Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Urteil vom - Az: 2 Sa 158/16

Verlorener Lebensmut nach Scheidung lässt keine negative Gesundheitsprognose zu

1. Der Prüfungsmaßstab für häufige (Kurz-)Erkrankungen ist auch dann anzulegen, wenn sich unter den medizinischen Ausfallursachen einzelne Krankheiten befinden, die zu längeren Ausfallzeiten geführt haben (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - AP Nr. 52 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = DB 2015, 1290 = NZA 2015, 612).

2. Verletzungen des Skeletts oder des Gewebes, die man sich bei einem Unfall zuzieht, heilen im Regelfall aus. Die Ausfallzeiten, die auf derartigen Heilungsprozesse zurückzuführen sind, fallen daher als Prognosegrundlage für zukünftige Fehlzeiten im Regelfall aus.

3. Lebenskrisen wie beispielsweise eine Scheidung können zu einem vorübergehenden Verlust des Lebensmuts führen, der sich in krankheitsbedingten Ausfallzeiten niederschlägt. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass der angesichts solcher Lebenskrisen verlorene Lebensmut mit dem zeitlichen Abstand zu dem auslösenden Ereigniskomplex wiederkehrt, weil sich im Regelfall herausstellt, dass es trotz der erlebten Krise möglich ist, das Leben auch unter den veränderten Bedingungen fortzuführen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann man daher nicht davon ausgehen, dass eine noch nicht ausgestandene Lebenskrise zukünftig notwendig zu Ausfallzeiten führen wird, die es erforderlich machen, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufzulösen.

4. Soll die Fehlzeitenprognose auch mit der Krankheitsanfälligkeit des Arbeitsnehmers gestützt werden, verlangt das zunächst die gerichtliche Feststellung, dass sich die Anzahl der Krankheitsereignisse und deren Dauer signifikant über dem zu erwartenden Durchschnitt des Auftritts gleicher oder vergleichbarer Krankheiten bei anderen Beschäftigten bewegt (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = NZA 2006, 655). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Fehlzeitenprognose aufgrund einer Krankheitsanfälligkeit erschöpft sich allerdings nicht in einer statistischen Analyse der Ausfallzeiten. Vielmehr verlangt das Bundesarbeitsgericht zusätzlich so etwas wie eine plausible Erklärung für die Krankheitsanfälligkeit.
(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung.

Die Beklagte betreibt einen industriellen Produktionsbetrieb mit mehreren Hundert Beschäftigten. In der Produktion und den produktionsnahen Abteilungen wird in einem Schichtsystem, das Nachtschichten und Arbeit an Samstagen einschließt, gearbeitet.

Die 1977 geborene Klägerin ist seit 2003 bei der Beklagten tätig. Als Anlagenfahrerin bzw. Maschinenbedienerin nimmt sie am Schichtbetrieb teil. Die Klägerin ist vollzeitbeschäftigt und verdient rund 2.800 Euro brutto monatlich. Seit der Trennung und späteren Scheidung – der Scheidungsbeschluss stammt aus Mai 2015 – von ihrem Ehemann lebt sie allein mit ihrem noch schulpflichtigen Kind zusammen in ihrem Haushalt.

Im Arbeitsverhältnis der Parteien ist es jedenfalls ab August 2011 zu erheblichen krankheitsbedingten Ausfallzeiten der Klägerin gekommen.

Vom 15. August 2011 an war die Klägerin bis einschließlich 17. Februar 2012 durchgehend wegen eines verklemmten Nervs im Ellenbogen (Epicondylitis humeri) arbeitsunfähig erkrankt (187 Kalendertage, davon 6 Wochen mit Entgeltfortzahlung durch die Beklagte). In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht konnte ergänzend festgestellt werden, dass die Krankheit im linken Ellenbogen der Klägerin aufgetreten war. In der Zeit ab dem 29. Januar 2012 wurde die Klägerin während des fortdauernden Bezugs von Krankengeld betrieblich wieder eingegliedert. Diese Krankheit lässt sich wohl auch operativ behandeln. Die Klägerin gibt an, davon habe ihr Arzt ihr abgeraten.

Im weiteren Verlauf des Jahres 2012 war die Klägerin weitere viermal arbeitsunfähig erkrankt. Im Mai 2012 war sie für zwei Kalendertage (2 geplante Arbeitstage) wegen Kreuz- und Ischiasschmerzen ausgefallen. Im August war sie für 19 Kalendertage (15 geplante Arbeitstage) wegen Bronchitis ausgefallen. Im November war sie für 7 Kalendertage (5 geplante Arbeitstage) wegen Bronchitis und Harnwegserkrankung ausgefallen. Schließlich war die Klägerin Anfang Dezember 2012 für 8 Kalendertage (4 geplante Arbeitstage) wegen einer viralen Augenerkrankung (Keratoconjunctivitis) ausgefallen. Insgesamt war die Klägerin im 2. bis 4. Quartal 2012 an 26 geplanten Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt gewesen und hat durchgängig Entgeltfortzahlung durch die Beklagte erhalten. – Die Klägerin hat zusätzlich angegeben, ohne dass sich die Beklagte diesen Vortrag zu Eigen gemacht hat, sie habe am 2. November 2012 einen Kalendertag wegen Zahnschmerzen gefehlt (Anlage K 20, hier Blatt 254); ob dadurch für die Klägerin geplante Arbeitszeit ausgefallen ist, ist nicht bekannt.

