Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 5 Sa 438/18

Anspruch auf Schmerzensgeld und Entgeltfortzahlung in zwei Krankheitsfällen

(1.) Grundsätzlich steht dem Arbeitnehmer nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zu einer Höchstdauer von sechs Wochen zu, wenn dieser infolge einer Krankheit arbeitsunfähig wird.

(2.) Wird ein Arbeitnehmer wegen derselben Krankheit jedoch erneut arbeitsunfähig, verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Entgeltfortzahlungsanspruch für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder wenn seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

(3.) Ist ein Arbeitnehmer länger als sechs Wochen an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert, so hat dieser - soweit sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dazu keine Angaben entnehmen lassen – darzulegen, dass keine Fortsetzungserkrankung besteht. Hierzu kann der Arbeitnehmer eine entsprechende ärztliche Bescheinigung vorlegen.

(4.) Es gehört nicht zum Pflichtenkreis des Arbeitgebers, bei dem Zweitarbeitgeber des Arbeitnehmers anzufragen, ob sich dieser ordnungsgemäß krankgemeldet hat und weiterhin auch nicht, Informationen über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers mitzuteilen. Die gezielte Weitergabe der Gesundheitsdaten ist eine unzulässige Datenübermittlung und stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar, welches durch die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes auszugleichen ist.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Die Klägerin war bei der Beklagten vom 01.07. bis zum 31.12.2017 als Medizinische Fachangestellte in Vollzeit beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch eine Eigenkündigung der Klägerin vom 26.11 zum 31.12.2017. In der Zeit vom 06.11. bis zum 31.12.2017 war die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Aufgrund einer psychischen Erkrankung wurde zunächst eine Erstbescheinigung für die Zeit vom 06.11. bis 20.11.2017 und anschließend eine Folgebescheinigung bis zum 18.12.2017 von einer Psychotherapeutin ausgestellt. Anschließend wurde der Klägerin aufgrund einer Nasennebenhöhlenentzündung für die Zeit vom 19.12. bis zum 31.12.2017 von ihrer Hausärztin eine Erstbescheinigung ausgestellt. Die Beklagte leistete für die Zeit vom 06.11 bis 17.12.2017 der Klägerin Entgeltfortzahlung iHv. 1.808,86 Euro (brutto). Für die Zeit ab dem 18.12.2017 lehnte die Beklagte die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall jedoch ab, da die Sechs-Wochen-Frist nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz erschöpft sei. Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage.
Bei der Erkrankung der Klägerin handle es sich um zwei unterschiedliche, nicht auf demselben Grundleiden beruhende Erkrankungen, so dass keine Fortsetzungserkrankung vorliege und die Beklagte erneut Entgeltfortzahlung zu leisten habe – so das ArbG und das LAG. Die Beklagte habe auch nicht nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalles geltend gemacht, dass die Arbeitsunfähigkeit infolge der neuen Krankheit schon vor dem 19.12.2017 eingetreten wäre. Ab dem 19.12.2017 sei daher ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entstanden. Weiterhin stehe der Klägerin ein Schmerzensgeld iHv. 1.500,00 Euro zu, da die Beklagte gegenüber dem Zweitarbeitgeber der Klägerin telefonische Informationen über den Gesundheitszustand der Klägerin – etwa dass die Klägerin von einer Psychotherapeutin als arbeitsunfähig attestiert wurde – mitgeteilt habe. Auch wenn die Beklagte nur in Erfahrung bringen wollte, ob die Klägerin während ihrer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit ihre Nebentätigkeit bei dem Zweitarbeitgeber ausübte, stelle die gezielte Weitergabe der Gesundheitsdaten an Dritte eine unzulässige Datenübermittlung dar, so dass die Beklagte nicht nur gegen ihre arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht verstoßen habe, sondern auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin schwerwiegend verletzt habe. Der Beklagten sei es möglich gewesen, andere, zur Zielerreichung gleich wirksame Mittel zu nutzen, welches keinen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dargestellt hätte. So hätte die Beklagte lediglich anfragen können, ob die Klägerin gerade präsent sei, ohne den Inhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu nennen.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21. November 2018, Az. 7 Ca 571/18, wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das vorbezeichnete Urteil abgeändert, soweit die Klage auf Überstundenvergütung abgewiesen worden ist, und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere € 526,63 brutto zu zahlen.

3. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Beklagte ¾ und die Klägerin ¼ zu tragen. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Überstundenvergütung und Schmerzensgeld.

Die 1981 geborene Klägerin war in der Arztpraxis der Beklagten vom 01.07. bis 31.12.2017 als Medizinische Fachangestellte/Arzthelferin zu einem Bruttomonatsgehalt von € 2.946,54 in Vollzeit beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag haben die Parteien ua. vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis, sofern im Arbeitsvertrag Regelungen nicht enthalten sind, nach den Tarifverträgen zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Medizinischen Fachangestellten/Arzthelferinnen in der jeweils gültigen Fassung richtet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch eine Eigenkündigung der Klägerin vom 26.11. zum 31.12.2017.

In der Zeit vom 06.11. bis 31.12.2017 war die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Eine Erstbescheinigung für die Zeit vom 06.11. bis 20.11.2017 und eine Folgebescheinigung bis 18.12.2017 wurde von der Ärztin A. (Praktische Ärztin, Psychotherapie/Psychoanalyse) ausgestellt. Für die Zeit vom 19.12. bis 31.12.2017 stellte die Hausärztin Dr. A.-B. eine Erstbescheinigung aus. Die Beklagte leistete für die Zeit vom 06.11.2016 bis 17.12.2017 der Klägerin Entgeltfortzahlung iHv. € 1.808,86 brutto. Für die Zeit ab 18.12.2017 lehnt sie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ab, weil die Sechs-Wochen-Frist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG erschöpft sei.

Anfang Dezember 2017 wandte sich die Beklagte mehrfach telefonisch an die kinderärztliche Bereitschaftsdienstzentrale (KID), die am Krankenhaus St. E. in N. eingerichtet ist. Die Klägerin übte dort eine der Beklagten bekannte und auch nicht beanstandete Nebentätigkeit im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Die Beklagte wollte in Erfahrung bringen, ob die Klägerin ihrer Nebentätigkeit trotz Krankschreibung nachging.

