Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Beschluss vom - Az: 1 Sa 215/14

Arbeitgeber dürfen "mehrjährige Berufserfahrung" verlangen

1. Einem Stellenbewerber fehlt es an der objektiven Eignung für eine Stelle, wenn er die in der Stellenausschreibung verlangte "mehrjährige Berufserfahrung" nicht aufweisen kann, sofern der Arbeitgeber wegen der Anforderungen an die Stelle nachvollziehbarerweise mehrjährige Berufserfahrung verlangt.
(Leitsatz des Gerichts)

(2.) Eine unzulässige Diskriminierung - hier: wegen des Alters - liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Bewerber oder eine Bewerberin nicht über die Mindestqualifikationen nach der Stellenbeschreibung verfügt. Denn dann befindet er/sie sich nicht in vergleichbarer Situation zu dem eingestellten Bewerber bzw. der eingestellten Bewerberin.
Maßgeblich für die objektive Eignung ist aber nicht das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, sondern sind die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte.

Vorliegend verlangte der beklagte Arbeitgeber eine "mehrjährige Berufserfahrung" in der Java-Programmierung ua. zur Programmierung eines Online-Shops.
Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, dass "... eine längere Berufserfahrung ... in vielen Bereichen objektive Voraussetzung (ist), um eine Stelle tatsächlich ausüben zu können. Der Arbeitgeber darf von einem Bewerber zulässigerweise diese Berufserfahrung als Qualifikation verlangen."
Ohne auf die Umstände näher einzugehen, bejaht das LAG daher die Zulässigkeit einer "mehrjährigen Berufserfahrung" als Bewerbungsbedingung.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 13.06.2014 - 3 Ca 58 d/14 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Berufungsverfahrens. Mit ihrer Klage macht sie einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend.

Die Beklagte ist eine im internationalen IT-Versandhandel tätige Gesellschaft mit ca. 140 Arbeitnehmern. Sie schrieb im Internet eine Stelle im Bereich des zentralen E-Commerce als Java-Entwickler/in aus. Die Stellenanzeige lautet auszugsweise:

 „Einen idealen Start hast Du mit einem abgeschlossenen Studium in der Medien-/Wirtschaftsinformatik, Informatik oder einer vergleichbaren Fachausbildung. Mehrjährige Berufspraxis in der Programmierung von Online-Shops solltest Du ebenfalls mitbringen.

Fachliche Voraussetzungen:

- Sehr gute Projekterfahrung im Bereich Java-Entwicklung

- Idealerweise Erfahrung im Hybris-Umfeld

- Fundiertes Know-how in der objektorientierten Softwareentwicklung

- Mehrjährige Erfahrung in der Programmierung mit Java, Kenntnisse in gängigen Web-Technologien wie HTML, XML, JavaScript sowie mit Frameworks wie Spring und/oder Struts

- Kompetenz im Bereich Apache-Webserver und/oder J2EE-basierender Application, in der allgemeinen Webentwicklung (LAMP) und Konzeption von Webanwendungen

- Gutes Englisch in Wort und Schrift

Auf diese Stellenanzeige bewarb sich die Klägerin online am 08.07.2013. Auf dem von der Beklagten vorgegebenen Bewerbungsformular wurde vorgegeben die Anrede (Herr/Frau) sowie das Geburtsdatum anzugeben.

Die Klägerin ist 1961 in der damaligen S. geboren. Sie absolvierte in L. von 1978 bis 1984 ein Studium der Fachrichtung Informatik und war ausweislich des von ihr vorgelegten Lebenslaufes von 1989 bis 1998 als Systemprogrammiererin in einem Betrieb für automatische Systeme in M. tätig, von 2000 bis 2003 als Anwendungsentwicklerin und Programmiererin in Unternehmen in H. und E. sowie von 2006 bis 2007 als Softwareentwicklerin in einem Unternehmen in H.. Im Jahr 2012 nahm sie an zwei Weiterbildungen im Umfang von jeweils 80 Stunden zum Thema „Java-Webprogrammierung“ und „Java-Webprogrammierung-Fortgeschrittene Techniken“ teil. 2013 absolvierte sie eine Weiterbildung „Apps-Programmierung Android“.

Auf ihre Bewerbung erhielt sie von der Beklagten am 23.07.2013 eine schriftliche Absage. Mit Schreiben vom 14.09.2013 machte sie gegenüber der Beklagten einen Entschädigungsanspruch „gemäß AGG“ geltend, da sie davon ausgehe wegen ihres Alters, ihres weiblichen Geschlechts und ihrer Herkunft benachteiligt worden zu sein. Am 12.12.2013 hat sie dann die vorliegende Klage erhoben.

