Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Urteil vom - Az: 2 Sa 17/14

Abmahnung wegen wiederholt unfreundlichem Verhalten

(1.) Grundsätzlich kann jede Pflichtverletzung einer Arbeitsvertragspartei abgemahnt werden. Dabei kann die Pflichtverletzung sowohl einen Leistungsmangel als auch ein sonstiges Fehlverhalten am Arbeitsplatz betreffen. Durch die Abmahnung wird das arbeitsvertragswidrige Verhalten nicht bestraft. Vielmehr übt der Arbeitgeber sein Gläubigerrecht aus.
Dadurch wird der Verstoß gerügt und dokumentiert. Außerdem wird der Arbeitnehmer für die Zukunft zu vertragstreuem Verhalten aufgefordert und für den Fall der Wiederholung eine Kündigung angedroht, also eine Warnung ausgesprochen.

(2.) Gehört es zur arbeitsvertraglichen Pflicht des Arbeitnehmers Kunden zu informieren und zu beraten, so stellt ein wiederholt unfreundliches Verhalten gegenüber Dritten eine Pflichtverletzung dar, die der Arbeitgeber abmahnen darf.
Dies gilt insbesondere bei unfreundlichem Verhalten im E-Mail-Verkehr. In diesem Fall kann nicht von einem spontanen "Ausrutscher" die Rede sein, da der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat unpassende Formulierungen zu korrigieren.

Im vorliegenden Fall hat der klagende Arbeitnehmer, der als Ausbildungsberater beschäftigt ist, gegenüber einem Auszubildenden, welcher nach Informationen zu einer Ergänzungsprüfung fragte, geschrieben:
"... es dürfte eigentlich selbstverständlich sein, dass man sich dort anmeldet wo man sich auch zur schriftlichen Prüfung angemeldet hat."
und später:
"Selbst wenn die I... den Hinweis auf den Formularen verwenden würde, die meisten von Ihnen lesen es ja leider nicht einmal.
Nach heute mittlerweile ca. 20 Anrufen von angehenden Meistern bleibt die Freundlichkeit einfach aus."

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 04.12.2013 - 1 Ca 1190 b/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist am ...1952 geboren und seit dem 25.09.2001 bei der Beklagten in deren Zweigstelle in E... als Sachbearbeiter beschäftigt. Das Bruttomonatsgehalt beträgt 3.831,24 EUR. Der Kläger ist mit den Aufgaben eines Ausbildungsberaters betraut. Seine wesentlichen Aufgaben ergeben sich aus Anlage B2 (Bl. 32 d.A.).

Am 06.06.2013 wandte sich Herr F... S... um 10:31 Uhr mit folgender E-Mail an den Kläger:

 „Sehr geehrter Herr Z...,

hiermit möchte ich mich für die mündliche Ergänzungsprüfung im Fach Berücksichtigung naturwissenschaftlicher und technischer Gesetzmäßigkeiten anmelden.

Leider stand auf der Benachrichtigung nicht wie und bei wem.

Können Sie mir bitte noch mitteilen, wie diese Prüfung abläuft und welche Hilfsmittel erlaubt sind?

Sollten Sie noch weitere Informationen benötigen, sagen Sie mir bitte Bescheid!

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen“

Der Kläger antwortete Herrn S... um 10:35 Uhr per E-Mail wie folgt:

 „Hallo Herr S...,

es dürfte eigentlich selbstverständlich sein, dass man sich dort anmeldet wo man sich auch zur schriftlichen Prüfung angemeldet hat.

Das Anmeldungen nicht auf Zuruf erfolgen können, sollte ebenfalls klar sein.

Es wird eine mündliche Ergänzungsprüfung sein in der Sie die gleichen Hilfsmittel wie bei der schriftlichen Prüfung benutzen dürfen.

