Verwaltungsgericht Trier

Urteil vom - Az: 7 L 2837/22.TR

Bewerber mit "Loyalty, Honor, Respect, Family"-Rückentattoo darf kein Polizist werden

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf *** € festgesetzt.



Gründe:

I. Der Eilantrag des Antragstellers, für welchen das Verwaltungsgericht Trier aufgrund der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 20. September 2022 gemäß § 83 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. § 17a Abs. 2 S. 3 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG – örtlich zuständig ist, hat keinen Erfolg. Er ist sinngemäß darauf gerichtet, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über seinen Widerspruch vom *** gegen die Ablehnungsentscheidung vom *** unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Polizeikommissar-Anwärter bei der Hochschule der Polizei Rheinland- Pfalz mit Dienstbeginn *** einzustellen. Dieser Antrag ist gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.

Nach dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (sog. Regelungsanordnung) zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der zugrundeliegende materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht sind (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO –). Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Antragsteller vorliegend eine Vorwegnahme der Hauptsache anstrebt. Denn eine einstweilige Anordnung, mit der der Antragsgegner verpflichtet würde, den Antragsteller vorläufig in den gehobenen Polizeidienst einzustellen, würde diesem jedenfalls zeitlich begrenzt bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über seinen Widerspruch bereits die Rechtsposition vermitteln, die er in der Hauptsache erreichen könnte (VGDüsseldorf, Beschluss vom 14. September 2021 – 2 L 1822/21 –, Rn. 5, juris). Geht der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung derart mit einer Vorwegnahme der Hauptsache einher, sind an das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch hohe Anforderungen zu stellen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache kommt in diesem Fall nur ausnahmsweise in Betracht, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, die Sache also bei Anlegung eines strengen Maßstabs an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird, und dass das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2021 – 1 B 1102/21 –, Rn. 6, juris m.w.N.).

Ausgehend von diesem Maßstab hat der Antragsteller zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (dazu 1.), es ist ihm jedoch nicht gelungen, ebenfalls einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen (dazu 2.).

1. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die besondere Eilbedürftigkeit ergibt sich aus dem unmittelbar bevorstehenden, geplanten Dienstbeginn zum *** (vgl. VGH BW, Beschluss vom 7. Juli 2022 – 4 S 1317/22 –, Rn. 7, juris). Eine Hauptsacheentscheidung käme für den Antragsteller zu spät, weil bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über seine Einstellungsbewerbung angesichts möglicher sich an das Widerspruchsverfahren anschließender Klage- und Rechtsmittelverfahren mehrere Jahre vergehen könnten. Der Antragsteller würde dann nicht nur den Einstellungstermin zum ***, sondern gegebenenfalls auch weitere Einstellungstermine in nachfolgenden Jahren nicht wahrnehmen können. Dieser Zeitverlust ist irreversibel, da eine rückwirkende Einstellung zum ursprünglich begehrten Einstellungstermin nicht möglich ist (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2021 a.a.O., Rn. 8). Bei dieser Sachlage ist dem Antragsteller, der ein nachvollziehbares Interesse an der zeitnahen Stellung seiner beruflichen Weichen hat, die Verweisung auf eine erneute Bewerbung zu einem späteren Zeitpunkt nicht zumutbar (vgl. VG Köln, Beschluss vom 23. August 2017 – 19 L 3024/17 –, Rn. 10, juris).

2. Dem Antragsteller ist es jedoch nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen, weil er bei der im Eilverfahren allein möglichen, aber auch gebotenen summarischen Prüfung keinen Anspruch auf Einstellung in den gehobenen Polizeidienst des Antragsgegners hat.

a. Ein solcher Anspruch folgt zunächst nicht aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz –GG–, Art. 19 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – sowie § 9 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG –. Nach diesen Vorschriften sind Ernennungen und Einstellungen in ein öffentliches Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Dieser Grundsatz der Bestenauslese dient zwar primär dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes; er vermittelt den Bewerbern aber zugleich ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch, vgl. etwa OVG RP, Beschluss vom 16. März 2017 – 10 B 11626/16.OVG –, Rn. 9, ESOVGRP mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 BvR 2453/15 –, Rn. 18, juris).

Art. 33 Abs. 2 GG gibt die entscheidenden Maßstäbe für die Bewerberauswahl abschließend vor. Eine Auswahlentscheidung kann demnach grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Dabei erfasst die Eignung im engeren Sinne insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind. Für diese charakterliche Eignung ist die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Bewerber der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Einstellungsbewerbers, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen (BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2016 – 2 B 17.16 –, Rn. 26 m.w.N.; HessVGH, Beschluss vom 23. August 2021 – 1 B 924/21 –, Rn. 32; beide juris).

