Arbeitsgericht Trier

Urteil vom - Az: 3 Ca 403/13

Fristlose Eigenkündigung erfordert vorherige Abmahnung

(1.) Auch die fristlose Eigenkündigung durch einen Auszubildenden wegen Vergütungsverzuges des Ausbilders erfordert eine vorherige Abmahnung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Auszubildende im Vorfeld rechtskundig (hier: durch eine Gewerkschaft) vertreten ist.

(2.) Eine Abmahnung muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Wiederholung des gerügten Verhaltens zur Beendigung des Ausbildungsverhältnisses führt. Hierfür genügt nicht, wenn allein die Ausübung des "Zurückbehaltungsrechts (§273 BGB)" angedroht wird.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgende Beträge zu zahlen:

a) 675,00 € brutto als Vergütung für Januar 2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2013

b) 675,00 € brutto als Vergütung für Februar 2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.03.2013

c) 225,00 € brutto als Vergütung für die Zeit vom 01. - 10.03.2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2013.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ordnungsgemäße Lohnabrechnungen für die Monate November 2012 bis einschließlich März 2013 zu erteilen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 58 % und die Beklagte zu 42 %.

5. Der Streitwert wird auf 7.354,62 € festgesetzt.

6. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Eigenkündigung sowie um Vergütungs-, Urlaubsabgeltungs-, Urlaubsgeld-, Abrechnungs-, Zeugnis- und Herausgabeansprüche.

Die Klägerin begann unter dem 03.07.2012 bei der Beklagten ein Ausbildungsverhältnis zur Restaurantfachfrau. Ihre monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 675,00 EUR. Mit Schreiben vom 29.12.2012 kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis außerordentlich fristlos mit der Begründung, die Klägerin habe am 28. und 29.12.2012 im Betrieb gefehlt, ohne sich vorab arbeitsunfähig krank gemeldet zu haben. Am 15.01.2013 bot die Klägerin über die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) ihre Arbeitskraft ausdrücklich an. Am 16.01.2013 erklärte ihr die Beklagte telefonisch, an der Kündigung nicht weiter festzuhalten, und bot ihr eine Fortführung der Ausbildung ab dem 17.01. an. Vom 16. bis 27.01.2013 litt die Klägerin an einer Viruserkrankung, vom 28.01. bis 17.03.2013 an einer neuen Erkrankung. Mit Schreiben vom 06.02.2013 machte sie über die NGG Verzugslohnansprüche für Januar 2013 geltend und kündigte an, für den Fall der Nichterfüllung Verzugszinsen geltend zu machen und "zum anderen weitere arbeitsrechtliche Schritte in die Wege (zu) leiten". Nachdem die Beklagte keine Zahlungen geleistet hatte, machte sie über die NGG mit Schreiben vom 11.03.2013 zusätzlich die Vergütung für Februar nebst Verzugszinsen geltend. Im vorgenannten Schreiben heißt es:

"Sollten Sie bis zum 18.03.2013 unsere Forderungen nicht erfüllen, gehen wir davon aus, dass Sie das Arbeitsangebot von Frau A. nicht annehmen und ihren Ausbildungswillen ignorieren. In diesem Falle wird Frau A. von ihrem Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB Gebrauch machen, bis unsere berechtigten Forderungen erfüllt wurden. In der Hoffnung, dass Sie diesen Schritt nicht notwendig werden lassen und eine einvernehmliche Weiterausbildung möglich ist, verbleiben wir mit freundlichen Grüßen ..."

Nachdem die Beklagte weiterhin die Ansprüche der Klägerin nicht erfüllte, kündigte diese das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 18.03.2013 außerordentlich fristlos und führte zur Begründung an:

"Betreffend des von mir bevollmächtigten Schreibens der Gewerkschaft NGG vom 11.03.2013 gehe ich davon aus, dass Sie durch das ungenutzte Verstreichenlassen der dort gesetzten Frist nicht an einer Fortführung meines Ausbildungsverhältnisses interessiert sind. Daher kündige ich hiermit mein Ausbildungsverhältnis fristlos."

