Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 8 Sa 288/17

Wiedereinstellungsanspruch nach Eigenkündigung ausgeschlossen

1. Bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers besteht regelmäßig kein Bedürfnis für ein Korrektiv in Form eines Wiedereinstellungsanspruchs aus § 242 BGB.
(Leitsatz des Gerichts)

(2.) Eine Anwendung der Regeln zum Wegfall der Geschäftsgrundlage auf eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers scheidet gleichfalls von vornherein aus, da § 313 BGB entsprechend seinem eindeutigen Wortlaut nur schuldrechtliche Verträge und nicht hingegen einseitige Rechtsgeschäfte erfasst.
(Redaktioneller Orientierungssatz)


Die Parteien streiten über einen befristeten Wiedereinstellungsanspruch sowie Schadensersatzansprüche der Klägerin. Die Klägerin war im Betrieb der Beklagten in L. beschäftigt. Der US-amerikanische Mutterkonzern der Beklagten hatte entschieden, den Betrieb in L. zum 31.12.2016 vollständig zu schließen. Hierüber wurde am 09.12.2015 ein Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat der Beklagten abgeschlossen. Auf Basis des Sozialplans sollte die Klägerin sodann befristet in eine Transfergesellschaft wechseln. Im Anschluss an einen Rechtsstreit über die Höhe der Sozialplanabfindung kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis noch vor dem Wechsel in die Transfergesellschaft selbst. Etwa drei Monate später erschien ein Zeitungsartikel, wonach sich die Verlagerung der Produktion nach Spanien verzögere und deshalb ein Teil der Arbeitnehmer noch länger im Betrieb in L. beschäftigt würden. Infolgedessen beanspruchte die Klägerin ihre befristete Wiedereinstellung. Eine Wiedereinstellung nach wirksamer Kündigung durch den Arbeitgeber kommt jedoch nur in Ausnahmefällen in Betracht. Etwa weil sich die Umstände, die zur Kündigung geführt haben, nachträglich geändert haben. Das LAG Rheinland-Pfalz entschied im vorliegenden Urteil, dass eine Übertragung der Rechtsprechungsgrundsätze zu den Fällen der Wiedereinstellung auf den vorliegenden Fall der Eigenkündigung nicht in Betracht komme.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.04.2017, Az.: 8 Ca 2120/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz allein noch über einen befristeten Wiedereinstellungsanspruch sowie Schadensersatzansprüche der Klägerin.

Die 1965 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltsverpflichtete Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit dem 01.01.1989 als kaufmännische Angestellte am Standort L. beschäftigt. Sie arbeitete zuletzt in Teilzeit mit einer Arbeitszeit von 15 Wochenstunden und verdiente inklusive Leistungs- und Betriebszulage monatlich 1.573,78 EUR brutto.

Der US-amerikanische Mutterkonzern der Beklagten hatte entschieden, den Betrieb in L. zum 31.12.2016 vollständig zu schließen. Hierüber wurde am 09.12.2015 ein Interessenausgleich und Sozialplan (Bl. 7 ff. d. A.) mit dem Betriebsrat der Beklagten abgeschlossen.

Sodann schloss die Klägerin am 28.01.2016 auf der Grundlage dieses Interessenausgleichs und Sozialplans eine dreiseitige Vereinbarung (Bl. 243 ff. d, A,) ab, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien einvernehmlich zum 31.12.2016 enden und die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.12.2017 in eine Transfergesellschaft wechseln sollte.

Das anschließende Verfahren beim Arbeitsgericht Ludwigshafen unter dem Aktenzeichen 8 Ca 522/16, mit dem die Klägerin die Berechnung ihrer Sozialplanabfindung auf der Grundlage einer Vollzeitbeschäftigung begehrte, endete durch mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 11.07.2016 (Bl. 99 ff. d.A.) festgestellten Vergleich. Der Vergleich beinhaltete die Einigung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.12.2016 anlässlich der Betriebsschließung aus betriebsbedingten Gründen enden werde, wobei das Recht der Klägerin auf eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 5 des Sozialplans unberührt bleiben sollte. Ferner enthielt der Vergleich einen Verzicht der Klägerin auf einen Wechsel in die Transfergesellschaft und einer Verständigung zur Höhe der Sozialplanabfindung.

