Landesarbeitsgericht Nürnberg

Urteil vom - Az: 7 Sa 304/17

Drogeriemarktangestellte darf Kopftuch tragen

Das Verbot, während der Arbeitszeit aus religiösen Gründen ein Kopftuch zu tragen, stellt eine mittelbare Diskriminierung im Sinne des § 3 Absatz 2 AGG dar. Darüber hinaus beeinträchtigt das Kopftuchverbot die Religionsfreiheit im Sinne des Art. 4 GG. Insofern hat eine Abwägung mit den sich aus Art. 12 und 2 GG ergebenden Grundrechten des Arbeitgebers zu erfolgen. Bei der Auslegung des § 106 GewO steht Gemeinschaftsrecht der Anwendung der Grundrechte nach dem Grundgesetz nicht entgegen.
(Leitsätze des Gerichts)


Die Klägerin ist seit 2002 bei der beklagten Drogeriemarktkette als Verkäuferin beschäftigt. Sie befand sich von 2011 bis 2014 in Elternzeit. Bei Wiederaufnahme ihrer Arbeit trug die Arbeitnehmerin, anders als vor der Elternzeit, ein Kopftuch. Daraufhin forderte die Filialleiterin sie auf, das Kopftuch während der Arbeitszeit abzunehmen, anderenfalls werde man sie nicht weiter beschäftigen. Dabei stützte sie sich auf eine betriebliche Vorgabe, nach der von allen Beschäftigten eine bestimmte, religiös und weltanschaulich neutrale Kleiderordnung zu beachten sei. Gegen diese Weisung erhob die Angestellte vor dem ArbG Nürnberg Klage – mit Erfolg. Das LAG Nürnberg bestätigte nun die Entscheidung. Auch dort ist man der Ansicht, dass die Weisung die Arbeitnehmerin aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses mittelbar diskriminiere und nicht durch betriebliche Entscheidungen gerechtfertigt werden könne. Dazu musste das Gericht jedoch aufgrund eines Urteils des EuGH einen ungewöhnlich hohen Begründungsaufwand betreiben. Der EuGH hatte bereits am 14.03.2017 (Az. C-157/15) zu unternehmensinternen Regelungen, die religiöse Kleidung verbieten, Stellung bezogen und klargestellt, dass diese durchaus gerechtfertigt sein können. Eine Firmenpolitik, die auf religiöse Neutralität ausgerichtet sei, stelle ein legitimes Ziel dar. Das LAG argumentierte jedoch, dass im vorliegenden Fall eine andere Ausgangslage gegeben sei. Die Fälle, in denen der EuGH entschieden habe, beträfen Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor, die besonders auf das Wohlwollen ihrer Kunden angewiesen seien. Bei der Drogerie handele es sich dagegen um ein Einzelhandelsunternehmen, bei dem Kunden aus vielen Bevölkerungsgruppen einkauften, darunter, so das Gericht, auch viele Frauen mit Kopftuch. Außerdem sei der Kontakt zwischen Kunden und Mitarbeitern relativ gering, da man sich im Drogeriemarkt selbst bediene. Daraus folgerte das Gericht einen entscheidenden Unterschied zu den Fällen des EuGH, welcher dazu führe, dass eine Rechtfertigung des Kopftuchverbots nicht in Betracht komme. Darüber hinaus entschied das LAG weiter, auch wenn europarechtlich betrachtet keine Diskriminierung vorliege, verstoße die Weisung dennoch gegen die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit, die trotz der EuGH-Rechtsprechung Geltung behalte.
Die Revision wurde aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen.(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 28.03.2017 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Anweisung.

Die Beklagte betreibt bundesweit eine Drogeriemarktkette.

Die Klägerin ist seit 02.11.2002 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 15.06.2004 zugrunde. Danach ist die Klägerin als „Verkaufsberater und Kassierer“ in der Filiale in A. tätig.

Die Klägerin befand sich vom 04.12.2011 bis 07.10.2014 in der Elternzeit.

Einige Tage vor der Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit bei der Beklagten erschien die Klägerin im Betrieb. Sie trug, anders als vor der Elternzeit, ein Kopftuch. Die Filialleiterin, Frau P., wies die Klägerin darauf hin, dass man sie nicht beschäftigen werde, wenn sie ein Kopftuch trage.

