Arbeitsgericht Frankfurt
Urteil vom - Az: 15 Ca 1744/16
Wiederholte Bestellung eines "Negerkusses" als Kündigungsgrund
Tenor
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 29.02.2016 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Deputy Finance Director Business Development and Transformation Manager weiter zu beschäftigen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 31.954,44 ,EUR.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Der bei Klageeingang 44-jährige, ledige Kläger ist seit September 2005 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 26. Juli 2005 (BI. 10 if. d. A.) als Deputy Finance Director Business Development and Transformation Manager bei der Beklagten zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 7.988,60 beschäftigt.
Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist vorhanden.
Bei der Beklagten gilt ein „Code of Conduct". In diesem ist die unternehmensinterne Werteordnung der Beklagten festgehalten. Ein diskriminierendes Verhalten wird den Mitarbeitern untersagt. Die Mitarbeiter bestätigen halbjährlich ausdrücklich im dokumentierten Mitarbeitergespräch den „Code of Conduct" gelesen und verstanden zu haben.
Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses keine Abmahnung oder Ermahnung aus.
Von den Mitarbeitern der Beklagten wird überwiegend in den Pausenzeiten eine Kaffeebar namens „Cooks Corner" genutzt. Diese Kaffeebar wird nicht von der Beklagten selbst, sondern von einem Caterer, der Firma A, betrieben. Diese Firma beschäftigt in der Kaffeebar u. a. eine Mitarbeiterin namens Frau B, die gebürtig aus Kamerun stammt.
Der Kläger suchte am 12. Februar 2016 in seiner Pause die genannte Kaffeebar auf. Zu dieser Zeit war Frau B dort tätig. Nach Angaben der Beklagten soll der Kläger bei Frau B einen Schaumkuss, den er als „Negerkuss" bezeichnete, bestellt haben. Daraufhin soll der Kläger nach Angaben der Beklagten von einem Mitarbeiter der Beklagten, der in der Schlange vor der Kasse , anstand, darauf angesprochen worden sein, dass er die Verwendung des Wortes „Negerkuss" für nicht politisch korrekt halte; Der gesamte Vorfall am 12. Februar 2016 in der Kaffeebar sowie insbesondere die Reaktion des Klägers auf die Bemerkung des Kollegen sind zwischen den Parteien streitig.
Der Betriebsleiter der Firma A richtete am 15. Februar 2016 anlässlich des Vorfalls vom 12. Februar 2016 eine E-Mail an den Kantinenausschuss des Betriebsrates der Beklagten. Darin erklärte er, dass der Kläger mehrfach Anspielungen auf die Hautfarbe der Frau B gemacht haben soll. Bezüglich des
genauen Inhalts der E-Mail vom 15. Februar 2016 wird Bezug genommen auf Anlage B 3 bzw. auf BI. 83 f. d. A.
Der Betriebsrat informierte den HR Director der Beklagten am 19. Februar 2016 über die E-Mail der Firma A.
Am 23. Februar 2016 holte die Beklagte eine Stellungnahme von Frau B ein und befragte an demselben Tag den Kläger durch zwei Mitarbeiter, Herrn C und Herrn Dr. D, zu dem genannten Vorgang und bat ihn um Stellungnahme.
Mit E-Mail vorn 23. Februar 2016 äußerte sich der Kläger im Anschluss an das vorgenannte Gespräch nochmals gegenüber Herrn C, Herrn Dr. D und einem Betriebsratsmitglied. In der E-Mail heißt es u.a.
»(•-•) Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich von allen rassistischen Absichten in jeglicher Form distanzieren. Ich bin kein Rassist.
Selbstverständlich ist es für mich, dass ich mich bei jeder Person entschuldige, die ich unabsichtlich persönlich verletzt habe.
Bezüglich des weiteren Inhalts der E-Mail vom 23. Februar 2016 wird Bezug genommen auf Anlage K 3 bzw. auf Bl. 165 d. A.
Mit Anhörungsschreiben vom 25. Februar 2016 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers an. Bezüglich des genauen Inhalts des Anhörungsschreibens wird Bezug genommen auf Anlage B 2 bzw. auf Bl. 54 if. d. A.
Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung des Klägers unter dem 29. Februar 2016 zu. Insoweit wird auf Bl. 82 d. A. Bezug genommen.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 29. Februar 2016 außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2016. Bezüglich des genauen Inhalts des Kündigungsschreibens wird Bezug genommen auf Anlage K 2 bzw. auf Bl. 27 d. A.
Der Kläger hat gegen die Kündigung vom 29. Februar 2016 mit seiner Klageschrift vom 11. März 2016, bei Gericht eingegangen an demselben Tag und der Beklagten zugestellt am 22. März 2016, Kündigungsschutzklage erhoben.
Der Kläger ist der Auffassung, sowohl die außerordentliche Kündigung als auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung seien unwirksam. Dies stützt er insbesondere auf die nachfolgenden Ausführungen: Er behauptet, er könne sich zwar an den Vorfall vom 12. Februar 2016 konkret nicht erinnern. Er räumt aber ein, dass er bei der Bestellung eines Schaumkusses üblicherweise „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" den Begriff „Negerkuss" oder „Mohrenkopf" verwende, bei denen es sich um wertfreie Produktbezeichnungen handele, die er seit seiner Kindheit, ohne auch nur den Ansatz eines rassistischen Hintergrundes, benutze. Er könne nicht ausschließen, dass er auf den Hinweis eines Kollegen, dass die Bezeichnung „Negerkuss" rassistisch sei, etwas genervt und flapsig geantwortet habe, dass er dazu stehe. Dies habe er jedoch nicht ernst gemeint. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe hingegen geäußert, Rassist zu sein und hierzu zu stehen, so sei dies unzutreffend. Der Kläger behauptet weiter, er habe die Produktbezeichnung „Negerkuss" bis zum 23. Februar 2016 bei jeder Bestellung — unabhängig davon, wer ihn bedient habe — verwendet und keine Anspielungen auf die Hautfarbe von Frau B getätigt. Hätte ihn Frau B tatsächlich gebeten, eine andere Produktbezeichnung zu wählen, so hätte er sicherlich Rücksicht genommen, da es ihm fernliege, irgendjemanden zu beleidigen. Soweit die Beklagte nachträglich schriftsätzlich behauptet habe, der Kläger solle am 12. Februar 2016 direkt an Frau B gerichtet gesagt haben, er sei Rassist und hierbei nochmals leise das Wort „Neger" geflüstert haben, treffe dies nicht zu. Hierauf und auch auf eine im Nachhinein behauptete Verletzung des Code of Conduct durch den Kläger könne die Beklagte die Kündigung im Übrigen schon deshalb nicht stützen, weil sich die Betriebsratsanhörung — was insoweit unstreitig ist — hierauf nicht beziehe.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 29.02.2016 nicht aufgelöst worden ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Deputy Finance Director Business Development and Transformation Manager weiter zu beschäftigen
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die streitgegenständlichen Kündigungen seien wegen des systematischen rassistischen und sexistischen Verhaltens des Klägers gerechtfertigt. Dies stützt sie insbesondere auf die nachfolgenden Ausführungen: Sie behauptet, der Kläger habe am 12. Februar 2016 bei Frau B einen Schaumkuss als „Negerkuss" bestellt, hierauf angesprochen habe er gegenüber einem Kollegen erklärt, er sei Rassist und stehe dazu, anschließend habe er ausdrücklich gegenüber Frau B wiederholt, er sei Rassist und stehe dazu und sehr leise das Wort „Neger" hinzugefügt. Die Beklagte behauptet weiter, Frau B habe sich seit etwa fünf Monaten von dem Kläger durch die Verwendung des Begriffes „Negerkuss" gestört gefühlt und ihn erfolglos darum gebeten, einen anderen Begriff zu benutzen. Zudem habe sich Frau B im Anschluss an den Vorfall vom 12. Februar 2016 nicht mehr in der Lage gesehen, den Kläger zu bedienen. Der Kläger habe bei anderen Mitarbeitern stets einen „Schaumkuss" oder „Dickmann" bestellt. Die Beklagte behauptet weiter, der Kläger habe den Begriff „Negerkuss" systematisch, wiederholt und zielgerichtet benutzt, sich gegenüber Frau B diskriminierend geäußert und ein wiederholtes und zielgerichtetes Verhalten an den Tag gelegt. Darüber hinaus habe der Kläger durch sein Verhalten gegen den Code of Conduct verstoßen, worin eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung liege. In Ergänzung des Sach- und Streitstandes, der Beweisanträge sowie der Rechtsausführungen der Parteien wird Bezug genommen auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien nebst zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften, soweit dies noch nicht ausdrücklich geschehen ist.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet. Der Kläger obsiegt mit seinem Kündigungsschutzantrag (siehe 1.) und mit seinem Weiterbeschäftigungsantrag (siehe 2.).
