Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 9 Sa 327/12

Außerordentliche Kündigung wegen Unterschlagung

Unterschlägt ein angestellter Autoverkäufer Einnahmen i.H.v. 5.380 € aus einem Autoverkauf, so stellt dies eine derart schwere Pflichtverletzung dar, dass eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist. Einer vorangehenden Abmahnung bedarf es nicht. Insbesondere die Höhe des unterschlagenen Geldes sowie die verantwortungsvolle Position des Arbeitnehmers sind ausschlaggebend dafür, dass eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich ist.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 10.05.2012, Az. 1 Ca 2161/11 teilweise abgeändert und dessen Tenor unter Einbeziehung der teilweisen Verwerfung der Berufung durch das Teil-Urteil des erkennenden Gerichts vom 11.01.2013 zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für November 2011 3.013,00 € brutto zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 5.570,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.02.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten tragen der Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 20 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten nach Verkündung des zwischenzeitlich rechtskräftigen Teilurteils der Berufungskammer vom 11.01.2013 noch um die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen sowie hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 30.11.2011. Ferner begehrt der Kläger noch die Zahlung des Arbeitsentgelts für Dezember 2011 (3.013 EUR brutto) sowie die Zahlung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2012 (1.505,- EUR brutto). Soweit durch das genannte Teil-Urteil noch nicht hierüber entschieden (192,80 EUR Kaufpreis für Reifenkauf) begehrt er schließlich die vollständige Abweisung der Widerklage der Beklagten.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 06.01.2005 als Verkäufer zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.013,- Euro beschäftigt. Die Beklagte handelt mit Neu- und Gebrauchtwagen und verkauft etwa 700 Gebrauchtwagen im Jahr. Neben dem Kläger beschäftigte die Beklagte drei weitere Verkäufer.

Im Januar 2011 schloss der Kläger für die Beklagte einen Kaufvertrag über einen firmenintern als „Typ 206 CC Nummer XX00XXXXX00000000“ bezeichneten Gebrauchtwagen zu einem Kaufpreis von 5.380,- Euro mit Herrn L. ab. Dieser beglich den Kaufpreis in bar und übergab dem Kläger am 26.01.2011 1000,- Euro als Anzahlung sowie Mitte Februar 2011 die restlichen 4.380,- Euro. Die Kassenbücher der Beklagten weisen für den Zeitraum zwischen dem 24.01.2011 und dem 31.03.2011 keine Buchung des Gesamtbetrags von 5.380,- Euro oder Teilbuchungen über 1000,- EUR und 4.380,- Euro unter dem Namen L. oder einem anderen Namen aus.

Im November 2011 verkaufte die Beklagte einen firmenintern als „Typ 207 Sport Nummer XX1XXXXXX11111111“ bezeichneten Gebrauchtwagen an die Firma M.. Bei Übergabe des Fahrzeugs zahlte der Käufer 1000,- Euro in bar an und übergab diese Summe an den Kläger.

Die bei der Beklagten beschäftigten Verkäufer sind bevollmächtigt, im Außenverhältnis mit Kunden Kaufverträge abzuschließen, welche im Innenverhältnis zunächst dem Geschäftsführer Herrn C. oder dessen Schwiegersohn, Herrn S. zur Kontrolle vorgelegt werden müssen. Nach Freigabe wird der Kaufvertrag der Buchhaltung vorgelegt, die eine Rechnung an den Kunden erstellt. Erhalten die Verkäufer Barbeträge, haben sie diese an der Kasse der Beklagten einzuzahlen. Die Mitarbeiter an der Kasse vermerken die Einzahlung auf dem Kaufvertrag oder der Rechnung und erstellen eine Kopie für die Buchhaltung. Weder für den Verkauf an Herrn L. noch für den Verkauf an die Firma M. liegen der Beklagten Kaufvertrag oder Rechnung vor.

