Arbeitsgericht Köln

Urteil vom - Az: 6 CA 8751/12

Berichtigung des Arbeitszeugnisses wegen Erwähnung von Fehlzeiten

(1.) Bei der Formulierung des Arbeitszeugnisses hat der Arbeitgeber grundsätzlich einen Beurteilungsspielraum. Neben der Zeugniswahrheit hat er auch einen wohlwollenden und objektiven Maßstab anzulegen.

(2.) Fehlzeiten aufgrund von Elternzeit und Mutterschutz dürfen grundsätzlich in einem Arbeitszeugnis erwähnt werden, solange dies den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt.

(3.) Werden Formulierungen über Fehlzeiten wegen Elternzeit und Mutterschutz, die dem Arbeitnehmer gesetzlich zustehen, zu Beginn des Zeugnisses platziert, kann dies zu einem negativen Eindruck über den Arbeitnehmer führen. Derartige Formulierungen sind aus dem Arbeitszeugnis zu streichen.

(4.) Der Arbeitgeber ist an ein zeitlich zuvor erstelltes Zeugnis gebunden.
Diese Bindungswirkung greift sowohl bei einem Zwischenzeugnis, das zeitlich unmittelbar vor einem später veränderten Endzeugnis erstellt wurde, als auch bezüglich vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer überlassener erster Entwürfe eines später veränderten Endzeugnisses.

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, das der Klägerin unter dem 16.04.2012 erteilte Arbeitszeugnis wie folgt zu berichtigen:

a) Der 2. Absatz aus dem Arbeitszeugnis vom 16.04.2012 wird ersatzlos gestrichen.

b) Der letzte Absatz aus dem Arbeitszeugnis wird wie folgt berichtigt: "Ich bedauere ihr Ausscheiden sehr und danke Frau E. für ihre stets sehr guten Leistungen sowie die angenehme Zusammenarbeit und wünsche ihr für ihre berufliche wie private Zukunft weiterhin alles Gute und viel Erfolg."

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt.

4. Streitwert: 3.800 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berichtigung eines Arbeitszeugnisses.

Die Klägerin war in der Zahnarztpraxis des Beklagten in der Zeit vom 15.09.2007 bis zum 16.04.2012 als angestellte Zahnärztin mit einem monatlichen Bruttogehalt von 3.800 EUR beschäftigt.

Aufgrund einer Schwangerschaft befand sich die Klägerin im Zeitraum vom 19.08.2008 bis zum 16.04.2012 in Mutterschutz mit anschließender Elternzeit, wobei es sich bei den Mutterschutzzeiten vor der Entbindung um ein Beschäftigungsverbot nach § 4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG und § 5 Abs. 1 Nr. 2 MuSchRiV handelte.

Das Arbeitsverhältnis endete am 16.04.2012 auf eigenen Wunsch der Klägerin, die in einer anderen Praxis eine Teilzeitstelle antrat.

Der Beklagte erteilte der Klägerin unter dem Datum des 13.04.2012 sodann ein qualifiziertes auf Leistung und Verhalten erstrecktes Zeugnis (Bl. 46 und 47 der Akte) mit insgesamt guter bis sehr guter Beurteilung. Auf das Zeugnis wird insoweit Bezug genommen.

Nachdem die Klägerin mit einigen Formulierungen des Zeugnisses nicht einverstanden war und um eine Korrektur bat, erstellte der Beklagte eine weitere Zeugnisversion mit Datum vom 16.04.2012 (Bl. 17 und 18 der Akte) auf die ebenfalls Bezug genommen wird.

Mit ihrer am 08.11.2012 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin nunmehr gegen das letztgenannte vom Beklagten unter dem Datum des 16.04.2012 erstellte Zeugnis.