Mit Schreiben vom 24.07.2016 (Bl. 102 d. A.) kündigte die Klägerin sodann unter Ausnutzung der Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung gemäß § 5 des Sozialplans vom 09.12.2015 das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.08.2016.

Die Zeitung „D. R.“ veröffentlichte am 05.10.2016 einen Artikel (Bl. 40 d. A.), wonach rund 50 der 255 Mitarbeiter des Werkes noch bis Mitte 2017 bei der Beklagten tätig sein könnten, um Chemiepumpen zu bauen. Hintergrund hierfür war, dass die Produktpalette der Magnetpumpen im Unternehmensbereich P+, deren Fertigung die Konzernmutter nach Spanien verlagern wollte, von den Mitarbeitern in Spanien nicht im vorgesehenen Zeitplan übernommen werden konnte.

Am 24.10.2016 verständigte sich die Beklagte mit ihrem Betriebsrat auf eine Ergänzungsvereinbarung zum Interessenausgleich und Sozialplan vom 09.12.2015 (Bl. 41 ff. d. A.) wegen eines abweichend von den ursprünglichen Planungen für insgesamt ca. 50 Mitarbeiter des Bereichs P+ und der zentralen Servicebereiche bis zum 30.06.2017 am Standort gegebenen weiteren Beschäftigungsbedarfs.

Mit Schreiben vom 08.11.2016 (Bl. 46 d. A.) machte die Klägerin vergeblich gegenüber der Beklagten geltend, entweder im Wege des Nachteilsausgleichs eine Abrechnung und Nachzahlung der Sozialplanabfindung auf Basis des Schließungsdatums 30.06.2017 zu erhalten oder ein Beschäftigungsverhältnis für die Zeit vom 01.01.2017 bis 30.06.2017 auf Teilzeitbasis angeboten zu bekommen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlichen Sachanträge wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 27.04.2017 – Az.: 8 Ca 2120/16 (Bl. 166 ff. d. A.) Bezug genommen.

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgerichts die Klage, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, abgewiesen und zur Begründung zusammengefasst ausgeführt, dass die Klägerin weder einen Anspruch auf befristete Wiedereinstellung für den Zeitraum 01.05.2017 bis 30.06.2017 noch auf Schadensersatz in Höhe der entgangenen Vergütung für die Monate Januar 2017 bis April 2017 habe. Dem Wiedereinstellungsanspruch stünde bereits entgegen, dass zum Zeitpunkt der Geltendmachung mit Schreiben vom 08.11.2016 das Arbeitsverhältnis bereits über 2 Monate beendet gewesen sei. Zum ursprünglich begehrten Wiedereinstellungszeitpunkt 01.01.2017 sei das Arbeitsverhältnis sogar schon über 4 Monate beendet gewesen. Die vertraglichen Interessenwahrungspflichten hätten jedoch bereits zum 31.08.2016 geendet. Zudem sei durch den gerichtlichen Vergleich vom 11.07.2016 der geltend gemachte Wiedereinstellungsanspruch ausgeschossen, da die Parteien mit diesem nicht allein den Streit über die Höhe der geschuldeten Abfindung beilegen wollten, sondern auch die zuvor nicht im Streit gestandene Beendigung des Arbeitsverhältnisses abschließend geklärt hätten. Das Festhalten an diesem Vergleich sei für die Klägerin auch im Hinblick auf die erheblich über die Sozialplanabfindung hinausgehende Gesamtabfindung nicht unzumutbar.

Die Klägerin hat gegen das am 12.05.2017 zugestellte Urteil mit am 12.06.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich auch begründet.