Im Jahr 2013 war die Klägerin viermal arbeitsunfähig erkrankt. Im Januar 2013 war sie vom 3. des Monats bis zum 21. des Monats für 19 Kalendertage (nach Angaben der Beklagten 21 ausgefallene Arbeitstage) wegen einer Sehnenscheidenentzündung (Tendovaginitis) ausgefallen. Im März 2013 war sie für zwei Kalendertage (2 geplante Arbeitstage) wegen eines zahnchirurgischen Eingriffs ausgefallen. Im Juli 2013 war sie für drei Kalendertage (3 geplante Arbeitstage) wegen Durchfall und einer Magenschleimhautentzündung ausgefallen. Schließlich war die Klägerin im September 2013 für drei Kalendertage (3 geplante Arbeitstage) wegen einer Sensibilitätsstörung der Haut ausgefallen. Insgesamt war die Klägerin im Jahr 2013 nach Angaben der Beklagten an 29 geplanten Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt gewesen und hat durchgängig Entgeltfortzahlung durch die Beklagte erhalten.

Im Jahr 2014 ist die Klägerin insgesamt fünfmal arbeitsunfähig ausgefallen. Im Januar 2014 war sie für 3 Kalendertage (2 geplante Arbeitsstage) wegen einer Laserbehandlung der Hornhaut des Auges ausgefallen. Vom 27. Januar 2014 bis zum 2. Februar 2014 war die Klägerin 7 Kalendertage (6 geplante Arbeitstage) wegen eines Infekts der oberen Luftwege ausgefallen. Beginnend im März 2014 war die Klägerin durchgehend 30 Kalendertage (22 geplante Arbeitstage) zur Ausheilung der Folgen eines Unfallereignisses im häuslichen Bereich ausgefallen (Ulnarisschädigung, Rückenprobleme). Im September 2014 war sie für 11 Kalendertage (8 geplante Arbeitstage) wegen eines Rückenleidens in Folge Prellung LWS ausgefallen. Schließlich war die Klägerin beginnend im Oktober 2014 für weitere 30 Kalendertage (21 ausgefallene Arbeitstage) wegen fortbestehender Rückenprobleme ausgefallen. Die dazu vorliegende ärztliche AU-Bescheinigung für die Krankenkasse weist die Kennzeichnung M51.2 G aus, was nach dem ICD-10-Diagnoseschlüssel auf eine "Sonstige näher bezeichnete Bandscheibenverlagerung" hinweist. Insgesamt ist die Klägerin im Jahr 2014 an 59 geplanten Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt gewesen und hat durchgängig Entgeltfortzahlung durch die Beklagte erhalten.

Im Jahr 2015 – dem Jahr ihrer Kündigung – war die Klägerin in den ersten fünf Monaten dreimal arbeitsunfähig ausgefallen. Im Februar 2015 war sie zunächst für 3 Kalendertage (3 geplante Arbeitsstage) wegen eines Darminfekts ausgefallen. Ebenfalls noch im Februar 2015 war sie für weitere 5 Kalendertage (5 geplante Arbeitstage) wegen fortdauernder Rückenschmerzen ausgefallen. Schließlich war die Klägerin im Mai 2015 für 4 Kalendertage (2 geplante Arbeitstage) wegen eines Infekts der oberen Luftwege ausgefallen.

Im weiteren Jahresverlauf 2015 war die Klägerin zunächst beginnend im Juni 2015 durchgehend für 37 Kalendertage (27 geplante Arbeitstage) ausgefallen. Im August war die Klägerin für 4 Kalendertage (4 geplante Arbeitstage) wegen eines Harnweginfekts ausgefallen. Schließlich war die Klägerin beginnend im September für 17 Kalendertage (12 geplante Arbeitstage) ausgefallen. Zu den Ausfallzeiten im Juni/Juli und September/Oktober 2015 hat der die Klägerin behandelnde Arzt in einem Schreiben vom 25. April 2016, das zum Zwecke der Verwendung im Rechtsstreit erstellt wurde, folgendes angemerkt (Kopie als Anlage K 18 zur Akte gelangt, hier Blatt 251): "… die von mir ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen … begründe ich mit einem posttraumatischen Beschwerdekomplex wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen infolge der Trennung von ihrem Ehemann".

Insgesamt war die Klägerin im Jahr 2015 bis zum Ausspruch der Kündigung Ende Oktober 2015 an 37 geplanten Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt gewesen und hat durchgängig Entgeltfortzahlung durch die Beklagte erhalten.

Im weiteren Verlauf des Jahres 2015 und auch im Jahre 2016 bis zum Wirksamwerden der streitgegenständlichen Kündigung Ende Februar 2016 war die Klägerin lediglich noch im Januar 2016 drei Kalendertage (3 geplante Arbeitstage) arbeitsunfähig erkrankt.