In Ausfüllung des Begriffs der Eignung kommt dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zu, der von Verfassungs wegen einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2021 – 2 VR 1.21 –, Rn. 15, juris mit Verweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Mai 2013 – 2 BvR 462/13 –, IÖD 2013, 182, 183 m.w.N.; VGH BW, Beschluss vom 7. Juli 2022 a.a.O., Rn. 8; ausführlich: VG Bremen, Beschluss vom 29. März 2021 – 6 V 424/21 –, Rn. 27, juris). Das Prüfprogramm ist folglich auf die auch sonst in Fällen eines Beurteilungs- oder Einschätzungsspielraums anerkannten Fallgruppen beschränkt, nämlich, ob die zuständige Stelle von einem unvollständigen oder unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 2020 – 6 B 212/20 –, Rn. 6, juris m.w.N.).

Hinzu kommt, dass an Bewerber für den Polizeivollzugsdienst angesichts der polizeilichen Aufgaben, welche mit Eingriffsrechten bis hin zum unmittelbaren Zwang wahrgenommen werden, besonders hohe Anforderungen bezüglich der charakterlichen Eignung zu stellen sind (HessVGH, Beschluss vom 23. August 2021 a.a.O., Rn. 35; SächsOVG, Beschluss vom 29. Januar 2020 – 2 B 302/19 –, Rn. 16, juris). Vor diesem Hintergrund darf der Antragsgegner die Fähigkeit und innere Bereitschaft des Bewerbers voraussetzen, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten (HessVGH, Beschluss vom 23. August 2021 a.a.O., Rn. 34; SächsOVG, Beschluss vom 29. Januar 2020 a.a.O., Rn. 16). Bei der Einstellung in den Polizeivollzugsdienst muss der Dienstherr daher von dieser Bereitschaft überzeugt sein, sodass bereits berechtigte Zweifel eine solche Einstellung hindern und die positive Feststellung der fehlenden charakterlichen Eignung insoweit nicht erforderlich ist (HessVGH, Beschluss vom 23. August 2021 a.a.O., Rn. 32 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 2020 a.a.O., Rn. 11 m.w.N.; SächsOVG, Beschluss vom 29. Januar 2020 a.a.O., Rn. 16).

Mit Blick auf die hier allein in Rede stehende Tätowierung des Antragstellers hat sich der Antragsgegner zu Recht veranlasst gesehen, dessen charakterliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst näher zu überprüfen. Zwar stellt eine Tätowierung zunächst nur eine Körperdekorierung dar. Durch diese wird der Körper indes bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt. Mit dem Tragen einer Tätowierung geht eine plakative Kundgabe der mit ihr verbundene Aussage einher. Durch eine Tätowierung erfolgt eine nach außen gerichtete und dokumentierte Mitteilung durch deren Träger über sich selbst. Dieser kommt im Falle der Tätowierung sogar ein besonderer Stellenwert zu, weil das Motiv in die Haut eingestochen wird und der Träger sich damit dauerhaft und in besonders intensiver Weise bekennt (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25.17 –, BVerwGE 160, 370-396, Rn. 25; OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 2020 a.a.O., Rn. 17; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2021 a.a.O., Rn. 15; VG Bremen, Beschluss vom 29. März 2021 a.a.O., Rn. 34). Aus diesem Grund ist für die Aussagekraft einer Tätowierung für die charakterliche Eignung eines Einstellungsbewerbers unerheblich, ob sich diese beim Tragen von Dienstkleidung im sichtbaren Bereich des Körpers befindet oder wie vorliegend selbst beim Tragen einer Sommeruniform verdeckt wird (ausführlich: BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 a.a.O., Rn. 27 ff.; sich dem anschließend: OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 2020 a.a.O., Rn. 17; VG Bremen, Beschluss vom 29. März 2021 a.a.O., Rn. 34).