Die Klägerin macht geltend,

die Klägerin habe lediglich von ihrem im Sozialplan geregelten Austrittsrecht Gebrauch gemacht, dieses schließe einen befristeten Wiedereinstellungsanspruch ab 01.01.2017 nicht aus. Zudem habe das Arbeitsgericht übersehen, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses (Juli 2016) und der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (August 2016) die Geschäftsgrundlage für die Schließung des Teilbetriebs P+ und der benötigten Zentral- und Servicefunktion zum 31.12.2016 bereits entfallen sei. Obwohl es auf der Leitungsebene bereits seit Mai/Juni 2016 Klarheit über die Verschiebung um 6 Monate gegeben habe, habe dies die Beklagte verschwiegen und erst im September 2016 Kontakt zum Betriebsrat aufgenommen. Die Beklagte dürfe nicht wegen ihrer hinausgezögerten Offenbarung der Verschiebung belohnt werden. Zudem verkenne das Arbeitsgericht, dass die Aufnahme der Beendigung im Vergleich vom 11.07.2016 lediglich deklaratorischen Charakter gehabt habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.04.2017 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. der Klägerin den Abschluss eines Arbeitsvertrages als kaufmännische Angestellte bei der Beklagten für den Zeitraum vom 01.06.2017 bis 30.06.2017 zu den Bedingungen ihres zum 31.8.2016 beendeten Arbeitsverhältnisses zuzüglich inzwischen eingetretener Tariferhöhung mit einer Wochenarbeitszeit von 15 Stunden unter Gewährung der zusätzlichen Ausgleichszahlung von € 40,00 brutto pro Anwesenheitstag gemäß Einigungsstellenspruch vom 21.10.2016 anzubieten;

2. an die Klägerin

a) für Januar 2017 brutto € 1.617,85 zuzüglich brutto € 880,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 01.02.2017,

b) für Februar 2017 brutto € 1.617,85 zuzüglich brutto € 800,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 01.03.2017,

c) für März 2017 brutto € 1.617,85 zuzüglich brutto € 920,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 01.04.2017,

d) für April 2017 brutto € 1.617,85 zuzüglich brutto € 800,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 01.05.2017,

e) für Mai 2017 brutto € 1.617,85 zuzüglich brutto € 920,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 01.06.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt hierzu insbesondere aus, dass schon nach dem zeitlichen Ablauf ein Wiedereinstellungsanspruch ausscheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Sitzungsniederschrift sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Klägerin wurde form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache selbst keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht kein Wiedereinstellungsanspruch gegen die Beklagte und damit auch kein Anspruch auf die begehrte Willenserklärung bzw. auf entsprechenden Schadensersatz zu.

Es fehlt insoweit bereits an einer einschlägigen Anspruchsgrundlage für ihr Begehren.

1. Der Verweis der Klägerin auf die ständige Rechtsprechung zum Wiedereinstellungsanspruch bei nachträglicher unvorhergesehener Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei betriebsbedingten Kündigungen des Arbeitgebers (vgl. zuletzt BAG 26.01.2017 - 2 AZR 61/16 - Rn. 33, NZA 2017, 1199, 1201) bzw. nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB beim vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsverträgen zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen (24.02.2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 68, NZA-RR 2012, 148, 154; 08.05.2008 - 6 AZR 517/07- Rn. 25, NZA 2008, 1148), geht fehl.

Denn diese Rechtsprechung ist bereits nicht einschlägig, da das Arbeitsverhältnis der Parteien tatsächlich aufgrund der von der Klägerin mit Schreiben vom 24.07.2016 erklärten Eigenkündigung zum 31.08.2016 endete.