Mit ihrer am 26.02.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrte die Klägerin - soweit zweitinstanzlich noch von Interesse - für Dezember 2017 restliche Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall iHv. € 1.383,23 brutto, die Vergütung von 27,5 Überstunden mit einem Stundensatz von € 19,15 iHv. insgesamt € 526,63 brutto, sowie ein angemessenes Schmerzensgeld.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, am 18.12.2017 sei ihre psychische Erkrankung ausgeheilt. Ab dem 19.12.2017 sei sie wegen einer Nasennebenhöhlenentzündung krankgeschrieben worden. Es handle sich um zwei unterschiedliche, nicht auf demselben Grundleiden beruhende Erkrankungen, weshalb die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem 19.12.2017 zutreffend als Erstbescheinigung ausgestellt worden sei. Wegen der Nasennebenhöhlenentzündung habe sie auch nicht ihre Psychotherapeutin, sondern ihre Hausärztin aufgesucht. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien laut Überstundenabrechnung noch 27,5 Stunden offen gewesen, die zu vergüten seien. Wie die anderen Angestellten der Arztpraxis auch, habe sie ihre Arbeitsstunden in Stundenzetteln eingetragen. Am Monatsende habe die von der Beklagten beauftragte Arbeitnehmerin P. den jeweiligen Saldo ausgerechnet und auf den Folgemonat übertragen. Die entsprechende Anzahl an Überstunden sei damit anerkannt worden. Die Beklagte habe sich im Dezember 2017 ohne begründeten Anlass, jedenfalls in unverhältnismäßiger Weise, an den KID gewandt und dort der Kinderärztin St. erklärt, sie, die Klägerin, sei psychisch krank. Damit habe die Beklagte nicht nur gegen ihre arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht verstoßen, sondern auch gegen ihre ärztliche Schweigepflicht, denn sie sei bei ihr im Mai/Juni 2017 in ärztlicher Behandlung gewesen. Laut Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz habe die Beklagte als zu ihren Gunsten erbrachte ärztliche Leistungen ua. die "Differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände", die "Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrags" sowie ein "Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist" abgerechnet und als Diagnose ua. "Angststörung" und "Hypochondrische Störung" gestellt. Selbst wenn es der Beklagten darum gegangen sei, zu überprüfen, ob sie, die Klägerin, auch bei ihrer Nebentätigkeit arbeitsunfähig krankgeschrieben sei, hätte eine neutrale diesbezügliche Frage genügt. In keinem Fall sei es erforderlich gewesen, der Kinderärztin St. mitzuteilen, sie leide an einer psychischen Erkrankung. Die Beklagte habe ihr beruflich und finanziell schaden wollen. Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei durch die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes auszugleichen. Sie habe im Dezember 2017 nicht beim KID gearbeitet. Dass sie möglicherweise auf einem Dienstplan gestanden habe, ändere daran nichts, denn die Pläne würden oft bis zu sechs Monate im Voraus erstellt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an sie € 1.955,66 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von € 10.000,00 aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 25.000,00 pro Einzelfall, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, zu behaupten, sie sei psychisch krank.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klägerin könne für die Zeit ab 19.12.2017 keine Entgeltfortzahlung beanspruchen. Zwar habe die Hausärztin den zweiten Arbeitsunfähigkeitszeitraum als "Erstbescheinigung" attestiert, es sei jedoch davon auszugehen, dass sie von der Klägerin getäuscht und nicht darüber informiert worden sei, dass es nicht um die erste, sondern bereits um die siebte Krankheitswoche gehe. Die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem 19.12.2017 habe die Klägerin bewusst verzögert und ihr erst am 21.12.2017 zugeleitet, um zu verhindern, dass kurz vor Weihnachten noch der Medizinische Dienst zur Überprüfung ihrer Arbeitsunfähigkeit eingeschaltet würde. Überstunden habe sie weder angeordnet noch habe die Klägerin solche geleistet. Die Arbeitnehmerin P. habe die von den Arbeitnehmern eingetragenen Stunden lediglich rechnerisch saldiert, aber weder Überstundenleistungen anerkannt noch die Befugnis hierzu gehabt, ebenso wenig wie die Befugnis zur Anordnung von Überstunden. Es sei üblich, dass Frau P. die Stundenzettel der Arbeitnehmer lediglich rechnerisch aufbereite und sie dann zur Abzeichnung/Genehmigung an sie, die Beklagte, weiterleite. Die Klägerin habe seit August 2017 keine Wochenzettel mehr ausgefüllt, sondern lediglich monatlich Stundeneintragungen auf provisorischen Zusammenstellungen vorgenommen. Die Klägerin könne kein Schmerzensgeld beanspruchen. Sie habe die Kinderärztin St. lediglich gefragt, ob die Klägerin auch bei ihr von der Psychotherapeutin A. vom 06.11. bis 18.12.2017 krankgeschrieben sei. Sie habe Anlass gehabt, von einer Täuschungsabsicht der Klägerin auszugehen, denn sie habe von Dritten gehört, dass die Klägerin trotz Arbeitsunfähigkeit im KID arbeite. Nachdem sie sich daher an diesen gewandt und von dortigen Mitarbeiterinnen erfahren habe, die Klägerin stehe im Dienstplan, habe sie sich mit der Zeugin St. in Verbindung gesetzt. Alle Daten, die sie der Zeugin St. genannt habe, seien aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägerin ersichtlich gewesen und hätten daher keiner Schweigepflicht unterlegen; jedenfalls habe sie durch die Mitteilung der Daten berechtigte eigene Interessen wahrgenommen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21.11.2018 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der im KID beschäftigten Zeuginnen St., G. und B. die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 19. bis 31.12.2017 iHv. € 1.383,23 brutto zu leisten und außerdem ein Schmerzensgeld iHv. € 1.500,00 zu zahlen. Die weitergehende Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, bei der Erkrankung der Klägerin ab 19.12.2017 handele es sich um keine Fortsetzungserkrankung iSd. § 3 Abs. 1 EFZG, so dass die Beklagte erneut Entgeltfortzahlung leisten müsse. Die Klägerin könne ein Schmerzensgeld iHv. € 1.500,00 beanspruchen, weil die Beklagte durch ihre Äußerungen gegenüber der Kinderärztin St. gegen ihre arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht verstoßen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin erheblich verletzt habe. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Überstundenvergütung, weil sie weder ihre Arbeitszeiten noch die Anordnung der Überstunden durch die Beklagte hinreichend substantiiert vorgetragen habe. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 21.11.2018 Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 29.11.2018 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 28.12.2019 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 25.01.2019 eingegangenen Schriftsatz begründet. Dieser Schriftsatz ist der Klägerin am 30.01.2019 zugestellt worden. Die Klägerin hat wegen der Abweisung der Klage auf Überstundenvergütung mit Schriftsatz vom 26.02.2019 Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte macht zweitinstanzlich geltend, die Klägerin könne kein Schmerzensgeld beanspruchen. Hauptgrund für die Berufung sei, dass die Klägerin über ihre Arbeitsunfähigkeit im November 2017 getäuscht habe. Die Klägerin habe "was unbestritten sei" in ihrer Nebentätigkeit gearbeitet, während sie im Hauptberuf generell arbeitsunfähig gewesen sei. Dies habe das Arbeitsgericht außer Acht gelassen. Es gehe um die Frage, ob die Information über einen wahren Sachverhalt - wie hier die sechswöchige Krankschreibung durch eine Psychotherapeutin - eine tatbestandsmäßige Herabwürdigung in rechtswidriger und vorsätzlicher Art bedeute, wenn die Klägerin in rechtswidriger Art getäuscht habe und möglicherweise wegen eines Betruges verdächtig sei, weil sie bei der Nebentätigkeit keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt und nicht krankenversichert gewesen sei. Diesen Sachverhalt - generelle Arbeitsunfähigkeit und Ausnutzung der Nebentätigkeit - habe die Klägerin verdecken wollen. Mit diesem Sachverhalt hätte das Arbeitsgericht eine eingehende Überprüfung anhand der Tatbestandsmerkmale des § 823 BGB als Voraussetzung für die Persönlichkeitsrechtsverletzung vornehmen und eine Interessenabwägung durchführen müssen. Das Arbeitsgericht habe dies versäumt, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz ein Ermittlungsverfahren (2030 Js 51499/18) gegen die Klägerin wegen Betrugs eingeleitet habe. Die Klägerin habe ihr zunächst vorgeworfen, sie habe ihre ärztliche Schweigepflicht verletzt, weil sie gegenüber der Kinderärztin St. als Vertreterin des KID behauptet haben soll, die Klägerin sei psychisch krank. Nachdem die Kinderärztin im Verlauf der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bei ihrer Zeugenvernehmung ausgesagt habe, sie habe ihr nichts von einer psychischen Erkrankung der Klägerin gesagt, habe die Klägerin ihren Schmerzensgeldanspruch nicht mehr auf die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht gestürzt. Das Arbeitsgericht habe dann die Prüfung auf seelische Verletzungen der Klägerin durch Eingriffe in die Informationsselbstbestimmung geändert, ohne sie auf die Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes gem. § 139 ZPO hinzuweisen. Das Arbeitsgericht habe darauf abgestellt, dass sie ohne Grund gegen die Vertraulichkeit der Informationen über die Krankschreibung durch eine Psychotherapeutin verstoßen und ihre Fürsorgepflicht sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt habe. Wenn ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre, hätte sie darauf hingewiesen, dass sie die Zeugin St. als Arbeitgebervertreterin vertraulich angesprochen habe. Sie habe nur gewollt, dass die Zeugin die gleichzeitige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung prüft. Stattdessen habe die Zeugin die Information über ihre Nachfrage an die Klägerin weitergegeben. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass auch sie schützenswerte Interessen an der ordnungsgemäßen und redlichen Abwicklung der Krankmeldung bei zwei Arbeitgebern gehabt habe. Auch im Interesse der nebenbeschäftigten Klägerin habe sie beim Zweitarbeitgeber angeben müssen, dass sie durch eine Psychotherapeutin krankgeschrieben worden sei. Schließlich könne die Klägerin ihre Gesundheit überfordern, wenn sie sich bei genereller Arbeitsunfähigkeit durch die Arbeit beim KID überanstrenge. Hinzu komme, dass sie der Zeugin St. habe klarmachen wollen, dass sie nicht von irgendeinem unberechtigten Dritten als Arbeitgebervertreterin kontaktiert werde, der abstrakte Fragen nach Krankmeldungen stelle, sondern von jemandem mit konkretem Wissen über den Inhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Jedenfalls bedeute der Hinweis darauf, dass eine Psychotherapeutin die Klägerin krankgeschrieben habe, keine Herabwürdigung, sondern eine sachliche Information mit sachlichem Grund. Außerdem habe sie angenommen, dass sie verpflichtet sei, die Zeugin St. von der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einer Psychotherapeutin zu unterrichten. Sie habe also darüber geirrt, eine - wie vom Arbeitsgericht festgestellt - unzulässige Information über die Klägerin rechtswidrig weiterzugeben. Dies schließe einen Vorsatz und die Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung aus. Bei der Interessenabwägung hätte das Arbeitsgericht berücksichtigen müssen, dass auch die Klägerin Rücksichtnahmepflichten ihr gegenüber gehabt habe. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, alles zu tun, um gesund zu werden und redlich und verantwortungsbewusst zu handeln, auch den anderen Mitarbeiterinnen gegenüber, die durch den Verlust an Arbeitskraft der Klägerin für acht Wochen in der Praxis stark mit Mehrarbeit belastet gewesen seien. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht einen Schaden oder eine Benachteiligung oder ein sonstiges Leid der Klägerin konkret nicht erkannt. Die Erwähnung der Krankmeldung einer Psychotherapeutin sage nichts über die Art der Krankheit und sei sachlich normal. Sie bewirke keine Herabwürdigung für seelische Betroffenheit, so dass die Zubilligung eines Schmerzensgeldes von € 1.500,00 gerechtfertigt sein könnte. Das Arbeitsgericht habe hierzu auch keine Ermessenserwägungen angestellt und zu der Verhältnismäßigkeit Überlegungen angestellt. Aus der Beweisaufnahme sei klar geworden, dass die Zeugin St. aus der Information überhaupt keine Schlüsse gezogen und es auch keine Konsequenzen gegeben habe. Die Klägerin habe beim KID keinen Nachteil erlitten, sie habe dort auch im Jahr 2018 weitergearbeitet. Dies habe die Zeugin St. bei der Polizei ausgesagt. Die Tatsache der fehlenden Krankmeldung bei der Nebenbeschäftigungen 2017 sei weiterhin verdeckt worden, obwohl die Klägerin nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz die Pflicht gehabt habe, beiden Arbeitgebern ihre Krankheit zu melden. Der angeblich schwere Eingriff habe aus einem kurzen Telefonat bestanden mit einer kurzen Erwähnung der Psychotherapeutin, die die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt hatte. Sie habe die schriftlichen Inhalte der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mündlich an die Zeugin St., die Arbeitgebervertreterin gewesen sei, und nicht einer unbeteiligten Dritten weitergegeben. Ob dies einen unzulässigen rechtswidrigen Eingriff in die Selbstbestimmung von Gesundheitsinformationen darstelle, dürfte fragwürdig sein. Die Klägerin habe nämlich mit der Zustimmung zur ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihre Einwilligung auch dazu gegeben, dass diese ordnungsgemäß jedem ihrer Arbeitgeber vorgelegt werden könne. Sie habe die schriftliche Information aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch mündlich an die Zweitarbeitgebervertreterin - hier die Kinderärztin St. - weitergegeben dürfen. Die Klägerin habe diese Informationsweitergabe entgegen ihrer Pflichten nicht gewollt, um Vorteile für sich aus der Verheimlichung und Weiterarbeit bei der Nebentätigkeit zu haben. Die Klägerin habe schließlich die Möglichkeit gehabt, ihre Arbeitskraft voll in ihrem Nebenjob beim KID einzusetzen, während sie bei ihr "krankgefeiert" habe. Dies habe das Arbeitsgericht bei der Gesamtwürdigung des Sachverhalts nicht berücksichtigt.

