Landesarbeitsgericht Nürnberg

Urteil vom - Az: 2 SA 132/15

Kein Anspruch auf bezahlte Zigarettenpausen wegen betriebliche Übung

1. Hat der Arbeitgeber während sog. Raucherpausen, für die die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz jederzeit verlassen durften, das Entgelt weitergezahlt, ohne die genaue Häufigkeit und Dauer der jeweiligen Pausen zu kennen, können die Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber diese Praxis weiterführt. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung entsteht nicht.
(Leitsatz des Gerichts)

(2.) Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmer einer bestimmten Gruppe schließen können, ihnen soll eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden

(3.) Ein Arbeitnehmer kann grundsätzlich nicht annehmen, dass der Arbeitgeber ohne genaue Kenntnis über Umfang und Dauer der Raucherpausen täglich auf durchschnittlich 60 – 80 Minuten Arbeitsleistung verzichtet und gleichzeitig die Entscheidung über die Häufigkeit und Dauer der Pausen den Arbeitnehmern überlässt und sich für die Zukunft auch noch entsprechend binden will.

(4) Die Gewährung bezahlter Pausen bei Rauchern stellt gegenüber Nichtrauchern des gleichen Betriebes eine Ungleichbehandlung dar. Ein schützenswertes Vertrauen dahingehend, dass der bisherige gleichheitswidrige Zustand beibehalten werde, besteht nicht.

(5.) Den Arbeitgeber trifft die Verpflichtung, die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen und präventiv Gesundheitsgefahren vorzubeugen. Bezahlt der Arbeitgeber Raucherpausen agiert er nicht im Sinne des Gesundheitsschutzes. Er setzt dadurch Anreize, die die Gesundheit der Mitarbeiter gefährden und das Risiko von krankheitsbedingten Ausfällen erhöhen. Auch aus diesem Grund können Arbeitnehmer nicht auf die Fortsetzung der Bezahlung der Raucherpausen vertrauen.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 03.03.2015, Az 10 Ca 996/14, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger weiterhin ein Anspruch auf Bezahlung der von ihm in Anspruch genommenen Raucherpausen zusteht.

Der Kläger ist im Betrieb der Beklagten in G… seit 02.05.1995 als Lagerarbeiter, seit 01.12.2009 als Staplerfahrer, zuletzt zu einer monatlichen Bruttovergütung von 2119,- € beschäftigt. Er ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender des im o.g. Betrieb gebildeten Betriebsrats (vgl. Blatt 82 d.A.).

Bereits seit vielen Jahren hatte sich im Betrieb der Beklagten in G… eingebürgert, dass die Beschäftigten zum Rauchen ihren Arbeitsplatz verlassen, ohne am Zeiterfassungsgerät ein- bzw. auszustempeln. Dementsprechend wurde für diese Raucherpausen auch kein Lohnabzug vorgenommen.

Unter dem 20.12.2006 erließ die Beklagte eine Betriebsanweisung „an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Leergutabteilung“. Darin heißt es:

Im Sinne der Gesundheitsreform (Nichtraucherschutzgesetz) ist der Arbeitgeber verpflichtet, Nichtraucher vor Rauchern zu schützen.

Daher ist ab sofort das Rauchen in den Pausen und generell während der Arbeitszeit im Aufenthaltsraum sowie in den Toiletten und im gesamten Hallenbereich verboten!

Für die Raucher wurde eine Raucherinsel am Haupteingang in der Nähe der Stechuhr geschaffen. Nur an diesem Platz ist Rauchen erlaubt.

Am 25.07.2007 erließ die Beklagte eine weitere Betriebsanweisung. Dort ist u.a. ausgeführt:

Aus gegebenem Anlass weisen wir darauf hin, dass das Rauchen nur an den ausgewiesenen Raucherinseln erlaubt ist.

Es ist verboten

– auf den vorhandenen Rampen (diese gehören zum Lagerbereich)

‒ innerhalb des gesamten Lagerbereiches (speziell frühere Bananenreiferei)

‒ während der Arbeitszeiten in den Sozialräumen und Toiletten

zu rauchen.