Mit freundlichen Grüßen“

Herr S... reagierte auf diese E-Mail um 10.52 Uhr und schrieb an den Kläger:

 „Sehr geehrter Herr Z...,

sowohl für mich, wie auch diverse andere wäre es eine Selbstverständlichkeit, wenn die I... so etwas mit auf ihren Formularen aufführt. Auf der Seite wäre ja durchaus noch genügend Platz gewesen.

Außerdem finde ich es traurig, dass Sie als Dienstleister so unfreundlich auf eine Anfrage reagieren. Etwas mehr Kundenfreundlichkeit wäre wünschenswert.

Mit freundlichen Grüßen“

Um 11:00 Uhr antwortete der Kläger hierauf mit folgender E-Mail:

 „Hallo Herr S...,

vielleicht sollten Sie sich einmal hier an meinen Platz setzen und die nervigen Anrufe der angehenden Meister beantworten.

Selbst wenn die I... den Hinweis auf den Formularen verwenden würde, die meisten von Ihnen lesen es ja leider nicht einmal.

Das trifft auch immer auf die Anmeldeformulare zu, Sie können sich nicht vorstellen, wie viele falsch ausgefüllte Formulare hier ankommen,

weil sie niemand gelesen hat.

Nach heute mittlerweile ca. 20 Anrufen von angehenden Meistern bleibt die Freundlichkeit einfach aus.

Mit freundlichen Grüßen“

Herr S... schrieb darauf um 12:40 Uhr:

 „Hallo Herr Z...,

natürlich kann ich mich in Ihre Situation versetzen. Vermutlich jedoch, wären es nur die Hälfte der Anrufe wenn Sie etwas mehr Informationen bereitstellen würden. Schließlich ist es doch Ihr Job, sich um so etwas zu kümmern. Dann hätte ich Sie z.B. nicht angerufen.

Wären die Informationen vorhanden gewesen und hätten keine Beachtung gefunden, könnte ich Sie durchaus verstehen. Aber jedoch von vorn herein etwas nicht zu tun, nur weil Sie denken es würde eh keiner beachten, erachte ich als falsche Herangehensweise. Vielleicht sollten Sie mal Formulare überarbeiten, wenn Sie so schlechte Erfahrungen mit diesen machen.

Ich finde es schade, dass Sie so denken und Ihre Kunden von vorne herein so abstempeln.

Mit freundlichen Grüßen“

Aufgrund der negativen Bewertung, die der Kunde abgegeben hatte, forschte die Beklagte nach und erteilte mit Datum vom 12.07.2013 dem Kläger eine Abmahnung (Anlage K 3, Bl.10 f. d.A.), die sie zur Personalakte des Klägers nahm.

Mit seiner am 02.08.2013 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Abmahnung angegriffen und vorgetragen, er habe sich nicht pflichtwidrig verhalten, auch wenn seine Wortwahl nicht optimal gewesen sei. Mit der ersten E-Mail habe er die Fragen beantwortet und mit der zweiten E-Mail auf die E-Mail des Herrn S... reagiert und seinem Unmut über Fehlleistungen von Kunden im Allgemeinen Luft gemacht. Den Kunden habe er nicht beleidigt. Die Abmahnung verletze den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da sich während seiner gesamten Betriebszugehörigkeit zuvor noch nie ein Kunde über ihn beschwert habe.

Die Beklagte hat auf die mit der Tätigkeit eines Berufsberaters verbundene Außenwirkung sowie ihre Aufgabe als Dienstleister für die kammerzugehörigen Betriebe verwiesen und die Abmahnung als verhältnismäßig angesehen.

Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 04.12.2013, auf das hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, die Klage abgewiesen. Gegen dieses dem Kläger am 19.12.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.01.2014 Berufung eingelegt und diese am 19.02.2014 begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt er vor, er habe mit seiner ersten E-Mail dem Kunden inhaltlich zutreffend geantwortet wo und wie er sich für die Prüfung anzumelden habe. Diese Mail enthalte weder eine Beleidigung des Kunden noch verletze sie sonst dessen Rechte. Die zweite E-Mail des Klägers stelle eine Reaktion auf die Antwort des Kunden dar. Auch diese beleidige den Kunden nicht. Es treffe zu, dass die Wortwahl beider Mails nicht optimal gewesen sei. Eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung liege aber nicht vor. Als Ausbildungsberater habe der Kläger in erster Linie mit den Kunden zu kommunizieren. In diesem Tätigkeitsbereich sei es zu einer qualitativen Minderleistung gekommen. Dieser Leistungsmangel dürfe aber nicht mit einer vorwerfbaren Verletzung vertraglicher Pflichten gleichgesetzt werden. Die Beklagte habe nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass der Kläger die durchschnittliche Quote von Minderleistungen in der Kommunikation mit Kunden überschritten hätte. Es sei unverhältnismäßig, einen allerersten und einmaligen "Ausrutscher" nach fast 12 Jahren Tätigkeit sogleich mit der Androhung einer Kündigung zu sanktionieren.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 04.12.2013, 1 Ca 1190 b/13, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 12.07.2013 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt weiter vor, der Kläger räume selbst ein, dass die Wortwahl in seinen E-Mails vom 06.06.2013 nicht optimal getroffen worden sei. Er versuche, seine Pflichtverletzung zu verniedlichen und die Abmahnung als unverhältnismäßige Überreaktion der Beklagten darzustellen. Die abgemahnte Pflichtverletzung des Klägers stelle nicht eine Nichtigkeit dar. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts habe den Fall einer Kündigung betroffen. Insoweit sei die Sachlage anders zu beurteilen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist aufgrund der Beschwer statthaft, § 64 Abs. 2 ArbGG und rechtzeitig eingelegt sowie begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Klage abgewiesen. Die Beklagte war berechtigt, dem Kläger eine Abmahnung auszusprechen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

Die Angriffe der Berufung führen nicht zu einer anderen Beurteilung.

Die Beklagte war berechtigt, die Verletzung der Vertragspflichten des Klägers mit einer Abmahnung zu rügen (BAG Urteil vom 19.07.2012 - 2 AZR 782/11 - DB 2012,2939 = NZA 2013,91). Grundsätzlich kann jede Pflichtverletzung einer Arbeitsvertragspartei abgemahnt werden. Dabei kann die Pflichtverletzung sowohl einen Leistungsmangel als auch ein sonstiges Fehlverhalten am Arbeitsplatz betreffen. Durch die Abmahnung wird das arbeitsvertragswidrige Verhalten nicht bestraft. Vielmehr übt der Arbeitgeber sein Gläubigerrecht aus. Der Arbeitnehmer als Schuldner wird auf seine vertraglichen Pflichten hingewiesen und auf die Verletzung seiner Pflichten aufmerksam gemacht. Damit wird der Verstoß gerügt und dokumentiert. Außerdem wird der Arbeitnehmer für die Zukunft zu vertragstreuem Verhalten aufgefordert und für den Fall der Wiederholung eine Kündigung angedroht, also eine Warnung ausgesprochen.

Zwar kann ein Arbeitnehmer die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte verlangen, wenn diese entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Die Entfernung kann auch verlangt werden, wenn bei einer zu Recht erteilten Abmahnung ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnungen in der Personalakte nicht mehr besteht (BAG Urteil vom 19.07.2012 - 2 AZR 782/11 - DB 2012,2939 = NZA 2013,91). Alle diese Voraussetzungen sind, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht gegeben.