Die Klägerin hat vorgetragen,

sie sei durch die Abfrage ihres Alters und ihres Geschlechts unmittelbar diskriminiert worden. Ferner sei ein Indiz für eine mittelbare Frauendiskriminierung, dass die Stelle nur als Vollzeitstelle ausgeschrieben sei. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass Frauen im IT-Bereich unterrepräsentiert seien. Es sei deswegen auch von einem Fall intersektioneller Benachteiligung auszugehen, was bei der Beurteilung des Sachverhalts berücksichtigt werden müsse.

Soweit die Beklagte ihre mangelnde Eignung rüge, weiche sie in ihren schriftsätzlich dargestellten Anforderungen inhaltlich von den Anforderungen der Stellenausschreibung ab. So stehe dort etwa nichts über „Großprojekte mit mindestens 1 Mio. Euro Investitionsvolumen. Auch seien 5 Jahre aktueller Berufserfahrung mit Java gar nicht möglich, weil keine Version dieser Programmiersprache 5 Jahre aktuell gewesen sei. Sie habe ihre Weiterbildungen im Bereich der Java-Webprogrammierung mit sehr gutem Erfolg absolviert. Die Kurse hätten theoretische und praktische Inhalte sowie die Fähigkeit vermittelt, im Berufsumfeld entsprechende Tätigkeiten auszuüben. Sie bestreite daher, dass ein besser qualifizierter Bewerber als sie eingestellt worden sei. Die Beklagte habe über die Person des eingestellten Bewerbers und dessen Bewerbungsunterlagen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Auskunft zu erteilen. Auch sei ihre objektive Eignung als „Softwareentwicklerin Java-Handelssysteme“ oder Ähnliches in anderen Verfahren bestätigt worden oder unstrittig gewesen. Die Vielzahl ihrer Bewerbungen spreche eher für die Ernsthaftigkeit ihrer Bewerbung als dafür, dass es ihr nur um die Erlangung einer Entschädigung gehe.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 15.000,-- € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt,

der Klägerin fehle die objektive Qualifikation für die ausgeschriebene Stelle. Sie habe eine erfahrene Mitarbeiterin/einen erfahrenen Mitarbeiter im Bereich der Java-Entwicklung gesucht. Dabei habe sie 5 Jahre aktuelle Berufserfahrung, aktuelles Wissen aus Großprojekten mit mindestens 100.000,-- € Investitionsvolumen, 3 Monaten Laufzeit und 10 Mio. Page Impressions MTL gefordert. Hierfür seien ca. 10 Jahre Java-Programmieranwenderkenntnisse erforderlich. Die von der Klägerin aufgeführten Programmiersprachen seien für sie, Beklagte, irrelevant. Das von der Klägerin im Jahr 2012 theoretisch erworbene Handwerkszeug müsse praktisch vertieft werden, um auf der vorgesehenen Position angewendet werden zu können. Auch sei ausdrücklich die Berufspraxis in der Programmierung von Online-Shops wichtiges Kriterium gewesen, worüber die Klägerin nicht verfüge.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf die Akte Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13.06.2014 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet gewesen. Ihr fehle eine mehrjährige Berufspraxis in Online-Shops, ihr fehle aktuelles Wissen über die Abwicklung von Projekten, insbesondere im Bereich E-Commerce und sie habe ihre Kompetenzen hinsichtlich der geforderten Web-Technologien (XML, Java-Script, Apache-Webserver) nicht dargelegt. Ergänzend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin habe auch nicht schlüssig zu einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgetragen.

Wegen der weiteren Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das Urteil verwiesen.

Das Urteil ist der Klägerin am 20.06.2014 zugestellt worden. Sie hat am 03.07.2014 den vorliegenden Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren nebst einer Begründung vorgelegt. Daneben hat sie vertreten durch eine Rechtsanwältin am Montag, dem 21.07.2014 Berufung eingelegt. Die Frist zur Vorlage der Berufungsbegründung ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht abgelaufen.

Zur Begründung ihres Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe führt die Klägerin aus:

Die Feststellung des Arbeitsgerichts, sie sei für die ausgeschriebene Stelle einer Java-Entwicklerin objektiv nicht geeignet, sei absurd und „reinste Willkür“. Die objektive Eignung für eine Stelle könne nur zwischen den konkreten Bewerbern geprüft werden und nicht allein anhand der Stellenausschreibung. Zu den weiteren Bewerbern habe die Beklagte aber überhaupt nichts vorgetragen. Zu berücksichtigen sei auch, dass ein Arbeitgeber bei seiner Stellenbesetzung von den in der Stellenanzeige genannten Kriterien abweichen könne. Auch deswegen sei die Beklagte verpflichtet, ihr Auskunft über den eingestellten Bewerber zu erteilen und die Bewerbungsunterlagen vorzulegen. Auch der Arbeitgeber, der einen Bewerber wegen eines verpönten Merkmals aussortiere, ohne sich über dessen objektive Eignung Gedanken zu machen, benachteilige diesen Bewerber. Ihr werde in diesem Fall bereits die Chance auf ein diskriminierungsfreies Auswahlverfahren genommen. Schließlich sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die objektive Eignung eines Bewerbers keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG.

