dass aus dem Schreiben vom 09.10.2013 unter Aufforderung, die Vergütungsansprüche zu beziffern eine Geltendmachung des dem Arbeitgeber zustehenden Auskunftsanspruchs im Zusammenhang mit § 11 KSchG liegen solle, sei aus Sicht des Klägers nicht ersichtlich. Auch seien die Zahlungen an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder nicht erfolgt. Bei einem Zahlungsrückstand in Höhe von 16.506,55 Euro netto könne nicht von einem verhältnismäßig geringfügigen Lohnanspruch ausgegangen werden.

Der Kläger habe die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit unter anderem von der Rücknahme erhobener Vorwürfe abhängig gemacht, da es sich hier um schwere Anschuldigungen gehandelt habe. Der Kläger hätte dem Vergleich niemals zugestimmt, wenn er gewusst hätte, dass eine Aufhebung der Suspendierung so ohne weiteres möglich sei. Auch nach Zahlungseingang kurz vor Mitte Dezember 2013 habe sich der Kläger nicht zur Arbeitsaufnahme in S. veranlasst gesehen, da die im Vorprozess erhobenen Vorwürfe gegen ihn nach wie vor im Raum gestanden haben und er mit der Wiederholung entsprechende Anschuldigungen bei der Wiederaufnahme der Unterrichtstätigkeit haben rechnen müssen.

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land Mecklenburg-Vorpommern wird unter Abänderung des Urteils vom 06.07.2017 verurteilt, an den Kläger über die zugesprochenen 1.837,41 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.04.2014 hinaus weitere 7.490,97 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2014 zu bezahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land meint, dem Kläger habe ein Zurückbehaltungsrecht nicht zugestanden. Der Kläger habe nach Aufhebung der Suspendierung keinerlei Arbeitsleistung für das beklagte Land erbracht. Der Kläger sei auch nicht bereit gewesen, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die von dem Kläger geforderte Entschuldigung bezüglich der erhobenen Vorwürfe vermöge ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu begründen. Das beklagte Land habe unmittelbar nach Abschluss des Vergleiches die Zahlung an den Kläger veranlasst. Auf Bearbeitungszeiten im Landesbesoldungsamt habe das Staatliche Schulamt keinerlei Einfluss. Die von dem Klägervertreter angedachte Abschlagszahlung sei vom Kläger zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Land Mecklenburg-Vorpommern gewünscht gewesen. Die erforderlichen Unterlagen für eine Gehaltszahlung seien von dem Kläger erst Ende November 2013 an das Landesbesoldungsamt gesendet worden. Die Bewältigung des Arbeitsweges sei ausschließlich Angelegenheit des Arbeitnehmers. Auch habe das beklagte Land im Rahmen der Korrespondenzen mehrfach erklärt, die anfallenden Nachzahlungen umgehend zu veranlassen. So beuge sich das beklagte Land regelmäßig auch bei Feststellungsurteilen mit Hinblick auf daraus resultierenden Zahlungsansprüchen. Zudem bestünde kein Insolvenzrisiko bei dem beklagten Land, da es nicht insolvenzfähig sei. Bereits aus der Zustimmung des beklagten Landes zu einem Aufhebungsvertrag, welcher erst für die Zukunft wirken würde und dem langen Zeitraum zwischen der ursprünglichen Kündigung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei erkennbar, dass das beklagte Land an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt habe. Hieraus folge, dass angebliche Vorwürfe keine Rolle mehr spielen konnten. Ein Leistungsverweigerungsrecht des Klägers könne sich nur hinsichtlich der Unzumutbarkeit nur aus besonderen, insbesondere nachträglich eingetretenen Umständen ergeben, für die der Arbeitnehmer darlegungspflichtig sei. Derartige Umstände seien nicht ausgeführt.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft.

Sie ist im Sinne der §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig.

II.

Die Berufung ist teilweise begründet.

III.

1.

Der Kläger hat gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.726,69 Euro brutto gemäß § 611 BGB.

Gemäß § 611 Abs. 1 BGB ist derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

Aufgrund vertraglicher Vereinbarung steht dem Kläger ein durchschnittlicher Bruttomonatslohn in Höhe von 3.100,46 Euro zu.

a)

Der Kläger hat unstreitig seit dem 13. Dezember 2013 bis zum Ende des Jahres für das beklagte Land gearbeitet, indem er in der Schule in S., welche ihm das beklagte Land zugewiesen hat, seine vertraglich vereinbarten Tätigkeiten als Lehrer ausgeübt hat.