Bei der Beklagten fiel am 14.11.2011 auf, dass die Daten des internen Bestandserfassungsprogramms („Autoproweb“) nicht mit dem Warenwirtschaftssystem der Buchhaltung übereinstimmten. Bei der weiteren Nachforschung ermittelte die Beklagte bis zum 18.11.2011, dass die beiden an die Käufer Herrn L. und die Firma M. verkauften PKW nicht mehr im Programm „Autoproweb“ geführt wurden, jedoch der Verkauf nicht im Warenwirtschaftssystem dokumentiert war. Zudem stellte die Beklagte fest, dass ihr der Kaufvertrag mit Herrn L. nicht vorlag. Sie nahm daher Kontakt mit dem Käufer auf, der den Kaufvertrag am 20.11.2011 per Fax übersandte.

Am 15.11.2011 stellte die Beklagte den Kläger von der Arbeit frei und wies ihn mit Schreiben vom selben Tag darauf hin, dass die Freistellung auf Grund eines dringenden Tatverdachts der Unterschlagung von Bargeld geschehe. Der Mitarbeiter der Beklagten, Herr S., wies einen weiteren Mitarbeiter der Beklagten, Herrn A., an, die Schlüssel des Klägers an sich zu nehmen und ihn nach Hause zu fahren. Eine von Herrn A. unterschriebene Quittung enthält folgende Angaben:

„Von Hr. D. erhalten:

1x Haustürschlüssel Büro B-Stadt

1x Autoschlüssel 000 XXX XX

1x Tresorschlüssel à

- Akt J. (2600 €)

      - Akt Verkauf M. 207 (1000 €)“

Mit Schreiben vom 18.11.2011 forderte die Beklagte den Kläger auf, am 23.11.2011 in Räumen der Beklagten Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. Die Vorwürfe präzisierte sie wie folgt:

„In nachfolgenden Geschäftsvorfällen besteht der Tatverdacht der Unterschlagung von Firmengeldern:

Verkauf Fahrzeug Ex-H. 206 CC/XX00XXXXX00000000

Verkauf Fahrzeug Ex-T. 207 Sport /XX1XXXXXX11111111“

Mit Schreiben vom 22.11.2011 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte auf, konkretere Angaben zu den beanstandeten Verkaufsvorgängen zu machen, woraufhin der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schreiben vom 25.11.2011 antwortete, der Sachverhalt sei bereits hinreichend geschildert worden.

Soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 30.11.2011 außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 29.02.2012 wegen des Verdachts bzw. wegen der Unterschlagung von Bargeld.

Eine Gehaltszahlung für Dezember 2011 erfolgte nicht. Zudem hat die Beklagte dem Kläger im Gegensatz zu ihren anderen Mitarbeitern für das Jahr 2011 auch kein Weihnachtsgeld gezahlt. Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger jährlich ein Weihnachtsgeld in Höhe von 1.505,- Euro gezahlt.

Soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein mit Urteil vom 15.5.2012, Az. 1 Ca 2161/11 (Bl. 65 ff. d.A.) u.a. die auf Zahlung des Gehalts für den Monat Dezember 2011 und des Weihnachtsgeldes 2011 gerichtete Klage abgewiesen. Ferner hat es den Kläger auf die Widerklage der Beklagten hin zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 6.380,- EUR nebst Zinsen verurteilt.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht -zusammengefasst- ausgeführt, die außerordentliche Kündigung vom 30.11.2011 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien zu diesem Tag beendet. Die außerordentliche Kündigung sei aufgrund der Unterschlagungen von Bargeld durch den Kläger (1.000,- EUR Anzahlung Verkauf M. und 5.380,- EUR Verkauf an Kunden L.) gerechtfertigt. Der Kläger habe nicht substantiiert bestritten, die ihm von der Beklagten vorgeworfenen Handlungen vorgenommen zu haben. Folglich schulde die Beklagte auch nicht die Vergütung für den Monat Dezember 2011. Ein Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgelds für das Jahr 2011 bestehe mangels schlüssiger Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen durch den Kläger nicht. Unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes schulde der Kläger seinerseits der Beklagten die unterschlagenen Beträge.

Der Kläger hat gegen dieses ihm am 13.07.2012 zugestellte Urteil mit einem am 17.07.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 17.8.2012, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 24.8.2012, begründet.