Am 04.12.2012 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung über das Rauchen im Betrieb (künftig BV-Rauchen). In der Präambel heißt es:

Der Arbeitgeber hat gemäß § 5 ArbStättV die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind.

Die folgende Regelung hat die Aufgabe, die gesundheitlichen Gefährdungen durch Tabakrauch am Arbeitsplatz zu vermeiden und zum anderen rauchenden Beschäftigten weiterhin die Möglichkeit zu geben, zu rauchen, wenn dadurch die Interessen der Nichtraucher nicht beeinträchtigt werden.

Zudem soll eine Gleichbehandlung aller Mitarbeiter durch die nachfolgenden Regelungen gewährleistet werden.

Ziffer 2. Absatz 2 der BV-Rauchen lautet:

Rauchen ist nur in den speziell ausgewiesenen Raucherzonen, die in der Anlage vermerkt sind, erlaubt.

Ziffer 3. der BV-Rauchen lautet:

„Rauchpausen“

Beim Entfernen vom Arbeitsplatz zum Rauchen sind die nächstgelegenen Zeiterfassungsgeräte gem. Anlage zum Ein- und Ausstempeln zu benutzen.

Rauchen ist während der normalen Pausen und ansonsten erlaubt, solange wie bisher betriebliche Belange nicht beeinträchtigt werden.

Die BV-Rauchen trat zum 01.01.2013 in Kraft.

Für den Monat Januar 2013 wurden dem Kläger 210 Minuten für Raucherpausen von der Arbeitszeit abgezogen und nicht vergütet. Der Kläger errechnet insoweit einen „Fehlbetrag“ in Höhe von 44,41 € brutto. Für den Monat Februar wurden dem Kläger 96 Minuten („Fehlbetrag“: 20,30 € brutto) und für März 572 Minuten („Fehlbetrag“: 120,96 € brutto) für Raucherpausen abgezogen.

Der Kläger erhob am 11.07.2014 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Würzburg, mit der er restliche Vergütung für die Monate Januar bis März 2013 verlangt.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie der Antragstellung wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts verwiesen (Blatt 119-121 der Akten).

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Endurteil vom 03.03.2015 abgewiesen. Eine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sei nicht erkennbar. Insbesondere lägen die Voraussetzungen für eine betriebliche Übung nicht vor. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass künftig keine Lohnabzüge wegen der Inanspruchnahme einer Raucherpause vorgenommen würden. Nach dem Vorbringen des Klägers hielten die Arbeitnehmer die Arbeitsleistung pro Tag durchschnittlich 60-80 Minuten zurück. Dass dies sanktionslos erfolgt sei, ändere nichts daran, dass die Inanspruchnahme der Raucherpausen eigenmächtig geschehen sei und eine Verletzung der Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis darstelle. Hinzu komme, dass die Gewährung bezahlter Pausen bei Rauchern sich gegenüber Nichtrauchern des gleichen Betriebes als Ungleichbehandlung darstelle. Ein schützenswertes Vertrauen dahingehend, dass der bisherige gleichheitswidrige Zustand beibehalten werde, habe nicht entstehen können.

Gegen dieses den Klägervertretern am 09.03.2015 zugestellte Urteil legten diese mit Schriftsatz vom 09.04.2015, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tage Berufung ein und begründeten diese mit Schriftsatz vom 30.04.2015, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tage eingegangen.