Das Tragen einer Tätowierung steht der Einstellung eines Bewerbers entgegen, wenn und soweit die Tätowierung durch ihren Inhalt gegen (zukünftige) beamtenrechtliche Pflichten verstößt. Dies ist zum einen der Fall, wenn sich aus dem Inhalt der Tätowierung eine Straftat ergibt, etwa nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch – StGB –. Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht kann aber auch dann vorliegen, wenn einzelne Tätowierungen für sich genommen strafrechtlich nicht zu beanstanden sind (VGH BW, Beschluss vom 7. Juli 2022 a.a.O., Rn. 11). Zudem kann die Einstellungsbehörde auch unterhalb der Schwelle des sich unmittelbar aus einer Tätowierung ergebenden Verstoßes gegen Beamtenpflichten Rückschlüsse auf die charakterliche Eignung eines Bewerbers für das angestrebte Amt ziehen. So können Tätowierungen eine Einstellung offenbaren, die den prognostischen Rückschluss darauf zulässt, dass der Bewerber etwa seiner Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gemäß § 34 Abs. 1 S. 3 BeamtStG nicht gerecht werden wird (VGH BW, Beschluss vom 7. Juli 2022 a.a.O., Rn. 12 m.w.N.; HessVGH, Beschluss vom 2. November 2020 – 1 B 2237/20 –, Rn. 14, juris).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Antragsgegner die charakterliche Eignung des Antragstellers für eine Einstellung in den gehobenen Polizeidienst rechtsfehlerfrei verneint. Er hat seine Zweifel daran, dass der Antragsteller in Anbetracht der in Rede stehenden Tätowierung die Gewähr dafür bietet, zukünftig seiner Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nachzukommen, seine dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen und insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren, plausibel, willkürfrei und ohne sachwidrige Erwägungen dargelegt. Die Tätowierung besteht aus den in großer Schrift in der Schriftart „Old English“ verfassten Worten „Loyalty, Honor, Respect, Family“, erstreckt sich im oberen Rückenbereich von der linken bis zur rechten Schulter (vgl. Bl. 43 der Verwaltungsakte und Bl. 17 der Gerichtsakte) und weist auch aus Sicht der Kammer Ähnlichkeit zu den Tätowierungen der seit dem Jahr 2000 verbotenen Gruppierung „blood an honour“ auf, deren Ideologie mit den Grundsätzen der Verfassung unvereinbar ist.

Hiervon ausgehend hat der Antragsgegner unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden tatsächlichen Erkenntnisse zu Recht ausgeführt, dass die in der Tätowierung des Antragstellers enthaltenen Begriffe (Loyalität, Ehre, Respekt, Familie) und insbesondere die Voranstellung der Begriffe Loyalität und Ehre an erster und zweiter Stelle bei einem unbefangenen Betrachter den Verdacht nahelegen müssen, dass diese Werte für den Antragsteller eine besondere Bedeutung haben und hieraus der Schluss gezogen werden kann, dass der Antragsteller ein archaisches und überkommenes Wertesystem vertritt, in welchem der Loyalität zu einer bestimmten Person oder Personengruppe und der Aufrechterhaltung einer wie auch immer gearteten „Ehre“ eine übersteigerte Bedeutung zukommt. Auch wenn dem Antragsteller zuzugeben ist, dass die Begriffe„Loyalität, Ehre, Respekt, Familie“ einzeln betrachtet auch eine Interpretation zulassen, die keinen Bezug zu einem archaischen Wertesystem haben können, wird eine das Normale übersteigende Bedeutung insbesondere der Werte „Loyalität“ und „Ehre“ aufgrund der Positionierung der Tätowierung über die gesamte Breite des oberen Rückens, der Größe der Schrift und der Auswahl der grafisch besonders auffälligen Schriftart deutlich. Zudem hat der Antragsteller in seiner Stellungnahme vom 18. Juli 2022 (Bl. 47 der Verwaltungsakte) selbst vorgetragen, dass ihm diese Werte bereits als Kind durch seine Familie vermittelt worden seien.

Eine solche persönliche Einstellung ist jedoch mit der Pflicht eines Polizeibeamten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten unvereinbar, denn Polizeibeamte haben ihre Aufgaben stets nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen und dabei insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren. Im Fall des Antragstellers kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass dieser aufgrund seines Wertesystems der „Loyalität“ und „Ehre“ eine höhere Bedeutung als den Freiheitsrechten der Bürger zumisst, zumal der Antragsteller nicht hinreichend dargelegt hat, auf welchen Bezugspunkt sich diese Attribute beziehen.