Am 12.11.2014 erhob die Klägerin die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg. Sie stellte zuletzt folgenden (Haupt) Antrag:

Es wird festgestellt, dass die Weisung der Beklagten an die Klägerin, nach dem die Klägerin entsprechend der Kleiderordnung und ohne auffällige großflächige religiöse, politische und sonstige weltanschauliche Zeichen am Arbeitsplatz zu erscheinen und ihre Arbeit aufzunehmen hat, unwirksam ist.

Darüber hinaus machte die Klägerin für den Zeitraum Juni 2016 bis Januar 2017 Entgeltansprüche und Urlaubsgeld sowie den pauschalen Schadensersatz gemäß § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB geltend.

Mit Endurteil vom 28.03.2017 gab das Arbeitsgericht der Feststellungsklage im Hauptantrag statt. Gleichzeitig verurteilte es die Beklagte zu den beantragten Zahlungen mit Ausnahme des jeweils geltend gemachten pauschalen Schadensersatzanspruchs nach § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB. Insoweit wies es die Klage ab.

Das Urteil wurde der Beklagten am 16.08.2017 zugestellt.

Die Beklagte legte gegen das Urteil am 01.09.2017 Berufung ein und begründete sie am 13.11.2017. Bis dahin war die Berufungsbegründungsfrist verlängert worden.

Die Beklagte führt aus, sie beschäftige insgesamt 14.794 Mitarbeiter aus 88 Nationen. In ihrem Unternehmen träfen daher ein Vielzahl von Kulturen und Religionen aufeinander. Damit sich die Mitarbeiter nicht durch andere Mitarbeiter in ihrer religiösen Überzeugung verletzt sähen und es hierdurch zu (vermeidbaren) Konflikten komme, bestehe die Verpflichtung, auf auffällige Symbole aller Art zu verzichten. Die Beklagte trägt vor, es habe in der Vergangenheit bereits verschiedene Konflikte zwischen Mitarbeitern gegeben. Beispielsweise habe es einen Bewerber gegeben, der sich aus religiösen Gründen geweigert habe, ihrer Mitarbeiterin Frau V… die Hand zu geben, weil sie eine Frau sei. Einem Mitarbeiter sei nach einem Arbeitsunfall ein Weinpaket mit einer Genesungskarte geschickt worden. Da er gläubiger Moslem gewesen sei, habe er das Geschenk zunächst als Beleidigung aufgefasst. In einem weiteren Fall habe eine Mitarbeiterin keine Spielsachen kommissionieren wollen, mit denen man Krieg spielen könne. Sie habe dies damit begründet, dass sie Zeugin Jehovas sei.

Im Verkauf bestehe zusätzlich das Ziel, dass sich Kunden in ihrer religiösen Überzeugung nicht verletzt sähen und aus diesem Grund ihr Unternehmen nicht mehr aufsuchten.

Die Beklagte trägt vor, bei ihr bestehe seit jeher eine Kleiderordnung mit folgender Regelung:

Wir legen größten Wert auf ein gepflegtes, professionelles Erscheinungsbild gegenüber unseren Kunden. Als Arbeitskleidung ist die für den jeweiligen Bereich vorgesehene Berufskleidung (z.B. weißer Berufsmantel) zu tragen. Legere Freizeitbekleidung, wie insbesondere Trainings- bzw. Jogginganzüge sowie Kopfbedeckungen aller Art dürfen bei Kundenkontakt nicht getragen werden.

Im Hinblick auf die Schlussanträge der Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof vom 31.05.2016 habe sie eine unternehmensweite Regelung geschaffen, wonach in Zukunft sichtbare religiöse, politische und sonstige weltanschauliche Zeichen am Arbeitsplatz unzulässig seien. Diese Regelung gelte für das gesamte Unternehmen bzw. alle Verkaufsfilialen. Daher habe sie der Klägerin im Juli 2016 im Rahmen des Direktionsrechts die Weisung erteilt, ohne auffällige großflächige religiöse, politische und sonstige weltanschauliche Zeichen am Arbeitsplatz zu erscheinen.