Die Klägerin wurde von der Beklagten mehrfach zu Gesprächen und zur Teilnahme am betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM) eingeladen. Die Klägerin hat die Teilnahme am bEM durchgehend abgelehnt. Zuletzt wurden der Klägerin von der Beklagten unter dem 30. Juli 2015 Gespräche zur betrieblichen Wiedereingliederung angeboten. Die Klägerin hat unter dem 14. August 2015 abgelehnt (Kopie der Formularerklärung von der Beklagten überreicht, hier Blatt 108).

Im Oktober 2015 hat sich die Beklagte dazu entschieden, das Arbeitsverhältnis zur Klägerin zu kündigen. Vor Ausspruch der Kündigung wurde der Betriebsrat mit Formularanschreiben vom 26. Oktober 2015 nebst einer drei Seiten umfassenden fallbezogenen Begründung zu der beabsichtigten Kündigung angehört (Kopie als Anlage B1 zur Akte gelangt, hier Blatt 41 ff, wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen). Der Betriebsrat hat der Kündigung aufgrund seines Beschlusses aus der Betriebsratssitzung vom 28. Oktober 2015 widersprochen und die Beklagte zeitnah davon unterrichtet (wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruch vom "07.08.2015", als Anlage K11 in Kopie zur Akte gelangt, hier Blatt 165, Bezug genommen).

Die Beklagte hat sodann das Arbeitsverhältnis mit einem Schreiben vom 30. Oktober 2015 mit Wirkung zum 29. Februar 2016 gekündigt. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage ist beim Arbeitsgericht am 4. November 2015 eingegangen.

Auch nach Ablauf der Kündigungsfrist ist die Klägerin aufgrund eines Prozessarbeitsverhältnisses durchgehend weiter im Betrieb der Beklagten beschäftigt worden. Nach den gleichlautenden Angaben der Parteien sind die Ausfallzeiten der Klägerin in der Zeit von März 2016 bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht unauffällig gering geblieben.

Das Arbeitsgericht Schwerin hat der Klage mit Urteil vom 29. Juni 2016 stattgegeben (4 Ca 2111/15). Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat in der Hauptbegründung angenommen, die Kündigung könne nicht als sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 KSchG angesehen werden, da es schon an der notwendigen negativen Prognose bezüglich der zukünftig zu erwartenden Ausfallzeiten fehle. Insoweit hat es angenommen, die große Ausfallzeit 2011/2012 wegen des eingeklemmten Nervs im Ellbogen biete kein Indiz für weitere Ausfallzeiten in der Zukunft, da man von einer Ausheilung ausgehen müsse. Die Ausfallzeiten 2014 und 2015 wegen des Rückenleidens seien auf den Treppensturz im März 2014 zurückzuführen. Da es sich um einen Unfall gehandelt habe, fehle es auch insoweit an einer Indizwirkung der Ausfallzeiten für die Zukunft. Die größeren Ausfallzeiten im Jahre 2015 müssten im Zusammenhang mit der Scheidung gesehen werden. Insoweit hätten auch diese Ausfallzeiten keine Indizwirkung für die Zukunft, da keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Klägerin unter den Trennungsfolgen dauerhaft psychisch leiden werde. Die verbleibenden Ausfallzeiten seien in Summe unauffällig und könnten die Kündigung nicht rechtfertigen. Es lägen jedenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die häufig vorkommenden Atemwegserkrankungen der Klägerin als chronische Erkrankung angesehen werden müssten.

Mit der rechtzeitig eingelegten und gleichzeitigt begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihr Begehren der Klageabweisung unverändert fort.

Die Beklagte hält die Feststellung des Arbeitsgerichts, es gäbe keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass zukünftig mit Ausfallzeiten im ähnlichen Umfang wie 2011 bis 2015 zu rechnen sei, für falsch. Da der eingeklemmte Nerv im Ellbogen, der zu der großen Ausfallzeit 2011/2012 geführt habe, nicht operiert worden wäre, müsse man jederzeit mit einem Wiederaufkeimen der Beschwerden rechnen. Entsprechendes gelte für die Ausfallzeit im Januar 2013 wegen der Sehnenscheidenentzündung. Hinsichtlich beider Krankheiten sei von einer chronischen Erkrankung auszugehen, was durch einen Sachverständigen nachgewiesen werden könne.

Auch bei den Rücken- und Bandscheibenproblemen der Klägerin, die 2014 zu Ausfallzeiten geführt hätten, könne man erfahrungsgemäß nicht von einem Ausheilen ausgehen. Derartige Krankheiten, die die Beklagte als Bandscheibenvorfall bezeichnet, könnten typischerweise jederzeit wieder zu weiteren Ausfallzeiten führen, es liege eine chronische Erkrankung vor. Das zeige sich schon daran, dass die Klägerin im Februar 2015 abermals Ausfallzeiten wegen Rückenbeschwerden aufzuweisen hatte. Mangels näherer Kenntnis der Umstände müsse auch bestritten werden, dass dem ersten Auftreten der Rückenprobleme ein Treppensturz im häuslichen Bereich zu Grunde gelegen habe. Die darauf aufbauenden Überlegungen des Arbeitsgerichts (Ausheilung von Unfallverletzungen) seien daher nicht tragfähig.