Die Klägerin rügt verschiedene Absätze und Formulierungen des Arbeitszeugnisses. Sie ist der Ansicht, eine Anschrift des Arbeitnehmers, wie sie das Zeugnis innerhalb des Fließtextes enthält gehöre nicht in ein Arbeitszeugnis. Des Weiteren sei der erste Satz des Zeugnisses auch insoweit zu berichtigen, als er sprachlich ungeschickt formuliert zweimal im selben Satz das Wort "angestellt" enthalte. Der zweite Absatz des Zeugnisses, welcher sich mit den Beschäftigungs- und insbesondere den Mutterschutzzeiten der Klägerin beschäftigt sei zum einen inhaltlich falsch, da er eine falsche Gesetzesgrundlage für die Mutterschutzzeiten nenne. Außerdem sei es unbillig die ihr gesetzlich zustehenden Mutterschutzzeiten im Zeugnis, insbesondere an dessen Beginn zu nennen. Hierdurch würde der Eindruck erweckt, die Klägerin sei wunschgemäß im Sinne einer Arbeitsvermeidungsstrategie und nicht aufgrund gesetzlicher Regelungen in Mutterschutz gegangen.

Die Klägerin ist darüber hinaus der Auffassung der dritte Absatz des Zeugnisses erweckte durch seine Formulierungen und die vom Beklagten genutzten verstärkenden Eigenadjektive den Eindruck eines Selbstentwurfes durch die Klägerin und sei daher unzulässig. Außerdem stehe die Verwendung der Wörter "durchweg erfolgreich" im zweiten Absatz des Zeugnisses, welches einer befriedigenden Bewertung entspreche, in Widerspruch zu der sonstigen guten bis sehr guten Bewertung. Durch die Verwendung des Wortes "die Kollegin" im vierten Absatz des Zeugnisses werde der Eindruck der Distanzierung hervorgerufen, was wiederum im starken Kontrast zu der ansonsten positiven Bewertung des Zeugnisses stünde. Ebenfalls im vierten Absatz sei die Verwendung der Wörter "einwandfrei und vorbildlich" zu beanstanden, da diese zwei unterschiedlichen Notenstufen entstammten und insoweit die Formulierung widersprüchlich sei.

Des Weiteren beanstandet die Klägerin den vierten Absatz der zweiten Seite des Zeugnisses, welcher ihren positiven Umgang mit den anderen Mitarbeitern, den Patienten sowie mit dem Beklagten selbst erwähnt. Nach Meinung der Klägerin sei die Reihenfolge der dortigen Aufzählung zu beanstanden, da in Arbeitszeugnissen üblicherweise zuerst das positive Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber und erst sodann das positive Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Patienten aufgeführt sei. Nur diese Reihenfolge entspreche einem guten Zeugnis, auf das die Klägerin einen Anspruch habe. Ebenfalls zu streichen sei der der Absatz zwischen dem vierten und fünften Absatz auf Seite zwei, da sich dieser einheitlich mit dem Sozialverhalten der Klägerin beschäftige und daher zusammenhängend stehen müsste.

Zuletzt wendet sich die Klägerin gegen den letzten Abschnitt des Zeugnisses. Die hier im Vergleich zum ersten Zeugnisentwurf vom 13.04.2012 neu eingefügte Erwähnung der "absolut überragenden kollegialen Zusammenarbeit" sei völlig überzogen und übertrieben. Durch die hiermit verbundene Ironie werde beim Leser die Glaubwürdigkeit des gesamten Zeugnisses in Frage gestellt. Außerdem sei im selben Absatz die Wortstellung des Wortes "weiterhin" zu berichtigen, diese müsse wie in der ersten Zeugnisversion zwingend vor dem Wunsch nach viel Erfolg stehen um Widersprüche zur ansonsten positiven Leistungsbewertung zu vermeiden.