Die Klägerin begehrt zunächst die Zahlung von Annahmeverzugslohn und Entgeltfortzahlung. Hierzu behauptet sie, bereits am Morgen des 28.12.2012 der Rezeption der Beklagten mitgeteilt zu haben, sie gehe wegen starker Rückenschmerzen zum ärztlichen Notdienst, und um Weiterleitung an die Restaurantleitung gebeten habe. Nach ihrem Besuch beim ärztlichen Notdienst, der sie für zwei Tage arbeitsunfähig krank geschrieben habe, habe sie nochmals die Rezeption der Beklagten kontaktiert und ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Beklagten noch am selben Tage durch Herrn V vorbeibringen lassen. Am 30.12. sei sie regulär wieder zur Arbeit erschienen und habe den Arbeitstag auch abgeleistet. Herr U habe ihr nach Rücksprache mit dem Inhaber der Beklagten, Herrn T, erklärt, am 31.12. brauche sie nicht zu erscheinen und Herr T wolle mit ihr am 02.01.2013 ein Gespräch führen. In diesem Gespräch sei ihr dann mitgeteilt worden, die Kündigung, die man ihr am 29.12.2012 in den Briefkasten geworfen habe, bleibe aufrechterhalten, da ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht auffindbar sei. Noch am selben Tage habe Herr T gegenüber Herrn S erklärt, er zahle lieber Schadensersatz, als ihre Kündigung zurückzunehmen. In dem Telefonat vom 16.01.2013 habe sie der Beklagten erklärt, sie müsse aufgrund einer bestehenden Viruserkrankung zum ärztlichen Notdienst gehen und sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besorgen. In Anbetracht der fristlosen Kündigung der Beklagten habe sie jedenfalls bis zum 16.01. keine ärztlichen Bescheinigungen erbeten und auch keine eingereicht. Da die Beklagte Annahmeverzugslohn bzw. für die Zeit vom 16.01. bis 10.03.2013 Entgeltfortzahlung schulde, diese aber nicht geleistet habe, habe sie dann mit Schreiben vom 18.03.2013 wegen erheblicher Zahlungsrückstände die fristlose Eigenkündigung erklärt. Diese sei auch wirksam, da ihr vor dem gegebenen Hintergrund eine Fortführung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar sei. Infolge der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses seien ihr noch für das Jahr 2012 11 Urlaubstage und für das Jahr 2013 anteilige 6 Urlaubstage abzugelten, da sie einen Anspruch auf 22 Tage pro Jahr habe und in einer 5-Tage-Woche beschäftigt gewesen sei. Gemäß § 7 Nr. 7 des Manteltarifvertrages stehe ihr darüber hinaus ein Urlaubsgeld in Höhe von 150,00 EUR zu. Ebenso begehrt sie die Erteilung von Lohnabrechnungen für den Zeitraum November 2012 bis März 2013. Auch ein Zeugnis habe ihr die Beklagte trotz Aufforderung nicht erteilt und sei daher entsprechend zu verurteilen. Schließlich habe sie ihre Lohnsteuerkarte und die sozialversicherungsrechtliche Abmeldebescheinigung herauszugeben sowie gemäß § 7 Nr. 15 des Manteltarifvertrags eine Urlaubsbescheinigung zu erteilen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 675,00 EUR brutto als Ausbildungsvergütung für den Monat Januar 2013 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2013 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 675,00 EUR brutto als Ausbildungsvergütung für den Monat Februar 2013 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.03.2013 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 225,00 EUR brutto als Ausbildungsvergütung vom 01. März 2013 bis 10. März 2013 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2013 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, ihr 529,62 EUR brutto als Urlaubsabgeltung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

5. die Beklagte zu verurteilen, an sie Urlaubsgeld in Höhe von 150,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen,

6. die Beklagte zu verurteilen, ihr ordnungsgemäße Abrechnungen für die Monate November 2012 bis einschließlich März 2013 zu erteilen,

7. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Leistung und Verhalten der Klägerin im Ausbildungsverhältnis erstreckt,

8. festzustellen, dass die fristlose Kündigung vom 18. März 2013 wirksam ist,

9. die Beklagte zu verurteilen, an sie ihre Arbeitspapiere, bestehend aus der Lohnsteuerkarte sowie der sozialversicherungsrechtlichen Abmeldebescheinigung herauszugeben,