Die Beklagte macht geltend, die Weisung sei wirksam. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Eine derartige Weisung stelle nach dieser Rechtsprechung keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung dar. Soweit eine mittelbare Diskriminierung zu bejahen sei, sei diese gerechtfertigt. Dabei genüge bereits der Wunsch des Arbeitgebers, den Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln. Dieser Wunsch gehöre zur unternehmerischen Freiheit, die in Art. 16 der Charta anerkannt sei, und sei grundsätzlich rechtmäßig. Eine solche Unternehmerentscheidung sei gerichtlich nicht überprüfbar. Da ein Wunsch immer subjektiv sei, müsse die Entscheidung nicht aus objektiven Gründen plausibel sein.

Die Beklagte meint, die europäischen Grundfreiheiten stünden oberhalb des Grundgesetzes. Wenn der Europäische Gerichtshof ausführe, dass die Entscheidung, eine neutrale Unternehmenspolitik zu verfolgen, dem Recht der Unternehmerfreiheit entspringe und die Religionsfreiheit einschränke, entspreche dies der Abwägung auf Ebene der europäischen Grundfreiheiten. Eine Abwägung sei vom Europäischen Gerichtshof in einem nahezu identischen Fall bereits vorgenommen worden. Eine abweichende Auffassung verletze daher ihre, der Beklagten, Unternehmerfreiheit.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und wie folgt zu erkennen:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Klägerin beantragt:

Die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Klägerin beruft sich auf das ihr zustehende Grundrecht der Religionsfreiheit. Sie sehe das islamische Bedeckungsverbot als unbedingte religiöse Verpflichtung an. Dies beinhalte, dass sie in Gegenwart von Männern, mit denen sie nicht verwandt sei, ihren Körper mit Ausnahme von Gesicht, Händen und Füßen mit Kleidung derart zu bedecken habe, dass Konturen und Farbe des Körpers nicht zu sehen seien.

Die Klägerin bezieht sich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts, wonach ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz regelmäßig und ohne Darlegung konkreter betrieblicher Störungen oder wirtschaftlicher Einbußen nicht gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe derartige Störungen nicht vorgetragen. Diese seien auch nicht zu erwarten.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und Absatz 2 b) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 ArbGG.

Die Berufung ist unbegründet.

Wie das Erstgericht zu Recht entschieden hat, ist die Weisung der Beklagten, die Klägerin dürfe die Arbeit nur ohne das Kopftuch aufnehmen, unwirksam.

Dabei wird zugunsten der Beklagten ihre Entscheidung unterstellt, dass das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz verboten und die Weisung an die Klägerin Ausfluss dieses allgemeinen unternehmerischen Grundsatzes ist.

Die Weisung ist nicht vom Direktionsrecht gedeckt, § 106 GewO.

Allerdings ist der Arbeitgeber gemäß § 106 Satz 2 GewO befugt, dem Arbeitnehmer hinsichtlich seines Verhaltens und der Ordnung im Betrieb Weisungen zu erteilen. Hierzu gehören insbesondere auch Weisungen, die das äußere Erscheinungsbild des Arbeitnehmers betreffen.

Bei der Ausübung des Direktionsrechts hat der Arbeitgeber sein Ermessen nach Billigkeitsgesichtspunkten auszuüben. Ob die Beklagte ihr Ermessen in dieser Weise ausübt, ist vorliegend zum einen nach den Grundsätzen der §§ 7, 3, 1 AGG festzustellen, zum anderen ist zu prüfen, ob die Beklagte mit ihrem Verbot in unzulässiger Weise in die Religionsfreiheit der Klägerin eingreift. Insbesondere geht es um Art. 4 Absatz 1 und Absatz 2 GG.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, ihre Weisung sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu kirchlichen Arbeitgebern rechtmäßig, kann sie keinen Erfolg haben. Das von der Beklagten zitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.09.2014 (5 AZR 611/12; juris) ist vor dem Hintergrund des in Art. 140 GG iVm Art. 137 Absatz 3 Satz 1 WRV garantierten Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften zu sehen. Einen solchen Sonderstatus kann die Beklagte nicht für sich reklamieren. Den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts ist zudem zwar zu entnehmen, dass der Religionsfreiheit der dortigen Klägerin jedenfalls kein höheres Gewicht zukomme als dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht. Diese Ausführungen standen indes unter dem Vorbehalt, dass es sich bei dem Krankenhaus, in dem die dortige Klägerin beschäftigt war, um eine der Evangelischen Kirche zuzuordnenden Einrichtung handelte. Daraus lässt sich folgern, dass die Abwägung bei nicht privilegierten Arbeitgebern zu anderen Ergebnissen führen kann.