1. Weder die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 29. Februar 2016 beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien.
a. Die außerordentliche Kündigung vom 29. Februar 2016 ist gemessen an § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.
Sie gilt nicht gemäß § 7 KSchG als wirksam. Die Klagefrist ist gemäß §§ 4 Satz 1, 13 Satz 2 KSchG gewahrt. Die gegen die Kündigung gerichtete Klage Ist bei Gericht am 11. März 2016 eingegangen und der Beklagten am 22. März 2016, mithin demnächst (§ 167 ZPO) und fristgerecht zugestellt worden.
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich", d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls — jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist — zumutbar ist oder nicht (BAG 21. 11. 2013 — 2 AZR 797/11 TAP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr: 53). Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten an sich" geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Zu diesen Nebenpflichten zählt insbesondere die Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB). Danach hat der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 18. 12. 2014 — 2 AZR 265/14 — NZA 2015, 797).
Ein diskriminierendes und rassistisches Verhalten eines Arbeitnehmers vermag grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (vgl. BAG 1. 7. 1999 — 2 AZR 676/98 — NZA 1999, 1270).
Die Beklagte stützt die streitgegenständliche Kündigung — im Wesentlichen — darauf, dass der Kläger Frau B systematisch, zuletzt insbesondere am 12. Februar 2016 durch die Bestellung eines „Negerkuss", diskriminiert und sich rassistisch und sexistisch verhalten haben soll.
Soweit die Beklagte in Bezug auf die vorgeworfene Pflichtverletzung behauptet, der Kläger hätte ein systematisches diskriminierendes Verhalten gegenüber Frau B gezeigt, ist festzuhalten, dass die Kammer den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten nicht für hinreichend substantiiert erachtet. Es ist nicht ersichtlich, wann, wo und durch welches konkrete Verhalten der Kläger Frau B wiederholt beleidigt und diskriminiert haben soll. Ein entsprechender Vortrag wäre jedoch zwingend notwendig gewesen, um ein systematisches diskriminierendes und rassistisches Verhalten darzulegen.
Soweit die Beklagte überdies in ihrem letzten Schriftsatz behauptet, der Kläger habe — neben der Bestellung des „Negerkuss" — zusätzlich direkt an Frau B gerichtet erklärt, er sei Rassist und stehe dazu, und habe zudem ebenfalls an Frau B gerichtet „Neger" geflüstert, so ist die Beklagte mit diesem Vortrag zur Begründung der Kündigung ausgeschlossen, weil sich die Anhörung des Betriebsrats gerade nicht auf diese Umstände erstreckt.
Legt man den sodann „verbleibenden" Vorwurf der Beklagten zugrunde, nämlich — vereinfacht ausgedrückt — die wiederholte und von Frau B beanstandete Bestellung eines „Negerkuss" und die auf die Bemerkung eines Kollegen hin ergangene Erklärung, Rassist zu sein und dazu zu stehen, ist festzuhalten, dass das Verhalten des Klägers als rassistisch zu werten ist und von einer Pflichtverletzung (§ 241 Abs. 2 BGB), die dem Grunde nach eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, auszugehen ist.
Die Kammer erachtet die Kündigung jedoch wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für unwirksam. Gegenüber dem Kläger wurde keine Abmahnung ausgesprochen und damit der Ultima-ratio-Grundsatz verletzt.
Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen des Klägers und der Beklagten, welche im Rahmen der außerordentlichen Kündigung anzustellen ist, ergibt, dass gegenüber dem Kläger zunächst eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen.
Die außerordentliche Kündigung kann nur auf solche Gründe gestützt werden, die sich zukünftig konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken würden (KR/Fischermeier 10. Aufl. BGB § 626 Rn. 110). Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch in Zukunft mit weiteren gleichartigen Vertragspflichtverletzungen des Arbeitnehmers zu rechnen sein muss, weil die außerordentliche Kündigung keine Sanktion des Arbeitgebers wegen des vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers darstellt, sondern für die Zukunft die Gefahr eines weiteren derartigen Verhaltens ausschließen soll.
Eine außerordentliche Kündigung als schärfste Sanktion im Arbeitsrecht ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie unausweichlich die letzte Maßnahme (Ultima-ratio) für den Kündigungsberechtigten ist, wobei ggf. zuvor vergeblich von dem Mittel der Abmahnung Gebrauch gemacht werden muss (vgl. BAG 19.4. 2012 — 2 AZR 258/11 — NZA-RR 2012, 567; KRIFischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 251, 252).
Im Streitfall geht die Interessenabwägung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu Gunsten des Klägers aus. Dies gilt unabhängig davon, dass die Verwendung des Begriffs „Negerkuss" als politisch inkorrekt zu erachten und damit nicht hinzunehmen ist.
Das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegt im Ergebnis das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte hätte den Kläger zunächst abmahnen müssen.
Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu Gunsten des Klägers festzuhalten, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten seit über 10 Jahren besteht und durchweg beanstandungsfrei verlaufen ist. Dem Kläger wurden unstreitig weder Abmahnungen noch Ermahnungen ausgesprochen. Es kam zu keinen Beanstandungen hinsichtlich seines Verhaltens, insbesondere nicht in dem internationalen Umfeld, in welchem die Beklagte und damit auch der Kläger in seiner Position tätig sind. Wie bereits zuvor erläutert, erachtet die Kammer das dem Kläger vorgeworfene Fehlverhalten nicht als derart schwerwiegenden Pflichtverstoß, dass angesichts der vorgenannten Umstände auf eine vorherige Abmahnung hätte verzichtet werden dürfen.
Eine Abmahnung des Klägers ist im Streitfall auch nicht entbehrlich. Das dem Kläger letztlich vorgeworfene Fehlverhalten ist angesichts der vorstehenden Erwägungen und der Umstände im Einzelfall nicht als derart schwerwiegend zu bewerten, dass seine Rechtswidrigkeit dem Kläger ohne weiteres erkennbar war und bei dem er von vorneherein nicht mit einer Hinnahme durch den Arbeitgeber habe rechnen dürfen. Dies gilt wiederum unabhängig davon, dass es sich bei dem Begriff „Negerkuss" um eine politisch inkorrekte, nicht hinzunehmende Produktbezeichnung handelt. Die Abmahnung ist im Streitfall aber auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil sie nicht erfolgversprechend gewesen wäre.
Nach Auffassung der Kammer ist es nicht ausgeschlossen, dass der Kläger angesichts einer konkreten Abmahnung und der hiermit verbundenen Warnung vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes im Wiederholungsfalle sein Verhalten überdenken und entsprechend der Vorstellung der Beklagten ändern würde.
Dafür dass eine Abmahnung wohl erfolgversprechend gewesen wäre, spricht nach Auffassung der Kammer im Übrigen auch das vom Kläger gezeigte „Nachtatverhalten". Ein solches kann sich im Einzelfall im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirken (vgl. BAG 20. 11. 2014 — 2 AZR 651/13 — NZA 2015, 294). Der Kläger äußerte sich zum einen nochmals klarstellend nach seiner Anhörung am 23. Februar 2016 in einer E-Mail gegenüber der Beklagten, dass er niemanden beleidigen wollte und kein Rassist sei. Darüber hinaus stellte er auch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klar, dass er weder rassistisch, noch beleidigend agieren wollte.
b. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ist unwirksam, da sie nicht nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.