10. die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Bescheinigung über Urlaub gemäß § 7 Nr. 15 des Manteltarifvertrages auszustellen, aus der hervorgeht, wie viel Urlaub ihr für das Jahr 2013 gewährt wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die Klägerin habe am 28. und 29.12.2012 unentschuldigt gefehlt und sich danach erst wieder mit Schreiben der NGG vom 15.01.2013 gemeldet. Im Telefonat vom 16.01.2013 habe sie erklärt, sie habe keine Zeit, sie müsse zum Arbeitsamt und zum Arzt. Bereits daran zeige sich eine Ausbildungsunwilligkeit, die nach § 297 BGB der Geltendmachung von Verzugslohnansprüchen entgegenstehe. Ihre Leistungsunwilligkeit zeige sich auch daran, dass sie am 28. und 29.12.2012, also an arbeitsintensiven Tagen, gefehlt habe und darüber hinaus die fünf Auszubildenden Herr R, Frau Q, Frau P, Frau O und die Klägerin erhebliche Querelen untereinander gehabt hätten, wohl vor dem Hintergrund, dass Herr R Liebesbeziehungen zunächst bis Mitte Oktober 2012 zur Klägerin, danach mit Frau Q, hernach mit Frau P und sodann wohl wieder mit der Klägerin eingegangen sei, was die Stimmung unter den Auszubildenden erheblich negativ beeinflusst habe. Da Herr R nunmehr wieder eine Beziehung zur Klägerin unterhalte, stelle sich deren Verhältnis zu den übrigen weiblichen Auszubildenden schwierig dar. In so einem Umfeld wolle die Klägerin sicher nicht weiter arbeiten bzw. sich ausbilden lassen. Mithin sei sie ausbildungsunwillig. Da folglich Zahlungsansprüche nicht bestünden, gebe es auch keinen wichtigen Grund für die fristlose Eigenkündigung der Klägerin mit der Folge, dass das Ausbildungsverhältnis weiter fortbestehe und daher die übrigen Ansprüche auf Urlaubsabgeltung, Urlaubsgeld, ein Zeugnis, die Arbeitspapiere sowie die Urlaubsbescheinigung hinfällig seien. Abrechnungsansprüche gebe es jedenfalls für die Monate Januar bis März 2013 mangels zu leistender und damit abzurechnender Zahlungen nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Lohn- bzw. Entgeltfortzahlungsansprüche der Klägerin sind vollumfänglich begründet, ebenso wie der Anspruch auf Erteilung von Lohnabrechnungen. Ihre fristlose Eigenkündigung ist jedoch unwirksam und hat das Ausbildungsverhältnis nicht beendet, weshalb die Klage im Übrigen als unbegründet abzuweisen war.

1. Annahmeverzugslohn bis zum 15.01. und Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 16.01. bis 10.03.2013 kann die Klägerin verlangen.

a) Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 29.12.2012 unstreitig die fristlose Kündigung und hielt diese laut ihrer Mitteilung vom 16.01.2013 nicht weiter aufrecht, so dass die Kündigung als unwirksam zu behandeln ist. Daher geriet die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung in Annahmeverzug. Die Klägerin hat sich auch ent-gegen der anfänglichen Behauptung der Beklagten aus deren Schriftsatz vom 06.05.2013 (Seite 1 unten) keineswegs nach ihren beiden Krankheitstagen bis zum 15.01.2013 nicht mehr gemeldet. Dass dieser Sachvortrag offensichtlich falsch ist, ergibt sich nicht nur aus den detaillierten Ausführungen der Klägerin, sie sei am 30.12.2012 im Betrieb erschienen, habe dort gearbeitet und mitgeteilt bekommen, sie brauche am 31.12. nicht zu arbeiten, sondern solle sich am 02.01.2013 zu einem Gespräch mit Herrn T einfinden. Dieses Gespräch habe dann auch stattgefunden und darin sei ihr erklärt worden, es verbleibe bei der fristlosen Kündigung. Die Beklagte ist diesem Klägervortrag nicht nur nicht entgegengetreten, sondern hat mit Schriftsatz vom 09.08.2013 (Seite 3) selbst eingeräumt, die Klägerin sei am 30.12. im Betrieb erschienen. Das Gespräch vom 02.01.2013 hat sie ebenfalls nicht bestritten. Wenn aber bereits am ersten Arbeitstag des neuen Jahres der Geschäftsführer gegenüber der Klägerin erklärt hat, es verbleibe bei der fristlosen Kündigung, ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, der gegen einen Annahmeverzug der Beklagten spräche. Im Telefon vom 16.01.2013 hat die Klägerin der Beklagten nach dem übereinstimmenden Sachvortrag beider Parteien erklärt, sie müsse zum Arzt; ebenfalls unstreitig war sie vom 16.01. bis einschließlich 17.03.2013 arbeitsunfähig krank geschrieben. Die beiden Krankheiten (Viruserkrankung vom 16. bis 27.01. und andere Erkrankung vom 28.01. bis 17.03.2013) hat die Beklagte ausdrücklich nicht in Frage gestellt, so dass die Klägerin nicht unentschuldigt gefehlt hat.

b) Die von Beklagtenseite behauptete Leistungsunwilligkeit der Klägerin erschien der Kammer konstruiert und allein von dem Bestreben getragen, angesichts ihres klaren Annahmeverzugs sowie der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen die Ansprüche der Klägerin doch noch abwehren zu können. Ihre zunächst aufgestellte Begründung, die Arbeitsunwilligkeit zeige sich daran, dass die Klägerin am 28. und 29.12.2012 und damit gerade an besonders arbeitsintensiven Tagen gefehlt habe, entbehrt für die Kammer jedweder sachlicher Grundlage. Jedenfalls hat die Beklagte eine solche nicht näher dargelegt. Dass auch an solchen Tagen die Erkrankung eines Arbeitnehmers oder Auszubildenden nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Weiterhin hat die Klägerin unstreitig vom ärztlichen Notdienst beide Tage als arbeitsunfähig erkrankt bescheinigt bekommen, so dass es sich bei der behaupteten Leistungsunwilligkeit um reine Spekulation handelt. Die weitere Begründung der Beklagten, die Klägerin habe ihr im Telefonat am 16.01.2013 auch erklärt, sie könne nicht kommen, weil sie zum Arbeitsamt müsse, greift ebenfalls nicht durch. Nach ihrem eigenen Vorbringen hat ihr die Klägerin jedenfalls auch erklärt, sie müsse zum Arzt, was mittlerweile unstreitig ist (ebenso wie der Umstand des Arztbesuchs und der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung), so dass auch die Behauptung einer Arbeitsunwilligkeit nicht auf konkrete und substantiierte Tatsachen gestützt werden kann. Das dritte Argument der Beklagten, die Klägerin habe angesichts der wechselnden Liebesbeziehungen unter den Auszubildenden eine schwierige Situation im Betrieb und wolle sich dieser doch sicher nicht weiter aussetzen, ist ebenfalls reine Spekulation und vermag die Tatbestandsvoraussetzungen des § 297 BGB auch nicht ansatzweise darzulegen.

Damit war von einer Ausbildungsunwilligkeit der Klägerin nicht auszugehen, insbesondere auch nicht von einer schon Ende Dezember gegebenen, die sich dann in das neue Jahr, welches hier streitgegenständlich ist, hätte fortsetzen können.

Die Höhe der Vergütungsansprüche hat die Beklagte nicht angegriffen. Insoweit sind auch keine Einwendungen ersichtlich, insbesondere, da die Klägerin bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung den Sechswochenzeitraum berücksichtigt und Ansprüche nur bis einschließlich 10.03.2013 geltend gemacht hat.

2. Dementsprechend war die Beklagte zur Erteilung ordnungsgemäßer Lohnabrechnungen von November 2012 bis März 2013 anzuhalten. Einwendungen hat sie im Übrigen nur gegen die Abrechnungen für das Jahr 2013 erhoben. Aus welchem Grunde sie auch für November und Dezember 2012 noch immer keine Abrechnungen erteilt hat, hat sie nicht begründet.

3. Die fristlose Eigenkündigung der Klägerin vom 18.03.2013 erwies sich hingegen als unwirksam und vermochte das Ausbildungsverhältnis der Parteien nicht zu beenden.