Das Berliner Neutralitätsgesetz führt ebenfalls nicht zur Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Weisung.

Das Berliner Neutralitätsgesetz gilt für Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes und soll die Verpflichtung des Landes Berlin zur weltanschaulich-religiöser Neutralität bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit umsetzen. Die Beklagte hingegen ist weder hoheitlich tätig noch hat sie einen sonstigen Auftrag zu weltanschaulicher und/oder religiöser Neutralität.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist die Weisung der Beklagten gemäß den §§ 7 Absatz 1 und 2, 3 Absatz 2, 1 AGG unwirksam. Sie stellt eine unzulässige Diskriminierung wegen der Religion dar.

Die Weisung der Beklagten knüpft nach dem Sachvortrag der Beklagten an ihre allgemeine Neutralitätsregelung bezüglich des sichtbaren Tragens von Zeichen für die politische, philosophische und religiöse Überzeugung an.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stellt zwar eine allgemeine interne Regelung in einem Unternehmen, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz verbietet, keine unmittelbare Diskriminierung dar (Europäischer Gerichtshof ‒ Urteile vom 14.03.2017 ‒ C-157/15 und C-188/15; juris), da alle Arbeitnehmer gleich behandelt werden.

Der Europäische Gerichtshof führt im Einzelnen aus (C-157/15):

Eine solche interne Regel eines privaten Unternehmens kann indes eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 darstellen, wenn sich erweist, dass die dem Anschein nach neutrale Verpflichtung, die sie enthält, tatsächlich dazu führt, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden, es sei denn, sie ist durch ein rechtmäßiges Ziel wie die Verfolgung einer Politik der politischen, philosophischen und religiösen Neutralität durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu seinen Kunden sachlich gerechtfertigt, und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Erstens ist zur Voraussetzung des Vorliegens eines rechtmäßigen Ziels darauf hinzuweisen, dass der Wille, im Verhältnis zu den öffentlichen und privaten Kunden eine Politik der politischen, philosophischen oder religiösen Neutralität zum Ausdruck zu bringen, als rechtmäßig anzusehen ist.

Der Wunsch eines Arbeitgebers, den Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln, gehört nämlich zur unternehmerischen Freiheit, die in Art. 16 der Charta anerkannt ist, und ist grundsätzlich rechtmäßig, insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber bei der Verfolgung dieses Ziels nur die Arbeitnehmer einbezieht, die mit seinen Kunden in Kontakt treten sollen.

Zweitens ist zur Angemessenheit einer internen Regel wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden festzustellen, dass das Verbot für Arbeitnehmer, Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen sichtbar zu tragen, zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung einer Politik der Neutralität geeignet ist, sofern diese Politik tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise verfolgt wird.

Drittens ist in Bezug auf die Erforderlichkeit des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verbots zu prüfen, ob es sich auf das unbedingt Erforderliche beschränkt. Im vorliegenden Fall ist zu klären, ob sich das Verbot des sichtbaren Tragens jedes Zeichens oder Kleidungsstücks, das mit einem religiösen Glauben oder einer politischen oder philosophischen Überzeugung in Verbindung gebracht werden kann, nur an die mit Kunden in Kontakt tretenden Arbeitnehmer von G4S richtet. Ist dies der Fall, ist das Verbot als für die Erreichung des verfolgten Ziels unbedingt erforderlich anzusehen.

Vorliegend ist eine mittelbare Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 2000/78 bzw. des § 3 Absatz 2 AGG zu bejahen.