Vielmehr hat er nach Aufforderung zur dahingehenden Stellungnahme die berechtigten Zweifel des Antragsgegners an seiner charakterlichen Eignung weder durch seine E-Mail vom *** noch durch seine später eingereichte eidesstaatliche Versicherung vom *** ausgeräumt (vgl. zu einer entsprechenden Glaubhaftmachung etwa: VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2021 a.a.O., Rn. 29 ff.). In diesen Erklärungen macht der Antragsteller geltend, dass die Tätowierung „keinerlei politischen und/oder rechtsradikalen Hintergrund“ habe, sondern ihm diese Werte schon als Kind von seiner Familie vermittelt worden seien. Die besondere Schriftart habe er gewählt, weil „die Werte durch ihre Bogenbrechungen nochmals graphisch unterstrichen werden sollten“ und er sich privat für die Geschichte des britischen Imperiums interessiere, zumal er dort Verwandtschaft habe. Diese pauschale und konstruiert wirkende Erklärung ist nicht plausibel. Es erscheint schon lebensfremd, dass dem Antragsteller die für ihn zuvörderst relevanten Werte „Loyalität“ und „Ehre“ als prägende Werte in der Kindheit vermittelt worden sein sollen. Jedenfalls würde dieser Umstand gerade die Vermutung bestärken, dass er diesen Werten eine übersteigerte Bedeutung zumisst. Auch die pauschale Bezugnahme auf sein besonderes Interesse an der Geschichte des britischen Imperiums überzeugt nicht, zumal er sich den Begriff „honor“ nicht im britischen („honour“), sondern amerikanischen Englisch hat eintätowieren lassen.

Nach alledem durfte der Antragsgegner nach den ihm zur Verfügung stehenden Sachverhaltsinformationen und der Einlassung des Antragstellers zu Recht von Zweifeln an dessen charakterlicher Eignung ausgehen. Unter Berücksichtigung der unplausiblen Erklärung des Antragstellers zu den Hintergründen der Tätowierung kommt eine andere Bewertung als die vom Antragsgegner angenommene nicht ernsthaft in Betracht. Vor diesem Hintergrund müssen vorliegend neben der Tätowierung selbst keine weiteren objektiven Anhaltspunkte hinzukommen, um auf die fehlende charakterliche Eignung des Antragstellers schließen zu können (vgl. zu diesem Erfordernis bei zweideutigen Tätowierungen: HessVGH, Beschluss vom 2. November 2020 a.a.O., Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 2020 a.a.O., Rn. 21; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2021 a.a.O., Rn. 24). Deshalb spielt es letztlich auch keine Rolle, dass die im Rahmen der erweiterten Sicherheitsprüfung erfolgte Abfrage aus der Verbunddatei des nachrichtlichen Informationssystems des Verfassungsschutzbundes keine Erkenntnisse zulasten des Antragstellers erbracht hat und er im Übrigen bislang nicht strafrechtlich oder polizeilich in Erscheinung getreten ist (vgl. Bl. 45 f. der Verwaltungsakte).

Lediglich ergänzend merkt die Kammer an, dass der Entscheidung des Antragsgegners auch kein Begründungsmangel anhaftet, da dieser seine Gründe in der Nichtabhilfeentscheidung vom *** und dem Antragserwiderungsschriftsatz vom *** ausreichend dargelegt hat (vgl. hierzu auch VG Bayreuth, Beschluss vom 14. Dezember 2020 – B 5 E 20.1136 –, Rn. 42, juris). Ferner ist unerheblich, dass der Antragsteller das vom Antragsgegner durchgeführte Eignungsgespräch bestanden hat. Denn das Bestehen dieses Verfahrensabschnitts führt für sich gesehen nicht dazu, dass Zweifel an der charakterlichen Eignung nicht – wie hier – später noch zu Tage treten können (vgl. auch VG Bremen, Beschluss vom 29. März 2021 a.a.O., Rn. 39).

b. Des Weiteren ergibt sich ein Anspruch des Antragstellers auf Einstellung in den gehobenen Polizeidienst nicht aus dem als vorläufige Einstellungszusage bezeichneten Schreiben des Antragsgegners. Unabhängig von dessen Rechtsqualität stand diese ausdrücklich unter der Bedingung (vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2004 – 9 B 111.03 – juris, Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 4. Oktober 2013 a.a.O., Rn. 6), dass der Antragsteller den charakterlichen Anforderungen für den Polizeidienst entspricht, was nach den obigen Ausführungen nicht der Fall ist.

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –, wonach der Streitwert in Verfahren, die die Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, auf die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen festzusetzen ist, wenn Gegenstand des Verfahrens – wie vorliegend – nicht ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist. Da Anwärtern für ein mit A9 bewertetes Amt eine monatliche Besoldung von *** € zusteht (Anlage 9 zum Landesbesoldungsgesetz Rheinland-Pfalz – LBesG –), ergibt sich ein Betrag von *** €. Dieser ist nicht nach Ziffer 1.5 des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs 2013 (LKRZ 2014, 169) um die Hälfte zu reduzieren, weil die Hauptsache wie bereits ausgeführt durch die einstweilige Anordnung jedenfalls zeitweilig vorweggenommen wird.

