Landesarbeitsgericht Hamm

Urteil vom - Az: 5 Sa 1367/21

Arbeitgeber muss Pfändungsfreigrenzen berücksichtigen

Der Kläger war vom September 2019 bis zum September 2020 bei der Beklagten als Küchen- und Möbelmonteur zu einem Festgehalt von 3.200 Euro brutto angestellt. Der Kläger arbeitete die Aufträge eines Einrichtungshauses ab, welches den Beklagten mit der Montage beauftragte. Wurden bei Kunden des Einrichtungshauses die Küchen oder Möbel beschädigt oder falsch montiert, gab das Einrichtungshaus die Belastungen aus den Schäden an den Beklagten des Klägers weiter. Mit der Gehaltsabrechnung für August 2020 wurde vom Nettoverdienst des Klägers ein Betrag in Höhe von 1.166,81 Euro netto in Abzug gebracht. In der Abrechnung wurde dies als „Abzug verursachter Schaden“ angegeben. Der Kläger hielt diesen Abzug nicht für gerechtfertigt und ging gerichtlich dagegen vor. Nach Ansicht des Beklagten sei der Abzug gerechtfertigt, weil der Kläger schwerste Montage- und Ausführungsfehler getätigt habe oder zumindest grob fahrlässig bzw. einfach in Kauf genommen habe – zu Unrecht, so das LAG Hamm. Grundsätzlich könne der Arbeitgeber bei einer fälligen Gegenforderung gegenüber dem Entgeltanspruch des Arbeitnehmers die Aufrechnung erklären. Rechnet der Arbeitgeber gegen Arbeitseinkommen auf, obliegt es ihm, im Streitfall vorzutragen, dass die Aufrechnung unter Beachtung der Pfändungsschutzvorschriften erfolgt ist. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte nicht nur die Pfändungsfreigrenze nicht eingehalten, sondern konnte der Beklagte auch nicht darlegen, dass tatsächlich ein Verhalten vorgelegen habe, das einen Schadensersatzanspruch begründet hätte.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor:

Die Berufung des Beklagten vom 12.11.2021 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.10.2021 - 8 Ca 4028/20 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Auszahlung eines einbehaltenen Nettobetrages für August 2020, die Auszahlung eines Urlaubsentgeltes für das Jahr 2020 sowie widerklagend um Schadensersatz aufgrund von Ausführungsmängeln.

Der Kläger war vom 01.09.2019 bis zum 17.09.2020 bei der Beklagten als Küchen- und Möbelmonteur zu einem Festgehalt von 3.200 € brutto eingestellt. Die Montage vor Ort nahm der Kläger grundsätzlich mit einem weiteren Mitarbeiter vor.

Der Beklagte betreibt ein Unternehmen, das unter anderem Küchen und Möbel im Auftrag von Möbelhäusern aufstellt. Der Kläger arbeitete für Aufträge des Einrichtungshauses A GmbH & Co.KG.

Werden von Mitarbeitern des Beklagten bei Kunden des Einrichtungshauses die Küchen oder Möbel beschädigt oder falsch montiert, gibt das Einrichtungshaus A GmbH & Co.KG. diese Belastung an den Beklagten weiter.

Mit der Abrechnung für August 2020 wurde vom Nettoverdienst des Klägers ein Betrag in Höhe von 1.166,81 € netto in Abzug gebracht. Als Bezeichnung wurde in der Abrechnung angegeben "Abzug verursachter Schaden". Der Beklagte trug vor, der Abzug sei gerechtfertigt, weil der Kläger schwerste Montage- und Ausführungsfehler getätigt habe oder zumindest grob fahrlässig bzw. einfach in Kauf genommen habe.

Weiterhin macht der Kläger einen Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2020 geltend. Zwischen den Parteien wurde ein Urlaub von 30 Tagen pro Kalenderjahr vereinbart. Dem Kläger stehen unstreitig für das Jahr 2020 insgesamt 22,5 Urlaubstage zu. Zwischen den Parteien ist streitig, wie viele Urlaubstage der Kläger genommen hat.

