Bundesverfassungsgericht

Beschluss vom - Az: 1 BvR 684/14

Höchstaltersgrenze für Betriebsrente ist nicht diskriminierend

Eine Regelung in einem Leistungsplan einer Unterstützungskasse, wonach ein Anspruch auf eine betriebliche Altersvorsorge ausgeschlossen werden kann, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 50. Lebensjahr vollendet hat, ist wirksam.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Geklagt hatte eine im November 1944 geborene Beschwerdeführerin, die vom 26.02.1996 bis zum 30.06.2010 bei der Arbeitgeberin und anschließend bei ihrer Rechtsnachfolgerin beschäftigt war. Zu diesem Zeitpunkt war das Kind der Beschwerdeführerin bereits 25 Jahre alt und hatte eine Ausbildung abgeschlossen. Der Beschwerdeführerin waren vom Arbeitgeber Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach dem Leistungsplan der Beklagten, einer Unterstützungskasse, zugesagt worden. Allerdings sah dieser Leistungsplan u.a. vor, dass bei einer Aufnahme der Tätigkeit nach Vollendung des 50. Lebensjahres eine Anwartschaft auf Versorgungsleistungen nicht mehr erworben werden kann. Da die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Aufnahme der Erwerbstätigkeit bereits das 50. Lebensjahr überschritten hatte und folglich nicht die Voraussetzung des Leistungsplans erfüllte, wurde ihr Anspruch von der Beklagten versagt. Hierin sah die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz sowie eine mittelbare Benachteiligung von Frauen gegenüber den Personen, die keine Kinder hatten.
Ihre Klage, die auf Gewährung einer Betriebsrente nach dem Leistungsplan der Beklagten gerichtet war, hatte vor dem BAG - wie in den Vorinstanzen auch - keinen Erfolg.
Auch das BVerfG hat festgestellt, dass die Entscheidung rechtmäßig sei. Die Regelung treffe alle, die erst nach Vollendung des 50. Lebensjahres ihre Erwerbstätigkeit aufnehmen und somit nicht ausschließlich Frauen. Weiterhin sei eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nicht anzunehmen, da ausweislich der statistischen Daten Mütter größtenteils - wenn auch zumindest in Teilzeit – bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahres in das Arbeitsleben zurückkehren, sobald ihre Kinder eine Betreuungseinrichtung oder die Grundschule besuchen. Zwar dürfe die Beschwerdeführerin ihr Recht auf Gestaltung des Familienlebens selbst bestimmen. Allerdings sei nicht erkennbar, dass die Höchstaltersgrenze zu einer Verletzung von Grundrechten führe.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1. Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Urteilsverfassungsbeschwerde gegen eine Altershöchstgrenze von 50 Jahren für die Aufnahme in ein betriebliches Altersversorgungssystem. Sie war mit der Geburt eines Kindes zunächst aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und nahm dann im Alter von 51 Jahren und vier Monaten erstmals wieder eine Erwerbstätigkeit auf. Bei ihrem Arbeitgeber bestand für die Beschäftigten aufgrund eines Leistungsplans ein Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch die Unterstützungskasse, wenn sie dort mindestens zehn Jahre anrechenbar tätig waren und bei Aufnahme der Tätigkeit das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet war. Dienstjahre nach dem vollendeten 60. Lebensjahr wurden nicht mehr angerechnet. Da die Beschwerdeführerin bei Aufnahme der Tätigkeit das 50. Lebensjahr überschritten hatte, lehnte die Unterstützungskasse einen Versorgungsanspruch nach Renteneintritt ab.

2. Die Arbeitsgerichte haben einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf Versorgung zurückgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht stützte seine Entscheidung maßgeblich darauf, dass die mittelbare Diskriminierung wegen des Alters nach § 10 Satz 1 und Satz 2, Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt sei.

3. Die Beschwerdeführerin rügt einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), da sie aufgrund der Altersgrenze Nachteile erleide, was nicht zu rechtfertigen sei. Zudem liege eine mittelbare Benachteiligung von Frauen (Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GG) gegenüber Personen, die keine Kinder hätten (Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG), vor. Die typisierende Betrachtung des Bundesarbeitsgerichts, das von einem Wiedereintritt in das Berufsleben nach Zeiten der Kindererziehung schon vor Vollendung des 50. Lebensjahres ausgehe, entbehre jeder Grundlage.