Die Klägerin beantragt

1. Den Beklagten zu verurteilen, das ihr unter dem 16.04.2012 erteilte Arbeitszeugnis wie folgt zu berichtigen:

a) Der 1. Satz wird wie folgt berichtigt: "Frau E., geb. am 20.09.1971, war in der Zeit vom 15.09.2007 bis zum 26.04.2012 als angestellte Zahnärztin in Vollzeit in meiner Praxis tätig."

b) Zeugnis S. 1, letzter Absatz, 3. Spiegelstrich wird wie folgt berichtigt: Diagnostik und Beratung der Patienten bezüglich ihres individuellen Behandlungsbedarfs sowie der verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten."

c.) Zeugnis S. 2, 1. Spiegelstrich wird wie folgt berichtigt: "Durchführung einer Kindersprechstunde zwecks Förderung eines angstfreien Zugangs zu zahnärztlichen Untersuchungen und Behandlungen sowie zwecks Elternberatung zum Thema (früh) kindliche Profilaxe als regelmäßige Gruppenveranstaltung für ca. 5-8 (Klein-) Kinder und deren Eltern.

d) Der 2. Abs. auf S. 2 des Zeugnisses wird wie folgt berichtigt: "Frau E. war eine sehr engagierte Mitarbeiterin. Aufgrund ihrer raschen Auffassungsgabe stellte sie sich auf die wechselnden Patienten mit ihren individuellen Anliegen und Beschwerden jeweils sehr schnell ein. Hervorzuheben ist ihr Urteilsvermögen, welches Frau E. bei der Bewertung von Symptomen stets zu eigenständigen und richtigen Einschätzungen befähigt. Ein ausgeprägtes Organisationsvermögen gehört zudem ebenso zu ihrem Qualifikationsprofil wie eines sehr hohe Belastbarkeit und Flexibilität."

e) Der 3. Abs. S. 2 des Zeugnisses wird wie folgt berichtigt: " Frau E. ist eine fachlich hoch qualifizierte Zahnärztin und konnte ihre Erfahrung sowie ihr umfassendes Fachwissen stets sehr erfolgreich in ihrer Tätigkeit in meiner Praxis einbringen. Ihre Arbeitsweise war geprägt durch sehr große Effizienz, Selbstständigkeit und Präzision sowie ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein. Sie erzielte daher bei allen Aufgaben, insbesondere auch auf den Gebieten der Chirurgie, der Prothetik und der Parodontologie, qualitativ weit überdurchschnittliche Behandlungsergebnisse und stellte so eine sehr erfolgreiche medizinische Betreuung und Versorgung unserer Patienten ebenso sicher wie eine sehr hohe Patientenzufriedenheit. Dank ihres Führungsvermögens konnte Frau E. die Mitarbeiterinnen meiner Praxis zu vollem Einsatz und sehr guten Leistungen motivieren. Frau E. erfüllte ihre Aufgaben stets zu meiner vollsten Zufriedenheit."

f) Der 4., 5. Und 6. Abs. des Zeugnisses werden wie folgt berichtigt: " Frau E. zeichnete sich durch einen stets vorbildlichen Umgang mit mir und den Mitarbeiterinnen der Praxis aus. Sie war den Patienten stets zugewandt und verfügt in sehr hohem Maße über das für diese Tätigkeit wichtige Feingefühl. Sie wahr eine sehr zuverlässige, hilfsbereite und kollegiale Mitarbeiterin, die dank ihrer freundlichen, empathischen und kompetenten Art sowohl bei den Patienten, als auch beim Praxisteam außerordentlich beliebt war. Frau E. befand sich vom 19.08.2008 bis zum 16.04.2012 in Mutterschutz mit anschließender Elternzeit. Da eine Teilzeitbeschäftigung aus organisatorischen Gründen in meiner Praxis generell nicht möglich ist, hat sie zwischenzeitlich mit meinem Einverständnis eine Teilzeitstelle in einer anderen zahnärztlichen Praxis angenommen und möchte ihre Tätigkeit dort gerne fortsetzten. Ihr Arbeitsverhältnis endet daher auf Wunsch von Frau E. zum heutigen Tage mit Ablauf der Elternzeit."

g) Der letzte Absatz im Zeugnis wird wie folgt berichtigt: " Ich bedauere ihr Ausscheiden sehr und danke Frau E. für ihre stets sehr guten Leistungen sowie die angenehme Zusammenarbeit. Für ihre berufliche wie private Zukunft wünsche ich ihr alles Gute und weiterhin viel Erfolg."