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf *** € festgesetzt.

 

Gründe:

I. Der Eilantrag des Antragstellers, für welchen das Verwaltungsgericht Trier aufgrund der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 20. September 2022 gemäß § 83 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. § 17a Abs. 2 S. 3 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG – örtlich zuständig ist, hat keinen Erfolg. Er ist sinngemäß darauf gerichtet, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über seinen Widerspruch vom *** gegen die Ablehnungsentscheidung vom *** unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Polizeikommissar-Anwärter bei der Hochschule der Polizei Rheinland- Pfalz mit Dienstbeginn *** einzustellen. Dieser Antrag ist gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.

Nach dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (sog. Regelungsanordnung) zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der zugrundeliegende materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht sind (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO –). Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Antragsteller vorliegend eine Vorwegnahme der Hauptsache anstrebt. Denn eine einstweilige Anordnung, mit der der Antragsgegner verpflichtet würde, den Antragsteller vorläufig in den gehobenen Polizeidienst einzustellen, würde diesem jedenfalls zeitlich begrenzt bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über seinen Widerspruch bereits die Rechtsposition vermitteln, die er in der Hauptsache erreichen könnte (VGDüsseldorf, Beschluss vom 14. September 2021 – 2 L 1822/21 –, Rn. 5, juris). Geht der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung derart mit einer Vorwegnahme der Hauptsache einher, sind an das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch hohe Anforderungen zu stellen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache kommt in diesem Fall nur ausnahmsweise in Betracht, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, die Sache also bei Anlegung eines strengen Maßstabs an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird, und dass das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2021 – 1 B 1102/21 –, Rn. 6, juris m.w.N.).

Ausgehend von diesem Maßstab hat der Antragsteller zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (dazu 1.), es ist ihm jedoch nicht gelungen, ebenfalls einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen (dazu 2.).

1. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die besondere Eilbedürftigkeit ergibt sich aus dem unmittelbar bevorstehenden, geplanten Dienstbeginn zum *** (vgl. VGH BW, Beschluss vom 7. Juli 2022 – 4 S 1317/22 –, Rn. 7, juris). Eine Hauptsacheentscheidung käme für den Antragsteller zu spät, weil bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über seine Einstellungsbewerbung angesichts möglicher sich an das Widerspruchsverfahren anschließender Klage- und Rechtsmittelverfahren mehrere Jahre vergehen könnten. Der Antragsteller würde dann nicht nur den Einstellungstermin zum ***, sondern gegebenenfalls auch weitere Einstellungstermine in nachfolgenden Jahren nicht wahrnehmen können. Dieser Zeitverlust ist irreversibel, da eine rückwirkende Einstellung zum ursprünglich begehrten Einstellungstermin nicht möglich ist (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2021 a.a.O., Rn. 8). Bei dieser Sachlage ist dem Antragsteller, der ein nachvollziehbares Interesse an der zeitnahen Stellung seiner beruflichen Weichen hat, die Verweisung auf eine erneute Bewerbung zu einem späteren Zeitpunkt nicht zumutbar (vgl. VG Köln, Beschluss vom 23. August 2017 – 19 L 3024/17 –, Rn. 10, juris).

2. Dem Antragsteller ist es jedoch nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen, weil er bei der im Eilverfahren allein möglichen, aber auch gebotenen summarischen Prüfung keinen Anspruch auf Einstellung in den gehobenen Polizeidienst des Antragsgegners hat.

a. Ein solcher Anspruch folgt zunächst nicht aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz –GG–, Art. 19 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – sowie § 9 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG –. Nach diesen Vorschriften sind Ernennungen und Einstellungen in ein öffentliches Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Dieser Grundsatz der Bestenauslese dient zwar primär dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes; er vermittelt den Bewerbern aber zugleich ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch, vgl. etwa OVG RP, Beschluss vom 16. März 2017 – 10 B 11626/16.OVG –, Rn. 9, ESOVGRP mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 BvR 2453/15 –, Rn. 18, juris).

Art. 33 Abs. 2 GG gibt die entscheidenden Maßstäbe für die Bewerberauswahl abschließend vor. Eine Auswahlentscheidung kann demnach grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Dabei erfasst die Eignung im engeren Sinne insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind. Für diese charakterliche Eignung ist die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Bewerber der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Einstellungsbewerbers, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen (BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2016 – 2 B 17.16 –, Rn. 26 m.w.N.; HessVGH, Beschluss vom 23. August 2021 – 1 B 924/21 –, Rn. 32; beide juris).

