Landesarbeitsgericht Köln

Urteil vom - Az: 7 Sa 913/16

„Frauen an die Macht!“

Die gezielte Suche eines Autohauses nach einer weiblichen Autoverkäuferin in einer Stellenanzeige („Frauen an die Macht!“) kann nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber bisher in seinem gesamten Verkaufs- und Servicebereich ausschließlich männliche Personen beschäftigt hat.
(Leitsatz des Gerichts)

Die Parteien streiten um eine Entschädigungsforderung auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Diskriminierung des Klägers in seiner Eigenschaft als Mann. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Autohaus mit Werkstatt. In ihrem gesamten Verkaufs- und Servicebereich beschäftigte sie ausschließlich männliche Mitarbeiter. Anfang 2015 schaltete die Beklagte auf ihrer Homepage eine Stellenanzeige mit der Überschrift „Frauen an die Macht!“, aus der sich eindeutig ergab, dass eine weibliche Mitarbeiterin gesucht wird. Auf die Stellenanzeige bewarb sich auch der Kläger, er wurde jedoch abgelehnt. Die darauf vom Kläger eingereichte Klage auf Entschädigung hatte in erster sowie in zweiter Instanz vor dem LAG Köln keinen Erfolg. Zur Begründung der Entscheidung führt das Gericht an, die Beklagte habe mit der Bevorzugung des weiblichen Geschlechts in der Stellenausschreibung den unternehmerischen Zweck verfolgt, ihrer Kundschaft beim Autokauf Beratungsleistungen durch Verkaufspersonal beiderlei Geschlechts anzubieten. Sie habe sich erhofft, dadurch den Bedürfnissen ihrer Kundschaft besser gerecht werden zu können und infolgedessen auch bessere Verkaufsergebnisse zu erzielen. Die unterschiedliche Behandlung des Klägers wegen seines Geschlechts sei daher nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.02.2016 in Sachen 9 Ca 4843/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Entschädigungsforderung auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Diskriminierung des Klägers in seiner Eigenschaft als Mann.

Der am 1987 geborene Kläger absolvierte in der Zeit vom 01.08.2006 bis 11.06.2008 bei der M B Niederlassung R -R eine Ausbildung zum Automobilkaufmann, die er erfolgreich abschloss. Im Anschluss daran arbeitete er dort bis zum 30.06.2009 als Automobilkaufmann im Innendienst. In der Folgezeit war der Kläger nicht mehr in der Automobilbranche tätig. Er arbeitete als selbständiger Handelsvertreter, kaufmännischer Angestellter und Telesales Agent. Seit dem Sommersemester 2014 studiert er Betriebswirtschaft.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Autohaus, welches Neuwagen und Gebrauchtwagen verkauft sowie eine Werkstatt unterhält. Die Beklagte betätigt sich als Markenhändlerin für die Automarken Ma, S und F. Die Beklagte beschäftigte in ihrem gesamten Verkaufs- und Servicebereich ausschließlich Mitarbeiter männlichen Geschlechts. Auch unter den zehn für die Marke F zuständigen Verkaufsberatern befand sich keine einzige Frau.

Anfang 2015 schaltete die Beklagte auf ihrer Homepage eine Stellenanzeige mit der Überschrift „Frauen an die Macht!“. Im Text der Anzeige heißt es:

„Zur weiteren Verstärkung unseres Verkaufsteams suchen wir eine selbstbewusste, engagierte und erfolgshungrige Verkäuferin.

Wenn Sie Spaß daran haben Automobile zu verkaufen und Menschen überzeugen zu können, dass wir und Sie die richtigen Partner für unsere Kunden sind, dann bewerben Sie sich bei uns. Automobilerfahrung ist Voraussetzung für diese Position. …“ (vgl. Anlage K 7 a, Bl. 61 d. A.).

Die Annonce war mit dem Betriebsrat als Frauenfördermaßnahme abgestimmt.

Auf die Stellenanzeige bewarb sich mit Schreiben vom 02.03.2015 auch der Kläger. Mit E-Mail vom 19.03.2015 teilte die Beklagte dem Kläger Folgendes mit:

„Nach eingehender Prüfung Ihrer Bewerbungsunterlagen müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass wir Sie nicht in die engere Auswahl einbeziehen können.“ (Anlage K 9, Bl. 84 d. A.).

Eingestellt wurde schließlich eine Frau, die sich bereits am 29.01.2015 beworben hatte. Die eingestellte Bewerberin hatte im Jahre 2003 ebenfalls eine Ausbildung zur Automobilkauffrau abgeschlossen und war sodann durchgehend in der Automobilbranche beschäftigt, zunächst   als Verkaufs- und Serviceassistentin, seit 2006 als zertifizierte Neuwagenverkäuferin bei der P B -B GmbH und seit Oktober 2012 als Neu- und Gebrauchtwagenverkäuferin bei einem anderen F Markenhändler.

Mit Schreiben vom 27.04.2015 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch nach § 15 AGG geltend, da er bei seiner Bewerbung wegen seines männlichen Geschlechtes diskriminiert worden sei. Die Beklagte wies die Forderung durch Anwaltsschreiben vom 29.04.2015 zurück.

Mit seiner am 07.07.2015 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 24.07.2015 zugestellten vorliegenden Klage hat der Kläger seinen Entschädigungsanspruch weiterverfolgt und von der Beklagten die Zahlung von drei Monatsgehältern eines ausgebildeten Automobilkaufmanns als Entschädigung begehrt. Wegen der Höhe hat er sich an einer Studie des Internetportals www.gehaltsvergleich.com orientiert, wonach das Durchschnittsgehalt eines ausgebildeten Automobilkaufmanns in Deutschland monatlich 2.925,00 € betragen soll.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 8.775,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.04.2015 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, im Fahrzeugverkauf, insbesondere bei der Marke F, bestehe ein hoher weiblicher Kundenanteil von mindestens 25 - 30 %. Dabei seien die ‚jungen Modelle‘ und   Einsteigermodelle wie F Fi und F K bei der weiblichen Kundschaft besonders gefragt. Die Geschäftsleitung habe die streitgegenständliche Annonce ursprünglich als Werbeaktion gestartet, um weibliche Kundschaft anzusprechen. Zum anderen habe weiblichen Bewerberinnen der Anreiz gegeben werden sollen, sich zu bewerben. Hintergrund sei die besondere Konkurrenz- und Bewerbersituation, wonach sich weibliche Bewerberinnen meist gegenüber den männlichen Bewerbern zurückgesetzt fühlten. Verschiedene Kunden hätten nachgefragt, ob auch eine weibliche Verkäuferin beschäftigt werde, die die Kundinnen bedienen könne.

Außerdem hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass der Kläger wegen seiner mangelnden Erfahrung in der Automobilbranche für die ausgeschriebene Stelle nicht geeignet gewesen sei.

Mit Urteil vom 10.02.2016 hat die 9. Kammer des Arbeitsgerichts Köln die Klage abgewiesen. Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 23.02.2016 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 22.03.2016 Berufung eingelegt und diese – nach entsprechender Verlängerung der Frist – am 11.05.2016 begründet.

Der Kläger und Berufungskläger macht geltend, dass das Arbeitsgericht die Beweislastumkehr des § 22 AGG außer Acht gelassen habe. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei seine Benachteiligung wegen des Geschlechts auch nicht nach § 8 Abs. 1 AGG zu rechtfertigen. Für eine Tätigkeit als Automobilverkäufer sei ein bestimmtes Geschlecht nicht erforderlich. Frauen und Männer könnten Automobile gleich gut verkaufen. Es liege kein Nachweis dafür vor, dass unter den F Kunden der Beklagten 25 - 30 % weibliche Kunden seien, dass diese Jung- und Einsteigermodelle wie F K und F Fi besonders nachfragen würden und dass Frauen diese Modelle besser an Frauen verkaufen könnten als Männer.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift des Klägers vom 11.05.2016 wird Bezug genommen.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,

unter Abänderung des am 10.02.2016 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Köln, 9 Ca 4843/15, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.775,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.04.2015 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Gründe des arbeitsgerichtlichen Urteils und verweist auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.02.2016 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen formal ordnungsgemäß eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat die Entschädigungsklage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat Rechtsprechung und Literatur umfassend ausgewertet und sachgerecht angewendet und ist mit überzeugender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass zwar vordergründig der Kläger wegen seines Geschlechtes als Mann benachteiligt worden ist, dass diese Benachteiligung aber aufgrund der Umstände des Einzelfalls nach § 8 Abs. 1 AGG als gerechtfertigt anzusehen ist.

Zusammenfassend und die arbeitsgerichtliche Argumentation ergänzend gilt Folgendes:

1. Das Berufungsgericht macht sich zunächst die überzeugende Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils zu eigen.

2. Der Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“ im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 2 AGG und fällt somit in den persönlichen Anwendungsbereich des AGG. Dabei kann nach der neueren Rechtsprechung des BAG dahin gestellt bleiben, ob der Kläger für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist (BAG vom 13.10.2011, 8 AZR 608/10).

3. Die Beklagte ist auch als Arbeitgeberin im Sinne von § 6 Abs. 2 AGG passiv legitimiert. „Arbeitgeber“ eines Stellenbewerbers ist derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm ausgeschriebenes Beschäftigungsverhältnis gebeten hat (vgl. BAG a.a.O.).

4. Der Kläger hat seinen vermeintlichen Entschädigungsanspruch auch rechtzeitig gemäß § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht und nach Maßgabe des § 61 b Abs. 1 ArbGG rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Auf die entsprechenden Feststellungen des Arbeitsgerichts auf Seite 4 seines Urteils wird Bezug genommen.

5. Wie das Arbeitsgericht ferner ebenfalls richtig erkannt hat, indiziert der Text der Stellenanzeige, auf die der Kläger sich beworben hat, im Kontext der Ablehnung seiner Stellenbewerbung, dass der Kläger wegen eines der in § 1 AGG niedergelegten Merkmale, nämlich wegen seines Geschlechtes als Mann, benachteiligt worden ist. Die Beklagte hat in ihrer Stellenausschreibung durch den Slogan „Frauen an die Macht!“ plakativ hervorgehoben, dass es ihr gerade darauf ankommt, eine Autoverkäuferin weiblichen Geschlechts einzustellen. Es spricht zwar vieles dafür, dass bei der Einstellung der erfolgreichen Stellenbewerberin deren im Vergleich zum Kläger weitaus größere und überdies auch markeneinschlägige Berufserfahrung in der Autobranche eine wesentliche Rolle gespielt haben wird. Der Text der Stellenausschreibung spricht aber dafür, dass aus Sicht der Beklagten das männliche Geschlecht des Klägers jedenfalls ein weiteres Ausschlusskriterium gegen seine Einstellung dargestellt hat. Wie das Arbeitsgericht keineswegs verkannt hat, ließ dies im Sinne von § 22 AGG zunächst vermuten, dass die Bewerbung des Klägers unter Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung abgelehnt worden ist.

6. Das Berufungsgericht teilt jedoch uneingeschränkt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die unterschiedliche Behandlung des Klägers wegen seines Geschlechts unter den Bedingungen des vorliegenden Falles nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt war.

a. Die Beklagte verfolgte mit der Bevorzugung des weiblichen Geschlechts in der Stellenausschreibung den unternehmerischen Zweck, ihrer Kundschaft beim Autokauf Beratungsleistungen durch Verkaufspersonal beiderlei Geschlechts anzubieten. Sie erhoffte sich, dadurch den Bedürfnissen ihrer Kundschaft besser gerecht werden zu können und infolgedessen auch bessere Verkaufsergebnisse zu erzielen.

b. Es kommt dabei nicht darauf an, ob, wie die Beklagte konkret dargestellt hat, tatsächlich genau 25 bis 30 % ihrer F Kunden weiblichen Geschlechtes sind und ob der eine oder andere Kunde ihr gegenüber ausdrücklich den Wunsch geäußert hat, von weiblichem Verkaufspersonal bedient zu werden. Es bedarf zur Überzeugung des Berufungsgerichts keines Beweises, sondern liegt als Erfahrungstatsache auf der Hand, dass die Kundschaft eines größeren Autohauses wie der Beklagten zu einem mehr oder weniger großen, jedenfalls aber zahlenmäßig nicht zu vernachlässigenden Prozentsatz auch aus Personen weiblichen Geschlechts besteht.

c. Zudem kann ebenfalls ohne weiteres unterstellt werden, dass vom Empfängerhorizont eines Teiles der Kundschaft aus das Geschlecht des Verkaufsberaters für das Gelingen der Kommunikation im Verkaufsgespräch eine nicht unwichtige Rolle spielt. So kann beim weiblichen Teil der Kundschaft gerade wegen des althergebrachten Vorurteils, wonach Technik eine Männerdomäne sei, der Eindruck bestehen, von männlichen Verkäufern leichter übervorteilt zu werden. Auch ist in Rechnung zu stellen, dass für weibliche Kunden beim Autokauf möglicherweise andere Kriterien für die Kaufentscheidung im Vordergrund stehen als dies bei männlichen Kunden der Fall ist, so dass die weibliche Kundin das Gefühl entwickelt, von einer weiblichen Verkäuferin in ihren Bedürfnissen besser verstanden zu werden. Ein Autokauf stellt insbesondere für private Kunden regelmäßig ein wichtiges Ereignis von erheblicher wirtschaftlicher Tragweite dar. Ein Autokauf gilt daher vielfach als „Vertrauenssache“, zumal der Verkäufer dem Kunden gegenüber regelmäßig über einen die Marktgegebenheiten und die Technik der Fahrzeuge betreffenden Wissensvorsprung verfügt. Bei einem Vertrauensgeschäft kommt der Persönlichkeit des für den Vertragspartner Handelnden eine gesteigerte Bedeutung zu. Die Eigenart der Persönlichkeit eines Menschen wird durch sein Geschlecht mitgeprägt.