sowie klageerweiternd

2. Der 2. Absatz aus dem Arbeitszeugnis vom 16.04.2013 wird ersatzlos gestrichen.

Der Beklagte beantragt

Die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung ein Zeugnisberichtigungsanspruch stünde der Klägerin nicht zu. Vielmehr entspreche das Arbeitszeugnis den Grundsätzen der Zeugniswahrheit und sei in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass dem Beklagten als Arbeitgeber ein weiter Beurteilungsspielraum zukomme und er bei der Zeugnisformulierung grundsätzlich frei sei. Nachteilige Auswirkungen gingen von den gewählten Formulierungen nicht aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschriften zum Güte- sowie Kammertermin verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

In dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang steht der Klägerin ein Anspruch auf Änderung des streitgegenständlichen Zeugnisses vom 16.04.2012 zu. Macht ein Arbeitnehmer einen Zeugnisberichtigungsanspruch gelten, so verfolgt er hiermit den ursprünglichen Erfüllungsanspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses aus § 109 GewO weiter. Einen originären Zeugnisberichtigungsanspruch kennt das Gesetz nicht. Bei den Formulierungen des Zeugnisses hat der Arbeitgeber grundsätzlich einen Beurteilungsspielraum. Der Arbeitnehmer kann daher erst nach Erstellung eines Zeugnisses von dessen Inhalt Kenntnis nehmen und überprüfen, ob der Beurteilungsspielraum entsprechend ausgefüllt und ein den gesetzlichen Erfordernissen entsprechendes Zeugnis erstellt wurde (BAG Urt. vom 10.05.2005 - 9 AZR 261/04; LAG Köln, Urt. vom 30.08.2007 - 10 Sa 482/07).

Der gesetzlich geschuldete Inhalt eines Zeugnisses bestimmt sich maßgebend nach dessen Zweck. So dient ein Arbeitszeugnis in erster Linie dem Arbeitnehmer regelmäßig als wichtiger Teil seiner Bewerbungsunterlagen. Das Zeugnis muss daher ein möglichst objektives Bild über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses vermitteln. Neben dem Grundsatz der Zeugniswahrheit ist daher im Zeugnisrecht auch der Grundsatz anerkannt, dass der Arbeitgeber bei Abfassung des Zeugnisses einen wohlwollenden und objektiven Maßstab anzulegen hat (vgl. ErftK/Müller-Glöge § 109 GewO Rn. 17; LAG Köln, aaO.)

Unter zu Grunde Legung dieser allgemeinen Grundsätze steht der Klägerin ein Anspruch auf Streichung des zweiten Absatzes des streitgegenständlichen Zeugnisses zu. Die Erwähnung von Ausfallzeiten wegen Elternzeit und Mutterschutz kann grundsätzlich in Arbeitszeugnissen erwähnt werden, da sie dem Informationsinteresse der Leser dienen kann und dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entsprechen. Inwieweit Interessen des Arbeitnehmers hierdurch unangemessen benachteiligt werden ist jedoch in jedem Fall eine Frage des konkreten Einzelfalls. Hierbei sind auch die Dauer der Ausfallzeiten im Vergleich zur Dauer des Arbeitsverhältnisses, die rechtliche und tatsächliche Grundlage der Ausfallzeiten und die Art der Erwähnung im Zeugnis zu berücksichtigen (vgl. hierzu insbesondere LAG Köln, aaO, Rn. 17 zitiert nach juris).

Nach Auffassung der Kammer bestand in diesem Fall ein Anspruch auf Streichung des die Ausfallzeiten betreffenden Absatzes. Zwar waren die Ausfallzeiten wegen Mutterschutz und anschließender Elternzeit im Vergleich zur Dauer des Arbeitsverhältnisses sehr lang und daher durchaus erwähnenswert. Allerdings hat der Beklagte die Ausfallzeiten mit der falschen gesetzlichen Grundlage, nämlich einem Beschäftigungsverbot nach § 3 MuSchG im Gegensatz zur tatsächlichen rechtlichen Grundlage der Mutterschutzzeiten nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 MuSchG, bezeichnet. Diese Bezeichnung ist nach Auffassung der Kammer auch geeignet beim Leser einen falschen und insoweit auch negativen Eindruck über die Klägerin zu vermitteln. Dies wird noch verstärkt durch die Platzierung der Ausfallzeiten im zweiten Absatz und damit direkt zu Beginn des Zeugnisses. Hierdurch vermag der Eindruck zu entstehen, die Mutterschutzzeiten, die der Klägerin gesetzlich zwingend zustanden, hätten auf das Arbeitsverhältnis einen beherrschenden Einfluss gehabt und der Beklagte habe hierdurch unzumutbare Nachteile erlitten. Dies ist nach Auffassung des Gerichts auch nicht mehr von dem weiten Beurteilungsspielraum des Beklagten gedeckt.

Aus den oben genannten Grundsätzen des Zeugnisrechts folgt auch ein Anspruch der Klägerin auf eine Korrektur des letzten Absatzes des Zeugnisses, in Form einer Streichung der Wörter "absolut überragende kollegiale" (Zusammenarbeit). Der Anspruch gründet sich neben den oben erwähnten Grundsätzen auch auf den vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelten Bindungsanspruch eines ersten Zeugnisentwurfes. So besteht nach Ansicht des BAG, der sich die Kammer insoweit anschließt, eine Bindungswirkung des Arbeitgebers an ein dem Arbeitnehmer zuvor ausgestelltes Zeugnis. Die Bindungswirkung greift sowohl bei einem Zwischenzeugnis, das zeitlich unmittelbar vor einem später veränderten Endzeugnis erstellt wurde, als auch bezüglich vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer überlassener erster Entwürfe eines später veränderten Endzeugnisses. Sie lässt sowohl aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), als auch aus dem Maßregelungsverbot des § 612a BGB herleiten (BAG Urtl. vom 21.06.2005 - 9 AZR 352/04).

Hier hat der Beklagte den letzten Absatz des Zeugnisses im Vergleich zu der Formulierung in dem wenige Tage zuvor erstellten und übersandten Entwurf vom 13.04.2012 durch die Einfügung der Wörter "absolut überragende kollegiale" wesentlich verändert. Diese Wortwahl lässt sich nach Auffassung der Kammer in der Tat als ironisch, übertrieben und überspitzt formuliert ansehen. Sie ist daher in der Lage in Zusammenhang mit dem Rest des Zeugnistextes zu Missverständnissen zu führen. Ein Grund für die Abweichung von der Formulierung im zuvor erteilten Zeugnis ist nicht ersichtlich. Dies erweckt ebenfalls den Eindruck der Beklagte habe mit der neuen übertriebenen Formulierung den zuvor von der Klägerin geäußerten Änderungswunsch des Zeugnisses maßregeln wollen.

Weitergehende Korrekturansprüche der Klägerin bestehen unter Beachtung der bereits aufgeführten Grundsätze nicht, so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war.

So ist zunächst die von der Klägerin gerügte Erwähnung ihrer Anschrift im Zeugnisfließtext nicht zu beanstanden. Die Nennung vermag nach Beurteilung der Kammer keinerlei negative Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen der Klägerin zu haben und ist daher vom Beurteilungsspielraum des Beklagten gedeckt. Selbst wenn man wie die Klägerin unterstellt eine Nennung der Anschrift sei im Zeugnis nicht üblich, so vermag dies allein keinen Änderungsanspruch zu begründen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Bezeichnung der Anschrift der Klägerin negative Auswirkungen auf weitere Bewerbungen hätte, zum Beispiel wenn sich die Klägerin in örtlich weit entfernte Bereiche des Bundesgebietes bewerben wollte. Hierzu ist jedoch nichts vorgetragen.