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend begründet.

1. Jedenfalls für den vorliegenden Fall ergibt sich aus den Darlegungen nicht, dass die Arbeitsgerichte die Bedeutung und Tragweite des Art. 3 GG in der Beurteilung der Altersgrenze von 50 Jahren im Leistungsplan der betrieblichen Alterssicherung verkannt hätten.

a) Zwar kann eine staatliche Regelung, die Rentenansprüche an das Alter und an eine Mindestbetriebszugehörigkeit knüpft, gegen die Vorgaben zur Gleichbehandlung verstoßen, die sich aus Art. 3 GG ergeben. Insofern ist der Schutz vor einer Ungleichbehandlung, die unmittelbar und ausdrücklich oder aber mittelbar tatsächlich an das Geschlecht anknüpft, aus Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 97, 35 <43>; 104, 373 <393>; 121, 241 <254 f.>; 126, 29 <53>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Juni 2016 - 1 BvR 3634/13 -, Rn. 22) sowie der sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Schutz vor einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung wegen des Lebensalters (vgl. BVerfGE 60, 123 <133 f.>; 88, 87 <96 ff.>; 142, 353 <385 Rn. 69>) von Bedeutung.

b) Ungeachtet dessen, inwieweit vorgenannte Maßstäbe in privatrechtliche Verhältnisse Geltung beanspruchen können, ist nicht erkennbar, dass diese Maßgaben hier verkannt worden wären. Die Gerichte durften hier insbesondere davon ausgehen, dass hinsichtlich des grundsätzlichen Anspruchs auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung keine Anhaltspunkte für eine mittelbare Diskriminierung von Frauen durch die hier anwendbare Regelung vorlagen. Ausweislich der vorgelegten statistischen Daten war die Beschwerdeführerin durch die insoweit neutral gefasste Regelung zur Altershöchstgrenze keinem tatsächlich an das Geschlecht anknüpfenden höheren Risiko als Männer ausgesetzt, von dem hier anwendbaren betrieblichen Altersversorgungssystem gänzlich ausgeschlossen zu sein. Der Ausschluss traf alle, die erst nach Vollendung des 50. Lebensjahres ihre Erwerbstätigkeit aufnahmen. Die Daten zeigen, dass Mütter vielfach wieder - wenn auch überwiegend nur in Teilzeit - erwerbstätig werden, wenn ihre Kinder eine Betreuungseinrichtung besuchen, und mehrheitlich wieder erwerbstätig werden, wenn ihre Kinder die Grundschule besuchen.

Hier war das Kind der Beschwerdeführerin bei ihrem Wiedereintritt in das Erwerbsleben bereits 25 Jahre alt und hatte eine Ausbildung abgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung ihres Rechts aus Art. 6 Abs. 1 GG auf selbstbestimmte Gestaltung des Familienlebens ist damit nicht erkennbar, dass sie die allgemeine Anforderung, zur Erlangung von Rentenansprüchen vor Vollendung des 50. Lebensjahres wieder erwerbstätig zu werden, in Grundrechten verletzen würde.

2. Auch die Rüge der Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG greift nicht durch. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hat das Bundesarbeitsgericht auch Art. 21 Abs. 1 GRCh hinreichend beachtet. Die Auseinandersetzung mit dem Unionsrecht (hier: RL 2000/78/EG) einschließlich der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union genügt insoweit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine willkürfreie Entscheidung (vgl. BVerfGE 129, 78 <105 ff.>; 135, 155 <231 f. Rn. 179 ff.>). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mittlerweile auch ausdrücklich erklärt, dass Ziele, die im Rahmen von Beschäftigungspolitik und Sozialschutz einen Ausgleich zwischen den verschiedenen beteiligten Interessen schaffen sollen, um eine betriebliche Altersversorgung zu gewährleisten, als im Allgemeininteresse liegende Ziele im Sinne des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG angesehen werden können, der den Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung konkretisiert, und insoweit auch Regeln zur Betriebstreue jedenfalls unter bestimmten Bedingungen zu rechtfertigen sind (vgl. EuGH, Kleinsteuber v. Mars GmbH, Urteil vom 13. Juli 2017 - C-354/16 -, ECLI: EU: C : 2017: 539, Rn. 63 ff.).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen