Arbeitsgericht Cottbus
Urteil vom - Az: 3 Ca 171/13
Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und an Feiertagen im Falle eines Mindestlohns
2. Die für einen Generalunternehmer gemäß § 14 AEntG geltenden Beschränkungen der Bürgenhaftung sind auf das Verhältnis Arbeitgeber - Arbeitnehmer nicht übertragbar. (Leitsätze)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 180,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 16.11.2012 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 123,75 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 16.12.2012 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 45,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 16.01.2013 zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 225,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 16.02.2013 zu zahlen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 94 %, die Klägerin zu 6 %.
6. Der Streitwert wird auf 832,50 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der Entgeltfortzahlung für Feiertage und bei Arbeitsunfähigkeit.
Die Klägerin ist als pädagogische Mitarbeiterin seit dem 01.09.2011 befristet bis zum 31.08.2013 bei der Beklagten mit 39-Wochenstunden beschäftigt. Mit einer ersten Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag vom 10.08.2011 einigten sich die Parteien auf ein Grundgehalt in Höhe von 1.800,00 Euro brutto ab März 2012. Das Gehalt ist fällig zum 15. des Folgemonats, Ziffer 2.2 des Arbeitsvertrages.
Die Beklagte erbringt Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem 2. oder 3. Buch Sozialgesetzbuch. Für diesen Bereich hat die Bundesministerin für Arbeit und Soziales mit Wirkung ab 01.08.2012 eine Rechtsverordnung gemäß § 7 Abs. 1 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) erlassen, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15. November 2011 auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Anwendung finden. Der Tarifvertrag lautet:
„§ 1 Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt
1. räumlich im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland;
2. sachlich für Betriebe oder selbstständige Betriebsabteilungen von Trägern der beruflichen Bildung, soweit diese Betriebe oder selbstständigen Betriebsabteilungen überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch des Sozialgesetzbuches erbringen. Ausgenommen sind die Träger der beruflichen Rehabilitation behinderter Menschen;
3. persönlich für alle Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer im pädagogischen Bereich mit Ausnahme von Praktikantinnen/Praktikanten (auch im Anerkennungsjahr). Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer im pädagogischen Bereich sind mit der Aus- und Weiterbildung, Vermittlung oder Betreuung von Teilnehmerinnen/Teilnehmer betraut.
§ 2 Regelungsgegenstände
1. Dieser Tarifvertrag regelt ausschließlich die Mindeststundenvergütung und den jährlichen Urlaubsanspruch. Für andere Regelungsgegenstände ist die Vereinbarung eines tariflichen Anspruchs aus diesem Tarifvertrag ausdrücklich nicht gewollt.
2. Für die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer günstigere Regelungen bleiben unberührt.
§ 3 Entgelt
1. Die Mindeststundenvergütung (brutto) beträgt - abhängig vom Einsatzort - mindestens
12,60 € (Berlin, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern)
11,25 € (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen).
2. Der Anspruch auf die Mindeststundenvergütung wird spätestens zum 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den die Mindeststundenvergütung zu zahlen ist.
§ 4 Urlaub
Die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer haben unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes Anspruch auf Jahresurlaub; Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Unter Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche beträgt der Urlaubsanspruch 26 Arbeitstage; der volle Urlaubsanspruch entsteht erstmalig nach einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von sechs Monaten.“
Blatt 137 der Akte
Seit dem 01.08.2012 vergütet die Beklagte tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und mittlerweile auch Urlaub mit dem Mindestlohn von 11,25 Euro brutto pro Stunde. Feiertage und Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit vergütet sie in Höhe des sich aus dem arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalt ergebenden Stundenlohns. Unterschreitet das so errechnete Gehalt die arbeitsvertragliche Vereinbarung, so werden die am 10.08.2012 vereinbarten 1.800,00 Euro brutto ausgezahlt. Im Einzelnen leistete die Beklagte in den hier streitigen Monaten folgende Gehaltszahlungen:
August 2012: 1.800,00 Euro brutto
Nachzahlung im März 2013: 213,75 Euro brutto;
Oktober 2012: 1.800,00 Euro brutto
Nachzahlung im März 2013: 45,00 Euro brutto;
November 2012: 1.800,00 Euro brutto;
Dezember 2012: 1.800,00 Euro brutto;
Januar 2013: 1.800,00 Euro brutto.
Das Informations- und Wissensmanagement Zoll gab der Beklagten am 11.12.2012 folgende Auskunft:
„Sehr geehrter Herr A...,
wie bereits ausgeführt sind die geleisteten Arbeitsstunden mindestlohnpflichtig.
Für die an Feiertagen und im Krankheitsfall ausgefallene Arbeit besteht kein Anspruch auf Mindestlohn.
Die Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall ist im Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (EntgFG) geregelt. Das EntgFG beschreibt jedoch keine zwingenden gesetzlichen Arbeitsbedingungen im Sinne von § 2 AEntG.
Demgegenüber ist die Entgeltfortzahlung im Urlaub im § 4 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch geregelt. Entsprechend des Wortlautes ist hier „unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes“ festgelegt. Sofern sich der Begriff Arbeitsentgelt auf den Begriff Entgelt des § 3 bezieht, wäre der Mindestlohn einschlägig.
Da es sich hier um eine Auslegung des Tarifvertrages handelt, empfehle ich Ihnen sich an die Tarifvertragsparteien zu wenden.
Aus rechtlichen Gründen kann diese Auskunft nur unverbindlich erteilt werden.“
Blatt 77 der Akte
Mit ihrer am 06.02.2013 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Klage begehrte die Klägerin zunächst eine Nachzahlung für August, Oktober, November und Dezember 2012. Mit Klageerweiterung vom 04. April 2013 begehrte sie eine Nachzahlung für Januar 2013.
Mit Schriftsatz vom 15.04.2013 erklärte sie die Erledigung hinsichtlich der Nachzahlungsforderungen für August und November 2012.
Mit Schriftsatz vom 31.05.2013 erweiterte die Klägerin ihre Klage um die Nachzahlung für März und April 2013.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe Anspruch auf Entgeltfortzahlung für Feiertage und Arbeitsunfähigkeit in Höhe des Mindestlohnes von 11,25 Euro brutto pro Stunde. Der Anspruch folge aus den §§ 2, 4 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgeltfortzahlungsG). Für Arbeit, die an Feiertagen ausfalle, und für Arbeitsunfähigkeit sei grundsätzlich das Entgelt fortzuzahlen, das ohne den Feiertag bzw. die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich verdient worden wäre. Bei tatsächlicher Arbeitsleistung sei unstreitig der Mindestlohn zu zahlen. Das von der Beklagten herangezogene Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) beträfe die Bürgenhaftung nach dem AEntG und könne nicht auf das Verhältnis zwischen Arbeitnehmerin und Arbeitgeber übertragen werden.
Im Kammertermin am 06.06.2013 hat die Klägerin die Klage hinsichtlich ihrer Nachzahlungsforderungen für März und April 2013 zurückgenommen. Für August 2012 und hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 45,00 Euro für Oktober 2012 hat sie die teilweise Erledigung ihrer Klage erklärt. Dem hat sich die Beklagte angeschlossen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 180,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.11.2012 zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 123,75 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.12.2012 zu zahlen.
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 45,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.01.2013 zu zahlen.
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 225,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.02.2013 zu zahlen.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen und die Berufung zu zulassen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für Feiertage und Arbeitsunfähigkeit in Höhe des Mindestlohnes. Durch eine Rechtsverordnung gemäß § 7 Abs. 1 AEntG könnten nur Regelungsgegenstände des abschließenden Katalogs des § 5 AEntG für allgemeinverbindlich erklärt werden. Der Rückverweis des § 5 auf § 2 AEntG stelle klar, dass dies nur Arbeitsbedingungen sein könnten, die international zwingend entsprechend der Entsenderichtlinie sein sollen (Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen). Zu den Rechtsnormen, die durch Allgemeinverbindlichkeitserklärung international zwingend sein sollen, gehörten die Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit und aufgrund von Feiertagen nicht. Diese seien weder im Katalog des § 2 noch des § 5 AEntG aufgezählt. Die gegebenenfalls geringere Vergütung für Feiertage und Arbeitsunfähigkeit sei der Konzeption des AEntG geschuldet. Hierzu verweist die Beklagte auf die Kommentierung in Koberski, AEntG, 3. Auflage, § 5 Rn. 17, 18.
Dass eine Vergütung in Höhe des Mindestlohnes nur für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung geschuldet werde, ergäbe sich auch aus einer Entscheidung des BAG vom 12.01.2005, 5 AZR 279/01. In dieser Entscheidung definiere das BAG den Begriff des Mindestlohnes im Sinne von § 1 Abs. 1 AEntG alte Fassung (aF). Eine Beschränkung dieser Definition auf die Bürgenhaftung sei unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 des AEntG aF nicht erfolgt. Zum Mindestlohnanspruch nach § 1 Abs. 1 AEntG habe das BAG ausgeführt, dass dieser ausschließlich für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung geschuldet werde. Die Beklagte verweist dazu auch auf einen Aufsatz von Dr. Deckert, NZR 2008, 321 ff.
Schließlich wäre der mit Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag auch als Regelung einer abweichenden Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts gemäß § 4 Abs. 4 EntgeltfortzahlungsG anzusehen. Dadurch dass sich die Festlegungen des Tarifvertrages ausdrücklich nur auf den Mindestlohn und den Urlaub beschränkten, sei klargestellt, dass der Mindestlohn nicht für die Berechnung der Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz herangezogen werden sollte.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen gemäß § 313 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Nachzahlung von Entgelt in von ihr zuletzt begehrter Höhe.
1. Die Klägerin hat Anspruch auf Nachzahlung von 180,00 Euro brutto für Oktober 2012. Dies entspricht 16 Stunden Feiertagslohn für den 03. und 31.10.2012. Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 611 Abs. 1 BGB, § 2 Abs.1 EntgeltfortzahlungsG.
a) In Höhe eines Teilbetrags von 160,00 Euro brutto besteht der Anspruch wohl auch nach der Rechtsauffassung der Beklagten. Die Kammer versteht den Vortrag der Beklagten so, dass die Beklagte Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und des Arbeitsausfalls wegen Feiertagen nicht in Höhe des Mindestlohnes vergütet, sondern dafür den arbeitsvertraglich vereinbarten, darunter liegenden Lohn zahlt. Aber auch dies hat die Beklagte bisher nicht getan. Sie hat bisher 164 Stunden für Oktober 2012 in Höhe des Mindestlohnes vergütet. Die 16 Stunden, die durch die Feiertage am 03. und 31.10.2012 ausgefallen sind, hat sie bisher gar nicht vergütet. Unter Zugrundelegung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung eines Gehaltes von 1.800,00 Euro brutto und einer im Oktober 2012 zu leistenden Stundenzahl von 180, ergibt sich für den Oktober 2012 ein arbeitsvertraglich vereinbarter Stundenlohn von 10,00 Euro brutto pro Stunde. Hieraus ergibt sich der wohl zwischen den Parteien unstreitige Anspruch der Klägerin auf Vergütung in Höhe von 160,00 Euro.
b) Der Nachzahlungsanspruch der Klägerin besteht aber auch in Höhe weiterer 20,00 Euro brutto. Die Klägerin hat für die wegen der Feiertage ausgefallenen Arbeitszeit Anspruch auf Vergütungsfortzahlung gemäß § 2 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG in Höhe des Mindestlohnes von 11,25 Euro brutto pro Stunde. § 2 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG bestimmt, dass für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen hat, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Hätte die Klägerin am 03. und 31.10.2012 gearbeitet, so hätte die Beklagte sie mit dem Mindestlohn in Höhe von 11,25 Euro brutto pro Stunde vergütet. Diesem Anspruch der Klägerin steht auch die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BAG nicht entgegen. In seiner Entscheidung vom 12. Januar 2005, 5 AZR 279/01, hatte das BAG über Vergütungsforderungen des Arbeitsnehmers eines Subunternehmers gegen den Generalunternehmer gemäß § 1 a AEntG aF, nunmehr § 14 AEntG, zu entscheiden. Es ging um den Umfang der den Generalunternehmer treffenden Bürgenhaftung nach § 1 a aF (§ 14 AEntG). In dieser Entscheidung schränkt das BAG die Bürgenhaftung des Generalunternehmers gegenüber dem Arbeitnehmer eines Subunternehmers auf die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung ein. Zwar ist die Bürgenhaftung grundsätzlich akzessorisch, § 767 BGB. Das AEntG selbst schränkt aber bereits die Akzessorietät der Bürgenhaftung erheblich ein. § 14 Satz 2 AEntG (entspricht § 1 a Satz 2 AEntG aF) definiert das Mindestentgelt, für das der Generalunternehmer haftet, als den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zu Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen auszuzahlen ist (Nettoentgelt). Bereits hierin liegt eine gesetzliche Einschränkung der Akzessorietät, die der Bürgenhaftung grundsätzlich nicht innewohnt. Dieser Intention folgend schränkte das BAG in seiner Entscheidung vom 12.01.2005 die Bürgenhaftung weiter ein:
„IX. Die Beklagte zu 2) haftet nach § 1 a AEntG für den Mindestlohn, den der Arbeitnehmer für tatsächlich erbrachter Arbeitsleistungen von seinem Arbeitgeber verlangen kann. Eine weitergehende Haftung für Annahmeverzugsansprüche besteht nicht (zu Verzugszinsen vergleiche Senat 12. Januar 2005 - 5 AZR 617/01 - zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).
1. Die Bürgenhaftung bezieht sich allein auf den Mindestlohnanspruch nach § 1 Abs. 1 AEntG. Dieser wird ausschließlich für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen geschuldet, weil die Rechtsnormen des für allgemeinverbindlich erklärten TV-Mindestlohn vom 26. Mai 1999 nur insoweit international zwingend im Sinne von Artikel 34 EG BGB sind (vergleiche Koberski/Asshoff/Hold AEntG § 1Rn. 209 und § 1 a Rn. 19). Die Ansprüche auf Annahmeverzugslohn gehören hierzu nicht.“
(BAG aaO Rz. 66, 67)
Aus diesen Ausführungen des BAG zieht Dr. Deckers in seinem 2008 in der NZA veröffentlichten Aufsatz „Der Mindestentgeltbegriff in § 1 a AEntG“ die Folgerung, dass auch Entgeltfortzahlungsansprüche für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Feiertage nicht von der Bürgenhaftung erfasst seien (NZA 2008, 321 f).
c) Die Kammer folgt jedoch nicht der Auffassung der Beklagten, dass auch der Arbeitgeber, der zu seinem Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis nach deutschen Recht steht, berechtigt ist, sofern ein allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag zum Mindestlohn oder eine Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 1 AEntG vorliegt, vergleichbar der Bürgenhaftung die aus dem deutschen Arbeitsvertragsrecht folgenden Rechtsansprüche seiner Arbeitnehmer unter Verweis auf die Bürgenhaftung aus dem AEntG einzuschränken. So weist zwar die Beklagte zu Recht darauf hin, dass in der zitierten Entscheidung das BAG den Mindestentgeltbegriff nicht bezogen auf den die Bürgenhaftung regelnden § 1 a AEntG aF definiert, sondern bezogen auf die Generalnorm des § 1 a AEntG aF. Dies hindert jedoch nach Auffassung der Kammer nicht, dass aus dem deutschen Arbeitsrecht folgende Rechtsansprüche der Arbeitnehmer gegenüber ihren Arbeitgebern zu einem Anspruch auf Zahlung des Mindestlohnes auch in den Bereichen führen, in dem dies für den als Bürgen haftenden Generalunternehmer ausgeschlossen ist.
Der Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung folgt nicht aus dem AEntG sondern aus dem EntgeltfortzahlungsG. Allein diese Regelung ist maßgebend. Ausgefallene Arbeitszeit für Feiertage ist nach den Vorgaben des EntgeltfortzahlungsG so zu vergüten, als ob die Klägerin gearbeitet hätte. Hätte die Klägerin gearbeitet, so wäre sie unstreitig von der Beklagten mit dem Mindestlohn in Höhe von 11,25 Euro brutto vergütet worden. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung an Feiertagen gemäß § 2 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG ist nicht dispositiv. Dass Ansprüche auf Entgeltfortzahlung dem Themenkatalog des AEntG nicht unterfallen, ändert nichts daran, dass die Beklagte zur Fortzahlung der Vergütung für an Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit entsprechend § 2 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG verpflichtet ist.
Durch das in Kraft treten der Rechtsverordnung zum 01.08.2012 ist das zwischen den Parteien vereinbarte arbeitsvertragliche Gehalt in Höhe von 1.800,00 Euro brutto durch den Mindestlohn der Rechtsverordnung ersetzt worden. Dass eine Regelung zur Entgeltfortzahlung entsprechend dem Themenkatalog der §§ 2 und 5 AEntG, die im Einklang mit der Entsenderichtlinie stehen, nicht möglich wäre, ändert nichts an der Ersetzung des arbeitsvertraglich vereinbarten Gehaltes durch den Mindestlohn.
Dass die Rechtsverordnung keine Regelung zur Entgeltfortzahlung enthält, ist für die Klägerin unerheblich, da ihre Ansprüche aus dem EntgeltfortzahlungsG folgen. Das AEntG verhält sich dazu nicht. Dies mag dazu führen, dass Arbeitnehmer ausländischer Arbeitgeber Entgeltfortzahlungsansprüche nur nach ausländischem Recht gegenüber ihrem Arbeitgeber geltend machen können. Für die Klägerin gilt jedoch § 2 Abs.1 EntgeltfortzahlungsG. Dieser bestimmt sowohl Anspruchsgrund als auch Anspruchshöhe in Verbindung mit § 611 BGB.
Die Kammer vermag sich daher auch der Kommentierung von Koberski, AEntG, 3. Auflage, § 5 Rz. 14 - 17 nicht anschließen. Auch diese Kommentierung beruht darauf, dass die vom BAG für die Bürgenhaftung gefundenen Ergebnisse auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem unter deutschem Recht stehenden Arbeitsvertrag übertragen werden. Dafür sieht die Kammer jedoch keine Anhaltspunkte.
2. Die Klägerin hat Anspruch auf Nachzahlung von 123,75 Euro brutto für November 2012.
a) In Höhe eines Betrages von 45,27 Euro brutto ergibt sich der Nachzahlungsanspruch auch nach der Rechtsauffassung der Beklagten. So hat die Beklagte lediglich die tatsächliche Arbeitszeit in Höhe von 62 Stunden mit 697,50 Euro brutto in Ansatz gebracht. Auch nach ihrer eigenen Rechtsauffassung wäre sie aber gehalten gewesen, die 109 Stunden der Arbeitsunfähigkeit mit dem arbeitsvertraglich vereinbarten Entgelt zu vergüten. Dies betrug bei 171 Sollstunden für November 2012 und einer arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung von 1.800,00 Euro brutto 10,53 Euro brutto pro Stunde für November 2012. Dementsprechend hätte die Beklagte 1.845,27 Euro brutto auszahlen müssen.
b) In Höhe eines Betrages von 78,48 Euro brutto folgt der Anspruch der Klägerin aus §§ 611 Abs. 1 BGB, 4 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG. Die Klägerin war 109 Stunden im November 2012 arbeitsunfähig erkrankt. Für diesen Zeitraum ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bestimmt § 4 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG die Berechnung der Vergütung nach dem Lohnausfallprinzip. Es ist dem Arbeitnehmer das zu zahlen, was er verdient hätte, wenn er nicht erkrankt wäre. Insoweit gilt dasselbe wie für die Entgeltzahlung an Feiertagen.
Auch hier kann sich die Kammer der Auffassung der Beklagten nicht anschließen, dass sich der im AEntG speziell geregelte Umfang der Bürgenhaftung auf die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgeltes für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz auswirkt. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
Ebenso wenig kann sich die Kammer der Auffassung der Beklagten anschließen, dass der durch Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag eine nach § 4 Abs. 4 EntgeltfortzahlungsG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgeltes festgelegt hat. Dies wäre nur möglich, wenn die Nichterwähnung der Entgeltfortzahlung in dem durch die Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 16. November 2011 als beredtes Schweigen zu verstehen wäre. Dafür finden sich aber keine Anhaltspunkte. Darüber hinaus setzt § 4 Abs. 4 EntgeltfortzahlungsG gerade die bewusste Abweichung und Festlegung einer anderen Bemessungsgrundlage voraus. Dies ist unzweifelhaft durch den Tarifvertrag nicht geschehen.