Zur Begründung seines Rechtsmittels macht der Kläger mit dem genannten Schriftsatz und den weiteren Schriftsätzen vom 12.11.2012, 4.1.2013 und 21.1.2013, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 93 ff., 128 ff., 143 ff. 154 f. d.A.), im Wesentlichen geltend:

Das erstinstanzliche Urteil basiere auf der falschen Annahme, er habe Gelder unterschlagen. Die von der Firma M. angezahlten 1000,- Euro habe er zusammen mit dem Kaufvertrag in einen Tresor im Verkaufspavillon gelegt, da er die Zahlung der restlichen Kaufpreissumme habe abwarten wollen, um dann den vollständigen Kaufpreis zusammen mit dem Kaufvertrag an der Kasse abgegeben zu können. Diese 1000,- Euro hätten sich am Tag seiner Freistellung nach wie vor im Tresor befunden, was ihm Herr A. auch quittiert habe. Das von Herrn L. übergebene Bargeld habe er nach der Anzahlung von 1000,- Euro ebenfalls zunächst in den Tresor im Verkaufspavillon gelegt und nach vollständiger Kaufpreiszahlung durch Herrn L. an der Kasse der Beklagten abgegeben. Dass für beide Verkäufe keine Rechnung ausgestellt worden sei, lasse sich dadurch erklären, dass bei beiden Verkäufen eine Sondersituation vorgelegen habe. Die Auslieferung des PKW an Herrn L. habe erst Wochen nach Abschluss des Kaufvertrages erfolgen sollen. Eine Rechnung werde in solchen Fällen, wohl um Doppelbuchungen zu vermeiden, nicht erstellt. Die Firma M. sei ein gewerblicher Händler, bei welchen Rechnungen erst bei vollständiger Kaufpreiszahlung erstellt worden seien. Vor der Kündigung habe ihm die Beklagte die verdachtsauslösenden Vorgänge nicht für ihn nachvollziehbar mitgeteilt, weshalb er zu diesen keine Stellung habe nehmen können.

Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und

festzustellen, dass die Kündigungen vom 30.11.2011, sowohl die fristlose als auch die fristgerechte unwirksam sind,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.013 EUR brutto als Vergütung für den Monat 2011 und weitere 1.505,- Euro brutto Weihnachtsgeld 2011 zu zahlen,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung mit ihrer Berufungserwiderung gemäß Schriftsatz vom 11.9.2012 und weiteren Schriftsätzen vom 25.1.2013, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 115 ff, 169 ff. d.A.), entgegen.

Sie wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag und führt ergänzend aus, der vom Kläger als „Tresor“ bezeichnete, im Verkaufspavillon befindliche verschließbare Kasten sei eine Art gesicherter Briefkasten, der nicht den versicherungsrechtlichen Bestimmungen zur Lagerung von Bargeld entspreche und daher auch nicht für eine entsprechende Verwendung vorgesehen sei. Sie habe diesen Kasten am Tag der Freistellung des Klägers kontrolliert und den Vorgang „J.“ vorgefunden, jedoch keine 1.000,- Euro aus dem Verkauf an die Firma M.. Da der Kläger den Kaufvertrag mit Herrn L. nicht zur Freigabe dem Geschäftsführer Herrn C. oder Herrn S. vorgelegt habe, sei der Vertrag auch der Buchhaltung nicht vorgelegt und eine Rechnung nicht erstellt worden. Dies und das Fehlen eines Zahlungseingangs-Vermerks der Kassiererinnen auf dem durch Herrn L. übersandten Kaufvertrag deuteten darauf hin, dass der Kläger weder Vertrag noch Geld an der Kasse vorgelegt habe. Stattdessen habe der Kläger entgegen des üblichen Vorgehens den Erhalt der Barzahlungen selbst auf dem Kaufvertrag quittiert. Der Kläger sei am Tag seiner Freistellung von Herrn S. über den bis dahin ermittelten Sachverhalt informiert worden.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 11.1.2013 (Bl. 151 f. d.A.) durch schriftliche Vernehmung der Zeugen A., B. und Z.. Insoweit wird Bezug genommen auf die schriftlichen Aussagen gemäß Bl. 302 ff. d.A..

Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers ist, soweit über sie nicht bereits mit Teilurteil vom 11.01.2013 entschieden wurde, zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und -auch inhaltlich ausreichend- begründet.