Demnach hat der Kläger einen Anspruch auf Vergütung gemäß § 611 Abs. 1 BGB für den Zeitraum 13. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2013. Ausgehend von einer Fünf-Tage-Woche lagen in diesem Zeitraum neun Arbeitstage, welche vergütungspflichtig sind sowie vier Feiertage, welche gemäß § 2 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz, wonach der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen hat, für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Ausgehend von einem Bruttomonatslohn von 3.109,46 Euro wurde der Lohnanspruch pro Werktag wie folgt berechnet: 3.109,46 Euro x 3, was 9.328,38 Euro ergibt. Dieser Wert wurde geteilt durch 65 Arbeitstage, woraus sich ein Tagessatz in Höhe von 143,51 Euro ergibt. Demnach hat der Kläger für den Monat Dezember 2013 einen Anspruch in Höhe von 1.865,63 Euro brutto gegen das beklagte Land.

b)

Darüber hinaus hat der Kläger einen Anspruch gegenüber dem beklagten Land in Höhe von weiteren 861,06 Euro brutto für den Zeitraum 1. Oktober 2013 bis 8. Oktober 2013 gemäß § 611 BGB. Der Kläger hat für den Zeitraum 1. Oktober 2013 bis 8. Oktober 2013 wirksam ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt. Dem Kläger stand für diesen Zeitraum ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Dem Arbeitnehmer steht nach § 273 BGB ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung zu, wenn der Arbeitgeber seine Lohnzahlungspflicht nicht erfüllt. Das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung muss gemäß § 242 BGB unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben ausgeübt werden. Dem Kläger stand für den Zeitraum 1. Oktober 2013 bis 8. Oktober 2013 ein Leistungsverweigerungsrecht infolge unbilliger Weisung seitens des beklagten Landes zu. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 Gewerbeordnung, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 106 Gewerbeordnung, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt (BAG Urteil vom 18.10.2017 – Aktenzeichen 10 AZR 330/16).

Auf Grund der mit Ausspruch der fristlosen Kündigung erhobenen Vorwürfe, welche sich auf das Verhalten des Klägers als Lehrer im Rahmen des Schulbetriebs bezogen haben, war dem Kläger nicht zuzumuten, nach Abschluss des Aufhebungsvertrages seinen Dienst an seiner Ursprungsschule, auf welche sich die Vorwürfe bezogen, auszuüben. Erst nach Zuweisung einer anderen Schule als Leistungsort hat das beklagte Land sein Direktionsrecht im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben angemessen ausgeübt. Der unbilligen Weisung, an seiner ursprünglichen Schule wieder den Dienst zu verrichten, musste der Kläger insoweit keine Folge leisten (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.10.2017 – Aktenzeichen 10 AZR 330/16). Insoweit stand ihm ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Hiervon geht auch das beklagte Land aus. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2013 hat das Staatliche Schulamt des beklagten Landes mitgeteilt, dass es davon ausgeht, dass der Kläger spätestens seit dem 9. Oktober 2013 zu Unrecht seiner Arbeitsleistung verweigert und hat auch angekündigt, erst ab dem 9. Oktober 2013 die Lohn- oder Gehaltsfortzahlung einzustellen.

2.

Der Kläger hat darüber hinaus keine weiteren Ansprüche auf Lohnzahlung. Insoweit war die Klage abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Lohn für den Zeitraum 9. Oktober 2013 bis zum 12. Dezember 2013. Der Kläger hat in diesem Zeitraum keine Arbeitsleistung erbracht. Zahlungsansprüche ergeben sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines ausgeübten Zurückbehaltungsrechts. Übt der Arbeitnehmer rechtmäßig ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung aus, schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gemäß § 615, § 298 BGB die Vergütung trotz Nichtleistung der Arbeit aus Annahmeverzug. Dem Kläger stand kein Zurückbehaltungsrecht zu. Nach § 273 BGB hat der Schuldner das Recht, seine Leistung zu verweigern, bis sein Gläubiger die ihm obliegende und fällige Leistung erbracht hat. Dem Arbeitnehmer kann somit ein Recht zustehen, die Arbeitsleistung zurückzuhalten, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt. So liegt es beispielsweise, wenn der Arbeitgeber oder einer seiner Repräsentanten die Gesund des Arbeitnehmers oder dessen Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts steht aber unter dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB und unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht möglich auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung wahrnehmen. Nur so wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und gegebenenfalls zu erfüllen (BAG Urteil vom 19.01.2016 – Aktenzeichen 2 AZR 449/15 -, Rn. 52). Demnach kann ein Arbeitnehmer auch das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung ausüben, wenn er einen fälligen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber erworben hat und der Arbeitgeber diesen nicht erfüllt (BAG a. a. O., Rn. 54).

a)

Soweit der Kläger sein Zurückbehaltungsrecht nach Zuweisung einer anderen Schule gegenüber dem beklagten Land darauf gestützt hat, das beklagte Land möge zuvor ausdrücklich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurücknehmen, stand dem Kläger ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu.