Auch die Feststellung des Arbeitsgerichts, die Ausfallzeiten infolge der Trennung von ihrem Ehemann hätten keine Aussagekraft für zukünftige Ausfallzeiten, sei falsch. Zum einen sei die Diagnose psychischer Überlastung nur vom Hausarzt der Klägerin und nicht von einem Facharzt getroffen worden. Psychische Probleme könnten im Übrigen nur durch eine Psychotherapie überwunden werden, für deren Absolvierung keine Anhaltspunkte vorliegen. Somit lägen keine belastbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin die Trennung innerlich verarbeitet habe und sie inzwischen wieder stabil sei. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass ihr geschiedener Ehemann ebenfalls bei der Beklagten im Schichtdienst arbeitet und gelegentliche Begegnungen im Betrieb unvermeidbar seien; auch das gemeinsame Kind biete reichlich Gelegenheit, die Wunden der Trennung auch in Zukunft wieder aktuell werden zu lassen.

Letztlich würden auch die regelmäßigen Ausfallzeiten wegen der Erkrankung der Atemwege bei der Klägerin, die regelmäßig Zigaretten rauche, darauf hindeuten, dass mit ähnlichen Ausfallzeiten auch in Zukunft gerechnet werden müsse. Insgesamt lägen die Ausfallzeiten wegen häufiger Kurzerkrankungen deutlich über dem Durchschnitt, ohne dass es Hinweise darauf gebe, dass die Klägerin ihren Lebensstil ändere. Insoweit sei auch wegen der überdurchschnittlich hohen sonstigen Ausfallzeiten von einer Indizwirkung für die Zukunft auszugehen. Bei der Klägerin liege eine Krankheitsanfälligkeit im Sinne der dazu ergangenen Rechtsprechung vor.

Müsse man somit von einer negativen Zukunftsprognose ausgehen, seien auch die übrigen Voraussetzungen einer sozial gerechtfertigten krankheitsbedingten Kündigung gegeben. Die Klägerin wäre 2011, 2012, 2014 und 2015 jeweils mehr als 42 Kalendertage arbeitsunfähig erkrankt gewesen und auch im Jahre 2013 hätten die Ausfallzeiten nur geringfügig unter 42 Kalendertagen gelegen. Die Beklagte habe insgesamt in dem Zeitraum vom 15. August 2011 bis zum 7. Juli 2015 Lohnfortzahlungskosten in Höhe von rund 22.250 Euro aufwenden müssen, was einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung eine betriebliche Kostenbelastung in Höhe von rund 26.800 Euro ergebe. Erhöhend kämen die weiteren Entgeltfortzahlungskosten bis zum Ausspruch der Kündigung hinzu. Das würde in etwa einem Jahreseinkommen der Klägerin entsprechen. Die Ausfallzeiten der Klägerin führten auch zu Störungen im Betriebsablauf, da Kollegen aus dem Frei geholt werden müssten, Leiharbeitnehmer kurzfristig beschäftigt werden mussten oder von anderen Kollegen Überstunden zu leisten seien.

Auch die notwendige Interessenabwägung gebiete nicht, die an sich notwendige Kündigung zu unterlassen. Die Klägerin habe aufgrund ihres Lebensalters gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Demgegenüber seien die Belastungen der Beklagten durch die Ausfallzeiten der Klägerin nicht weiter hinnehmbar. Dabei müsse auch beachtet werden, dass die Beklagte innerbetrieblich darauf angewiesen sei, deutlich zu machen, dass Arbeitnehmer durch erhebliche Ausfallzeiten ihren Arbeitsplatz gefährden könnten. Zu Lasten der Klägerin müsse auch die fehlende Bereitschaft zur Teilnahme an den angebotenen Gesprächen zur betrieblichen Wiedereingliederung (bEM) berücksichtigt werden; die fehlende Bereitschaft zeige das geringe Interesse der Klägerin an ihrem Arbeitsplatz und an den durch ihre Ausfallzeiten verursachten betrieblichen Problemen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts. Sie hält die ausgesprochene Kündigung für unwirksam.

Mit dem Arbeitsgericht ist die Klägerin der Auffassung, dass ihre Ausfallzeiten in der Vergangenheit keine negative Prognose in Hinblick auf zukünftige Ausfallzeiten rechtfertigen würden. Die große Ausfallzeit 2011/2012 wegen des eingeklemmten Nervs sei dadurch entstanden, dass ihr Arzt ihr von einem operativen Eingriff abgeraten habe und sie den Arm daher über viele Wochen habe ruhigstellen müssen. Insoweit behauptet die Klägerin ergänzend, die gesamte Ausfallzeit sei ausschließlich auf dieses Krankheitsereignis zurückzuführen. Seit der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit im Februar 2012 sei der Nerv nie wieder eingeklemmt gewesen, jedenfalls hätte sie nie wieder unter dem eingeklemmten Nerv leiden müssen. Diese Krankheit müsse daher als ausgeheilt angesehen werden. Das gelte in vergleichbarer Weise auch für die Sehnenscheidenentzündung, die zu der Ausfallzeit im Januar 2013 geführt habe. Bis zur Kündigung Ende Oktober 2015 und weitergehend bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht sei diese Krankheit nicht wieder ausgebrochen.