II. In der Sache hat das Rechtsmittel hinsichtlich der Widerklageforderung teilweise Erfolg. Ein Zahlungsanspruch der Beklagten besteht nur in Höhe von 5.380,- EUR nebst Zinsen. Die weitergehende Widerklage ist unbegründet. Im Übrigen hat die Berufung keinen Erfolg. Die Kündigung der Beklagten vom 30.11.2011 hat das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang beendet. Ein Vergütungsanspruch für den Monat Dezember 2011 besteht damit nicht. Auch ein Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld 2011 ist nicht gegeben.

Die gem. § 626 Abs. 2 BGB fristgemäß ausgesprochene außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.11.2011 ist wegen der Nichtabführung der aus dem Verkauf eines PKW an den Zeugen L. vom Kläger eingenommenen Geldes an die Beklagte nach § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich dabei zweistufig: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. etwa BAG NZA 2006, 1033). Auch unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtete rechtswidrige und vorsätzliche bzw. strafbare Handlungen des Arbeitnehmers rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB nicht in jedem Fall, sondern es bedarf auch in diesen Fällen einer Einzelfallprüfung und Interessenabwägung (BAG 10.6.2010 - 2 AZR 541/09- EzA § 626 BGB 2002 Nr 32).

aa) Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Auf Grund der durch den Arbeitsvertrag begründeten Nebenpflicht zur Loyalität hat ein Arbeitnehmer auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung beinhaltet zugleich das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich zu schädigen. Ein derartiges Verhalten ist grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen, wobei es auf die strafrechtliche Bewertung nicht ankommt (BAG 10.6.2010 aaO.)

bb) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger den für den Verkauf eines Gebrauchtwagens an den Zeugen L. insgesamt erhaltenen Barbetrag in Höhe von 5.380,- Euro nicht an die Beklagte weitergeleitet, sondern für sich behalten damit in erheblicher Weise gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen hat.

Grundsätzlich ist der kündigende Arbeitgeber verpflichtet, alle Umstände darzulegen und zu beweisen, die eine Kündigung begründen. Hierzu gehören auch Tatsachen, die einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund für das Verhalten des Arbeitnehmers ausschließen. Allerdings darf es nicht zu einer Überforderung der mit der Darlegungs- und Beweislast belegten Partei kommen, so dass sich ihr Umfang danach richtet, wie substantiiert sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die Kündigungsgründe einlässt. Es gilt eine abgestufte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast (st. Rspr., vgl. etwa BAG 6.8.1987 - 2 AZR 226/87- EzA § 626 nF BGB Nr 109; KR-KSchG-Fischermeier, 10. Aufl. , § 626 BGB Rz. 380 ff.).

Der Kläger hat behauptet, das vereinnahmte Geld etwa Mitte Februar 2011 an der Kasse der Beklagten eingezahlt zu haben. Die Beklagte hat ihre Kassenbücher nebst Kontounterlagen für den Zeitraum, in welchem die Kasseneinzahlung erfolgt sein soll vorgelegt, aus denen keine Buchung einer Zahlung über 5.380,- EUR oder 2 Buchungen über 1.000,- EUR und 4.380,- EUR erkennbar sind. Ferner haben die als Kassiererinnen tätigen Zeuginnen B. und Z. bestätigt, dass sie hinsichtlich des Kaufvorgangs L. kein Geld vom Kläger zur Verbuchung entgegengenommen haben. Neben diesen Aussagen der Zeuginnen stützt die Kammer ihre hinreichende Überzeugung davon, dass der Kläger das vereinnahmte Geld nicht an die Beklagte weitergeleitet hat, darauf, dass nach eigenem Sachvortrag des Klägers, bestätigt durch die Aussagen der Zeuginnen, die Kassiererinnen bei jedem Zahlungseingang die Kundenrechnung oder den Kaufvertrag quittieren und eine gesonderte Kopie für die Buchhaltung erstellen. Unstreitig und zudem aus der dem Gericht von Herrn L. überlassenen Durchschrift des Kaufvertrags (insoweit aber mit Originalunterschriften des Klägers, vgl. Bl. 282 d.A.) ersichtlich, wurde die Quittierung der Anzahlung und des Restbetrags nicht von den Kassiererinnen, sondern vom Kläger selbst vorgenommen, was dafür spricht, dass der Kläger den Zahlungseingang gegenüber der Beklagten verschleiern wollte. Jedenfalls hat der Kläger keinerlei Gründe dafür vorgetragen, warum diese vom üblichen Ablauf abweichende Art der Quittierung gewählt wurde. Ohne dass es hierauf entscheidend ankäme, wird dies bestärkt durch die schriftliche Bekundung des Herrn L. anlässlich der Übersendung des Durchschlags des Kaufvertrags an das Gericht, auch diese Art der Quittierung sei nur auf Drängen des Käufers vorgenommen worden.