Bereits mit Aufhebung der Suspendierung hat das beklagte Land zuerkennen gegeben, dass es an den Vorwürfen insoweit nicht mehr festhält, als dass es davon ausgeht, der Kläger könne weiterhin an einer staatlichen Schule des beklagten Landes unterrichten. Bereits in der Aufhebung der Suspendierung liegt insoweit die Rücknahme von behaupteten Vorwürfen, welche das beklagte Land zunächst veranlasst hatten, gegenüber dem Kläger eine fristlose Kündigung auszusprechen und damit ursprünglich davon getragen waren, dass das beklagte Land davon ausgehen kann, der Kläger könne nicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter in dem Schuldienst akzeptiert werden. Darüber hinaus hat das beklagte Land dem Kläger eine andere Schule zugewiesen. Insoweit sah sich der Kläger auch nicht mehr den konkret in der Schule erhobenen Vorwürfen ausgesetzt.

b)

Dem Kläger stand auch unter Berufung auf den ausstehenden Lohn kein Zurückbehaltungsrecht zur Seite.

Zwar waren die Lohnansprüche nicht geringfügig, jedoch hatte der Kläger selbst mit Schreiben vom 15.10.2013 gegenüber dem Staatlichen Schulamt formuliert: „Außerdem wird um Abrechnung und Auszahlung der Vergütungsansprüche jedenfalls bis einschließlich 30.09.2013 bis spätestens Ende Oktober 2013 ersucht.“ Insoweit hat der Kläger dem beklagten Land eine Frist gesetzt, vor deren Ablauf er nicht zur Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts befugt gewesen ist, da dem Land vor Ablauf der Frist die Möglichkeit genommen wäre, die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche zu erfüllen, bevor dieser sein Zurückbehaltungsrecht ausüben würde.

Dem Kläger steht darüber hinaus jedoch auch kein Zurückbehaltungsrecht für den Zeitraum November bis 12. Dezember 2013 zur Seite. Das beklagte Land hat versucht, die Ansprüche gegenüber dem Kläger zu erfüllen. Jedoch fehlte es an notwendigen Mitwirkungshandlungen des Klägers. Dass das beklagte Land keine Auszahlung gegenüber dem Kläger vornimmt, sofern bei dem beklagten Land Unklarheit darüber herrscht, inwieweit auf Grund sozialrechtlicher Vorschriften Ansprüche auf Dritte übergegangen sind, musste dem Kläger -zumal anwaltlich vertreten- bekannt gewesen sein. Da ihm an einer zügigen Auszahlung gelegen war, hätte er aktiv die für eine Nachberechnung notwendigen Unterlagen beibringen müssen. Hierzu gehörten sowohl Mitteilungen über anderweitigen Verdienst als auch Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung sowie die Mitteilung der aktuellen Steuermerkmale und die aktuelle Krankenkasse. Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben kann der Kläger sich insoweit nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen, wenn er selbst mit der Einreichung der Unterlagen so lange zuwartet, bis das beklagte Land ihn hierzu explizit auffordert. Darüber hinaus war dem Kläger als langjährigen Angestellten des beklagten Landes bekannt, dass das Staatliche Schulamt nicht die Abrechnung und Auszahlung selbst vornimmt, sondern dieses zentral durch das Landesbesoldungsamt erfolgt ist. Insoweit ist auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben dem beklagten Land zuzubilligen, dass das Verfahren der Nachberechnung nicht im Folgemonat erfolgen konnte.

Sofern der Kläger meint, er habe auf Grund der Säumnis des beklagten Landes seinen Dienst aus finanziellen Gründen im Hinblick auf Anreise und Übernachtungskosten nicht antreten können und das Land sei verpflichtet gewesen, ihm einen Abschlag zu zahlen, kann dies dem beklagten Land nicht im Wege eines Zurückbehaltungsrechts entgegengehalten werden. Abschläge werden stets nur innerhalb bestehender Ansprüche geleistet, sie übersteigen in aller Regel nicht die rechtmäßige Forderung. Da dem beklagten Land auf Grund der zunächst fehlenden Mitwirkung des Klägers unbekannt war, inwieweit anderweitiger Verdienst sowie Anspruchsübergänge zu berücksichtigen seien, konnten keine Abschläge geleistet werden. Darüber hinaus hat der Kläger gegenüber dem Landesbesoldungsamt den Wunsch auf Abschlagszahlung nicht geäußert. Ebenso wenig hat er dies dem Staatlichen Schulamt zu erkennen gegeben. Vielmehr hat er sein Zurückbehaltungsrecht stets auf Begleichung der gesamten Lohnansprüche hin ausgeübt. Die Behauptung nunmehr im Klagverfahren, er hätte seinen Dienst auch bei Zahlung von Abschlägen angetreten, war für das beklagte Land nicht erkennbar und ist somit auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nicht möglich, somit nunmehr nachträglich ein Zurückbehaltungsrecht zu begründen. Das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung, das dennoch eine Lohnzahlungspflicht begründen soll, muss um Zeitpunkt seiner Ausübung bestehen. Daher kann nachträglicher Vortrag ein solches nicht mehr begründen.

Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß § 280 Abs. 1, 2, § 286, § 288 Abs. 1 BGB begründet.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, Satz 1 ZPO.

V.

Gründe gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht gegeben.



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