Die Klägerin empört sich darüber, dass die Beklagte ihr nicht glaube, dass die Rückenprobleme im Jahr 2014 auf einen Treppensturz im häuslichen Bereich zurückgehen, und verweist insoweit auf den Chirurgischen Notfallbericht vom 16. März 2014 aus der Notaufnahme der Klinik, in der sie aufgenommen wurde (Anlage K 12, hier Blatt 183). Die Folgen des Sturzes seien so heftig gewesen, dass auch im September und Oktober / November 2014 nochmals für kurze Zeit Ausfalltage angefallen seien. Seit November 2014 hätte sie jedoch keine Probleme mehr mit dem Rücken gehabt, die Unfallfolgen müssten daher als ausgeheilt bewertet werden. Insoweit sei es auch falsch davon zu sprechen, sie habe einen Bandscheibenvorfall erlitten. Richtig sei demgegenüber, dass anlässlich der Untersuchungen in Folge des Sturzes lediglich festgestellt worden sei, dass bei ihr eine Bandscheibenvorwölbung vorliege. Diese Anomalie habe jedoch noch zu keinem Zeitpunkt zu einer Ausfallzeit geführt und verursache bei ihr auch keine Schmerzen oder sonstige Unannehmlichkeiten.

Die Ausfallzeiten im zeitlichen Zusammenhang mit der Trennung von ihrem Ehemann im Jahre 2015 seien – wie von ihrem Arzt angegeben – auf die familiäre Überlastungssituation zurückzuführen. Der Scheidung von ihrem Mann seien zwei schwierige Trennungsjahre, die auch mit häuslicher Gewalt verbunden waren, vorausgegangen, was die Überlastung nachvollziehbar mache. Inzwischen habe sie sich jedoch wieder gefangen und habe die Trennung von ihrem Ehemann gut verarbeitet. Das zeige sich indirekt auch daran, dass sie durchgehend über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus im Betrieb arbeite und es trotz der regelmäßigen Begegnungen mit ihrem geschiedenen Ehemann dort nicht zu einem Wiederaufbrechen der körperlichen Reaktion auf die familiäre Überlastung gekommen sei. Sie habe sich auch nie aus Angst des Wiederaufbrechens dieses Konflikts dagegen gewehrt, in einer Schicht mit ihrem geschiedenen Mann zu arbeiten. Es gehe vielmehr darum, dass das gemeinsame Kind noch nicht so selbständig sei, dass es während der Arbeit auch alleine zurecht käme. Daher hätten die beiden Eltern sich darauf vereinbart, das Kind in der Zeit zu übernehmen, in der der andere Elternteil seine Schichten im Betrieb leiste. Dies sei aber nur möglich, wenn die beiden Elternteile nicht zur selben Schicht im Betrieb eingeteilt seien. Allein aus diesem Grund habe sie sich dagegen gewehrt, gemeinsam mit ihrem geschiedenen Mann zur Schicht eingeteilt zu werden.

Die übrigen Ausfallzeiten seien unauffällig. Selbst wenn sie zukünftig im selben Umfang anfallen sollten, könnten sie keine krankheitsbedingte Kündigung rechtfertigen. Das gelte auch für die Atemwegserkrankungen. Es könne dahinstehen, ob diese durch ihren Zigarettenkonsum begünstigt würden, denn jedenfalls würden die dadurch begründeten Ausfallzeiten nicht höher liegen als die Ausfallzeiten, die bei allen Arbeitnehmern wegen Atemwegserkrankungen regelmäßig zu beklagen seien.

Die Klägerin legt letztlich auch Wert auf die Feststellung, dass sie sich nicht generell der Mitwirkung am betrieblichen Eingliederungsmanagement verweigert habe. Vielmehr habe sie die ihr angebotenen Termin stets nur abgelehnt, weil sie unpassend gewesen seien. Denn die jeweils angebotenen Termine wären entweder auf das Ende der Nachtschicht gefallen oder auf einen Urlaubstag oder auf eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit. Das habe sie dem Arbeitgeber auch mitgeteilt, ohne dass ihr weitere Termine angeboten worden seien (Verweis auf ihre Ablehnungserklärungen aus März 2013 und November 2014 – hier Blatt 106 und 107).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist nicht begründet. Der streitgegenständlichen krankheitsbedingten Kündigung vom 30. Oktober 2015 fehlt die soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 KSchG.

I.