Unter weiterer Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags hält der Kläger seine Ansicht aufrecht, dass ihm ein Anspruch auf Bezahlung der Raucherpausen nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung zustehe. Aus dem Verhalten der Beklagten habe er schließen können, dass die Raucherpausen auch zukünftig weiter bezahlt würden. Bislang seien zu keinem Zeitpunkt Lohnabzüge wegen Raucherpausen vorgenommen worden. Über Jahre hinweg sei die Handhabung der Raucherpausen im Umfang von durchschnittlich 60-80 Minuten pro Arbeitnehmer und Tag durch Fortzahlung der Vergütung gebilligt worden. Durch die ab 01.01.2013 in Kraft getretene Betriebsvereinbarung sei der arbeitsvertragliche Anspruch aus betrieblicher Übung nicht wirksam abgeändert worden. Die Betriebsvereinbarung regle lediglich die Pflicht der Arbeitnehmer, die örtlichen Zeiterfassungsgeräte zu nutzen. Die Frage nach einer Entgeltzahlungspflicht für diesen Zeitraum sei davon nicht betroffen. Mit den Raucherpausen verletze der Kläger auch seine Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht. Unter Ziff. 3 der Betriebsvereinbarungen heiße es: „Rauchen ist während der normalen Pausen und ansonsten erlaubt, solange wie bisher betriebliche Belange nicht beeinträchtigt werden.“ Es entspreche daher der betriebsüblichen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses, dass die Arbeitnehmer Raucherpausen nehmen dürften. Erstmalig auf Grundlage der Betriebsvereinbarung sei eine Regelung darüber getroffen worden, dass ausschließlich Raucher bei einem Antritt ihrer Pausen ausstempeln mussten. Eine entsprechende Zeiterfassung für andere Arbeitnehmer habe im Betrieb der Beklagten gerade nicht stattgefunden. Eine Diskriminierung sei daher gerade im Hinblick auf die Raucher gegeben und nicht umgekehrt.

Der Kläger stellt in der Berufungsinstanz daher folgende Anträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 03.03.2015, Az. 10 Ca 996/14 wird abgeändert und

a. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 44,41 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2013 zu zahlen.

b. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 20,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2013 zu zahlen.

c. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 120,96 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil und hält einen Anspruch nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung für nicht gegeben. Es liege schon kein gleichförmiges Verhalten der Beklagten vor. Die Argumentation des Klägers laufe darauf hinaus, dass die Beklagte durch ihr Verhalten pauschal angeboten habe, sämtliche Raucherpausen zu vergüten. Eine irgendwie geartete Einschränkung werde nicht gegeben. Für die Beklagte sei aber weder überschaubar noch beeinflussbar gewesen, in welchem Umfang Raucherpausen genommen werden würden. Dies zeige sich an den Ausführungen des Klägers und der unterschiedlichen Höhe der von ihm geforderten monatlichen Vergütung. Um in einer solchen Konstellation von der Entstehung eine betrieblichen Übung ausgehen zu können, wären weitere Begleitumstände erforderlich gewesen, aus denen darauf geschlossen hätte werden können, dass die Beklagte sich rechtsgeschäftlich habe binden wollen. Bis zur Vereinbarung der Betriebsvereinbarung habe die Beklagte keine Kenntnis bezüglich der exakten Pausenlänge gehabt. Erst mit deren Abschluss seien die Arbeitnehmer überhaupt verpflichtet worden, die Raucherpausen zeitlich zu erfassen. Ab diesem Zeitpunkt seien dann auch keine Raucherpausen mehr vergütet worden. Es stelle sich die Frage, warum dem Kläger die Vergütung weiterhin gezahlt werden sollte, wenn er einseitig aus eigenem Antrieb die ihm obliegende Hauptleistungspflicht nicht erbringe. Es sei nicht nachvollziehbar warum für Raucherpausen im Gegensatz zu sonstigen Pausen eine Privilegierung erfolgen solle. Die Argumentation des Klägers zum Gleichbehandlungsgrundsatz könne nicht nachvollzogen werden. Er verkenne, dass die Raucher nur ihre Raucherpausen erfassen müssten. Die üblichen Pausen müssten sie genauso wenig wie die übrigen Arbeitnehmer erfassen. Dass eine entsprechende Zeiterfassung für andere Arbeitnehmer nicht stattfinde, liege daran, dass diese Arbeitnehmer nur die betriebsübliche – zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abgestimmte und damit festgelegte – Pause wahrnehmen würden und keine „Extra Pausen“ – wie die Raucher. Diese Arbeitnehmer verließen nicht aus eigenem Antrieb einfach den Arbeitsplatz für einige Minuten und kehrten später wieder zurück. Selbst ohne die Vergütung der Pausen würden rauchende Arbeitnehmer privilegiert, da diese die einzigen Arbeitnehmer seien, die eigenmächtig ihre Arbeit unterbrechen könnten, um Rauchen zu gehen. Mit seinem Begehren, Raucherpausen vergütet zu erhalten, strebe der Kläger im Hinblick auf andere Arbeitnehmer eine Besserstellung an. Während die nichtrauchenden Arbeitskolleginnen und Kollegen den Tariflohn für die tarifvertraglich geschuldete Tagesarbeitszeit erhielten, arbeite der Kläger deutlich weniger, teilweise 1 Stunde weniger am Tag. Er beanspruche allerdings den gleichen Lohn, obwohl er im Schnitt mehr als 10 % weniger arbeite als seine nicht rauchenden Kolleginnen und Kollegen. Hochgerechnet auf das Jahr führte dies dazu, dass der Kläger mehr als einen Monat weniger arbeite, als nicht rauchende Kolleginnen und Kollegen, allerdings den gleichen Lohn erhalte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 30.04.2015 (Blatt 170-174 der Akten) und auf den Schriftsatz der Beklagten vom 27.05.2015 (Blatt 184-190 der Akten) verwiesen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Bezahlung der von ihm genommenen so genannten Raucherpausen hat. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung.