Die Klägerin könne für die Zeit ab 19.12.2017 keine Entgeltfortzahlung beanspruchen. Die Ausübung der Nebentätigkeit im KID im November 2017 - trotz Krankschreibung im Hauptberuf - habe dazu geführt, dass die Gesundheit der Klägerin weiter beschädigt worden sei. Die Klägerin habe im KID eine Nasennebenhöhlenentzündung erlitten und sei im Dezember 2017 weitere zwei Wochen krankgeschrieben worden. Dies bedeute einen erheblichen Vertrauensbruch und rechtfertige im Allgemeinen eine fristlose Kündigung. Hätte sich die Klägerin während ihrer sechswöchigen Krankmeldung geschont, und alles getan, um zu genesen, hätte sie im Dezember 2017 arbeiten können. Die Klägerin habe deshalb nach Treu und Glauben auch keinen Anspruch auf Vergütung ihrer "Krankfeierzeit". Es sei deutlich hervorzuheben, dass die Klägerin einen Betrug begangen habe, um sich Vorteile zu verschaffen. In der Beweisaufnahme habe sich herausgestellt, dass sich die Klägerin bei ihrer Nebenbeschäftigung nicht offiziell im Personalbüro des Krankenhauses krankgemeldet habe. Sie habe vielmehr so getan, als könne sie voll arbeiten. Stattdessen habe sie ihren Dienst wegen Erkrankung mit Sinusitis mit Kolleginnen getauscht. Die Klägerin habe jedenfalls nicht nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz korrekt gehandelt und ihre Krankheit korrekt gemeldet. Sie habe ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 19.12. bis 31.12.2017 verwirkt, weil sie betrogen habe. Sie habe gegen ihre Leistungspflicht verstoßen und das Vertrauen in ihre Redlichkeit zerstört.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21.11.2018, Az. 7 Ca 571/18, teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen,