Ebenfalls vom Beurteilungsspielraum des Beklagten und von dem anerkannten Grundsatz, dass der Arbeitgeber bei der Wortwahl des Zeugnisses insgesamt frei ist, umfasst sind die im Übrigen von der Beklagten in den Anträgen zu 1 a, b, e, f und g geltend gemachten Formulierungsänderungswünsche. Die Kammer vermag hierbei nicht zu erkennen inwieweit die im streitgegenständlichen Zeugnis enthaltenen Formulierungen die Klägerin unangemessen benachteiligen. Hierbei ist nach Auffassung der Kammer auch maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Beklagte als Zahnarzt eine relativ kleine Praxis führt und generell bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen wenige Erfahrungen aufweist. Gerade hieraus ergibt sich, dass die einzelnen Formulierungen nicht bewusst gewählt wurden um durch Verwendung von Adjektiven mit unterschiedlichem Bewertungsinhalt den insgesamt wohlwollenden Zeugnisinhalt zu schmälern.

Dasselbe gilt auch soweit die Klägerin über die im Tenor zu 2 zugesprochene Berichtigung des letzten Absatzes hinaus eine weitergehende Korrektur dieses Absatzes verlangt. Auch aus der Bindungswirkung des ersten Zeugnisentwurfes folgt insoweit nichts gegenteiliges, da die Verschiebung des Wortes "weiterhin" allenfalls als geringfügige grammatikalische Korrektur nicht zu beanstanden ist. Außerdem bezieht sich das Wort "weiterhin" entgegen der Auffassung der Klägerin auch bei seiner neuen Stellung immer noch auch auf den gewünschten Erfolg. Zuletzt ist diesbezüglich zu beachten, dass nach neuerer Rechtsprechung des BAG auch kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Ergänzung oder Umformulierung einer Schlussformel im Arbeitszeugnis besteht (BAG Urt. vom 11.12.2012 - 9 AZR 227/11).

Zuletzt steht der Klägerin nach Auffassung der Kammer auch kein Anspruch auf Korrektur der Reihenfolge bei der Erwähnung des vorbildlichen Verhaltens gegenüber Mitarbeiterinnen, Patienten und zuletzt dem Beklagten als Arbeitgeber zu. Das Gericht schließt sich hierbei der Rechtsprechung der Kammer 6 a der Arbeitsgerichts Saarbrücken an, wonach ein solcher Anspruch auf Zeugnisberichtigung nicht besteht (ArbG Saarbrücken, Urt. vom 12.04.2001 - 6a Ca 47/01). Soweit anderweitige Stimmen in der Rechtsprechung einen Anspruch auf Korrektur der Reihenfolge annehmen, wurde dies damit begründet, dass in der von Juristen angewandten Zeugnissprache die Reihenfolge Vorgesetze/Kollegen/Geschäftspartner inzwischen anerkannt sei, und Abweichungen hiervon zu Missverständnissen führen können (vgl. ArbG Saarbrücken, Urt. v. 02.11.2001 - 6c Ca 38/01). Ein solcher Fall liegt hier jedoch gerade nicht vor. Wie bereits erwähnt handelt es sich hier um ein Zeugnis eines juristischen Laien. Dies ist auch aufgrund der beruflichen Situation von Zahnärzten, die in aller Regel in kleinen Praxen tätig sind auch für einen außenstehenden Leser des streitgegenständlichen Zeugnisses ohne weiteres erkennbar. Die Erwähnung des Arbeitgebers in der Ich-Form am Ende der Reihenfolge erscheint in diesem Zusammenhang auch logisch, da es außerhalb des Zeugnisrechtes als allgemein anerkannter Höflichkeitsgrundsatz gilt sich selbst bei Benutzung der ich-Form immer erst zuletzt zu nennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, da die Klägerin nach Auffassung der Kammer zwar mit einer Vielzahl ihrer Änderungsanträge unterliegt, dem Obsiegen mit dem Antrag aus der Klageerweiterung jedoch inhaltlich ein vergleichsweise großes Gewicht zukommt.

Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen.



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