In Ausfüllung des Begriffs der Eignung kommt dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zu, der von Verfassungs wegen einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2021 – 2 VR 1.21 –, Rn. 15, juris mit Verweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Mai 2013 – 2 BvR 462/13 –, IÖD 2013, 182, 183 m.w.N.; VGH BW, Beschluss vom 7. Juli 2022 a.a.O., Rn. 8; ausführlich: VG Bremen, Beschluss vom 29. März 2021 – 6 V 424/21 –, Rn. 27, juris). Das Prüfprogramm ist folglich auf die auch sonst in Fällen eines Beurteilungs- oder Einschätzungsspielraums anerkannten Fallgruppen beschränkt, nämlich, ob die zuständige Stelle von einem unvollständigen oder unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 2020 – 6 B 212/20 –, Rn. 6, juris m.w.N.).

Hinzu kommt, dass an Bewerber für den Polizeivollzugsdienst angesichts der polizeilichen Aufgaben, welche mit Eingriffsrechten bis hin zum unmittelbaren Zwang wahrgenommen werden, besonders hohe Anforderungen bezüglich der charakterlichen Eignung zu stellen sind (HessVGH, Beschluss vom 23. August 2021 a.a.O., Rn. 35; SächsOVG, Beschluss vom 29. Januar 2020 – 2 B 302/19 –, Rn. 16, juris). Vor diesem Hintergrund darf der Antragsgegner die Fähigkeit und innere Bereitschaft des Bewerbers voraussetzen, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten (HessVGH, Beschluss vom 23. August 2021 a.a.O., Rn. 34; SächsOVG, Beschluss vom 29. Januar 2020 a.a.O., Rn. 16). Bei der Einstellung in den Polizeivollzugsdienst muss der Dienstherr daher von dieser Bereitschaft überzeugt sein, sodass bereits berechtigte Zweifel eine solche Einstellung hindern und die positive Feststellung der fehlenden charakterlichen Eignung insoweit nicht erforderlich ist (HessVGH, Beschluss vom 23. August 2021 a.a.O., Rn. 32 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 2020 a.a.O., Rn. 11 m.w.N.; SächsOVG, Beschluss vom 29. Januar 2020 a.a.O., Rn. 16).

Mit Blick auf die hier allein in Rede stehende Tätowierung des Antragstellers hat sich der Antragsgegner zu Recht veranlasst gesehen, dessen charakterliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst näher zu überprüfen. Zwar stellt eine Tätowierung zunächst nur eine Körperdekorierung dar. Durch diese wird der Körper indes bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt. Mit dem Tragen einer Tätowierung geht eine plakative Kundgabe der mit ihr verbundene Aussage einher. Durch eine Tätowierung erfolgt eine nach außen gerichtete und dokumentierte Mitteilung durch deren Träger über sich selbst. Dieser kommt im Falle der Tätowierung sogar ein besonderer Stellenwert zu, weil das Motiv in die Haut eingestochen wird und der Träger sich damit dauerhaft und in besonders intensiver Weise bekennt (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25.17 –, BVerwGE 160, 370-396, Rn. 25; OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 2020 a.a.O., Rn. 17; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2021 a.a.O., Rn. 15; VG Bremen, Beschluss vom 29. März 2021 a.a.O., Rn. 34). Aus diesem Grund ist für die Aussagekraft einer Tätowierung für die charakterliche Eignung eines Einstellungsbewerbers unerheblich, ob sich diese beim Tragen von Dienstkleidung im sichtbaren Bereich des Körpers befindet oder wie vorliegend selbst beim Tragen einer Sommeruniform verdeckt wird (ausführlich: BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 a.a.O., Rn. 27 ff.; sich dem anschließend: OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 2020 a.a.O., Rn. 17; VG Bremen, Beschluss vom 29. März 2021 a.a.O., Rn. 34).