2. die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen,

2. das vorbezeichnete Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere € 526,63 brutto zu zahlen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil im Umfang ihres Obsiegens. Sie habe während ihrer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit ab 06.11. bis 31.12.2017 nicht beim KID gearbeitet. Mit ihrer Anschlussberufung macht sie geltend, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht einen Anspruch auf Überstundenvergütung verneint. Die Arbeitnehmerin P. habe keineswegs in den Monatslisten nur Salden addiert. Die Überstunden seien von der Beklagten so genehmigt worden, weil andernfalls die Fortführung des Vormonatssaldos keinen Sinn ergebe. Hätte sie keine Überstunden geleistet, wäre ihr am 06.10., 30.10. und 31.10.2017 auch kein Freizeitausgleich gewährt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Die Berufungskammer hat zu ihrer Information die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Koblenz (Doppelakte) beigezogen. Das Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte (2030 Js 22634/18 wegen Verletzung von Privatgeheimnissen) wurde am 23.07.2018 eingestellt, das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin (2030 Js 51499/18 wegen Betrugs) wurde am 17.05.2019 eingestellt.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden. Auch die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist die für die Einlegung und Begründung der Anschlussberufung geltende Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung eingehalten, § 524 Abs. 2, Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 ArbGG.

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die Zeit vom 19.12. bis 31.12.2017 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in rechnerisch unstreitiger Höhe von € 1.383,23 brutto sowie ein angemessenes Schmerzensgeld iHv. € 1.500,00 zu zahlen. Auf die Anschlussberufung der Klägerin war das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin Überstundenvergütung für 27,5 Überstunden in eingeklagter Höhe von € 526,63 brutto zu zahlen.

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin für die Zeit vom 19.12. bis 31.12.2017 gem. § 3 Abs. 1 EFZG Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall iHv. € 1.383,23 brutto beanspruchen kann.

a) Wird ein Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, verliert er nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Entgeltfortzahlungsanspruch für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nur dann nicht, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war (Nr. 1) oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist (Nr. 2). Vor Ablauf dieser Frist entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von sechs Wochen daher nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht (vgl. BAG 26.10.2016 - 5 AZR 167/16 - Rn. 50 mwN).