b) Die Pflichtverletzung des Klägers ist von solchem Gewicht, dass sie auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und aller Umstände des vorliegenden Falls zum Überwiegen des berechtigten Interesses der Beklagten führt, das Arbeitsverhältnis ohne Einhalten einer Kündigungsfrist zu beenden.

Im Rahmen der Prüfung, ob dem Arbeitgeber trotz Vorliegens eines wichtigen Grunds die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten ist, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers gegenüber dem Bestandsinteresse des Arbeitnehmers abzuwägen. Die außerordentliche Kündigung muss insbesondere verhältnismäßig sein. Zu berücksichtigen sind regelmäßig Gewicht und Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr, Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreien Verlaufs (vgl. nur BAG 10.6.2010 aaO.)., sowie Lebensalter, Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers und seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Die außerordentliche Kündigung war vorliegend nicht bereits wegen des Fehlens einer Abmahnung unverhältnismäßig. Nach dem Ultima-Ratio-Prinzip kommt eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn alle anderen nach den Umständen möglichen und angemessenen milderen Mittel ausgeschöpft sind. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt die Anwendung milderer Mittel, sofern diese gleich geeignet wie eine Kündigung sind, eine weitere einschlägige Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zu verhindern. § 626 Abs. 1 BGB berechtigt einen Vertragspartner zur sofortigen Kündigung, um diesem die Vermeidung weiterer Pflichtverletzung zu ermöglichen. Hingegen darf eine Kündigung nicht als Sanktion für eine bereits begangene Pflichtverletzung erfolgen. Eine Abmahnung ist daher in den Fällen erforderlich, in denen es dem Arbeitgeber zumutbar ist, dem Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens sowie die Einordnung dieses Verhaltens durch den Arbeitgeber aufzuzeigen. Folglich ist eine Abmahnung dann entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit einer schweren Pflichtverletzung ohne weiteres erkennen kann und mit deren Hinnahme durch den Arbeitgeber unter keinen Umständen rechnen kann. Dies war vorliegend gegeben. Dem Kläger musste bewusst sein, dass das Einbehalten erheblicher Geldbeträge, die er im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit für die Beklagte eingenommen hatte, von der Beklagten nicht akzeptiert werden und den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährden würde. Angesichts der Höhe des Betrags und der Stellung des Klägers als Verkäufer, dem wiederholt Geldbeträge von Kunden übergeben werden, hat der Kläger bei der gebotenen objektiven Betrachtung das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen nicht nur erschüttert. Dieses ist vielmehr restlos zerstört. Eine Abmahnung war daher im vorliegenden Fall entbehrlich. Sie war nicht geeignet, das verlorene Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit des Klägers wiederherzustellen.

Im Rahmen der Interessenabwägung im engeren Sinn hat die Kammer zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass dieser 6 Jahren für die Beklagte tätig war und Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind hat.

Aufgrund des schwerwiegenden Vertrauensbruchs des Klägers überwiegen jedoch die Interessen der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Bestandsschutzinteresse des Klägers. Vorliegend ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger Gelder einbehalten hat, die ihm als Verkäufer anvertraut waren. Es gehört zu seinen Kernaufgaben im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit für die Beklagte, Barzahlungen für verkaufte PKW entgegen zu nehmen und in die Kasse der Beklagten einzuzahlen. Zudem handelte es sich bei den Geldern um erhebliche Summen. Die Beklagte ist darauf angewiesen, dass sich ihre Mitarbeiter, insbesondere ihre Verkäufer im Umgang mit eingenommenen Geldern redlich verhalten. Sie hat keine Möglichkeit, ihr Eigentum und ihr Vermögen anderweitig effektiv zu schützen, will sie nicht ihren Kunden die Möglichkeit nehmen, bar zu zahlen. Schließlich ist auch anzuerkennen, dass die Beklagte ein Interesse daran hat, gegen ihre Eigentums- und Vermögensinteressen gerichtete Pflichtverletzungen so zu sanktionieren, dass andere Arbeitnehmer von einer Nachahmung abgeschreckt werden und erkennen können, dass die Beklagte ein solches Verhalten unter keinen Umständen duldet.

