Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Beschluss vom - Az: 6 TaBV 33/09

Handyverbot während der Arbeitszeit; kein Mitbestimmungsrecht

Der Arbeitgeber kann die Nutzung von privaten Mobiltelefonen während der Arbeitszeit verbieten, ohne dass der Betriebsrat hierbei ein Mitbestimmungsrecht hat.

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 22.4.2009 - 2 BV 8/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Mit einem am 20. Januar 2009 eingeleiteten Beschlussverfahren reklamiert der Betriebsrat für sich ein Mitbestimmungsrecht. Zuletzt im Beschwerdeverfahren insbesondere zu der Frage, ob ihm bei einem durch Dienstanweisung ausgesprochenen Verbot der Nutzung von privaten Handys während der Arbeitszeit ein entsprechendes Recht zusteht.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Altenpflegeheim mit ca. 100 Mitarbeitern.

Beim Antragsteller handelt es sich bei den bei der Antragsgegnerin gebildeten 7-köpfigen Betriebsrat.

Im Betrieb der Antragsgegnerin war in der Vergangenheit die Nutzung von privaten Handys auch während der Arbeitszeit weitestgehend erlaubt.

Am 12. Januar 2009 erließ die Einrichtungsleitung der Arbeitgeberin eine Dienstanweisung, die die Nutzung von privaten Handys während der Arbeitszeit verbot.

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Benutzung von privaten Mobiltelefonen um mitbestimmungspflichtiges Ordnungsverhalten i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG handele, so dass bei dessen Untersagung ein Mitbestimmungsrecht bestünde. Hieraus resultiere ein Unterlassungsanspruch.

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, im Betrieb ein Telefonverbot mit Privathandys zu verhängen und an den Informationstafel in den Betriebsräumen entsprechende Mitteilungsblätter auszuhängen, aus denen sich ergibt, dass ein solches Verbot im Vertrieb verhängt wurde, so lange noch nicht der Betriebsrat seine Zustimmung hierzu erteilt hat oder aber die Zustimmung des Betriebsrats durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt worden ist.

2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Verpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,-- EUR angedroht.

Die Arbeitgeberin hat

Zurückweisung des Antrages beantragt und erwidert, sie könne jederzeit verlangen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren beruflichen Verpflichtungen nachgingen, ohne dass sie private Telefonate mit in den Betrieb eingebrachten Mobiltelefonen führten.

Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Gründe I des Beschlusses des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 22. April 2009 - 2 BV 8/09 - (Seite 2 - 4 = Bl. 27 - 29 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat in dem vorerwähnten Beschluss den Unterlassungsantrag des Betriebrates abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt,

eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sei nicht gegeben, da allein das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer betroffen sei; es handele sich um eine Konkretisierung der Arbeitspflicht. Anders als beim Radiohören würde der Arbeitnehmer bei der Nutzung des Privathandys selbst aktiv und damit unmittelbar von der Arbeitsleistung abgelenkt. Das Arbeitsverhalten würde beeinträchtigt. Es bestünde für den Arbeitgeber auch keine Möglichkeit, den Umfang der privaten Tätigkeit zu überprüfen. Nach § 106 GewO könne der Arbeitgeber ein entsprechendes Verbot aussprechen. Die bisherige Duldung führe nicht zu einem Mitbestimmungsrecht.

Hinsichtlich der weiteren Gründe wird auf Seite 4 - 6 d. Beschlusses (= Bl. 29- 31 d. A.) Bezug genommen.

Gegen den dem Betriebsrat am 02. Juni 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am 02. Juli 2009 eingelegte und am 03 August 2009 begründete Beschwerde.