Ist der Arbeitnehmer innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Zunächst muss der Arbeitnehmer - soweit sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dazu keine Angaben entnehmen lassen - darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung besteht. Hierzu kann er eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Bestreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt, hat der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden (vgl. BAG 26.10.2016 - 5 AZR 167/16 - Rn. 51 mwN).

b) Im Streitfall hat die Klägerin für die Zeit vom 19.12. bis 31.12.2017 eine ordnungsgemäß ausgestellte Erst-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Hausärztin Dr. A.-B. vorgelegt und dazu vorgetragen, sie sei in dieser Zeit an einer Nasennebenhöhlenentzündung erkrankt. Demgegenüber habe sie in der Zeit vom 06.11. bis 18.12.2017 an einer psychischen Erkrankung gelitten. Dass die Klägerin in der Zeit ab 19.12.2017 an einer Nasennebenhöhlenentzündung erkrankt ist, die zu einer neuen Arbeitsverhinderung geführt hat, und damit keine Fortsetzungserkrankung vorlag, stellt die Beklagte in der Berufung nicht in Abrede. Die Erkrankungen der Klägerin in der Zeit vom 06.11. bis 18.12.2017 und in der Zeit vom 19.12. bis 31.12.2017 beruhen - unstreitig - nicht auf einem einheitlichen Grundleiden. Die Beklagte hat auch nicht nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls geltend gemacht, dass die Arbeitsunfähigkeit infolge der neuen Krankheit schon vor dem 19.12.2017 eingetreten wäre. Ab dem 19.12.2017 ist daher ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entstanden.

c) Entgegen der Ansicht der Berufung kann die Beklagte dem Entgeltfortzahlungsanspruch der Klägerin nicht den Einwand der Treuwidrigkeit (§ 242 BGB) entgegenhalten. Die Klägerin hat sich nicht treuwidrig verhalten, weil sie ab 19.12.2017 an einer Nasennebenhöhlenentzündung erkrankte. Insbesondere hat sie die zur Arbeitsunfähigkeit führende Krankheit nicht verschuldet. Die durch keine substantiierten und belastbaren Tatsachen begründete Vermutung der Beklagten, die Klägerin habe sich die Nasennebenhöhlenentzündung wegen ihrer Nebentätigkeit im KID zugezogen, reicht nicht aus, um der Klägerin ein Verschulden gegen sich selbst im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts vorzuwerfen. Die bloße Hypothese der Beklagten, die Klägerin hätte ab dem 19.12.2017 wieder in ihrer Praxis arbeiten können, wenn sie sich in den sechs Krankheitswochen ab 06.11.2017 "geschont" und "alles getan" hätte, um zu genesen, führt ebenfalls zu keinem Anspruchsausschluss. Die Klägerin war unstreitig aufgrund eines psychischen Leidens vom 06.11. bis zum 18.12.2017 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Durch welche Art von "Schonung" bei einer psychischen Erkrankung eine Nasennebenhöhlenentzündung wirksam verhindert werden kann, erschließt sich nicht. Soweit die Berufung noch einmal "herausstellt", die Klägerin habe "einen Betrug" begangen, um sich Vorteile zu verschaffen, handelt es sich um haltlose Verdächtigungen, die im Tatsächlichen keine Stütze finden. Weder das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme noch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Koblenz (2030 Js 51499/18) haben den Betrugsvorwurf gegen die Klägerin bestätigt. Die Rechtsansicht der Berufung, die Klägerin hätte sich nicht nur bei der Beklagten, sondern auch "offiziell" im Personalbüro des Krankenhauses krankmelden müssen, ist für den Entgeltfortzahlungsanspruch unerheblich. Im Übrigen ist die Klägerin aufgrund ihrer Nebentätigkeit im KID nicht Arbeitnehmerin des Krankenhauses. Trägerin des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Rheinland-Pfalz ist die Kassenärztliche Vereinigung.

d) Anders als die Berufung meint, ist es nicht unbillig, die Beklagte mit den Entgeltfortzahlungskosten für weitere zwei Wochen zu belasten. Da die Beklagte in ihrer Arztpraxis nicht mehr als 30 Arbeitnehmer beschäftigt, werden ihr die Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung zu 80 % nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (AAG, sog. U1-Verfahren) von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet.

2. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin wegen einer schweren Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen. Die vom Arbeitsgericht festgesetzte Höhe von € 1.500,00 ist nicht zu beanstanden.

a) Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist im Privatrechtsverkehr und insbesondere auch im Arbeitsverhältnis zu beachten. Voraussetzung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB ist, dass der Arbeitgeber das allgemeine Persönlichkeitsrecht schwerwiegend verletzt hat oder dem Arbeitgeber ein schwerwiegender Verschuldensvorwurf zu machen ist; geringfügige Eingriffe lösen keine Schmerzensgeldansprüche aus. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, hängt von Art, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens ab, wobei zu berücksichtigen ist, in welche geschützten Bereiche eingegriffen wurde. Eine Haftung kommt insbesondere nur bei einem Verschulden (§ 276 BGB) in Betracht (vgl. ua. BAG 19.02.2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 16 mwN; BAG 21.06.2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 29 mwN;

b) Als Abwägungskriterium ist auf Seiten des Persönlichkeitsschutzes die abgestufte Schutzwürdigkeit bestimmter Sphären, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht, zu berücksichtigen. Danach genießen besonders hohen Schutz die sog. sensitiven Daten, die der Intim- und Geheimsphäre zuzuordnen sind (vgl. BGH 20.12.2011 - VI ZR 262/10 - Rn. 11 mwN). Zu den sensitiven Daten zählen Gesundheitsdaten (vgl. BAG 09.04.2019 - 1 ABR 51/17).

