Arbeitsgericht Berlin

Urteil vom - Az: 27 Ca 12150/16

Arbeitgeber trägt Dokumentationspflicht nach dem Mindestlohngesetz

(1.) Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten darzulegen, wenn er gegenüber dem Arbeitgeber Vergütungsansprüche geltend macht.

(2.) Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Arbeitnehmer in Wirtschaftsbereichen und -zweigen – z.B. im Gaststättengewerbe – beschäftigt ist, in welchem der Arbeitgeber zur Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit gemäß § 17 Mindestlohngesetz (MiLoG) verpflichtet ist.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Urteil

In Sachen

hat das Arbeitsgericht Berlin, 27. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 09.02.2017 durch die Richterin am Arbeitsgericht R. als Vorsitzende

sowie die ehrenamtliche Richterin Frau P. und den ehrenamtlichen Richter Herrn U.

für Recht erkannt:

I.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 19.10.2015 bis zum 31.10.2015 Vergütung in Höhe von ……  EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2015 zu zahlen.

II.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 15.11.2015 Vergütung in Höhe von …… EUR brutto abzüglich ……. EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 zu zahlen.

III.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für die Zeit vom 19.10.2015 bis zum 15.11.2015 sozialversicherungsrechtlich an- und abzumelden.

IV.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Monate Oktober 2015 und November 2015 Vergütungsabrechnungen zu erteilen.

V.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

VI.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf …. EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten unter anderem über Zahlungsansprüche und in diesem Zusammenhang insbesondere darüber, in welchem Zeitraum der Kläger in welchem Umfang Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht hat.

Der Kläger war bei der Beklagten, die ein Restaurant betreibt, im Jahr 2015 als Küchenhelfer beschäftigt. Die Beklagte zahlte an ihn als Arbeitsentgelt einen Betrag von …. € in bar.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von der Beklagten auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns Zahlung restlichen Arbeitsentgelts, Erteilung von Lohnabrechnungen sowie die An- und Abmeldung zur Sozialversicherung.

Er behauptet, er habe in der Zeit vom 19.10.2015 bis 15.11.2015 an jeweils sechs Tagen pro Woche stets zwischen 16:00 Uhr und 24:00 Uhr mit einer halben Stunde Pause Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht.

Der Kläger trägt weiter vor, verabredet worden sei eine Vergütung in Höhe … € netto monatlich.

Er meint, diese Abrede sei gesetzeswidrig.

Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 19.10.205 bis zum 31.10.2015 Vergütung in Höhe von … € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2015 zu zahlen,
     
  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 15.11.2015 Vergütung in Höhe von …. € brutto abzüglich …. € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 zu zahlen,
     
  3. die Beklagte zu verurteilen, ihn für die Zeit vom 19.10.2015 bis zum 15.11.2015 sozialversicherungsrechtlich an- und abzumelden,
     
  4. die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Monate Oktober 2015 und November 2015 Vergütungsabrechnungen zu erteilen.
     

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der Kläger habe seine Tätigkeit etwa am 16.9.2015 aufgenommen. Er habe ca. eine Woche gearbeitet. Danach habe sie den Kläger entlassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die beigefügten Unterlagen sowie das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

I.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit vom 19.10.2015 bis zum 31.10.2015 in Höhe von … € brutto sowie für die Zeit vom 1.11.2015 bis zum 15.11.2015 in Höhe von … € brutto abzüglich der bereits erhaltenen … € netto aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen i.V.m. § 1 MiLoG. Die diesbezüglichen Zinsansprüche folgen aus §§ 288, 286 Abs. 2 Ziff. 1, 614 BGB.

1.

Dass zwischen den Parteien in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 ein Arbeitsverhältnis bestand, ist zwischen den Parteien unstreitig. Zwar ist zwischen den Parteien streitig, in welchem genauen Zeitraum dies bestand und der Kläger für die Beklagte Arbeitsleistungen erbracht hat. Insoweit ist jedoch von den Angaben des Klägers auszugehen, wonach dieser in der Zeit vom 19.10.2015 bis 15.11.2015 an jeweils 6 Tagen pro Woche stets zwischen 16:00 Uhr und 24:00 Uhr mit einer halben Stunde Pause Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht. Hieraus ergeben sich 24 Arbeitstage zu je 7,5 Stunden.