Die allgemeine interne Regelung beeinträchtigt Arbeitnehmerinnen muslimischen Glaubens in stärkerem Maße als Angehörige anderer Glaubensrichtungen oder Arbeitnehmer mit einer bestimmten politischen oder philosophischen Ausrichtung. Während die Gläubigen anderer Religionen und die zuletzt Genannten aufgrund ihrer Religion bzw. ihrer politischen oder philosophischen Einstellung nicht gehalten sind, auf ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild zu achten, gebietet es das teilweise vertretene muslimische Bedeckungsgebot den Frauen, die ein glaubensgeleitetes Leben führen möchten, in Anwesenheit nicht verwandter Männer den Körper mit Ausnahme des Gesichts, der Hände sowie der Füße zu verhüllen. Diese Art der Bedeckung wird als Ausdruck religiösen Bekenntnisses begriffen und wahrgenommen. Das Verbot, sichtbare religiöse Zeichen zu tragen, betrifft daher muslimische Frauen in weit stärkerem Maße als alle anderen Arbeitnehmer. Die Benachteiligung bezieht sich somit auf die Diskriminierungsmerkmale „Religion“ und „Geschlecht“.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist die Weisung der Beklagten nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.

Dabei wird nicht verkannt, dass der Europäische Gerichtshof, wie oben dargestellt, den Willen bzw. den Wunsch des Arbeitgebers, im Unternehmen eine Politik der Neutralität zu verfolgen, als rechtmäßiges Ziel angesehen hat. Dem vermag sich das erkennende Gericht zwar grundsätzlich, nicht aber im vorliegenden Fall anzuschließen.

Der Sachverhalt, über den der Europäische Gerichtshof in den zitierten Entscheidungen zu befinden hatte, ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.

Im Rechtsstreit C- 157/15 ging es um ein Unternehmen, das für öffentliche und private Kunden u.a. Rezeptions- und Empfangsdienste erbringt. Die dortige Klägerin war als Rezeptionistin eingestellt.

Im Verfahren C-188/15 wurde die Klägerin als Softwaredesignerin eingestellt. Kunden der Arbeitgeberin nahmen an dem Kopftuch der Klägerin Anstoß.

In beiden Verfahren ging es somit um Unternehmen, die im Dienstleistungssektor tätig und somit in besonderem Maße auf das Wohlwollen und die Akzeptanz ihrer Kunden angewiesen sind. Besonders dann, wenn die Arbeitnehmerinnen der jeweiligen Arbeitgeber bei den Kunden arbeiten, sind die Arbeitgeber darauf angewiesen, dass ihre Mitarbeiter von den Kunden akzeptiert werden. Der Arbeitgeber ist daher, will er die Kunden nicht verlieren, berechtigt, seine Mitarbeiter anzuweisen, sich entsprechend den Kundenwünschen zu verhalten, insbesondere dem Wunsch nach einem bestimmten äußeren Erscheinungsbild nachzukommen. Dies gilt auch dann, wenn Kunden die Beschäftigung von Arbeitnehmern bzw. hier Arbeitnehmerinnen ablehnen, weil diese ihre Religionsfreiheit ausüben. Zwar ist die Religionsfreiheit ein zentrales Grundrecht. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgeführt hat, muss eine gesunde demokratische Gesellschaft Pluralismus und Mannigfaltigkeit aushalten (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte – Urteil vom 15.01.2013 – 48420/10, 59842/10, 51671/10, 36516/10; NJW 2014/1935).

Es obliegt indes nicht dem einzelnen Arbeitgeber, zu seinem Schaden den Grundrechten seiner Mitarbeiter gegenüber Dritten Geltung zu verschaffen.

Das erkennende Gericht folgert aus diesen Überlegungen, dass es als rechtfertigendes Ziel im Sinne des § 3 Absatz 2 AGG nicht genügt, wenn der Arbeitgeber sich auf einen lediglich auf subjektiven Befindlichkeiten beruhenden Wunsch beruft, eine Neutralitätspolitik zu betreiben. Eine solchermaßen verordnete Neutralitätspolitik ist kein schützenswertes Gut der unternehmerischen Freiheit an sich. Diese Ansicht würde dazu führen, dass der unternehmerischen Freiheit gegenüber anderen gemeinschaftsrechtlichen Grundrechten stets der Vorzug zu geben wäre. Die Grundrechte stehen indes in keinem Rangverhältnis.