Sie gilt nicht gemäß § 7 KSchG als wirksam. Die Klagefrist ist nach § 4 Satz 1 KSchG gewahrt. Die gegen die Kündigung gerichtete Klage ist bei Gericht am 11. März 2016 eingegangen und der Beklagten am 22. März 2016, mithin demnächst (§ 167 ZPO) und fristgerecht zugestellt worden.
Das Kündigungsschutzgesetz findet gemäß §§ 1,23 KSchG Anwendung, da die Beklagte regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt und der Kläger länger als sechs Monate bei der Beklagten beschäftigt ist.
Eine Kündigung ist i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen (BAG 19.11. 2015 — 2 AZR 217/15 — NZA 2016, 540). Ein diskriminierendes und rassistisches Verhalten eines Arbeitnehmers vermag grundsätzlich eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen (vgl. z.B. LAG Schleswig-Holstein 6. 8. 2002 — 2 Sa 150/02 — NZA-RR 2004, 351).
Die Kammer bezieht sich auf die vorstehenden Erwägungen zu der außerordentlichen Kündigung und hält auch in Bezug auf die hilfsweise ausgesprochene ordentliche verhaltensbedingte. Kündigung fest, dass bei Unterstellen des „verbleibenden" Vorwurfs der Beklagten von einer Pflichtverletzung (§ 241 Abs. 2 BGB), die eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen kann, auszugehen ist.
Die Kammer erachtet jedoch auch die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für unwirksam. Gegenüber dem Kläger wurde eine nach Auffassung der Kammer notwendige vorherige Abmahnung nicht ausgesprochen, weshalb der Ultima-Ratio - Grundsatz verletzt wurde.
Auch bei einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung ist eine Interessenabwägung durchzuführen. Im Rahmen derselben ist das Prognoseprinzip zu beachten. Zweck der Kündigung ist wiederum nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken (BAG 12. 1. 2006 — 2 AZR 179/05 — AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54). Eine negative Prognose ist zu stellen, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde zukünftig den Arbeitsvertrag — auch nach einer Kündigungsandrohung — erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer seie vertraglichen Pflichten so muss regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Die Abmahnung ist insoweit notwendiger Bestandteil des Prognoseprinzips (BAG 31. 5. 2007 — 2 AZR 200/06 — AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 m. w. N.). Eine Abmahnung, ist — wie zuvor erläutert — nur in Ausnahmefällen entbehrlich (vgl. BAG 19. 4. 2012 — 2 AZR 258/11 — NZA - RR 2012, 567; KE31Griebeling KSchG § 1 Rn. 402).
Nach Auffassung der Kammer überwiegt das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte hätte den Kläger — wie bereits im Rahmen der Erwägungen zur außerordentlichen Kündigung erläutert — zunächst abmahnen müssen.
Aus den genannten Gründen ist die Kündigung, sowohl in ihrer außerordentlichen, als auch in ihrer ordentlichen Gestalt; nach Durchführung einer Interessenabwägung als unverhältnismäßig zu erachten. Die Beklagte wäre in ihrer Position als Arbeitgeberin dazu verpflichtet, den Kläger angesichts des über zehnjährigen beanstandungsfreien Verlaufs des Arbeitsverhältnisses zunächst abzumahnen und ihm damit die Chance zu geben, sein Verhalten zu überdenken und zu ändern. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass dem Kläger letztlich ein außerdienstliches Verhalten vorgeworfen wird.
2. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung in seiner bisherigen Position als Deputy Finance Director Business Development und Transformation Manager aus §§ 611, 613 i.V.m. § 242 BGB.
Aus der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts folgt, dass der Arbeitnehmer nach Erlass eines der Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteils auf den entsprechenden Antrag hin zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen ist. Nach Obsiegen des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzverfahren überwiegt in aller Regel das Interesse an einer Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung (BAG 27. 2. 1985 — GS 1/84 —NJW 1985, 2968).
II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen (§ 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO).
III.
Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf drei Bruttomonatsgehälter für den Kündigungsschutzantrag sowie auf ein weiteres Bruttomonatsgehalt für den Weiterbeschäftigungsantrag.