Der Kläger berechnet 7,5 Tage x 147,81 € (18,48 €/Std) = 1.108,58 € brutto.

Der Kläger hat behauptet, er habe 15 Urlaubstage genommen. 7,5 Arbeitstage seien daher noch zu erstatten. Insbesondere habe der Kläger vom 17.08.2020 bis zum 31.08.2020 Urlaub genommen. Am 11.08.2020 habe er keinen Urlaub genommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.166,81 € netto zu zahlen.2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.108,58 € brutto zu zahlen.

Der Beklagte die Klageabweisung beantragt und widerklagend beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 2.799,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Widerklagezustellung zu zahlen.

Der Beklagte hat behauptet, der Kläger habe am 11.8.2020 Urlaub genommen. Es seien daher nur noch 6,5 Urlaubstage abzugelten.

Der Kläger habe Belastungen in Höhe von insgesamt 3.966,62 € verursacht. 1.166,81 € seien daher mit der Abrechnung August 2020 in Abzug gebracht worden.

Probleme hätten sich insbesondere bei fünf Kunden ergeben:

Bei dem Kunden B. habe der Kläger den Auftrag gehabt, den Wasserhahn anzuschließen. Neben dem Kläger sei auch Herr C. bei dem Kunden anwesend gewesen. Der Wasserhahn habe jedoch nicht funktioniert. Nachträglich habe sich herausgestellt, dass die Armatur falsch angeschlossen gewesen sei. Dazu habe das Einrichtungshaus A dem Beklagten einen Betrag i.H.v. 200 € in Rechnung (Blatt 64 d.A.) gestellt.

Bei dem Kunden D. seien der Kläger und Herr E.l anwesend gewesen. Bei dem Kunden sei die Erstmontage am 16.01.2020 mangelhaft ausgeführt worden. Die komplette Küche habe demontiert werden und um 4 cm nach links versetzt werden müssen. Dazu habe das Einrichtungshaus A dem Beklagten einen Betrag i.H.v. 1.250,00 € in Rechnung gestellt (Blatt 65 d.A), weil der Kunde aufgrund der Ausführungsmängel einen Nachlass erhalten habe.

Bei dem Kunden F. habe der Kläger eine Spüle falsch montiert. Es habe eine neue Spüle bestellt und geliefert werden müssen. Daher habe das Einrichtungshaus A dem Beklagten einen Betrag i.H.v. 316,62 € in Rechnung gestellt (Blatt 66 d.A.).

Bei dem Kunden H. sei der Kläger der einzige Monteur gewesen. Der Kläger habe Hochschränke durchbohrt, die Ausschnitte der Schränke seien unsauber und nicht fachgerecht durchgeführt worden und Zubehörteile seien nicht installiert worden. Der Wasseranschluss sei falsch angeschlossen worden. Die Arbeitsplatteninstallation sei nicht nach Plan durchgeführt worden. Es habe eine neue Platte bestellt werden müssen, weil diese zu kurz gewesen sei. Der nachträgliche Einbau einer Zwischenwange sei nicht möglich gewesen. Das Einrichtungshaus A habe dem Beklagten einen Betrag in 700 € in Rechnung gestellt (Blatt 68 d.A.).

Bei dem Kunden G. habe der Kläger die Küche nicht fachgerecht montiert. Die Küche habe komplett abgebaut und neue installiert werden müssen. Das Einrichtungshaus A habe daher einen Betrag in Höhe von 1.500,00 € berechnet.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Er hat behauptet, hinsichtlich des Kunden B. habe nicht der Kläger, sondern Herr C. den Wasserhahn angeschlossen. Bei dem Kunden D. habe der Kläger die Erstmontage nicht durchgeführt, sondern ein anderer Mitarbeiter. Er habe gemeinsam mit Herrn E. nur die Mängel dokumentiert und anschließend beseitigt. Die Ausführungen hinsichtlich der Kunden F., H. und G. seien vollkommen unsubstantiiert und teilweise widersprüchlich.