3. Die Klägerin hat Anspruch auf Nachzahlung von 45,00 Euro brutto für Dezember 2012. Der Anspruch der Klägerin folgt für 32 Stunden aus §§ 611 Abs. 1 BGB, 2 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG und für 55 Stunden aus §§ 611 Abs. 1 BGB, 4 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG.
a) In Höhe eines Betrages von 21,51 Euro brutto ist der Anspruch bereits aus der Verpflichtung der Beklagten begründet, auch nach ihrer Rechtsauffassung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und des Arbeitszeitausfalls wegen Feiertagen zumindest die vormals arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung in Höhe von 1.800,00 Euro brutto zu bezahlen. Bei einer Sollstundenzahl von 164 im Dezember 2012 entspricht dies einem Stundenlohn der Klägerin von 10,98 Euro brutto. Dieser Betrag multipliziert mit 87 Stunden Arbeitsunfähigkeit und Feiertagslohn und addiert mit der von der Beklagten berechneten Urlaubsvergütung ergibt ein Gesamtbetrag von 1.821,51 Euro brutto. Die Beklagte hat bisher aber nur 1.800,00 Euro brutto bezahlt.
b) In Höhe des verbleibenden Betrages von 23,49 Euro brutto hat die Klägerin einen Anspruch auf Nachzahlung aus den unter I 1 b), c) und 2b) dargelegten Gründen. Nach Auffassung der Kammer sind auch die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und die Zeiten des Arbeitszeitausfalls wegen Feiertagen mit dem Mindestlohn in Höhe von 11,25 Euro zu vergüten. Daraus ergibt sich der verbleibende Anspruch der Klägerin in Höhe von 23,49 Euro brutto.
4. Die Klägerin hat Anspruch auf Nachzahlung von 225,00 Euro brutto für Januar 2013. Der Anspruch der Klägerin folgt aus den §§ 611 BGB, 2 Abs. 1 und 4 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG.
a) In Höhe eines Teilbetrags von 166,25 Euro brutto hat die Klägerin wohl auch nach Auffassung der Beklagten Anspruch auf Nachzahlung, da die Beklagte in dieser Höhe Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und des Arbeitszeitausfalls durch einen Feiertag noch gar nicht vergütet hat. Auf die unter I 1 a) gemachten Ausführungen wird verwiesen. Bei einer Sollstundenzahl im Januar 2013 von 180 Stunden ergibt sich ein Stundenlohn der Klägerin nach dem ehemals vereinbarten arbeitsvertraglichen Gehalt von 10,00 Euro brutto. Dies mit 47 Stunden Arbeitsunfähigkeit und Arbeitszeitausfall durch einen Feiertag multipliziert und addiert mit dem von der Beklagten für die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung zu leistenden Entgelt, ergibt einen Gesamtbetrag von 1.966,25 Euro brutto. Bisher hat die Beklagte lediglich 1.800,00 Euro brutto gezahlt.
b) Die Klägerin hat Anspruch auf Nachzahlung von Vergütung in Höhe von 58,75 Euro brutto gemäß § 611 Abs. 1 BGB, § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG. Dieser Anspruch der Klägerin folgt aus der Verpflichtung der Beklagten, auch die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und des Arbeitszeitausfalls durch einen Feiertag mit dem Mindestlohn in Höhe von 11,25 Euro brutto zu vergüten. Auf die unter I 1 b), c) und 2b) gemachten Ausführungen wird verwiesen.
5. Der Zinsanspruch der Klägerin rechtfertigt sich aus den §§ 280, 286 Abs. 1 BGB. Gemäß Ziffer 2.2 des Arbeitsvertrages wird die Vergütung jeweils zum 15. eines Monats fällig. Damit war die Beklagte jeweils mit dem 16. des Folgemonats mit der Vergütungszahlung für den vorhergehenden Monat im Verzug. Gemäß § 288 Abs. 1, § 247 BGB ist die Geldschuld mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 91 a und 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Soweit die Klägerin die Klage zurücknahm (123,75 Euro) folgt die Kostentragungspflicht der Klägerin aus § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Hinsichtlich der von der Klägerin im Kammertermin gestellten Anträge ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 91 Abs. 1 ZPO, da die Beklagte insoweit unterlag.
Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage trägt die Beklagte die Kosten gemäß § 91 a ZPO. Die Kammer hat über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Der von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärte Teil der Klageforderung betraf die von der Beklagten nachgezahlte Urlaubsvergütung der Klägerin auf der Basis des Mindestlohnes. Dies ist eine Verpflichtung der Beklagten aus dem per Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag. Da die Klage der Klägerin insoweit erfolgreich gewesen wäre, hat die Beklagte diese Kosten zu tragen.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 61 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz. Sie entsprach der Summe der Klageforderung einschließlich des für erledigt erklärten Teils.