Der Betriebsrat hält in dem Beschwerdeverfahren an seiner Auffassung fest und meint, es sei ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gegeben, da mit der Dienstanweisung Fragen der Ordnung des Betriebes geregelt würden. In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Januar 1997 - 1 ABR 53/96 - seien nur Anordnungen mitbestimmungsfrei, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert würde. Ausreichend sei nach einer weiteren Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 22. Juli 2008 - 1 ABR 40/07 - wenn die Maßnahme darauf gerichtet sei, das Verhalten der Arbeitnehmer zu steuern oder die Ordnung des Betriebes zu gewährleisten. Der Arbeitgeber wolle vorliegend sicherstellen, dass sich die Arbeitnehmer bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung gemäß ihren Verpflichtungen verhielten. Mit dem Nutzungsverbot wolle er Verhaltensmaßregeln aufstellen, die in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eingriffen. Diese schafften eine allgemeine Verhaltenspflicht. Der Bezug zur eigentlichen Arbeitsleistung sei verlassen. Das Persönlichkeitsrecht sei insbesondere dadurch eingeschränkt, wenn aufgrund einer Arbeitsanweisung deutlich länger gearbeitet werden müsse und die Angehörigen der Arbeitnehmer nicht mehr darüber informiert werden könnten. In einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Januar 1986 - 1 ABR 65/83 - sei ausgeurteilt, dass die Frage, ob im Betrieb während der Arbeitszeit Radio gehört werden darf, eine Frage der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer darstelle mit der Folge, dass der Betriebsrat bei einem Verbot nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen habe. Bei der Vielseitigkeit der Telekommunikation könne eine pauschale Untersagung nicht rechtens sein. Das Arbeitsgericht habe nicht ermittelt, ob und wenn ja, welche konkreten Einschränkungen durch die Handynutzung eintreten könnten, geschweige denn, seien solche von der Arbeitgeberin behauptet worden.

Zur weiteren Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz des Betriebsrates vom 03. August 2009 (Bl. 57 - 60 d. A.) nebst allen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

Der Betriebsrat hat zweitinstanzlich zuletzt beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 22. April 2009 - 2 BV 8/09 - abzuändern und nach den zuletzt gestellten Anträgen 1. Instanz zu entscheiden.

Die Arbeitgeberin hat

Zurückweisung der Beschwerde beantragt und erwidert, das Arbeitsgericht habe zu Recht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - abgestellt. Dort sei ausgeführt worden, dass der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit private Tätigkeiten grundsätzlich zu unterlassen habe. Dies könne der Arbeitgeber verlangen. Im Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14. November 1986 - 1 ABR 75/83 - käme zum Ausdruck, dass der Betriebsrat in das Recht des Arbeitgebers zu bestimmen, welche Arbeiten in welcher Weise auszuführen seien, nicht eingreifen dürfe. Die Benutzung des Telefons sei auch anders zu beurteilen als Radiohören im Betrieb. Im Übrigen habe das Bundesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Radiohören auch die Art und Weise betreffen könne, wie die Arbeit zu verrichten sei. Im Übrigen sei ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zulässig.

Zu den weiteren Einzelheiten der Beschwerdebeantwortung wird auf den Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 14. August 2008 (Bl. 82 - 85 d. A.) verwiesen. Zugleich wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift zur Anhörung vom 30. Oktober 2009 (Bl. 100 - 102 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist als solche im Beschlussverfahren gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die hiernach zulässig Beschwerde erweist sich jedoch als u n b e g r ü n d e t.

Das Arbeitsgericht hat den Unterlassungsantrages des Betriebsrates, im Betrieb ein Telefonverbot für Privathandys während der Arbeitszeit zu verhängen und den Annexanspruch, das Verbot an der Informationstafel anzuhängen, zu Recht zurückgewiesen.

Das Arbeitsgericht ist vom zutreffenden Rechtsmaßstab (vgl. BAG Beschluss vom 21.01.1997 - 1 ABR 53/96 -) ausgegangen und hat zwischen mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und mitbestimmungsfreiem Arbeitsverhalten unterschieden. Letzteres betrifft alle Weisungen, die bei der Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten sind. Das Arbeitsverhalten ist berührt, wenn der Arbeitgeber kraft seiner Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Mitbestimmungsfrei sind danach Anordnungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird.

Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist maßgeblich die arbeitsvertragliche und damit die schuldrechtliche Lage, die bei den überwiegenden Arbeitnehmern der Arbeitgerberin erkennbar Pflegedienstleistungen im Altenpflegeheim erfordert. Es gehört nach Auffassung der Beschwerdekammer zu den selbstverständlichen Pflichten, dass die betreffenden Arbeitnehmer während der Arbeitszeit - nur hierauf bezieht sich die Dienstanweisung der Arbeitgeberin - von der aktiven und passiven Benutzung des Handys - absehen. Insoweit ist der Hinweis der Arbeitgeberin auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - im Zusammenhang mit einer Kündigung wegen Privatnutzung eines Dienstcomputers nicht unbeachtlich, denn dort wurde in einem solchen Verhalten des Arbeitnehmers eine deutliche Verletzung der Arbeitspflicht gesehen. Von daher sprechen mehrere Gründe für eine unmittelbare Konkretisierung der Arbeitspflicht. Sie liegen auch auf der Schiene der von dem Betriebsrat angeführten Argumentation in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Januar 1997 - 1 ABR 53/96 -, in welcher zwar die Notwendigkeit eines Arztbesuches während der Arbeitszeit vom Arzt bescheinigen zu lassen als mitbestimmungswürdig angesehen wurde, jedoch die Linie zur Mitbestimmungsfreiheit bei einer Konkretisierung der Arbeitspflicht nicht verlassen wurde.

Soweit die Beschwerde auf die weitere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juli 2008 - 1 ABR 40/07 - abhebt, ist zunächst zu sehen, dass es um die Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Einführung von Ethik-Richtlinien geht und damit ein deutlicher Eingriff in die private Lebensführung entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Mai 2002 - 1 ABR 32/01 - vorliegt, die durchaus eine Mitbestimmungspflichtigkeit berührt. Das geforderte Unterlassen arbeitsvertragswidrigen Verhaltens ist dem jedoch nicht gleichzusetzen.

Im Übrigen ist festzustellen, dass auch nicht auf die weiter angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Januar 1986 - 1 ABR 75/83 - abgestellt werden kann, da es dort um die Mitbestimmung bei Radiohören im Betrieb geht. Hier liegen - wie das Arbeitsgericht zutreffend gesehen hat - deutliche Unterschiede zu einer insbesonderen aktiven Nutzung des Privathandys vor. Eine unmittelbare Beeinträchtigung der Arbeitsleistung durch die Nutzung des Handy ́s ist nicht auszuschließen. Im Übrigen ist zu sehen, dass sich das Handyverbot nicht auf die Pausen erstreckt und - wie in der Anhörung vor der Beschwerdekammer deutlich wurde - eine Erreichbarkeit der Arbeitnehmer in kritischen Situationen über die Zentrale oder die Stationstelefone durchaus möglich ist.

Dass es zu keinen konkreten Einschränkungen durch die Handynutzung kommt, hätte im Übrigen vom antragstellenden Betriebsrat dargelegt werden müssen, so dass auch dieser Argumentationsstrang nicht zu einer anderen vom Arbeitsgericht abweichenden Beurteilung führt.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.

Die Nichtzulassungsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht kann nach näherer Maßgabe der §§ 72 a und 92 a ArbGG unter den dort genannten Voraussetzungen selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuss-Platz 1, 99084 Erfurt oder Bundesarbeitsgericht, Postfach 99113 Erfurt, Telefax-Nr. 0361/2636-2000, innerhalb von 1 Monat nach Zustellung des vorliegenden Beschlusses einzulegen.

Auf diesen Rechtsbehelf wird der Betriebsrat hiermit hingewiesen.

 



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