Die Kernbegründung des Arbeitsgerichts, es gäbe keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine negative Zukunftsprognose bezüglich der Ausfallzeiten der Klägerin, ist angesichts der vorgetragenen Tatsachen zutreffend und hält den Angriffen der Berufung stand.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausführlich geprüft, ob sich aus den Ausfallzeiten der Klägerin in der Vergangenheit gegebenenfalls verbunden mit weiteren Umständen Hinweise darauf ergeben, dass auch zukünftig mit ähnlich hohen Ausfallzeiten im Arbeitsverhältnis der Parteien zu rechnen ist (Negativprognose oder Fehlzeitenprognose) und hat dies zutreffend verneint.

1.

Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung verläuft unterschiedlich, je nach dem, ob es sich um eine langanhaltende Krankheit handelt oder ob mehrere (Kurz-)Erkrankungen die betrieblichen Probleme verursacht haben. Vorliegend ist der Prüfungsmaßstab für häufige (Kurz-)Erkrankungen anzulegen, denn der ist auch dann anzulegen, wenn sich – wie hier – unter den medizinischen Ausfallursachen Krankheiten befinden, die zu längeren Ausfallzeiten geführt haben (BAG 20. November 2014 – 2 AZR 755/13 – AP Nr. 52 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = DB 2015, 1290 = NZA 2015, 612).

Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich (Fehlzeitenprognose). Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 20. November 2014 aaO; BAG 10. Dezember 2009 – 2 AZR 400/08 – AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = NZA 2010, 398; BAG 1. März 2007 – 2 AZR 217/06 – AP Nr. 2 zu § 90 SGB IX = NZA 2008, 302 = DB 2007, 1702). – Zusätzlich wird inzwischen in der Rechtsprechung recht intensiv geprüft, ob die Kündigung durch andere Maßnahmen, die geeignet sind, das Problem des Arbeitgebers zu beheben, hätte vermieden werden können (Verhältnismäßigkeitsprüfung), so dass man heutzutage besser von einem vierstufigen Prüfungsraster sprechen sollte. Die Intensität der Prüfung dieses Schritts durch das Gericht hängt insbesondere davon ab, ob der Arbeitgeber seinen Pflichten aus § 84 Absatz 2 SGB IX (Betriebliches Eingliederungsmanagement – bEM) ausreichend nachgekommen ist.

2.

Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 aaO; BAG 10. November 2005 – 2 AZR 44/05 – AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = NZA 2005, 655). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 aaO).

Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Absatz 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung bzw. Verbesserung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 aaO).

3.

Gemessen an diesem Maßstab hat sich das Arbeitsgericht zutreffend außer Stande gesehen, die notwendige Fehlzeitenprognose zu treffen.

a)

Der Beklagten ist zuzugestehen, dass bei pauschaler undifferenzierter Betrachtung der Ausfallzeiten der Klägerin in der Zeit von August 2011 bis zur Kündigung Ende Oktober 2015 aufgrund der Anzahl der Ausfalltage und der Häufigkeit der Ausfallereignisse die Schlussfolgerung gerechtfertigt scheint, auch zukünftig würde die Klägerin wegen weiterer Krankheiten in vergleichbarem Umfang arbeitsunfähig ausfallen.

Die Klägerin war 2011 insgesamt 139 Kalendertage arbeitsunfähig erkrankt, wobei dem ein einzelnes Ausfallereignis zu Grunde liegt. Im Jahre 2012 hatte die Klägerin 5 Ausfallzeiträume und war insgesamt 84 Kalendertage arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahre 2013 hatte die Klägerin 4 Ausfallzeiträume und war insgesamt 26 Kalendertage arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahre 2014 hatte die Klägerin 5 Ausfallzeiträume und war insgesamt 81 Kalendertage arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahre 2015 hatte die Klägerin bis zum Ausspruch der Kündigung Ende Oktober 6 Ausfallzeiträume und war insgesamt 70 Kalendertage arbeitsunfähig erkrankt.

Allein schon das Überschreiten der 42 Kalendertage Ausfallzeit in den Jahren 2014 und 2015 dürfte ausreichen, um daraus bei einer rein statistischen Betrachtungsweise den Schluss zu ziehen, die Klägerin werde auch zukünftig ähnlich hohe Ausfallzeiten verursachen. Zur Bestätigung dieses skeptischen Blicks in die Zukunft kann auf die durchschnittliche Ausfallzeit in den fünf Jahren 2011 bis 2015 abgestellt werden, die mit 80 Kalendertagen deutlich oberhalb von 42 Kalendertagen liegt. Der Gesamtbetrachtung des Fünfjahreszeitraums steht nicht der Umstand entgegen, dass die Klägerin 2013 mit 26 Kalendertagen Krankheit Ausfallzeiten unterhalb von 42 Kalendertagen aufzuweisen hatte, denn auch die verbleibenden 26 Kalendertage sind erheblich, so dass sich das Gericht nicht in der Lage sieht, die Jahre vor 2013 aus der prognostischen Bewertung auszuscheiden.

b)