Bei den Angaben in der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung handelt es sich um sog. sensitive Daten, denn es sind personenbezogene Daten über die Gesundheit iSd. § 3 Abs. 9 BDSG in der bis zum 24.05.2018 geltenden Fassung (§ 46 Nr. 13 BDSG neue Fassung; Art. 4 Nr. 15 Datenschutz-Grundverordnung, DS-GVO). "Gesundheitsdaten" sind personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen. Gesundheitsdaten sind auch solche Daten, aus denen mittelbar auf den Gesundheitszustand Rückschlüsse möglich sind. Dies gilt nicht nur für die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen, sondern auch zB bei Angaben zu bestimmten Krankheitssymptomen. Die behördliche Anerkennung als Schwerbehinderter zählt zu den Gesundheitsdaten. Die Krankschreibung eines Arztes, in der mitgeteilt wird, dass ein Betroffener arbeitsunfähig ist, zählt zu den Gesundheitsdaten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Lindqvist gehörte die Angabe, dass sich eine Person den Fuß verletzt hat und partiell krankgeschrieben ist, zu den personenbezogenen Daten über die Gesundheit iSv. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG, die durch die Datenschutz-Grundverordnung ab 24.05.2016 aufgehoben worden ist. Angesichts des Zweckes der Richtlinie 95/46/EG war der in ihrem Art. 8 Abs. 1 verwendete Begriff "Daten über Gesundheit" in dem Sinne weit auszulegen, dass er sich auf alle Informationen bezieht, die die Gesundheit einer Person unter allen Aspekten - körperlichen wie psychischen - betreffen (vgl. EuGH 06.11.2003 - C 101/01 - Rn. 49-51). Art. 4 Nr. 15 DS-GVO definiert den Begriff "Gesundheitsdaten" nicht anders.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Arbeitnehmer vor der Offenlegung personenbezogener Daten und zwar auch solcher, von denen der Arbeitgeber in zulässiger Weise Kenntnis erlangt hat. Arbeitgeber sind zur vertraulichen Aufbewahrung der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verpflichtet, die ihnen von den Arbeitnehmern in Erfüllung ihrer Nachweispflichten gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG vorgelegt werden. Da es sich um besonders sensible personenbezogene Daten handelt, sind die Bescheinigungen sorgfältig vor unbefugten Zugriffen zu schützen und der Inhalt nicht an Dritte weiterzugeben. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht begründet eine besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers gegenüber der Ausweitung des informationsberechtigten Personenkreises im Hinblick auf seine Gesundheitsdaten (vgl. zur Aufbewahrung von Gesundheitsdaten in Personalakten BAG 12.09.2006 - 9 AZR 271/06 - Rn. 20 mwN; zur Unterrichtung des Betriebsrats über Gesundheitsdaten BAG 09.04.2019 - 1 ABR 51/17). Den Arbeitgeber trifft eine spezifische Schutzpflicht.

c) Gemessen hieran stellt die telefonische Information eines anderen Arbeitgebers darüber, dass die Klägerin von einer Psychotherapeutin bzw. einem Psychiater arbeitsunfähig krankgeschrieben worden ist, einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Die gezielte Weitergabe der Gesundheitsdaten ist eine unzulässige Datenübermittlung. Die Beklagte ist niedergelassene Ärztin, sie war nicht (nur) seit dem 01.07.2017 Arbeitgeberin der Klägerin, sondern hat sie auch im Mai und Juni 2017 ärztlich behandelt. Die Beklagte wusste, dass die Klägerin unter einer "Angststörung" (ICD F 41.9) und einer "Hypochondrischen Störung" (ICD F 45.2) gelitten hat. Diese psychischen Erkrankungen hatte sie im Mai 2017 selbst diagnostiziert, wie sich aus der schriftlichen Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung vom 17.05.2018 ergibt, die von der Klägerin eingeholt worden ist. Es gab keinen Rechtfertigungsgrund, den Zweitarbeitgeber der Klägerin, den KID, bei dem sie in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis eine erlaubte Nebentätigkeit ausgeübt hat, über den Inhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu informieren. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hätte es genügt, beim KID nachzufragen, ob die Klägerin dort arbeitet. Zwar hat die Beklagte aus einem nicht willkürlichen Anlass ein legitimes Ziel verfolgt, weil sie aufklären wollte, ob die Klägerin trotz Krankschreibung ihre Nebentätigkeit beim KID ausübt. Der Beklagten standen aber andere, zur Zielerreichung gleich wirksame und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung. Die Beklagte hätte beim KID nachfragen können, ob die Klägerin dort arbeitet, ohne den Inhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu nennen. Es stellt sich insbesondere als unnötig schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar, die Facharztbezeichnung der Ausstellerin der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu nennen. Die Zeugin St. hat bei ihrer erstinstanzlichen Vernehmung bekundet, die Beklagte habe ihr im Verlauf des Telefongesprächs mitgeteilt, die Klägerin sei "aus psychischen Gründen" krankgeschrieben oder - genau wisse sie das nicht mehr - "von einem Psychiater" krankgeschrieben worden. Die Beklagte sei "in Rage" gewesen. Sie, die Zeugin, habe sich noch gewundert, dass die Beklagte eine solch sensible Information einfach offenlege, ohne dafür einen Grund zu haben. Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, bestand zu der Mitteilung, dass die Klägerin aus psychischen Gründen bzw. von einem Psychiater krankgeschrieben worden sei, keine Veranlassung. Die Berufungskammer folgt auch der Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Krankschreibung wegen einer psychischen Erkrankung zu den Daten gehört, an deren vertraulicher Behandlung der Arbeitnehmer grundsätzlich ein offenkundiges und nachvollziehbares Interesse habe. Die Beklagte wollte die Klägerin bei ihrem Zweitarbeitgeber in ein negatives Licht rücken, weil sie über deren Fehlzeiten erbost war.