Es sei bereits völlig unklar, inwieweit der Kläger für die geltend gemachten Fehler verantwortlich sei. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht alleine gearbeitet habe. Außerdem sei nicht vorgetragen worden, dass und wie der Kläger angebliche Fehler verursacht haben solle. Es fehle auch am Vortrag hinsichtlich der Entstehung und der Höhe des Schadens. Bei dem Abzug seien auch die Pfändungsvorschriften nicht berücksichtigt worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe keine Pflichtverletzung des Klägers bei Durchführung von Montagen hinreichend dargelegt, weshalb ein Schadensersatzanspruch unabhängig davon, ob dieser der Höhe nach überhaupt hinreichend dargelegt worden sei, ausscheide. Aus den vorgelegten Montageprotokollen ergebe sich lediglich, dass die Montagen möglicherweise nicht beanstandungsfrei durchgeführt wurden, nicht aber die persönliche Verantwortlichkeit des Klägers hierfür. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Seite 6 - 8 der Entscheidungsgründe (Bl. 124 - 126 d.A.) Bezug genommen.

Der Urlaubsanspruch sei in der von dem Kläger geltend gemachten Höhe gegeben. Der insoweit darlegungspflichtige Beklagte habe nicht dargelegt, dass dem Kläger tatsächlich auch am 11.08.2020 Urlaub gewährt worden sei.

Die Widerklage sei unbegründet, da die dem Kläger vorgeworfenen, mit den Aufrechnungsforderungen identischen, Pflichtverletzungen ebenfalls nicht hinreichend dargetan seien.

Gegen dieses ihm am 14.10.2021 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit der am 12.11.2021 bei Gericht eingegangenen Berufung, die er nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 13.01.2022 mit am 13.01.2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Hier führt er aus, das Arbeitsgericht habe die Frage der Pflichtverletzungen des Klägers völlig falsch beurteilt. Der Kläger sei Fachmann für Küchenmontagen mit nach eigenen Angaben jahrzehntelanger Erfahrung und schulde zumindest eine Leistung mittlerer Art und Güte. Der Kläger sei als erster Monteur verantwortlich für die Arbeit gewesen. Wenn er mit einem weiteren Monteur Küchen aufgebaut habe, sei er zumindest mitverantwortlich für Fehlleistungen des Kollegen, den er auf Fehler habe hinweisen müssen. Die einzelnen Fehlleistungen seien durch die Mängelprotokolle dargetan.

Wenn Mängel in den Protokollen angegeben seien, die bei der Abnahme gerügt worden seien, handele es sich offenkundig um Montagemängel, nicht um Fehllieferungen der Fa. A.

Bei dem Kunden B. habe der Kläger schlampig gearbeitet. Er habe eine Armatur falsch angeschlossen und dem Kunden gegenüber geäußert, dieses liege am Wasserdruck, was sich als falsch herausgestellt habe. Die Firma A habe dann einen Monteur geschickt, der den Wasseranschluss korrekt hergestellt habe, wofür 200,00 € in Rechnung gestellt worden seien.

Bei dem Kunden H. wo der Kläger als einziger Monteur gewesen sei, sei die Arbeitsplatte nicht zu kurz geliefert worden, vielmehr habe der Kläger sie bei der Montage um 20 cm zu lang abgeschnitten. Die Beanstandungen habe er durch den Montagebericht anerkannt.

Bei dem Kunden D. sei die Küche am 16.01.2020 geliefert worden, der Kläger habe mit Herrn E. die Küchen aufgebaut. Am 20.05.2020 sei nachgebessert worden. Wie sich aus dem eigenen Montagebericht vom 16.01.2020 ergäbe, habe der Kläger die Küche falsch montiert.

Bei dem Kunden F. habe der Kläger am 07.02.2020 den Wasseranschuss hergestellt und falsch montiert wie sich aus dem Montagebericht ergebe.

Durch die Belastungen sei ein Schaden in Höhe der Widerklageforderung entstanden.