Es hat vielmehr eine Abwägung der beiderseitigen Interessen stattzufinden. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Das Gericht hatte vier verschiedene Sachverhalte zu würdigen:

Eine Beschwerdeführerin wollte während der Arbeitszeit sichtbar eine Kette mit Kreuz tragen, eine weitere Beschwerdeführerin war als Krankenschwester in der Altenpflege tätig und wollte ebenfalls eine Kette mit Kreuz tragen. Eine Beschwerdeführerin, tätig als Standesbeamte, weigerte sich aus religiösen Gründen, gleichgeschlechtliche Partnerschaften im Rahmen von Verpartnerungen einzutragen. Ein Beschwerdeführer, der als Paartherapeut tätig war, weigerte sich aus religiösen Gründen, homosexuelle Paare zu betreuen.

Bezüglich der ersten Beschwerdeführerin erkannte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, die Ausgangsgerichte hätten dem Anliegen des Arbeitgebers, ein bestimmtes Unternehmensbild zu vermitteln, ein zu großes Gewicht gegeben. Bezüglich der anderen Beschwerdeführer ging der Gerichtshof von Störungen im Arbeitsverhältnis aus, die der Arbeitgeber nicht hinnehmen musste.

Anders sind auch die zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs nicht zu verstehen. In beiden Fällen ging es um einen Sachverhalt, bei dem der Arbeitgeber wirtschaftliche Nachteile hätte erwarten müssen, hätte er die Wünsche seiner Kunden nicht erfüllt.

Vorliegend liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte derartige Nachteile zu gewärtigen hätte, würde sie die Klägerin mit Kopftuch beschäftigen.

Die Beklagte tritt nicht als Dienstleisterin auf. Sie ist ein Einzelhandelsunternehmen, d.h., es kommen Kunden unterschiedlicher Herkunft in ihre Verkaufsräume. Es kaufen insbesondere auch Frauen mit muslimischem Kopftuch bei der Beklagten ein. Der Anteil der muslimischen Frauen, die ein Kopftuch wie die Klägerin tragen, ist in den letzten Jahren angestiegen, sie gehören mittlerweile zum Straßenbild und finden sich demgemäß auch im Einzelhandel nicht nur als Kundinnen, sondern auch als Verkaufspersonal wieder. Darüber hinaus ist der Kontakt der Kunden zu den beschäftigten Mitarbeitern relativ gering, da sich die Kunden die Ware selbst aus den Regalen nehmen, damit zur Kasse gehen, zahlen und das Geschäft danach wieder verlassen. Es liegt insbesondere ein gemeinsames Arbeitsumfeld nicht vor, wie dies bei einem Dienstleister der Fall ist, dessen Arbeitnehmer im Betrieb des Kunden tätig sind.

Es war nicht erforderlich, den Rechtsstreit gemäß Art. 267 AEUV dem Europäischen Gerichtshof mit der Frage vorzulegen, ob Art. 2 Absatz 2 a der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen ist, dass zwischen den gemeinschaftsrechtlichen Grundrechten einer Arbeitnehmerin, die sich auf die Religionsfreiheit (Art. 10 EU-GRCharta) beruft, und eines Arbeitgebers, der sich auf die unternehmerische Freiheit (Art. 16 EU-GRCharta) beruft, nach den betroffenen Interessen abzuwägen ist, welchem Grundrecht im konkreten Fall der Vorzug zu geben ist.

Selbst wenn die Weisung der Beklagten nicht eine Diskriminierung im Sinne der §§ 3 Absatz 2, 1 AGG darstellen würde, wäre sie unwirksam.

Die Weisung der Beklagten ist nicht von dem Ermessen gedeckt, das der Arbeitgeber im Rahmen des § 106 GewO auszuüben hat. Vielmehr verletzt sie die Klägerin in ihrem Grundrecht nach Art. 4 Absatz 1 und 2 GG.

Das erkennende Gericht ist nicht gehindert, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland anzuwenden.

Dem steht insbesondere nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.10.1986 (2 BvR 197/83; juris) entgegen. Der Kern dieser Entscheidung besteht darin, dass Art. 177 EWGV dem Europäischen Gerichtshof die Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des Vertrages sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der dort genannten abgeleiteten gemeinschaftsrechtlichen Akte zuspreche. Solange die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleiste, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten sei, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürge, werde das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen werde, nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüfen.