Die Klage auf Zahlung von Annahmeverzugslohn nach § 615 S. 1 BGB für den Monat Dezember 2011 in Höhe von 3.003,- Euro ist wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2011 unbegründet.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgelds in Höhe von 1.505,- Euro für das Jahr 2011. Die Berufungskammer folgt insoweit der Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies gem. § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Der Kläger hat auch im Rahmen der Berufung keine weiteren, einen entsprechenden Anspruch begründenden Tatsachen vorgetragen.

Hinsichtlich der Widerklage hat die Berufung des Klägers teilweise Erfolg.

Die Widerklage ist - soweit über sie mit Teilurteil vom 11.01.2013 noch nicht entschieden wurde - nur hinsichtlich eines Zahlungsanspruchs in Höhe von 5.380,- Euro aus dem Vorgang Fahrzeugverkauf L. begründet. Hingegen hat die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 1000,- Euro aus dem Verkaufsvorgang Besim.

Unter Einbeziehung des vom Arbeitsgericht zugunsten der Beklagten ebenfalls ausgeurteilten Betrags in Höhe von 192,80 EUR (Reifenkauf), hinsichtlich dessen u.a. die Berufung des Klägers durch Teil-Urteil der Berufungskammer als unzulässig verworfen wurde, ergibt sich eine Gesamtzahlungsanspruch der Beklagten von 5.570,80 EUR nebst Zinsen. Der Tenor des angefochtenen Urteils wurde daher zur Klarstellung insgesamt neugefasst.

Der Anspruch der Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.380,- Euro folgt aus § 611 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.

Wie unter II. 1. ausgeführt steht nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger das vom Kunden L. erhaltene Geld nicht an die Beklagte abgeführt, sondern behalten und der Beklagten damit einen Vermögensschaden zugefügt hat. Der Kläger hat damit schuldhaft seine aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Pflicht zum Schutz des Vermögens der Beklagten als Arbeitgeberin verletzt, § 241 Abs. 2 BGB, so dass er nach § 249 Abs. 1 BGB zum Ersatz des Geldbetrags verpflichtet ist. Der Zinsanspruch der Beklagten ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB.

b) Ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.000,- Euro aus dem Vorgang M. besteht hingegen nicht.

aa) Ein Anspruch aus § 611 i.V.m. §§ 280, 241 Abs. 2 BGB scheitert am Nachweis einer schuldhaften Pflichtverletzung i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB durch den Kläger. Damit scheiden auch Ansprüche aus § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB aus.

Als mögliche Anspruchsinhaberin trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich einer Pflichtverletzung des Klägers nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB und entgegen § 280 Abs. 1 S. 2 BGB wegen der Regelung des § 619 a BGB auch dafür, dass der Kläger eine etwaige Pflichtverletzung zu vertreten hat.

Aufgrund der Beweisaufnahme vermochte das Gericht nicht zu der Überzeugung zu gelangen, dass die streitige Behauptung der Beklagten, der Kläger habe das Geld pflichtwidrig für sich behalten als erwiesen anzusehen ist.

Unstreitig hat der Kläger zwar die Anzahlung von 1000,- Euro durch die Firma M. entgegen genommen.

Die Beklagte hat dargetan, dass diese Summe nicht in ihren Besitz gelangt ist. Sie hat behauptet, der Kläger habe die Summe unterschlagen. Der Kläger hat daraufhin vorgetragen, er habe die erhaltenen 1000,- Euro in dem verschließbaren Briefkasten im Verkaufspavillon abgelegt. Am Tag seiner Freistellung habe sich das Geld dort befunden, seinen Schlüssel zu diesem Briefkasten habe er gemäß der Weisung des Herrn S. an Herrn A. übergeben. Der Zeuge A. hat bestätigt, eine Quittung unterschrieben zu haben, auf der die Übergabe des Tresorschlüssels und die Angabe „Vorgang B. (1000,- Euro)“ vermerkt ist. Allerdings konnte er sich nicht mehr konkret an das Vorhandensein dieser Summe im Tresor erinnern und auch nicht mehr daran, ob diese Angabe bereits auf der Quittung stand, als er diese unterschrieb.