Die Verrechnung der Vergütung in Höhe von 1.166,81 € netto ergebe sich ebenso hieraus. Hinsichtlich des Urlaubs habe der Beklagte vorgetragen, dass der Kläger am 11.08..2020 Urlaub gehabt habe. Hier hätte es eines Hinweises des Gerichts bedurft, wenn der Vortrag als nicht ausreichend angesehen worden sei. Der Kläger habe auch zum Bestand von 6,5 Resturlaubstagen nicht schlüssig vorgetragen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.10.2021 - Az.: 8 Ca 4028/20 abzuändern die Klage abzuweisen und auf die Widerklage den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 2.799,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Widerklagezustellung zu zahlen. 

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens. Insbesondere verweist er darauf, dass sich aus den Ausführungen des Beklagten nicht ersehen lasse, welche konkreten Arbeiten des Klägers bemängelt würden, ob vertraglich ein Nachbesserungsrecht für den Beklagten bestanden habe und ob hiervon Gebrauch gemacht worden sei. Aus der Anlage K 12 (Auftrag H.), ergebe sich lediglich, dass Beanstandungen bei der Arbeitsplatte bestanden hätten. Auch hätte es Beanstandungen bei Möbelfronten und Korpus gegeben. Es lasse sich aber nicht herleiten, um welche Angelegenheiten es sich gehandelt habe. Es habe sich ergeben, dass die Arbeitsplatte 20 cm zu kurz geliefert worden sei. Eine Rückfrage des Klägers bei der Fa. A habe ergeben, dass bei der Planung ein Fehler eingetreten sei. Die Zahl "2270 mm" sei nachträglich eingesetzt worden und stamme nicht vom Kläger. Bei dem Kunden D. sei die ursprüngliche Montage nicht durch den Kläger erfolgt. Er sei zu diesem Kunden gesandt worden, um Reklamationen festzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.

II. Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Kammer folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur fehlenden Darlegung von schadensbegründenden Handlungen sowie zum Bestand von Resturlaubsansprüchen und sieht insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Berufungsbegründung gibt zu folgenden Ergänzungen Anlass:

1) Soweit sich der Beklagte einer Aufrechnungslage hinsichtlich der Entgeltansprüche berühmt, ist diese nicht in bestimmbarer Form dargelegt und der Anspruch bereits insoweit zurückzuweisen.

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber zwar bei Vorhandensein einer fälligen Gegenforderung gegenüber dem Entgeltanspruch des Arbeitnehmers die Aufrechnung (§ 387 BGB) erklären. Hier hat er aber gem. § 394 BGB die Pfändungsgrenzen zu beachten.

§ 394 Satz 1 BGB schließt eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist. Bei Arbeitseinkommen bestimmt sich der pfändbare Teil gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO. Zur Sicherung des Existenzminimums des Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen regelt § 850c Abs. 1 ZPO einen unpfändbaren Grundbetrag. Dieser ist entsprechend den Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers gestaffelt und nach oben begrenzt. Für den Teil des Arbeitseinkommens, der diesen Grundbetrag übersteigt, gelten die weiteren Pfändungsbeschränkungen des § 850c Abs. 2 ZPO ( BAG, Urteil vom 22. September 2015, 9 AZR 143/14, juris, Rz. 11, 12 m.w.N.).

Die gesetzlichen Pfändungsbeschränkungen sind auch ohne eine Rüge des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Rechnet der Arbeitgeber gegen Arbeitseinkommen auf, obliegt es ihm vorzutragen, dass die Aufrechnung unter Beachtung der Pfändungsschutzvorschriften erfolgt, denn die Befugnis des Arbeitgebers, gegen den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers aufzurechnen, ist integraler Teil des Erfüllungseinwands, den der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Arbeitgeber dem Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers entgegenhalten kann (wie vor unter Verweis auf BAG 5. Dezember 2002, 6 AZR 569/01, zu 2 b der Gründe).

Dieses ist vorliegend nicht erfolgt. Soweit der Kläger keine Unterhaltspflichten zu bedienen hätte, betrüge der pfändbare Betrag nach dem ermittelten Nettoeinkommen aber lediglich 812,99 €, bei Vorliegen einer Unterhaltspflicht, für die einiges spricht, da die Abrechnung des Klägers die Steuerklasse 3 ausweist, nur ein Betrag von 358,92 €.