Das Tragen einer Tätowierung steht der Einstellung eines Bewerbers entgegen, wenn und soweit die Tätowierung durch ihren Inhalt gegen (zukünftige) beamtenrechtliche Pflichten verstößt. Dies ist zum einen der Fall, wenn sich aus dem Inhalt der Tätowierung eine Straftat ergibt, etwa nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch – StGB –. Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht kann aber auch dann vorliegen, wenn einzelne Tätowierungen für sich genommen strafrechtlich nicht zu beanstanden sind (VGH BW, Beschluss vom 7. Juli 2022 a.a.O., Rn. 11). Zudem kann die Einstellungsbehörde auch unterhalb der Schwelle des sich unmittelbar aus einer Tätowierung ergebenden Verstoßes gegen Beamtenpflichten Rückschlüsse auf die charakterliche Eignung eines Bewerbers für das angestrebte Amt ziehen. So können Tätowierungen eine Einstellung offenbaren, die den prognostischen Rückschluss darauf zulässt, dass der Bewerber etwa seiner Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gemäß § 34 Abs. 1 S. 3 BeamtStG nicht gerecht werden wird (VGH BW, Beschluss vom 7. Juli 2022 a.a.O., Rn. 12 m.w.N.; HessVGH, Beschluss vom 2. November 2020 – 1 B 2237/20 –, Rn. 14, juris).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Antragsgegner die charakterliche Eignung des Antragstellers für eine Einstellung in den gehobenen Polizeidienst rechtsfehlerfrei verneint. Er hat seine Zweifel daran, dass der Antragsteller in Anbetracht der in Rede stehenden Tätowierung die Gewähr dafür bietet, zukünftig seiner Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nachzukommen, seine dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen und insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren, plausibel, willkürfrei und ohne sachwidrige Erwägungen dargelegt. Die Tätowierung besteht aus den in großer Schrift in der Schriftart „Old English“ verfassten Worten „Loyalty, Honor, Respect, Family“, erstreckt sich im oberen Rückenbereich von der linken bis zur rechten Schulter (vgl. Bl. 43 der Verwaltungsakte und Bl. 17 der Gerichtsakte) und weist auch aus Sicht der Kammer Ähnlichkeit zu den Tätowierungen der seit dem Jahr 2000 verbotenen Gruppierung „blood an honour“ auf, deren Ideologie mit den Grundsätzen der Verfassung unvereinbar ist.

Hiervon ausgehend hat der Antragsgegner unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden tatsächlichen Erkenntnisse zu Recht ausgeführt, dass die in der Tätowierung des Antragstellers enthaltenen Begriffe (Loyalität, Ehre, Respekt, Familie) und insbesondere die Voranstellung der Begriffe Loyalität und Ehre an erster und zweiter Stelle bei einem unbefangenen Betrachter den Verdacht nahelegen müssen, dass diese Werte für den Antragsteller eine besondere Bedeutung haben und hieraus der Schluss gezogen werden kann, dass der Antragsteller ein archaisches und überkommenes Wertesystem vertritt, in welchem der Loyalität zu einer bestimmten Person oder Personengruppe und der Aufrechterhaltung einer wie auch immer gearteten „Ehre“ eine übersteigerte Bedeutung zukommt. Auch wenn dem Antragsteller zuzugeben ist, dass die Begriffe„Loyalität, Ehre, Respekt, Familie“ einzeln betrachtet auch eine Interpretation zulassen, die keinen Bezug zu einem archaischen Wertesystem haben können, wird eine das Normale übersteigende Bedeutung insbesondere der Werte „Loyalität“ und „Ehre“ aufgrund der Positionierung der Tätowierung über die gesamte Breite des oberen Rückens, der Größe der Schrift und der Auswahl der grafisch besonders auffälligen Schriftart deutlich. Zudem hat der Antragsteller in seiner Stellungnahme vom 18. Juli 2022 (Bl. 47 der Verwaltungsakte) selbst vorgetragen, dass ihm diese Werte bereits als Kind durch seine Familie vermittelt worden seien.

Eine solche persönliche Einstellung ist jedoch mit der Pflicht eines Polizeibeamten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten unvereinbar, denn Polizeibeamte haben ihre Aufgaben stets nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen und dabei insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren. Im Fall des Antragstellers kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass dieser aufgrund seines Wertesystems der „Loyalität“ und „Ehre“ eine höhere Bedeutung als den Freiheitsrechten der Bürger zumisst, zumal der Antragsteller nicht hinreichend dargelegt hat, auf welchen Bezugspunkt sich diese Attribute beziehen.