2. Eine Übertragung der Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Fall der Eigenkündigung kommt nach Auffassung der Berufungskammer ebenfalls nicht in Betracht.

a) Unabhängig von seiner dogmatischen Herleitung (dazu BAG 28.06.2000 - 7 AZR 904/98 - zu II B 2 der Gründe, BAGE 95, 171) betont die Rechtsprechung ausdrücklich, dass der Wiedereinstellungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung des Arbeitsgebers ein geeignetes und im Allgemeinen notwendiges Korrektiv dafür darstellt, dass sich die Wirksamkeit der Kündigung maßgeblich nach dem Zeitpunkt der Kündigungserklärung beurteilt und dementsprechend bereits eine hinreichend begründete Prognose zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit als Kündigungsgrund ausreicht (std. Rspr. vgl. zuletzt BAG 26.01.2017 - 2 AZR 61/16 - Rn. 33, NZA 2017, 1199, 1201; BAG 09.11.2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 71, BAGE 120, 115). Die spätere tatsächliche Entwicklung bleibt grundsätzlich unberücksichtigt. Diese „Vorverlagerung” des Prüfungszeitpunkts vom Ende des Arbeitsverhältnisses auf den oft viele Monate früher liegenden und nicht nur von der Dauer der Kündigungsfrist, sondern auch vom Willensentschluss des Arbeitgebers abhängigen Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung verlangt in den Fällen nach einem Korrektiv, in denen sich die maßgeblichen Umstände entgegen der ursprünglichen Prognose nachträglich ändern (std. Rspr. BAG 25. 10. 2007 - 8 AZR 989/06, Rn. 21, NZA 2008, 357, 359; 27.02.1997 - 2 AZR 160/96 - BAGE 85, 194 zu II 4 b der Gründe; 09.11.2006 - 2 AZR 509/05 - AP BGB § 311a Nr. 1). In solchen Fällen ist die Abschlussfreiheit des Arbeitgebers durch einen Kontrahierungszwang eingeschränkt (BAG 13.05.2004 - 8 AZR 198/03 - BAGE 110, 336, 339 ff.; 23.11.2006 - 8 AZR 349/06 - AP BGB § 613a Wiedereinstellung Nr. 1). Die vertragliche Nebenpflicht zum erneuten Abschluss eines Arbeitsvertrags (§ 242 BGB) konkretisiert die Pflicht, auf die berechtigten Interessen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen (BAG 06.08.1997 - 7 AZR 557/96 - BAGE 86, 194 zu II 1 b der Gründe; 28.06.2000 - 7 AZR 904/98 - BAGE 95, 171 zu II B 2 der Gründe; 25. 10. 2007 - 8 AZR 989/06, Rn. 21, NZA 2008, 357, 359).

b) Bei der vorliegenden Eigenkündigung der Klägerin besteht jedoch eine völlig andere Interessenlage, die keinen Raum für die Begründung eines Wiedereinstellungsanspruchs nach § 242 BGB aus Treu und Glauben wegen bestehendem Rücksichtnahmegebots lässt.

Es fehlt bereits an einem Prognoserisiko, das eines Ausgleichs bedarf. Denn ein solches Prognoserisiko besteht grundsätzlich nur dort, wo das Gesetz einen Kündigungsgrund zur Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung verlangt, wie dies bei Anwendbarkeit des KSchG im Rahmen der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung nach § 1 KSchG der Fall ist. Hingegen bedarf die ausgesprochene ordentliche Eigenkündigung des Arbeitnehmers zu ihrer Wirksamkeit keines Kündigungsgrundes und damit insbesondere auch keiner (negativen) Zukunftsprognose. Es besteht daher von vornherein kein Bedürfnis für ein Korrektiv in Form eines Wiedereinstellungsanspruchs (so auch im Ergebnis: HWK/Quecke, 7. Aufl. 2016, Rn. 78 m.w.N.).