Zwar kann erheblicher Annahmeverzug des Arbeitgebers oder auch des Ausbildenden grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung abgeben. Erforderlich ist jedoch ebenso wie im Falle einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber/Ausbilder, dass der andere Teil vorher durch eine Abmahnung auf sein pflichtwidriges Verhalten und die Konsequenz einer drohenden Beendigung des Arbeits-/Ausbildungsverhältnisses für den Wiederholungsfall ausdrücklich hingewiesen wird. Dies gilt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nur im Vorfeld einer arbeitgeberseitigen Kündigung, sondern auch umgekehrt für den Arbeitnehmer (BAG 19.06.1967 AP Nr. 1 zu § 124 GewO; 17.01.2002 EzA § 628 BGB Nr. 20 mwN; LAG Rheinland-Pfalz 07.07.2011 - 2 Sa 228/11; ArbG A-Stadt 16.03.2011 - 4 Ca 1235/10; KR/Fischermeier, 10. Aufl. 2013, § 626 BGB Rn. 463). Diese Voraussetzung entspringt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist daher über § 10 Abs. 2 BBiG nicht nur von einem Arbeitnehmer, sondern auch von einem Auszubildenden zu erfüllen. Dies gilt jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, wenn der Auszubildende bereits im Vorfeld offensichtlich rechtskundig vertreten war, und auch mit arbeitsrechtlichen Schritten gedroht hat. Die NGG hat die Vergütungsansprüche ausdrücklich bei der Beklagten eingefordert und mit Schreiben vom 06.02.2013 mit "weiteren arbeitsrechtlichen Schritten" sowie mit Schreiben vom 11.03.2013 mit dem Gebrauch eines "Zurückbehaltungsrechts nach § 273 Abs. 1 BGB" gedroht.

Dies genügt allerdings zum einen nicht für die Warnfunktion einer Abmahnung, da insoweit erforderlich ist, dass der Abmahnende deutlich macht, gerade der Bestand des Arbeitsverhältnisses sei gefährdet, wenn der andere Teil nicht zu vertragskonformen Verhalten zurückkehre. Hierfür genügt lediglich die Ankündigung weiterer Schritte oder Konsequenzen nicht, da sie eine Bestandsgefährdung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Fall einer Wiederholung des ge-rügten Verhaltens nicht unmissverständlich und deutlich genug zum Ausdruck bringt (vgl. BAG 18.01.2980 AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; 17.02.1994 AP Nr. 116 zu § 626 BGB; LAG Rheinland-Pfalz 04.11.2010 - 5 Sa 326/10; HessLAG 14.05.2003 - 2/1 Sa 1441/02; LAG Köln 05.06.2007 - 11 Sa 243/07). Auch insoweit gilt, dass ein juristischer Laie wie typischerweise ein Arbeitnehmer oder Auszubildender nicht den Begriff der Kündigung verwenden muss. Dies entbindet ihn aber in der Sache nicht davon, in welchen Worten auch immer deutlich zu machen, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Wiederholungsfall des gerügten Verhaltens droht. Dies ist hier nicht geschehen. Zum anderen brachte die NGG gerade im Gegenteil mit der Androhung eines Zurückbehaltungsrechts "bis unsere berechtigten Forderungen erfüllt werden" zum Ausdruck, dass am Ausbildungsverhältnis weiter festgehalten und eben nicht mit einer Beendigung gedroht werden soll. Dies verstärkt sich noch durch den folgenden Satz, man hoffe, die Durchsetzung eines Zurückbehaltungsrechts werde nicht notwendig "und eine einvernehmliche Weiterausbildung (bleibe) möglich". Hieraus konnte die Beklagte gerade nicht die Drohung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses herauslesen.

Damit fehlte es an einer erforderlichen Abmahnung, weshalb die fristlose Eigenkündigung unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam war.

4. Besteht das Ausbildungsverhältnis der Parteien daher unverändert fort, kann die Klägerin weder einen Urlaubsabgeltungs- noch einen Urlaubsgeldanspruch geltend machen, ebensowenig die Erteilung einer Urlaubsbescheinigung oder eines Endzeugnisses. Auch Ansprüche auf die Herausgabe der Arbeitspapiere bestehen vor diesem Hintergrund nicht. Daher war die Klage insoweit abzuweisen.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

C.

Bei der Streitwertentscheidung wurden die Anträge zu 1 bis 5 wie beziffert veranschlagt, der Antrag zu 6 mit (5 x 300,00 EUR =) 1.500,00 EUR, der Antrag zu 7 mit einer Monatsvergütung, der Antrag zu 8 mit drei Monatsvergütungen, der Antrag zu 9 mit (2 x 300,00 EUR =) 600,00 EUR und der Antrag zu 10 mit 300,00 EUR.

Die Berufung war vorliegend nicht gesondert zuzulassen, da es hierfür an den Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG fehlt.



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