Im Hinblick hierauf war der darüber hinausgehende Einbehalt von vornherein unzulässig. Da der Beklagte bis zuletzt keine Ausführungen zur Pfändbarkeit gemacht hat, konnte die Kammer auch nicht ohne weiteres einen pfändbaren Betrag bestimmen.

2) Soweit der Vortrag des Beklagten dahingehend zu verstehen war, dass eine Aufrechnung gegen Urlaubsabgeltungsansprüche geltend gemacht werden sollte, war eine solche von vornherein unzulässig.

Aufgerechnet werden kann nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers. Andernfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist "die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig". Der Umfang der Rechtskraft darf aber nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund der Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erloschen ist. Das wäre bei der von der Beklagten erklärten Aufrechnung nicht der Fall.

Dieser steht bereits der Umstand entgegen, dass ohne Kenntnis der Nettoforderung nicht ermittelbar ist, welcher Anteil der Nettoforderung pfändbar ist. Auch steht bei Aufrechnung gegen eine Bruttoforderung nicht fest, wie hoch der nicht der Aufrechnung unterliegende Betrag an Nebenkosten wie Sozialabgaben und Steuerbeträgen ist. Damit steht nicht fest, wie hoch der der Aufrechnung gegenüberstehende Betrag überhaupt ist. Damit handelt es sich um eine nicht hinreichend konkretisierte, unbestimmte Forderung. Dieses ist unzulässig (ständige Rechtsprechung, siehe nur BAG, Urteil vom 20. Juni 2018, 5 AZR 262/17, BAGE 163, 89-98, Rn. 44; BAG, Urteil vom 22. März 2000, 4 AZR 120/99, zu II der Gründe; BAG 12. Dezember 2012, 5 AZR 93/12, Rn. 42).

3) Dem Kläger steht die begehrte Urlaubsabgeltung im ausgeurteilten Umfang zu.

Entgegen der Auffassung des Beklagten war die Forderung nicht unsubstantiiert dargelegt, da die Höhe der für das Jahr 2020 zustehenden Ansprüche laut dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils unstreitig war und auch zweitinstanzlich geblieben ist. Dass dem Kläger jedenfalls 6,5 Tage Resturlaub zustanden, hat der Beklagte erstinstanzlich ebenfalls eingeräumt.

Es wäre daher Sache des Beklagten gewesen, darzulegen und dafür Beweis anzutreten, dass auch diese 6,5 Resturlaubstage tatsächlich in natura gewährt worden sind.

a) Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers. Diese ist nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will. Andernfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken (§ 362 Abs. 1 BGB), den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers z.B. zur besseren Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ausschließen oder aus sonstigen Gründen als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme mit den in § 615 BGB bezeichneten Folgen verzichten will. Das kann auch dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellt. Notwendig ist allerdings stets die endgültige Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht. Die unter dem Vorbehalt des Widerrufs stehende Befreiung erfüllt daher den Urlaubsanspruch nicht. Andererseits ist die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nur möglich, wenn überhaupt eine Arbeitspflicht im fraglichen Zeitraum besteht (die erkennende Kammer, Urteil vom 16. September 2021, 5 Sa 616/21, juris, Rz. 58; ständige Rechtsprechung siehe BAG 10. Februar 2015, 9 AZR 455/13, Rn. 19, juris m.w.N).

Die Darlegungslast für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs liegt bei dem Arbeitgeber (so auch schon LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2014, 7 Sa 540/13, juris) als Schuldner, der damit den Erfüllungseinwand geltend macht.

b) Hier hat das Arbeitsgericht zu Recht gerügt, dass es an einem konkreten Vortrag dazu, wann, wie, von wem Urlaub erteilt worden sein soll, fehlt. Dieser Vortrag ist auch in der Berufung nicht ergänzt worden.

Damit hat der Beklagte die Erfüllung der Ansprüche, die der Höhe nach unstreitig waren, nicht dargelegt. Der rechnerisch unstreitige Anspruch wurde zu Recht ausgeurteilt.