Die Vorstellungen, die die Berufung zur Rechtfertigung des Verhaltens der Beklagten entwickelt hat, sind von einer grundlegenden Verkennung datenschutzrechtlicher Anforderungen bei der Weitergabe von Gesundheitsdaten an Dritte bestimmt. Die Beklagte war nicht berechtigt oder - wie sie anzunehmen scheint - gar verpflichtet, die Kinderärztin St. vom KID darüber zu informieren, dass die Klägerin sechs Wochen von einer Psychotherapeutin krankgeschrieben worden ist. Es ist in der Rechtsbeziehung zur Beklagten unerheblich, ob die Klägerin dem KID, bei dem sie eine erlaubte Nebentätigkeit ausgeübt hat, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hat oder nicht. Soweit die Berufung der Klägerin vorwirft, sie habe die Beklagte in "rechtswidriger Art getäuscht", blendet sie aus, dass sie für ihren Verdacht, die Klägerin habe in der Zeit vom 06.11. bis 31.12.2017 beim KID gearbeitet, keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen und keine Beweise erbracht hat. Die von der Beklagten benannten Zeuginnen G. und B., die wie die Klägerin beim KID eine Nebenbeschäftigung ausüben, haben bei ihrer Vernehmung vor dem Arbeitsgericht nicht bestätigt, dass die Klägerin im Dezember 2017 dort gearbeitet hat. Die Zeugin B. hat im Gegenteil bekundet, dass die Klägerin ihre Dienste, die sie im Dezember 2017 infolge Arbeitsunfähigkeit nicht geleistet habe, mit Kolleginnen getauscht habe. Für die in zweiter Instanz erstmals aufgestellte Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe im November 2017 beim KID gearbeitet, fehlt jedweder Beweisantritt. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Koblenz gegen die Klägerin wegen Betrugs (2030 Js 51499/18) ist eingestellt worden, weil nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit nachweisbar ist, dass die Klägerin in der Zeit vom 06.11. bis 31.12.2017 tatsächlich beim KID gearbeitet hat. Für den von der Berufung gleichwohl vorgetragenen Vorwurf, die Klägerin habe beim KID in der Zeit ab 06.11.2017 trotz Krankheit eine Nebentätigkeit ausgeübt, gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus, um das Verhalten der Beklagten zu rechtfertigen. Es vermag die Beklagte auch nicht zu entlasten, dass sie behauptet, die Kinderärztin St. als Arbeitgebervertreterin des KID "vertraulich" mit dem Ziel angesprochen zu habe, dass diese das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung prüft. Auch das "vertrauliche" Gespräch zwischen zwei Arbeitgebern ist im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Vorschriften zu führen. Es gehörte nicht zum Pflichtenkreis der Beklagten, dafür zu sorgen, dass sich die Klägerin bei ihrem Zweitarbeitergeber ordnungsgemäß krankmeldet und diesem eröffnet, sie sei durch eine Psychotherapeutin krankgeschrieben worden. Die Beklagte ist, anders als die Berufung meint, insofern keinem schuldausschließenden unvermeidbaren Verbotsirrtum erlegen. Als Arbeitgeberin war die Beklagte verpflichtet, sich über die maßgebenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Umgang mit Gesundheitsdaten Kenntnis zu verschaffen. Entgegen der Ansicht der Berufung musste das Arbeitsgericht bei der Interessenabwägung nicht zu Gunsten der Beklagten berücksichtigen, dass die Klägerin ihre Pflichten, "alles zu tun, um gesund zu werden" sowie "redlich und verantwortungsbewusst" zu handeln, verletzt habe. Diese Vorwürfe der Beklagten sind haltlos.

Unter Würdigung aller Umstände ist das vom Arbeitsgericht festgesetzte Schmerzensgeld iHv. € 1.500,00 angemessen und ausreichend. Es handelt sich etwa um ein halbes Bruttomonatsgehalt der Klägerin. Das Arbeitsgericht musste bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes nicht zu Gunsten der Beklagten berücksichtigen, dass der Klägerin durch ihren Telefonanruf kein materieller Schaden entstanden ist, weil sie ihren Arbeitsplatz beim KID nicht verloren hat oder sonstige negative Auswirkungen eingetreten sind. Es war auch nicht erforderlich eine "Benachteiligung" oder ein "sonstiges Leid" der Klägerin für die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gesondert festzustellen.

3. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für 27,5 geleistete Überstunden, die nicht durch Freizeit ausgeglichen worden sind, eine Vergütung in eingeklagter Höhe von € 526,63 brutto zu zahlen. Die Anschlussberufung ist deshalb begründet.

a) Verlangt ein Arbeitnehmer Vergütung für Überstunden treffen ihn die Darlegungs- und Beweislast dafür, über die vereinbarte oder tarifliche Normalarbeitszeit hinaus gearbeitet zu haben und dass die Leistung von Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst worden oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist (vgl. BAG 21.12.2016 - 5 AZR 362/16 - Rn. 21 mwN). Um der Darlegungslast für die Leistung von Überstunden zu genügen, reicht es aus, wenn der Arbeitnehmer schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 21.12.2016 – 5 AZR 362/16 - Rn. 23 mwN). Lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Sachvortrag des Arbeitnehmers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).

b) Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast für die Leistung von 27,5 Überstunden genügt.

aa) Nach dem Manteltarifvertrag für Medizinische Fachangestellte/ Arzthelferinnen (MTV), der kraft einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, beträgt die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich (§ 6 Abs. 1 MTV). Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit richten sich nach den Erfordernissen der Praxis (§ 6 Abs. 2 MTV). Die wöchentliche Arbeitszeit ist so zu verteilen, dass in jeder Woche ein ganzer Tag oder zwei halbe Tage arbeitsfrei bleiben. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Nachmittage an Samstagen (ab 12:00 Uhr) arbeitsfrei sind (§ 6 Abs. 3 MTV). Als Überstunden gelten die über die regelmäßige wöchentliche tarifliche Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden, soweit innerhalb eines Zeitraumes von vier, längstens zwölf Wochen keine entsprechende Freizeit für diese Arbeitsstunden gewährt wird (§ 7 Abs. 1 MTV).