Soweit die Beklagte hiervon abweichende Zeiten behauptet, hätte sie dies näher darlegen und hierfür Beweis anbieten müssen. Zwar ist der Arbeitnehmer grundsätzlich in der Beweislast, wenn er gegenüber dem Arbeitgeber Vergütungsansprüche geltend macht. Dies gilt jedoch nicht, wenn es – wie hier – um die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns in einem Bereich geht, in dem der Arbeitgeber zur Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit gemäß § 17 MiLoG verpflichtet ist. Hierzu zählt gemäß § 2a Abs. 1 Ziff. 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes auch das Gaststättengewerbe. Denn Sinn dieser gesetzlichen Dokumentationspflicht ist ausweislich der vorgesehenen Gesetzesbegründung die Prüfbarmachung der Zahlungsverpflichtung der Arbeitgeber. Dieses Ziel kann nur dann erreicht werden, wenn die Aufzeichnungspflicht auch mit einer Umkehrung der Beweislast oder zumindest mit einer Verschiebung der Darlegungslast dergestalt korrespondiert, dass es dem Arbeitgeber – sofern er der Aufzeichnungspflicht gemäß § 17 MiLoG nicht nachkommt – obliegt, zunächst substanziiert vorzubringen, in welchen konkreten Zeiträumen der Arbeitnehmer wo welche Arbeitsleistung erbracht haben soll. Erst nach einer derartigen Konkretisierung des arbeitgeberseitigen Bestreitens kann vom Arbeitnehmer erwartet werden, hierauf detailliert zu erwidern und anderweitiges Vorbringen im Einzelnen und detailliert näher darzulegen und zu beweisen.

Diesen Anforderungen ist die Beklagte mit ihrem Vortrag nicht nachgekommen. Von der Richtigkeit der klägerseitigen Darlegungen hinsichtlich seiner Arbeitsleistung ist daher – mangels substanziierten Bestreitens der Beklagten - auszugehen.

2.

Die Vergütungshöhe beträgt … € pro Stunde gemäß § 1 MiLoG.

Insgesamt ergeben sich für die Zeit vom 19.10.2015 bis zum 31.10.2015 für 82,5 Stunden (11 Tage x 7,5 Stunden) ein Betrag in Höhe von … € brutto sowie für die Zeit vom 1.11.2015 bis zum 15.11.2015 für 112,5 Stunden (15 Tage x 7,5 Stunden) in Höhe von … € brutto. In Abzug zu bringen sind - wie vom Kläger in seinem Antrag auch berücksichtigt - die von der Beklagten bereits gezahlten … €.

II.

Der Kläger kann von der Beklagten verlangen, ihn gemäß § 28 a SGB IV zur Sozialversicherung anzumelden und abzumelden; diese Verpflichtung besteht als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.06.2009 - 5 Sa 83/09).

III.

Der geltend gemachte Abrechnungsanspruch für Oktober 2015 und November 2015 ergibt sich aus § 108 GewO.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG.

Der Streitwert für die Anträge zu 1) und 2) entspricht den jeweils bezifferten Beträgen. Der Streitwert des Antrags zu 3) beträgt 10% eines Bruttomonatseinkommens des Klägers. Der Antrag zu 4) wurde mit 5 % eines Bruttomonatseinkommens je Abrechnung bewertet.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann von d. Beklagten Berufung eingelegt werden.

Die Berufungsschrift muss von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt bzw. einer Vertreterin oder einem Vertreter einer Gewerkschaft, einer Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände eingereicht werden.

Die Berufungsschrift muss innerhalb  

einer Notfrist von einem Monat  

bei dem  

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin ,  

eingegangen sein.  

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass Berufung gegen dieses Urteil eingelegt werde. Die Berufung ist gleichzeitig oder innerhalb   einer Frist von zwei Monaten   in gleicher Form schriftlich zu begründen.

Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments im Sinne des § 46c ArbGG genügt. Nähere Informationen dazu finden sich auf der Internetseite unter www.berlin.de/erv.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Dabei ist zu beachten, dass das Urteil mit der Einlegung in den Briefkasten oder einer ähnlichen Vorrichtung für den Postempfang als zugestellt gilt. Dies gilt nicht bei Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 174 ZPO.
Wird bei der Partei eine schriftliche Mitteilung abgegeben, dass das Urteil auf der Geschäftsstelle eines Amtsgerichts oder einer von der Post bestimmten Stelle niedergelegt ist, gilt das Schriftstück mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt, also nicht erst mit der Abholung der Sendung.
Das Zustellungsdatum ist auf dem Umschlag der Sendung vermerkt.

Für d. Kläger/in ist keine Berufung gegeb



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