4) Die Widerklage war abzuweisen, da der Beklagte das Vorliegen eines einen Schadensersatzanspruch begründenden Verhaltens nicht dargelegt hat. Dass dieser angesichts der in zweiter Instanz nur noch in geringerer Höhe geltend gemachten wurde, konnte somit dahinstehen.

Die Kammer schließt sich auch hier den Ausführungen des Arbeitsgerichtes an. Nur ergänzend sei nochmals darauf hingewiesen, dass vorliegend die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung zu berücksichtigen sind, § 254 BGB analog. Es ist zu prüfen, ob und inwiefern im Streitfall der Grundsatz der Totalreparation des § 249 BGB nach dem Verschuldensgrad modifiziert ist.

a) Nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen (BAG 27. September, GS 1/89 (A), BAGE 78, 56 [BAG 27.09.1994 - GS - 1/89 (A)]) haften Arbeitnehmer nur für vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang, bei leichtester Fahrlässigkeit dagegen überhaupt nicht (vgl. auch BAG 28. Oktober 2010, 8 AZR 418/, Rn. 17). Die Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen (BAG, Urteil vom 21. Mai 2015, 8 AZR 116/14, juris, Rz. 48/49; so auch ausführlich BAG 13. Dezember 2012, 8 AZR 432/11, Rn. 20).

b) Danach ergibt sich, dass der Beklagte die von ihm als Schaden angenommenen Beträge jeweils in voller Höhe angesetzt hat, ohne dazu vorzutragen, inwieweit der Kläger mit grober oder mittlerer Fahrlässigkeit gehandelt haben soll. Allein, dass ein Arbeitsergebnis, wie etwa die Erstellung eines Wasseranschlusses nicht erreicht wird, sagt darüber nichts aus. Hier hätte es des Vortrages bedurft, welchen konkreten Fehler der Kläger begangen hatte. Dies ist nicht erfolgt.

Auch bei den übrigen als Schäden geltend gemachten Vorgängen ist keine nähere Darlegung erfolgt. Damit, dass der Kläger nach wie vor vorträgt, die Erstmontage der Küche bei Herrn D. sei gar nicht durch ihn erfolgt, setzt sich der Beklagte nicht auseinander, sondern beharrt lediglich darauf, dass dieses doch der Fall gewesen sei. Der Montagezettel vom 16.01.2020 (Bl. 98 d.A.) weist aber eine Einsatzzeit von 10.30 Uhr bis 12.00 Uhr aus, es ist - wie schon das Arbeitsgericht ausgeführt hat-, nicht ersichtlich, wie eine Küchenmontage in 1,5 Stunden erfolgt sein soll. Am 20.05.2020 beispielsweise war der Kläger, zwar allein, aber auch von 8.30 Uhr bis 18.30 Uhr mit der Neumontage beschäftigt.

Hier fehlt es an der Darlegung, wann dem Kläger, wie der Auftrag erteilt worden sein soll, am 16.01.2020 bei dem Kunden D. eine Küche neu zu montieren. Für die Tätigkeit müsste eine Beauftragung des Klägers erfolgt sein. Eine solche wurde nicht vorgelegt, auch kein Zeugenbeweis hierfür angetreten. Die vorgelegten Unterlagen der Fa. A beziehen sich ausschließlich auf die zweite Montage am 20.05.2020.

Im Fall des Kunden H. bestätigt der Montagebericht entgegen dem Vortrag des Beklagten gerade nicht, dass der Kläger eine Arbeitsplatte fehlerhaft abgeschnitten hat, sondern weist als handschriftlichen Eintrag aus "zu kurz geliefert" ( Bl. 97). Wenn dort ausgeführt ist, dass die Wange beschädigt ist, sagt dieses nichts darüber aus, ob es sich um einen Materialfehler oder einen Fehler des Klägers beim Einbau und wenn ja, welchen konkreten Fehler, gehandelt hat.

Angesicht des erfolgten Vortrages war insgesamt nicht ersichtlich, ob und wenn ja, welche konkreten Fehler der Kläger begangen haben soll und welcher Grad der Fahrlässigkeit sich hieraus ergibt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

IV. Gründe, die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.



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