Der Beklagten ist es nicht gelungen, den Beweis dafür zu führen, dass der Kläger die Anzahlung über 1000,- Euro behalten hat. Sie hat Beweis für die Behauptung angeboten, dass das laut Kläger in dem verschließbaren Briefkasten befindliche Geld am Tag seiner Freistellung nicht durch ihre Mitarbeiter aufgefunden wurde. Darauf kam es aber schon deshalb nicht entscheidend an, weil zuvor der Zeuge A. ebenfalls Zugriff auf diesen Briefkasten hatte und die Beklagte darüber hinaus die Darlegungs- und Beweislast dafür trug, dass das Geld nicht nur nicht im Briefkasten lag, sondern vom Kläger entgegen seiner Aussage nicht dort abgelegt bzw. von ihm einbehalten worden war. Nur dann hätte die Beklagte ein Verhalten des Klägers nachgewiesen, welches eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB darstellen würde. Aufgrund der Zugriffsmöglichkeiten weiterer Mitarbeiter der Beklagten auf den Briefkasten lässt sich im vorliegenden Fall aus dem Fehlen des Geldes nicht zwingend schließen, der Kläger habe es dort nicht eingelegt. Die Beklagte hat ihre Behauptung, der Kläger habe das Geld unterschlagen, nach dem substantiierten Vortrag des Klägers über dessen Verbleib nicht weiter substantiiert und hierfür auch keinen Beweis angeboten.

bb) Eine Schadensersatzpflicht des Klägers allein aufgrund der Tatsache der Einlegung des Betrags in den verschließbaren Briefkasten, welcher nach unwidersprochener Darstellung der Beklagten nicht dafür vorgesehen und geeignet ist, scheidet aus. Unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen A. und der von diesem unterzeichneten Quittung steht nicht zur hinreichenden Überzeugung der Berufungskammer fest, dass sich zum Zeitpunkt der Übernahme der dort befindlichen Unterlagen der Geldbetrag nicht in diesem „Tresor“ befand. Immerhin weist dieser Passus der Quittung äußerlich dieselbe Handschrift wie der Text der restlichen Quittung aus. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die möglicherweise nicht sichere Verwahrung des Geldes ursächlich für dessen Verlust war. Wenn der Kläger -wie dies nach der Aussage des Zeugen A. und der Quittung durchaus möglich erscheint- diesem als von der Beklagten beauftragten Person neben den weiteren Unterlagen auch den Betrag aus dem Vorgang B. übergeben hat, war fortan dieser hierfür verantwortlich bzw. hatte selbst Zugriff auf dieses Geld.

III. Ungeachtet des Teilerfolgs in der Sache waren dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 2 ZPO. Der Teilerfolg der Berufung beruht auf dem in der Berufungsinstanz neuen Vortrag des Klägers, er habe das aus dem Verkauf an die Firma M. stammende Geld in den Briefkasten im Verkaufspavillon eingelegt und der Vorlage der vom Zeugen A. unterzeichneten Quittung. Beide Vorgänge hätte der Kläger bereits in der ersten Instanz vortragen können und hat dies schuldhaft unterlassen. Angesichts der kurzen Zeitspanne zwischen der Kündigung Ende November 2011 und dem Auflagenbeschluss des Arbeitsgerichts vom 09.02.2012, mit dem der Kläger zu einer umfassenden Klagebegründung angehalten wurde, ist es ausgeschlossen, dass dem Kläger diese Vorgänge nicht mehr präsent waren. Dass er die Quittung erst nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils wieder gefunden haben will, ändert nichts daran, dass er die Tatsache, die 1000,- Euro in den Briefkasten eingelegt zu haben, bereits zuvor hätte vortragen können. Nach der umfassenden Klageerwiderung der Beklagten mit Schriftsatz vom 07.02.2012 (Bl. 28 ff.) bestand auch Anlass für den Kläger, zu dem Verbleib der 1000,- Euro innerhalb der vom Arbeitsgericht gesetzten Fristen vorzutragen.

Ein Revisionszulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.



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