Der Kläger gesteht zu, dass sein Verhalten nicht optimal war. Es war aber auch arbeitsvertragswidrig. Zu seinen Aufgaben gehört, wie sich aus Anl. B2 (Bl. 32) ergibt, unter anderem die Beratung von Auszubildenden und Betrieben, Kooperation mit verschiedenen Behörden, Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen sowie Durchführung von Informationsveranstaltungen. Der Kläger muss, um seine Aufgaben ordnungsgemäß erledigen zu können, zwingend mit Dritten kommunizieren. Wird sein Verhalten von Außenstehenden als unfreundlich empfunden, wirkt sich das nicht nur auf das Ergebnis seiner eigenen Arbeit aus, sondern beeinflusst auch das Ansehen der Beklagten in der Öffentlichkeit. Dass die Beklagte Wert darauf legt, die Qualität ihrer Serviceleistungen auf einem hohen Niveau zu halten oder zu verbessern, wird daraus deutlich, dass sie, wie vorliegend geschehen, Kommunikationspartner um ihr Feedback bittet. Ist dieses Feedback negativ, wie vorliegend, wird daraus deutlich, dass die Kommunikation gestört war.

Die E-Mail-Korrespondenz (Anl. B1, Bl. 28) lässt deutlich werden, dass die Kommunikation zwischen dem Kläger und dem Kunden S... nicht wegen des Verhaltens des Kunden, sondern des Klägers gestört war. Der Kläger hat auf die erste Anfrage des Kunden unfreundlich reagiert und auf dessen Rückmeldung, mit der dieser deutlich macht, dass er die Anfrage auch als unfreundlich empfunden hat, erneut ungehörig geantwortet. Er hat zwar den Kunden nicht direkt genannt, aber deutlich gemacht, dass er die Kunden als Gruppe gering schätzt. Das wird insbesondere aus der Passage „Selbst wenn die I... den Hinweis auf den Formularen verwenden würde, die meisten von Ihnen lesen es ja leider nicht einmal" deutlich. Weiter ergibt sich hieraus, dass er den Kläger zu dieser von ihm nicht geschätzten Gruppe zählt.

Der Ausspruch der Abmahnung ist nicht unverhältnismäßig, wie der Kläger meint. Es handele sich bei dem Fehlverhalten des Klägers nicht um eine Nichtigkeit. Ihm ist zuzustimmen, dass Fehler bei der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben nicht immer zu vermeiden sind. Das mag auch im Rahmen der Kommunikation des Klägers mit Kunden geschehen. Der Kläger hat aber nicht lediglich mit dem Kunden telefoniert oder direkt gesprochen, sondern sich im Rahmen einer E-Mail-Korrespondenz unhöflich verhalten. Er musste also nicht spontan reagieren, sondern hatte sogar noch Zeit, sich eine Antwort zu überlegen, gegebenenfalls die Formulierungen zu überprüfen und zu berichtigen. Dementsprechend kann sein Verhalten nicht als „Ausrutscher" angesehen werden.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte verpflichtet wäre, eine durchschnittliche Fehlerquote hinzunehmen. Soweit der Kläger sich hierzu in seiner Berufungsbegründung auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.01.2008 (2 AZR 536/06 - DB 2008,1274 = NZA 2008,693 = BB 2008,1454) bezieht, kann diese nicht zu einer anderen Beurteilung führen. In dieser Entscheidung war die Wirksamkeit einer Kündigung zu beurteilen. Da eine Kündigung dem ultima ratio-Prinzip unterliegt, ist hier zwangsläufig zu prüfen, ob mildere Mittel, z.B. eine Abmahnung, für Abhilfe sorgen. Wird einem Arbeitgeber verwehrt, eine sachlich berechtigte Abmahnung auszusprechen, wird er auch daran gehindert, dem Arbeitnehmer deutlich zu machen, dass bestimmte Verhaltensweisen als arbeitsvertragliche Fehlleistung angesehen werden. Er würde mithin gehindert, seine Gläubigerrechte auszuüben. Entgegen der Auffassung des Klägers ist sein Verhalten gegenüber dem Kunden nicht einfach auf „generelle Fehleranfälligkeit menschlichen Verhaltens" zurückzuführen. Das mag bei einer spontanen Reaktion im Rahmen eines Gesprächs gegebenenfalls anders zu beurteilen sein. Der Kläger hatte aber Zeit zu reagieren und sein Verhalten zu bedenken.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Anlass für die Zulassung der Revision wird nicht gesehen.



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