Bezieht man bei dem Blick in die Zukunft jedoch die Krankheitsbilder mit ein, die die Ausfallzeiten verursacht haben, müssen mindestens die Ausfallzeiten wegen des eingeklemmten Nervs im linken Ellenbogen (139 Kalendertage 2011 und weitere 48 Kalendertage in 2012) und die Ausfallzeiten zur Ausheilung der Folgen des Sturzes im häuslichen Bereich (71 Kalendertage in 2014 sowie gegebenenfalls weitere 5 Kalendertage in 2015) als Prognosebasis ausgeschieden werden. Denn diese Krankheiten müssen als ausgeheilt betrachtet werden und Ausfallzeiten wegen ausgeheilter Krankheiten können – mit einer unten noch behandelten Ausnahme – nicht zur Abschätzung zukünftiger Ausfallzeiten herangezogen werden.

aa)

Die Probleme mit dem eingeklemmten Nerv im Ellenbogen des linken Arms der Klägerin, die zu der langen Ausfallzeit von Mitte August 2011 bis Mitte Februar 2012 geführt haben, müssen als ausgeheilt betrachtet werden. Es mag zwar zutreffend sein, dass sich eine solche Krankheit im Laufe eines Lebens wiederholen kann. Da aber im Arbeitsverhältnis der Parteien kein einziger Ausfalltag seit dem 17. Februar 2012, also über mehr als drei Jahre und acht Monate, auf diese Krankheit zurückgeführt werden kann, können diese Krankheit und die mit ihr verbundenen Ausfalltage für die Fehlzeitenprognose nicht genutzt werden.

Für eine chronische Erkrankung des Nervs im linken Ellenbogen der Klägerin gibt es keine ausreichenden Indizien. Von einer chronischen Erkrankung kann man nur sprechen, wenn sich aus derselben Krankheitsanlage (demselben Grundleiden) immer wieder akute Krankheitsepisoden mit Ausfallzeiten ergeben. Dafür gibt es vorliegend keine Anzeichen. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten beide Erkrankungen am linken Arm, also auch die Sehnenscheidenentzündung Anfang 2013, als auf ein einziges Grundleiden zurückführbar ansehen würde, könnte man lediglich von einem einmalig wiederholten Aufbrechen des Grundleidens sprechen. Das reicht für die Feststellung einer chronischen Krankheit nicht aus. Im Grunde sagt die Beklagte zu diesem Punkt auch lediglich, Ausfallzeiten wegen eines eingeklemmten Nervs im Ellenbogen könnten immer wieder auftreten, und zieht daraus die Schlussfolgerung, die Krankheit müsse chronisch sein. Dieser Schluss ist nicht gerechtfertigt, denn der für die krankheitsbedingte Kündigung notwendige Blick in die Zukunft muss notwendig immer beide Komponenten (Ausfallzeiten und deren medizinische Ursachen) im Blick haben, um sich nicht im Spekulativen zu verlieren.

Insoweit nimmt das Gericht ergänzend auch noch Bezug auf die Stellungnahme der internistischen Fachärzte B. vom 28. April 2016, die in einem Anschreiben an das Arbeitsgericht, das von der Klägerin zur Gerichtsakte gereicht wurde (Anlage K 13, hier Blatt 246), unter Bezugnahme auf die dem Schreiben beigefügte vollständige Zusammenstellung der ausgereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Klägerin, ausführen, "chronische Erkrankungen liegen definitiv nicht vor". Das kann zwar wegen der fehlenden Begründung dieses Standpunkts nicht als eine fundierte ärztliche Stellungnahme gewertet werden. Gleichwohl zeigt es indirekt, dass man von einem einmaligen Wiederaufbrechen einer Krankheit keinesfalls auf eine chronische Krankheitsanlage schließen kann.

In diesem Punkt verkennt die Beklagte auch die Darlegungs- und Beweislast. Da der Arbeitgeber nach § 1 Absatz 2 KSchG den Grund der Kündigung darzulegen hat, muss er auch im Zweifel die Tatsachen in den Rechtsstreit einführen, aus denen sich der Schluss ziehen lässt, gewisse Krankheiten müssten als eine chronische Krankheitsanlage gemeinsam betrachtet werden. Weiterer Vortrag dazu ist der Beklagten auch nicht unmöglich. Die Klägerin hat im Rechtsstreit umfassend auf ihr Krankheitsgeheimnis verzichtet, so dass es der Beklagten offen gestanden hätte, weitere Recherchen anzustellen. Das Beweisangebot der Beklagten, insoweit einen Sachverständigen zu Rate zu ziehen, ist nicht ausreichend, da ohne entsprechenden Sachvortrag nicht klar ist, welche Frage das Gericht dem Sachverständigen mit der Bitte um Erläuterung der Zusammenhänge vorlegen sollte.

bb)

Die Rückenprobleme der Klägerin, die als eine Folge des Unfallereignisses Mitte März 2014 angesehen werden müssen, müssen als ausgeheilt betrachtet werden.

 (i)

Das Gericht geht mit der Klägerin davon aus, dass ihre Rückenprobleme durch ein Unfallereignis Mitte März 2014 ausgelöst wurden. Soweit das Bestreiten der Beklagten dahin zu verstehen sein sollte, dass sie nicht nur den Treppensturz an sich, sondern überhaupt ein Unfallereignis in Form eines Sturzes als Auslöser der Rückenprobleme in Frage stellen wollte, wäre dieses Bestreiten als unbeachtlich anzusehen.