Vorliegend geht es indes nicht um die Auslegung von Gemeinschaftsrecht, sondern um die Anwendung und Subsumtion des § 106 GewO auf den vorliegenden Sachverhalt, insbesondere darum, ob die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen in billiger Weise ausgeübt hat.

Die Anweisung der Beklagten, die Klägerin dürfe die Arbeit nur ohne Kopftuch verrichten, verletzt die Klägerin in ihrem Grundrecht auf Religionsfreiheit, Art. 4 Absatz 1 und 2 GG.

Art. 4 GG ist zwar zunächst ein Recht, das dem Bürger gegenüber dem Staat zusteht. Den Grundrechten kommt indes eine Drittwirkung zu. Dabei sind alle Grundrechte im Ausgangspunkt als gleichrangig anzusehen.

Sind bei der Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, so verdient nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der das erkennende Gericht folgt, diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen ist nicht auf Generalklauseln beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle auslegungsfähigen und -bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften. Dabei gibt das Grundgesetz den Zivilgerichten regelmäßig keine bestimmte Entscheidung vor (Bundesverfassungsgericht ‒ Beschluss vom 08.02.2018 ‒ 1 BvR 2112/15; juris).

Die Frage, ob die Beklagte ihr Ermessen in billiger Weise ausgeübt hat, ist ein solcher Fall.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält Art. 4 Absatz 1 und 2 GG ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, das heißt einen Glauben zu haben, zu verschweigen, sich vom bisherigen Glauben loszusagen und einem anderen Glauben zuzuwenden, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben. Umfasst sind damit nicht allein kultische Handlungen und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch die religiöse Erziehung sowie andere Äußerungsformen des religiösen und weltanschaulichen Lebens. Dazu gehört auch das Recht der Einzelnen, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und dieser Überzeugung gemäß zu handeln, also glaubensgeleitet zu leben; dies betrifft nicht nur imperative Glaubenssätze. Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als Ausübung von Religion und Weltanschauung zu betrachten ist, darf das Selbstverständnis der jeweils betroffenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und des einzelnen Grundrechtsträgers nicht außer Betracht bleiben. Die Musliminnen, die ein in der für ihren Glauben typischen Weise gebundenes Kopftuch tragen, können sich dafür auf den Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Absatz 1 und 2 GG berufen. Darauf, dass im Islam unterschiedliche Auffassungen zum sogenannten Bedeckungsgebot vertreten werden, kommt es insoweit nicht an, da die religiöse Fundierung der Bekleidungswahl nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung jedenfalls hinreichend plausibel ist (Bundesverfassungsgericht ‒ Beschluss vom 27.06.2017 ‒ 2 BvR 1333/17; juris).

Die Klägerin hat, zuletzt in der Sitzung am 27.03.2018, dargelegt, dass sie das Kopftuch aus religiösen Gründen trägt. Es ist nicht Sache der Gerichte, zu prüfen, ob die religiösen Überzeugungen der Klägerin dogmatisch „richtig“ oder zwingend sind.

Muss die Klägerin die Weisung der Beklagten befolgen, würde dies bedeuten, dass die Klägerin ihren Glauben im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht leben könnte.

Allerdings ist vorliegend nicht nur das Grundrecht der Klägerin auf Ausübung ihrer Religion betroffen. Einerseits ist das Grundrecht der Klägerin auf Religionsfreiheit tangiert, andererseits das Grundrecht der Beklagten auf die freie Ausübung ihrer Unternehmerschaft, Art. 12, 2 Absatz 1 GG.

Die unternehmerische Freiheit, geschützt durch die Art. 12 und Art. 2 Absatz 1 GG, umfasst das Recht auf wirtschaftliche Betätigung nach einem bestimmten unternehmerischen Konzept. Hierzu gehören insbesondere auch die Gestaltung des Betriebs sowie die Entscheidung über das Erscheinungsbild nach außen. Daher kann der Arbeitgeber grundsätzlich auch darauf Einfluss nehmen, wie seine Mitarbeiter gekleidet sind.