d. Verfolgt die Beklagte mit ihrer Stellenanzeige den Zweck, das Spektrum ihrer Beratungsleistungen dadurch zu erweitern, dass auf Wunsch auch weibliches Verkaufsberatungspersonal zur Verfügung steht, so bedingt das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle, dass das weibliche Geschlecht eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die zu erwartende Tätigkeit darstellt; denn im Zeitpunkt der Stellenanzeige und auch in der Zeit zuvor beschäftigte die Beklagte ausschließlich männliches Verkaufs- und Servicepersonal und keine einzige Frau in diesem Tätigkeitsbereich. Die Beklagte verfolgte mit ihrer auf weibliche Personen zugeschnittenen Stellenausschreibung in Abstimmung mit ihrem Betriebsrat das Ziel, dem Zustand, ihre Verkaufs- und Serviceleistungen ausschließlich durch Männer anbieten zu können, ein Ende zu bereiten.

e. Dass die Bevorzugung des weiblichen Geschlechts in der Anzeige der Beklagten durch § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt ist, wird auch nicht durch die Feststellung des Klägers in Frage gestellt, dass bei objektiver Betrachtung Frauen nicht grundsätzlich bessere Autoverkäufer sind als Männer, wobei der Kläger ausdrücklich und zutreffend einräumt, dass umgekehrt dasselbe gilt. Ebenso wenig kann der Rechtfertigung nach § 8 Abs. 1 AGG entgegengehalten werden, dass ein Arbeitgeber sich nur unter strengen Voraussetzungen Kundenwünschen oder -erwartungen beugen darf, die im Ergebnis zu einer anhand der Kriterien des § 1 AGG diskriminierenden Behandlung von Beschäftigten führt (vgl. zu diesem Komplex die differenzierte Darstellung von Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, 4. Aufl., § 8 Rdnr. 12 - 16).

aa. Der Kläger übersieht bei diesen Einwänden, dass sich die vorliegende Fallkonstellation diametral von den Fallgruppen unterscheidet, in denen ein Arbeitgeber die unternehmerische Zweckbestimmung verfolgt, in seinem Betrieb bestimmte Tätigkeiten generell nur von Angehörigen eines bestimmten Geschlechtes ausführen zu lassen (vgl. das Beispiel der „gut aussehenden Barkeeperinnen“ in einer Cocktailbar bei Schleusener a.a.O. Rdnr. 14). Vorliegend trifft gerade das Gegenteil zu: Zwar führt die Einzelmaßnahme der vorliegend streitigen Stellenanzeige der Beklagten zu einer punktuellen Benachteiligung männlicher Bewerber. Das – in Abstimmung mit dem Betriebsrat entwickelte – unternehmerische Anliegen, dessen Verwirklichung die Einzelmaßnahme dienen soll, bedarf hier selbst aber gerade keiner Rechtfertigung nach § 8 Abs. 1 AGG; denn das hier in Rede stehende unternehmerische Anliegen der Beklagten besteht letztlich darin, überkommene und aus objektiven Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigende Geschlechterrollenklischees in bestimmten Berufsfeldern aufzubrechen, hier konkret das Klischee, dass das Berufsfeld eines Autoverkäufers ein typisches männliches ist,.

bb. Das übergeordnete Anliegen der Beklagten, dessen Verwirklichung die hier streitige Einzelmaßnahme dienen sollte, deckt sich in vollem Umfang mit dem Sinn und Zweck des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, die Gleichbehandlung der Geschlechter im Berufsalltag zu fördern. Gemessen an Sinn und Zweck des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erschiene es geradezu kontraproduktiv, die Beklagte dafür zu sanktionieren, dass sie eine gezielte Maßnahme ergriffen hat, künftig in einem Berufsfeld, das grundsätzlich ebenso gut von Frauen wie von Männern ausgeübt werden kann, nicht mehr nur ausschließlich Angehörige eines einzigen Geschlechtes zu beschäftigen.

7. Schon das Arbeitsgericht hat schließlich zu Recht ausgeführt, dass durch ein solches Verständnis von § 8 Abs. 1 AGG nicht – auch nicht unter Rückgriff auf tatsächliche oder vermeintliche Kundenerwartungen – die Möglichkeit eröffnet wird, durch ein – eventuell sogar nur vorgeschobenes – unternehmerisches Konzept das Verbot des § 7 Abs. 1 AGG zu umgehen. Maßnahmen, wie die hier in Rede stehende Stellenanzeige, können nur in Ausnahmefällen nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt werden. Eine solche Ausnahmekonstellation besteht vorliegend eben darin, dass die Beklagte bisher in ihrem gesamten Verkaufs- und Servicebereich ausschließlich Mitarbeiter des männlichen Geschlechts beschäftigt hat.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich.  



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