Aus ihren Ausführungen ergäben sich grundsätzliche Fragen, deren Relevanz für das Berufungsverfahren allein schon die Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertige. Es müsse festgestellt werden, dass über die objektive Eignung nicht allein anhand einer Stellenausschreibung ein Urteil getroffen werden dürfe. Weiter ergebe sich eine grundsätzliche Frage nach der Reichweite der Indizwirkung bei einer Auskunftsverweigerung des Arbeitgebers. Es sei offensichtlich, dass die Beklagte die Situation missbrauche, dass sie Bewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers nicht vorlege, um ihr beliebige Vorwürfe hinsichtlich ihrer Qualifikation machen zu können.

Ferner seien die Ausführungen im Urteil, wonach sie über aktuelles Wissen im Bereich des E-Commerce nicht verfüge, willkürlich. Sie habe bereits in ihrer Klage und dem beigefügten Bewerbungsanschreiben erklärt, dass sie in den aktuellsten Weiterbildungen aus den Jahren 2012 und 2013 aktuellste Kenntnisse im Bereich E-Commerce erworben habe. Ihre Kenntnisse seien aktueller als die von der Beklagten ausweislich deren Stellenausschreibung eingesetzten Entwicklungswerkzeuge. Ergänzend verweist die Klägerin zu diesem Punkt und insgesamt auf ihren Vortrag in erster Instanz.

Ferner führt die Klägerin aus, dass die Verneinung der Indizwirkung ihres Vortrags durch das Arbeitsgericht fehlerhaft erfolgt sei, was eine weitere grundsätzliche Frage aufwerfe. Wegen des Vortrags hierzu und des weiteren Vortrags der Klägerin wird auf deren Schriftsatz vom 03.07.2014 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts (m/w) für ihre Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 13.06.2014, zugestellt am 20.06.2014, zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass die Klägerin für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet gewesen sei. Die Klägerin verfüge über die in der Stellenausschreibung geforderten Anforderungen nicht.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist unbegründet. Die Voraussetzungen zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die von der Klägerin bereits eingelegte Berufung liegen nicht vor.

Nach § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Nach dieser Vorschrift kommt vorliegend die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht. Die von der Klägerin eingelegte Berufung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zu Recht und im Wesentlichen auch mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht einen Anspruch der Klägerin aus § 15 Abs. 2 S. 1 AGG abgewiesen.

1. Allerdings ist die Klägerin entgegen der von der Beklagten in erster Instanz geäußerten Auffassung Bewerberin im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 2 AGG und damit Beschäftigte im Sinne von § 15 Abs. 2 S. 1 AGG und grundsätzlich für den geltend gemachten Anspruch aktivlegitimiert. Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kommt es für die Eigenschaft als Bewerber nicht auf die subjektive Ernsthaftigkeit einer Bewerbung an (BAG v. 25.04.2013 - 8 AZR 278/08 - Juris, Rn 29). Der Begriff „Bewerberinnen und Bewerber“ setzt außer dem formalen Erfordernis einer Bewerbung weder das Vorliegen einer subjektiven Ernsthaftigkeit der Bewerbung noch die objektive Eignung für die in Aussicht genommene Stelle voraus.

2. Ein Anspruch der Klägerin scheidet aber aus, weil der nach § 15 Abs. 2 AGG erforderliche Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nicht vorliegt.

a) Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

Die Klägerin hat im Bewerbungsverfahren um die ausgeschriebene Stelle eine weniger günstige Behandlung erfahren als der oder die später eingestellte Bewerber/Bewerberin. Ihre Bewerbung wurde abgelehnt, ohne dass sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war. Eine Benachteiligung kann auch in der Versagung einer Chance liegen. Dass die Beklagte tatsächlich einen anderen Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und auch jemanden eingestellt hat, ist von ihr im vorliegenden Verfahren nicht bestritten worden.

b) Die ungünstige Behandlung der Klägerin erfolgte jedoch in keiner vergleichbaren Situation im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 AGG.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt das Vorliegen einer vergleichbaren Situation voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde.

Maßgeblich für die objektive Eignung ist nicht das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, sondern sind die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers frei entscheiden darf. Durch das Stellen von Anforderungen an den Bewerber, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind, darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des AGG de facto beseitigen.

Die objektive Eignung ist zu trennen von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und verbotenem Merkmal eine Rolle spielt. Allerdings bedürfen auch Bewerber, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten können, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünscht, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erforderlichen Bewerbung sind (BAG, Urteil v. 07.04.2011 - 8 AZR 679/09 - Juris, Rn 37 - 39).

bb) Nach diesen Grundsätzen fehlt es vorliegend an der objektiven Eignung der Klägerin für die von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle als Java-Entwicklerin.

Ausweislich der Stellenausschreibung hat die Beklagte das Anforderungsprofil für ihre Stelle dahin festgelegt, dass mehrjährige Berufserfahrung in der Programmierung von Online-Shops mitgebracht werden soll. Diese Anforderung erfüllt die Klägerin nicht. Sie mag Kenntnisse in der Programmierung von Online-Shops haben, Berufserfahrung in diesem Bereich hat sie nicht dargelegt. Auch die weiteren fachlichen Voraussetzungen weist die Klägerin nur in Teilen auf. Es fehlt insbesondere die geforderte „sehr gute Projekterfahrung im Bereich Java-Entwicklung“. Auch hier ist die tatsächliche Umsetzung von vorhandenen Kenntnissen verlangt. Die von der Klägerin insoweit absolvierten Weiterbildungskurse können das nicht ersetzen, selbst wenn dort theoretische und praktische Inhalte vermittelt worden sind, wovon auch das Gericht ausgeht. Auch hat die Klägerin nicht die von ihr verlangte mehrjährige Erfahrung in der Programmierung mit Java. Zu ihren Kenntnissen in gängigen Webtechnologien, die weiter gefordert sind, hat sie nicht ausreichend vorgetragen.

Die Klägerin verkennt nach Auffassung des Gerichts, dass zwei gut 14-tägige Fortbildungen eine tatsächliche Berufspraxis und Projekterfahrung oder eine mehrjährige Erfahrung nicht ersetzen können.

cc) Bei diesen Anforderungen handelte es sich auch um das formelle Anforderungsprofil für die Stelle, nicht nur Mängel in der individuellen fachlichen Qualifikation der Klägerin, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Frage der objektiven Eignung keine Rolle spielen dürfen. Bei der Anforderung an einen Bewerber, mehrjährige Berufserfahrung in dem angebotenen Bereich aufzuweisen, handelt es sich nicht etwa um unter keinen nachvollziehbaren Gesichtspunkten gedeckte Anforderungen. Im Gegenteil: Eine längere Berufserfahrung ist in vielen Bereichen objektive Voraussetzung, um eine Stelle tatsächlich ausüben zu können. Der Arbeitgeber darf von einem Bewerber zulässigerweise diese Berufserfahrung als Qualifikation verlangen.

3. Die weiteren Ausführungen der Klägerin in der Begründung ihres Prozesskostenhilfeantrags treffen entweder in rechtlicher Hinsicht nicht zu oder sind unerheblich.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann über die objektive Eignung einer Bewerberin für eine Stelle nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allein anhand der Stellenausschreibung entschieden werden. Auf die oben zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wird verwiesen. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 18.03.2010 - 8 AZR 77/09 - und vom 22.07.2010 - 8 AZR 1012/08 - vorträgt, dass die objektive Eignung eines Bewerbers keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG sei, missversteht sie diese Urteile. In den von der Klägerin zitierten Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht nur festgestellt, dass die fehlende objektive Eignung eines Bewerbers dessen Bewerbereigenschaft im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 2 AGG nicht entgegenstehe. In denselben Entscheidungen führt das Bundesarbeitsgericht aber aus, dass es bei fehlender objektiver Eignung an einer vergleichbaren Situation im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG fehle.

Die unter 2. auf S. 3 ihres Schriftsatzes aufgeworfene grundsätzliche Frage ist demnach durch das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden worden. Auf die unter 3. von der Klägerin aufgewiesene grundsätzliche Frage nach der Reichweite der Indizwirkung einer Auskunftsverweigerung kommt es nach Vorstehendem ebenso wenig an wie auf die auf S. 4 ihrer Begründung weiter aufgeworfene grundsätzliche Frage zur Indizwirkung durch die Abfrage bestimmter Merkmale in einem Bewerbungsformular. Ebenso unerheblich ist der weitere Vortrag der Klägerin zum Vorliegen von Indiztatsachen.

4. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.



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