Auch kann die Berufungskammer vorliegend kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten im Sinne des § 242 BGB erkennen. Insbesondere erfolgte die Eigenkündigung der Klägerin vorliegend auch nicht auf Veranlassung der Beklagten. Denn die Parteien hatten zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung auf Veranlassung der Beklagten bereits zuvor am 28.01.2016 auf der Grundlage des Interessenausgleichs und Sozialplans vom 09.12.2015 eine dreiseitige Vereinbarung abgeschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien einvernehmlich zum 31.12.2016 enden und die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.12.2017 in eine Transfergesellschaft wechseln sollte. Diese dreiseitige Vereinbarung hatten die Parteien sodann durch den gerichtlichen Vergleich vom 11.07.2016 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen unter dem Aktenzeichen 8 Ca 522/16 ersetzt, der u.a. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31.12.2016 ohne anschließenden Wechsel in die Transfergesellschaft und eine erheblich über die Sozialplanabfindung hinausgehende Gesamtabfindung vorsah. Allein der Umstand, dass in diesem gerichtlichen Vergleich ausdrücklich festgehalten wurde, dass das Recht der Klägerin auf eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 5 des Sozialplans vom 09.12.2015 unberührt bleibt, vermag daher schon aufgrund des zeitlichen Ablaufs keine Veranlassung der Beklagten zur Eigenkündigung der Klägerin zu begründen.

Daran würde auch nichts der Umstand ändern, wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass auf der Leitungsebene der Beklagten in L. bereits seit Mai/Juni 2016 Klarheit über die Notwendigkeit einer Verschiebung des Schließungsdatums um 6 Monate für den Teilbereich P+ gegeben habe. Zum einem bestand vorliegend eine Informationspflicht der Beklagten erst, als sie im September 2016 an den Betriebsrat wegen der Verhandlung über die Ergänzung des Interessenausgleichs und Sozialplans herangetreten ist, denn erst damit stand tatsächlich endgültig fest, dass sich die Beklagte für die nach Ansicht der Klägerin vorhersehbare Verschiebung des Schließungstermins in einem Teilbereich tatsächlich entschieden hatte. Zum anderen ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Motivation für die ausgesprochene Eigenkündigung der Klägerin der Abschluss eines neues längerfristigen Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Arbeitgeber und die Inanspruchnahme der Sprinterprämie nach § 5 des Sozialplans war. Sie wollte mit ihrer Eigenkündigung zum einen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten als Arbeitnehmerin gegenüber der Beklagten wegen ihrer Anschlussbeschäftigung beenden und zum anderen zudem ihre Abfindungssumme nach der Aufstockung aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 11.07.2016 ein weiteres Mal erhöhen. Weshalb ihre Entscheidung bei Kenntnis einer möglichen Verschiebung des Schließungstermins eines Teilbereichs, in dem sie zudem zuvor unstreitig nie gearbeitet hatte, anders ausgefallen wäre, legt sie nicht dar. Insbesondere trägt die Klägerin nichts dazu vor, dass sie bei entsprechender Kenntnis auch im Zeitraum September 2016 bis Dezember 2016 bei der Beklagten hätte weiterarbeiten wollen, um dann eventuell darüber hinaus die Möglichkeit zu haben befristet für maximal lediglich 6 weitere Monate mit einem anderen als den bisherigen Tätigkeitsfeld weiterbeschäftigt zu werden, statt die Chance eines neuen längerfristigen Arbeitsverhältnisses zu nutzen. Auch ihr später gezeigtes Verhalten spricht dagegen, dass sie bei Kenntnis des angeblichen Sachstandes der Leitungsebene der Beklagten Im Juli 2016 von einer Eigenkündigung Abstand genommen hätte. So hat sie nach ihrer angeblichen erst späteren Kenntniserlangung aus der Zeitung Anfang Oktober 2016 zu keinem Zeitpunkt von ihrem Verlangen nach der Sprinterprämie Abstand genommen, auch hat sie zu keinem Zeitpunkt die sofortige Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und damit ihre Weiterbeschäftigung verlangt. Im Gegenteil verlangt sie mit anwaltlichem Schreiben vom 09.11.2016 die weitere Erhöhung ihrer Abfindung durch Abrechnung auf Basis des Schließungsdatums 30.06.2017 oder ein Angebot für ein Beschäftigungsverhältnis für die Zeit erst ab dem 01.01.2017 bis 30.06.2017.

c) Eine Anwendung der Regeln zum Wegfall der Geschäftsgrundlage auf die Eigenkündigung der Klägerin scheidet vorliegend gleichfalls von vornherein aus, da § 313 BGB entsprechend seinem eindeutigen Wortlaut nur schuldrechtliche Verträge und nicht hingegen einseitige Rechtsgeschäfte erfasst. Eine analoge Anwendung kommt ebenso nicht in Betracht, da es insoweit bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, denn das in den §§ 119 ff. BGB normierte Anfechtungsrecht enthält insoweit bereits abschließende einschlägige Regelungen. Zudem gibt es, anders als bei Verträgen beim einseitigen Rechtsgeschäft, auch keine Rechtfertigung für eine über die §§ 119 ff. BGB hinausgehende Aufhebungsmöglichkeit. Denn das einseitige Rechtsgeschäft wird allein vom Erklärenden gestaltet, dient seiner Willensdurchsetzung und fällt deshalb folgerichtig allein in sein Risiko (vgl. zu letzterem auch MüKoBGB/Finkenauer, 7. Aufl. 2016, § 313 BGB, Rn. 50 m.w.N.).

3. Schließlich hat die Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt ihre Eigenkündigung vom 24.07.2016 nach den §§ 119 ff. BGB wirksam angefochten, so dass die Regeln zum Wegfall der Geschäftsgrundlage hinsichtlich des gerichtlichen Vergleichs vom 11.07.2016 (Arbeitsgericht Ludwigshafen Aktenzeichen 8 Ca 522/16) nicht zu prüfen waren. Insbesondere lässt sich auch dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 08.11.2016 keine Anfechtungserklärung entnehmen.

Die Anfechtungserklärung muss auf Grund ihres objektiven Erklärungswerts erkennen lassen, dass der Anfechtungsberechtigte seine vorangehende Erklärung nicht gelten lassen will. Es kommt nicht darauf an, ob das Wort „anfechten“ verwendet wird. Entscheidend ist allein, dass die Willensäußerung unzweideutig erkennen lässt, dass ein Rechtsgeschäft wegen eines Fehlers, insbesondere wegen eines Willensmangels, beseitigt werden soll. Es gelten insoweit die allgemeinen Auslegungsregeln für Willenserklärungen (MüKoBGB/Busche, 7. Aufl. 2015, § 143 BGB Rn. 2 f. m.w.N.).

Dem Verlangen der Klägerin, aufgrund des in Erfahrung gebrachten späteren Schließungszeitpunktes eines Teil des Betriebs der Beklagten entweder im Wege des Nachteilsausgleichs eine entsprechende Nachzahlung der Sozialplanabfindung auf Basis des späteren Schließungsdatums 30.06.2017 oder ein Beschäftigungsverhältnis für die Zeit vom 01.01.2017 bis 30.06.2017 zu bekommen, lässt sich nicht eindeutig entnehmen, dass die Klägerin an ihrer Eigenkündigung vom 24.07.2016 zum 31.08.2016 nicht mehr festhält. Es fehlt an der Erklärung eines unzweideutigen Vernichtungswillen der Eigenkündigung, zumal diese an keiner Stelle des Schreibens erwähnt wird. Ganz im Gegenteil wird im Rahmen der ferner mit diesem Schreiben angegriffenen bisherigen Berechnung der Abfindung explizit auch der durch die Eigenkündigung nach § 5 des Sozialplans vom 09.12.2015 ausgelösten Sprinterbonus einbezogen, der aber gerade die Wirksamkeit der Eigenkündigung voraussetzt.

4. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.



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