A.

Die Berufung des Klägers ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist ein-gelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

B.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die erkennende Kammer folgt der Begründung des Erstgerichts und macht sich dessen Ausführungen zu Eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Parteien sind lediglich noch folgende Ausführungen veranlasst:

I. Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass vorrangige gesetzliche, tarifliche oder vertragliche Anspruchsgrundlagen, die das Begehren des Klägers auf Fortzahlung der Bezüge in den von ihm genommenen Raucherpausen, nicht vorhanden sind und daher als Anspruchsgrundlage lediglich eine betriebliche Übung denkbar ist. Dies sehen auch die Parteien so.

II. Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmer einer bestimmten Gruppe schließen können, ihnen soll eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche des Arbeitnehmers auf die üblich gewordenen Leistungen. Eine betriebliche Übung ist für jeden Gegenstand vorstellbar, der arbeitsvertraglich in einer so allgemeinen Form geregelt werden kann. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers. Es ist vielmehr maßgeblich, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen durfte. Eine betriebliche Übung kann auch durch Duldung des Arbeitgebers entstehen (ständige Rspr, vgl. z.B. BAG 19.03.2014 - 5 AZR 954/12 mwN; BAG 11.04.2006 - 9 AZR 500/05).

III. Unter den gegebenen Umständen konnte der Kläger – wie auch die anderen bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter – aus dem Verhalten der Beklagten nicht auf einen Verpflichtungswillen der Beklagten schließen, auch über den 01.01.2013 hinaus Raucherpausen unter Fortzahlung der Vergütung zu gewähren. Dies folgt aus mehreren Umständen, die auch für den Kläger erkennbar waren.

1. Es liegt schon keine regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen vor. Die Beklagte hat sich nicht gleichförmig verhalten (vgl. BAG 11.11.2014 - 3 AZR 849/11, Rn 53 mwN). Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass die Beklagte bis zum 31.12.2012 einen Lohnabzug für die Raucherpausen nicht vorgenommen hat. Dies geschah jedoch unabhängig von der jeweiligen Häufigkeit und Länge der Pausen. Dies ist bereits aus dem Klägervortrag ersichtlich mit den deutlich unterschiedlichen Lohneinbehalten und den damit zusammenhängenden sehr unterschiedlichen Raucherpausen für Januar bis März 2013. Auch insgesamt gibt der Kläger lediglich einen Durchschnittswert an von 60-80 Minuten pro Tag und Mitarbeiter. Damit hat jeder Mitarbeiter jeden Tag unterschiedlich von der Fortzahlung des Entgelts für Raucherpausen profitiert. Eine gleichförmige Gewährung bezahlter Raucherpausen mit bestimmter Dauer ist damit gerade nicht verbunden.

2. Bis zum Inkrafttreten der BV-Rauchen wurden die Raucherpausen nicht erfasst. Die Mitarbeiter mussten sich bis dahin nicht im Zeiterfassungssystem aus -bzw. einstempeln. Den Mitarbeitern – wie auch dem Kläger – war daher bekannt, dass die Beklagte keinen genauen Überblick über Häufigkeit und Dauer der von den einzelnen Mitarbeitern genommenen Raucherpausen hatte und daher Einwendungen gegen Dauer und Häufigkeit nur schwer erheben bzw. bei einem Lohneinbehalt kaum würde nachweisen können. Hat der Arbeitgeber von einer betrieblichen Handhabung aber keine ausreichende Kenntnis und ist dies den Arbeitnehmern erkennbar, fehlt es schon an einem hinreichend bestimmten Angebot einer Leistung durch den Arbeitgeber (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Aufl., 2013, § 110, Rn 11). Die Situation ist ähnlich wie bei der privaten Nutzung der betrieblichen Telefonanlagen, des E-Mail-Servers oder des Internets. Der Kläger konnte daher gerade nicht davon ausgehen, die Beklagte werde ihm seine Raucherpausen „wie bisher“ weiterhin unter Fortzahlung der Vergütung gestatten. Dies gilt insbesondere, wenn eine bestimmte Handhabung nur vom Arbeitgeber geduldet wird (Schaub, a.a.O.).

3. Auch angesichts des Umfangs der Raucherpausen von 60 – 80 min. täglich konnte kein Mitarbeiter – auch nicht der Kläger – darauf vertrauen, dass hierfür weiterhin Entgelt geleistet wird. Je mehr die vom Arbeitgeber gewährte Vergünstigung als Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Leistung anzusehen ist, desto mehr spricht dies dafür, dass die Arbeitnehmer auf die Weitergewährung der Leistung vertrauen können (vgl. Schaub, a.a.O., Bepler, RdA 2004, 226, 237). Die Bezahlung der Raucherpausen steht jedoch in keinem Zusammenhang mit der Arbeitsleistung. Im Gegenteil: Nach Auffassung des Klägers soll die Nichtarbeit bezahlt werden. Ohne sonstige gesetzliche, tarifliche oder vertragliche Rechtsgrundlage (etwa im Falle der Krankheit oder des Urlaubs) bedarf es aber ganz besonderer Anhaltspunkte, dass die Arbeitnehmer darauf vertrauen dürfen, vom Arbeitgeber ohne jede Gegenleistung bezahlt zu werden. Dies gilt erst recht, wenn – wie vorliegend – die Arbeitnehmer selbst über Häufigkeit und Dauer der Pausen bestimmen dürfen, soweit betriebliche Belange nicht entgegenstehen. Selbst die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen sind ohne sonstige Rechtsgrundlage unbezahlte Pausen.

Solche besonderen Anhaltspunkte liegen nicht vor. Vielmehr hat die Beklagte die Leistungen eingestellt, als sie über das Zeiterfassungssystem vom Ausmaß der Raucherpausen sichere Kenntnis erhalten hat.

Dabei ist unerheblich, dass nach der BV-Rauchen die Raucherpausen auch weiterhin gestattet sind, so dass das Entfernen vom Arbeitsplatz zum Zwecke des Rauchens im streitgegenständlichen Zeitraum keine Verletzung der Hauptpflichten darstellt, soweit betriebliche Belange nicht beeinträchtigt werden. Jedenfalls vor In-Kraft-Treten der BV-Rauchen stellte die Entfernung vom Arbeitsplatz zum Zwecke des Rauchens jedenfalls in dem vom Kläger geschilderten Umfang eine Verletzung der Hauptleistungspflichten dar, von deren Duldung der Kläger wegen des Umfangs gerade nicht ausgehen durfte, soweit dies während der Arbeitszeit geschah. Ein Arbeitnehmer kann grundsätzlich nicht annehmen, dass der Arbeitgeber ohne genaue Kenntnis über Umfang und Dauer der Raucherpausen täglich auf durchschnittlich 60 – 80 min. Arbeitsleistung verzichtet, gleichzeitig die Entscheidung über Häufigkeit und Dauer der Pausen den Arbeitnehmern überlässt und sich für die Zukunft auch noch entsprechend binden will. So hat das BAG zur privaten Nutzung des Internets während der Arbeitszeit ausdrücklich entschieden, dass selbst eine Gestattung oder Duldung durch den Arbeitgeber sich ohne weitere Erklärungen auf eine private Nutzung im normalen bzw. zeitlich angemessenen Umfang erstreckt und dies bei einer Nutzung an zwei Tagen von jeweils etwas mehr als einer Stunde während der Arbeitszeit als erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten angesehen (BAG 07.07.2005 – 2 AZR 581/04, Rn 30) wird.

4. Gegen das Entstehen einer betrieblichen Übung spricht auch, dass es sich bei der Bezahlung der Raucherpausen nicht um materielle Zuwendungen handelt, die die wirtschaftliche Lage der Arbeitnehmer verbessern. Vielmehr erhalten die Raucher lediglich mehr freie Zeit. Bei der Gewährung zusätzlicher freier Tage oder Stunden aus besonderem Anlass ist für die Annahme einer betrieblichen Übung jedoch Zurückhaltung geboten (BAG 17.09.1970 – 5 AZR 539/69).

5. Ein Vertrauen der Raucher auf Beibehaltung der Bezahlung der Raucherpausen konnte auch deshalb nicht entstehen, da dies offensichtlich zu einer Ungleichbehandlung mit den Nichtrauchern führte. Diese müssen für das gleiche Geld, nämlich die tarifgerechte Bezahlung, im Schnitt über 10 % mehr Arbeitsleistung erbringen als die Raucher. Dies ist auch den rauchenden Mitarbeitern ohne weiteres erkennbar. Dass die Raucher für ihre Raucherpausen ausstempeln müssen, die Nichtraucher für ihre Pausen aber nicht, liegt nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten daran, dass sich nur die Raucher während der Arbeitszeit nach ihrem Gutdünken vom Arbeitsplatz zur Raucherpause entfernen dürfen, während die Nichtraucher nur ihre unbezahlten Pausen in Anspruch nehmen.

6. Letztlich ist allgemein bekannt, dass Rauchen der Gesundheit abträglich ist. Den Arbeitgeber trifft eine Verpflichtung, die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen, und auch präventiv Gesundheitsgefahren vorzubeugen. Auch der Betriebsrat hat die Aufgabe des Gesundheitsschutzes für die Mitarbeiter (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Dem dient u.a. die BV-Rauchen, die im Rahmen des § 5 ArbStättV einen Ausgleich der Belange der Raucher mit den Belangen der Nichtraucher anstrebt. Mit einer Bezahlung der Raucherpausen würde der Arbeitgeber aber gerade nicht im Sinne des Gesundheitsschutzes tätig werden. Im Gegenteil: Er würde Anreize setzen, die Gesundheit der Mitarbeiter zu gefährden und das Risiko von krankheitsbedingten Ausfällen zu erhöhen. Auch aus diesem Grund konnten die Arbeitnehmer und insbesondere auch der Kläger als stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats auf die Fortsetzung der Bezahlung der Raucherpausen durch die Beklagte nicht vertrauen.

7. Das Gericht ist der Auffassung, dass bereits aus jedem einzelnen der unter 1. – 6. genannten Argumente folgt, dass eine betriebliche Übung auf Fortzahlung des Entgelts während der Raucherpausen im Betrieb der Beklagten in G… nicht entstanden ist. Dies gilt erst recht in der Zusammenschau der genannten Punkte.

IV. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

C.

Der Kläger hat als unterlegener Rechtsmittelführer die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

 



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