Kann sich jeder Vertragspartner auf ein Grundrecht berufen, bedarf es einer Abwägung der wechselseitig geschützten Grundrechtspositionen im Einzelfall, deren Ergebnis durch die Verfassung selbst nicht abschließend vorgegeben ist. Es ist vielmehr in erster Linie Sache der Gerichte, bezogen auf den konkreten Streitfall und das je betroffene Arbeitsverhältnis abzuwägen, ob im Einzelfall eine bestimmte Erwartungshaltung an das Verhalten des Arbeitnehmers eine bestimmte Maßnahme des Arbeitgebers rechtfertigen kann, wenn der Arbeitnehmer sich im Rahmen seiner grundrechtlich geschützten Freiheiten nicht in der Lage sieht, den an ihn herangetragenen Erwartungshaltungen gerecht zu werden (Bundesverfassungsgericht ‒ Beschluss vom 30.07.2003 ‒ 1 BvR 792/03; juris).

Die Abwägung der beiden Grundrechtspositionen führt im vorliegenden Fall dazu, dass der Religionsfreiheit der Klägerin gegenüber der unternehmerischen Freiheit der Beklagten der Vorzug zu geben ist.

Dass die Beklagte wirtschaftliche Nachteile zu gewärtigen hat, insbesondere Kunden abgehalten werden, bei ihr einzukaufen, ist nicht feststellbar. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, sie wolle mögliche betriebliche Konflikte verhindern, insbesondere die negative Glaubensfreiheit der übrigen Mitarbeiter schützen.

Hierzu ist im Grundsatz auszuführen, dass die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit kein Recht darauf vermittelt, nicht mit fremden oder überhaupt Glaubensbekundungen konfrontiert zu werden. Die Einzelnen haben in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, kein Recht darauf, von der Konfrontation mit ihnen fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben (Bundesverfassungsgericht ‒ Beschluss vom 27.06.2017 ‒ 2 BvR 1333/17; juris). Insbesondere hat jeder Anspruch darauf, dass ein Andersgläubiger die Zugehörigkeit zu einer fremden oder gar keinen Glaubensbekundung respektiert.

Dies schließt nicht grundsätzlich aus, dass Beschränkungen der religiösen Freiheit im Arbeitsverhältnis geboten sein können, beispielsweise wenn die religiöse Haltung die ordnungsgemäße Erfüllung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit beeinträchtigt oder andere Mitarbeiter in nicht hinnehmbarer Weise mit der (fremden) Glaubensbekundung konfrontiert werden.

Hierzu hat die Beklagte jedenfalls in Bezug auf die Klägerin nichts vorgetragen.

Die von der Beklagten vorgetragenen Beispiele ‒ Weigerung eines Bewerbers, einer Frau die Hand zu geben, Zurückweisung von Wein durch einen muslimischen Mitarbeiter, Weigerung einer Zeugin Jehovas, Kriegsspielzeug zu kommissionieren ‒ stehen nicht mit dem Tragen religiöser Zeichen in Verbindung, sondern sind unmittelbar Ausfluss religiöser Überzeugungen und haben sich auf das Verhalten der Mitarbeiter ausgewirkt. So hätte das Verbot, die eigene religiöse oder sonstige Überzeugung durch äußere Zeichen sichtbar zu machen, keinen der von der Beklagten vorgetragenen Konflikte vermeiden können. Vielmehr sind diese darauf zurückzuführen, dass die Mitarbeiter jeweils ihre Überzeugung anderen als die richtige aufoktruyieren wollten.

Dass die Klägerin die von ihr geschuldete Tätigkeit mit Kopftuch nicht ausüben könnte, behauptet die Beklagte selbst nicht.

Nachdem die Beklagte keine ausreichende Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen bzw. unternehmerischen Betätigung vorgetragen hat, insbesondere negative Auswirkungen religiöser Zeichen nicht ersichtlich sind, geht die Grundrechtsabwägung zugunsten der Klägerin aus.

Hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung der Vergütung wird auf die Gründe des Ersturteils Bezug genommen, § 69 Absatz 2 ArbGG. Die Beklagte hat insbesondere bezüglich der Berechnung und der Höhe der einzelnen Ansprüche keine Einwendungen erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.



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