Vielmehr hat er nach Aufforderung zur dahingehenden Stellungnahme die berechtigten Zweifel des Antragsgegners an seiner charakterlichen Eignung weder durch seine E-Mail vom *** noch durch seine später eingereichte eidesstaatliche Versicherung vom *** ausgeräumt (vgl. zu einer entsprechenden Glaubhaftmachung etwa: VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2021 a.a.O., Rn. 29 ff.). In diesen Erklärungen macht der Antragsteller geltend, dass die Tätowierung „keinerlei politischen und/oder rechtsradikalen Hintergrund“ habe, sondern ihm diese Werte schon als Kind von seiner Familie vermittelt worden seien. Die besondere Schriftart habe er gewählt, weil „die Werte durch ihre Bogenbrechungen nochmals graphisch unterstrichen werden sollten“ und er sich privat für die Geschichte des britischen Imperiums interessiere, zumal er dort Verwandtschaft habe. Diese pauschale und konstruiert wirkende Erklärung ist nicht plausibel. Es erscheint schon lebensfremd, dass dem Antragsteller die für ihn zuvörderst relevanten Werte „Loyalität“ und „Ehre“ als prägende Werte in der Kindheit vermittelt worden sein sollen. Jedenfalls würde dieser Umstand gerade die Vermutung bestärken, dass er diesen Werten eine übersteigerte Bedeutung zumisst. Auch die pauschale Bezugnahme auf sein besonderes Interesse an der Geschichte des britischen Imperiums überzeugt nicht, zumal er sich den Begriff „honor“ nicht im britischen („honour“), sondern amerikanischen Englisch hat eintätowieren lassen.

Nach alledem durfte der Antragsgegner nach den ihm zur Verfügung stehenden Sachverhaltsinformationen und der Einlassung des Antragstellers zu Recht von Zweifeln an dessen charakterlicher Eignung ausgehen. Unter Berücksichtigung der unplausiblen Erklärung des Antragstellers zu den Hintergründen der Tätowierung kommt eine andere Bewertung als die vom Antragsgegner angenommene nicht ernsthaft in Betracht. Vor diesem Hintergrund müssen vorliegend neben der Tätowierung selbst keine weiteren objektiven Anhaltspunkte hinzukommen, um auf die fehlende charakterliche Eignung des Antragstellers schließen zu können (vgl. zu diesem Erfordernis bei zweideutigen Tätowierungen: HessVGH, Beschluss vom 2. November 2020 a.a.O., Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 2020 a.a.O., Rn. 21; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2021 a.a.O., Rn. 24). Deshalb spielt es letztlich auch keine Rolle, dass die im Rahmen der erweiterten Sicherheitsprüfung erfolgte Abfrage aus der Verbunddatei des nachrichtlichen Informationssystems des Verfassungsschutzbundes keine Erkenntnisse zulasten des Antragstellers erbracht hat und er im Übrigen bislang nicht strafrechtlich oder polizeilich in Erscheinung getreten ist (vgl. Bl. 45 f. der Verwaltungsakte).

Lediglich ergänzend merkt die Kammer an, dass der Entscheidung des Antragsgegners auch kein Begründungsmangel anhaftet, da dieser seine Gründe in der Nichtabhilfeentscheidung vom *** und dem Antragserwiderungsschriftsatz vom *** ausreichend dargelegt hat (vgl. hierzu auch VG Bayreuth, Beschluss vom 14. Dezember 2020 – B 5 E 20.1136 –, Rn. 42, juris). Ferner ist unerheblich, dass der Antragsteller das vom Antragsgegner durchgeführte Eignungsgespräch bestanden hat. Denn das Bestehen dieses Verfahrensabschnitts führt für sich gesehen nicht dazu, dass Zweifel an der charakterlichen Eignung nicht – wie hier – später noch zu Tage treten können (vgl. auch VG Bremen, Beschluss vom 29. März 2021 a.a.O., Rn. 39).

b. Des Weiteren ergibt sich ein Anspruch des Antragstellers auf Einstellung in den gehobenen Polizeidienst nicht aus dem als vorläufige Einstellungszusage bezeichneten Schreiben des Antragsgegners. Unabhängig von dessen Rechtsqualität stand diese ausdrücklich unter der Bedingung (vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2004 – 9 B 111.03 – juris, Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 4. Oktober 2013 a.a.O., Rn. 6), dass der Antragsteller den charakterlichen Anforderungen für den Polizeidienst entspricht, was nach den obigen Ausführungen nicht der Fall ist.

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –, wonach der Streitwert in Verfahren, die die Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, auf die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen festzusetzen ist, wenn Gegenstand des Verfahrens – wie vorliegend – nicht ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist. Da Anwärtern für ein mit A9 bewertetes Amt eine monatliche Besoldung von *** € zusteht (Anlage 9 zum Landesbesoldungsgesetz Rheinland-Pfalz – LBesG –), ergibt sich ein Betrag von *** €. Dieser ist nicht nach Ziffer 1.5 des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs 2013 (LKRZ 2014, 169) um die Hälfte zu reduzieren, weil die Hauptsache wie bereits ausgeführt durch die einstweilige Anordnung jedenfalls zeitweilig vorweggenommen wird.



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