bb) Im Streitfall hat die Klägerin fünf Monatslisten (Bl. 64-68 d.A.) mit Stundenaufschrieben vorgelegt, die in der Praxis der Beklagten für sechs Arbeitnehmerinnen, die überwiegend in Teilzeit arbeiten, in den Monaten Juli bis November 2017 geführt worden sind. In diesen Monatslisten ist für jede Arbeitnehmerin eine Spalte und für jeden Kalendertag eine Zeile angelegt. In jede Liste sind für jeden Arbeitstag entweder die Arbeitsstunden (bspw. am 16.10.2017 die Zahl 10,5) eingetragen worden oder die Vermerke "Urlaub" oder "Krank". Außerdem finden sich Eintragungen mit dem Vermerk "Überstundenfrei" (bspw. am 19.10.2017 und 27.10.2017) oder "Praxis zu" (bspw. am 30.10.2017). In jeder Monatsliste ist der Übertrag aus dem Vormonat und der Saldo für den laufenden Monat vermerkt worden. Nach diesen Listen hatte die Klägerin Ende Juli 2017 3 Minusstunden, Ende August 2017 14 Plusstunden, Ende September 2017 36 Plusstunden und Ende Oktober 2017 27,5 Plusstunden erbracht. Weitere Angaben zu den Arbeitszeiten sind von der Klägerin auf der ersten Stufe der Darlegung nicht zu verlangen.

cc) Im Rahmen der gestuften Darlegungslast war es Sache der Beklagten, zu den behaupteten Arbeitszeiten substantiiert Stellung zu nehmen. Da dies nicht erfolgt ist, gilt der Vortrag der Klägerin als zugestanden.

Die Beklagte hat sich damit begnügt, die von der Klägerin vorgetragenen Überstunden pauschal zu bestreiten und zu behaupten, die Arbeitnehmerin P., die für alle Arbeitnehmerinnen die Monatslisten geführt hat, sei nicht legitimiert, Überstunden anzuordnen, zu genehmigen oder Salden von Überstunden anzuerkennen. Dieser Vortrag genügt nicht den Anforderungen an eine substantiierte Erwiderung. Die Allgemeinarztpraxis der Beklagten hat Öffnungszeiten von montags bis freitags 07:30 Uhr bis teilweise 18:00 Uhr. Die Klägerin hat erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, dass der Praxisbetrieb an Tagen mit Nachmittagssprechstunde regelmäßig erst später als 18:00 Uhr endete. Die Beklagte ist nach dem MTV verpflichtet, Überstunden ihrer Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraums von vier, längstens zwölf Wochen in Freizeit auszugleichen, andernfalls mit einem Stundensatz von 1/167 des Monatsgehaltes für Vollzeitbeschäftigte und einem Zuschlag von 25% je Überstunde zu vergüten. Das erfordert die Erfassung und Dokumentation der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit für jede Arbeitnehmerin. Ohne eine Arbeitszeiterfassung (und sei es durch handschriftliche Zeitaufschriebe oder Monatslisten) kann weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche Verteilung innerhalb der Öffnungszeiten der Arztpraxis noch die Zahl der Überstunden, die nach den Erfordernissen der Arztpraxis von den Arbeitnehmerinnen zu leisten sind, objektiv und verlässlich ermittelt werden.

Die Beklagte konnte sich im Rahmen der sie treffenden abgestuften Darlegungslast nicht auf ein pauschales Bestreiten der Überstunden zurückziehen. Als Arbeitgeberin weiß die Beklagte, welche Tätigkeiten sie der Klägerin an welchen Arbeitstagen und zu welchen Uhrzeiten in Ausübung ihres Weisungsrechts zugewiesen hat. Weiterhin ist es Sache der Beklagten, die tatsächlich geleistete Arbeitszeit für jede Arbeitnehmerin zu dokumentieren und den Freizeitausgleich innerhalb des tariflich festgelegen Zeitraums von vier, längstens zwölf Wochen zu organisieren. Wenn die Beklagte der Redlichkeit ihrer Arbeitnehmerinnen bei den Stundenaufschrieben misstraut, obliegt es ihr als Arbeitgeberin, durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass sie zB weiß, an welchen Tagen welche Arbeitnehmerin zu welchen Zeiten in ihrer Praxis gearbeitet hat. Ferner ist es grundsätzlich ihre Sache, die Ruhepausen festzulegen.

Der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten, es sei "schleierhaft", wie die Klägerin, die noch eine Nebentätigkeit ausgeübt habe, in ihrer Praxis 27,5 Überstunden geleistet haben wolle, zeugt von einer grundlegenden Verkennung der Arbeitgeberpflichten bei der Erfassung und Dokumentation der Arbeitszeiten. Auch die Behauptung, die Klägerin hätte wegen ihrer Nebenbeschäftigung im KID keine Überstunden leisten können, findet im Tatsächlichen keine Stütze, denn der (kinder-) ärztliche Bereitschaftsdienst findet samstags, sonntags und feiertags sowie mittwochnachmittags in den sprechstundenfreien Zeiten der niedergelassenen Ärzte statt. Anders als die Beklagte meint, ist es unerheblich, dass sie keine Überstunden ausdrücklich (schriftlich) angeordnet oder der Klägerin die Ableistung von Überstunden schriftlich bestätigt hat. Auf eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden hat sich die Klägerin nicht berufen. Sie hat vielmehr schlüssig dargelegt, dass die Überstunden zur Erledigung der geschuldeten Arbeit in der Arztpraxis der Beklagten notwendig waren. Die von der Klägerin behaupteten Überstunden hat die Beklagte weder konkret bestritten noch hat sie substantiierten Gegenvortrag gehalten. Ihr demnach gem. § 138 Abs. 2 ZPO nicht hinreichend substantiiertes Bestreiten führt dazu, dass das Vorbringen der Klägerin nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.

c) Nach § 7 Abs. 1 des Gehaltstarifvertrags (GTV) ist jede Überstunde mit einem Stundensatz von 1/167 des Monatsgehaltes für Vollzeitbeschäftigte zu vergüten. Der Zuschlag beträgt nach § 7 Abs. 2 Buchst. a GTV je Stunde 25 %. Mit ihrem Antrag hat die Klägerin lediglich € 19,15 pro Stunde, insgesamt € 526,63 brutto für 27,5 Stunden, geltend gemacht. In diesem Umfang ist er begründet, § 308 Abs. 1 ZPO.

4. Der Anspruch der Klägerin auf Prozesszinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 04.03.2018 folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Klage ist am 03.03.2018 zugestellt worden. Die Pflicht zur Verzinsung beginnt bei Prozesszinsen mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit.

III.

Die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, diejenige der zweiten Instanz auf § 97 Abs. 1 ZPO. Dabei wurden die unterschiedlichen Streitwerte berücksichtigt.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

 



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