Denn der Chirurgische Notfallbericht, der anlässlich der Aufnahme der Klägerin über die Notaufnahme im Krankenhaus am 16. März 2014 verfasst wurde (Kopie hier Blatt 183), beschreibt Verletzungen der Klägerin, wie sie typischerweise bei einem Sturz oder einem ähnlichen Unfallereignis auftreten können. Denn der aufnehmende Arzt hat eine Prellung der Lendenwirbelsäule im Bereich des Kreuzbeins (Os sacrum) sowie eine Prellung am rechten Außenknöchel sowie Hämatome an der linken Flanke festgestellt. Insoweit muss er auch von einer erheblichen Verletzung ausgegangen sein, denn er hat das Fertigen einer Röntgenaufnahme zur Abklärung einer Fraktur angeordnet und er hat die Einnahme von Ibuprofen in einer verschreibungspflichtigen Dosierung (Ibuprofen 600) verordnet. – Es mag dahinstehen, ob die Verletzungen tatsächlich auf einen Treppensturz oder auf ein anderes Ereignis, dass dazu geführt hat, dass die Klägerin gestürzt ist, zurückzuführen ist. Denn jedenfalls reicht für den vorliegenden Zusammenhang die Feststellung aus, dass die Rückenprobleme der Klägerin durch ein Unfallereignis mit Verletzungsfolgen ausgelöst wurden.

 (ii)

Die Rückenprobleme der Klägerin, die als Folge des Sturzes aufgetreten sind, müssen als ausgeheilt betrachtet werden, denn spätestens seit Februar 2015 möglicherweise schon seit November 2014 sind keine Ausfallzeiten mehr aufgetreten, die auf das aufgetretene Rückenproblem zurückzuführen sind.

Verletzungen des Skeletts oder des Gewebes, die man sich bei einem Unfall zuzieht, heilen im Regelfall aus. Die Ausfallzeiten, die auf derartigen Heilungsprozesse zurückzuführen sind, fallen daher als Prognosegrundlage für zukünftige Fehlzeiten im Regelfall weg. Darauf hat das Arbeitsgericht seine Entscheidung in diesem Punkt gestützt. Für einen vom Regelfall abweichenden Krankheitsverlauf in Folge des vorliegenden Unfallereignisses liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.

Jedenfalls ist die Häufigkeit und Dauer der Ausfallzeiten der Klägerin wegen der Unfallfolgen nicht so ungewöhnlich hoch, dass sich darauf auf eine nicht ausgeheilte oder nicht ausheilbare Unfallfolge schließen lässt. Die Klägerin war vom Unfalltag im März 2014 an zunächst 30 Kalendertage erkrankt und hatte dann weitere Ausfallzeiten wegen der fortbestehenden Rückenprobleme vom 11. bis zum 21. September (11 Kalendertage) und ab dem 23. Oktober 2014 für weitere 30 Kalendertage. Schließlich ist sie im Februar 2015 nochmals 5 Kalendertage wegen Rückenbeschwerden ausgefallen. Die Klägerin hat also maximal 76 Kalendertage an den Folgen des Unfallereignisses laboriert. Das ist unter Berücksichtigung der Verletzung im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule nicht außergewöhnlich lange. Davon ist bereits das Arbeitsgericht ausgegangen, ohne dass die Beklagte im Berufungsrechtszug weitere Umstände zur Widerlegung dieser Feststellung vorgetragen hat.

Es liegen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin auf Grund des Unfalls in Form des Bandscheibenvorfalls einen bleibenden Schaden davongetragen hat, der auch zukünftig für weitere Krankheitsepisoden sorgen wird. Vielmehr ist lediglich davon auszugehen, dass anlässlich der aufwändig betriebenen Diagnostik bei der Klägerin sozusagen als Beifang ein Bandscheibenproblem festgestellt wurde. Es kann aber weder festgestellt werden, dass die seit dem Sturz aufgetretenen Rückenbeschwerden darauf zurückzuführen waren, noch kann überhaupt festgestellt werden, dass das entdeckte Bandscheibenproblem der Klägerin überhaupt schon einmal Probleme bereitet hat.

Die Beklagte stützt sich für ihre Behauptung, die Ausfallzeiten der Klägerin wegen des Rückenleidens seien auf einen Bandscheibenvorfall zurückzuführen, auf den ärztlichen Befundbericht vom 7. Oktober 2014, der in einer Klinik anlässlich der vom niedergelassenen Arzt angeordneten Magnetresonanztomographie (MRT) der unteren Wirbelsäule entstanden ist (Anlage K 8, hier Blatt 123). Die Folgerung, die die Beklagte aus dem Arztbericht zieht, wird vom Gericht nicht geteilt.

In dem Befundbericht heißt es zwar einleitend, die physiologisch bedingte natürliche Krümmung der Wirbelsäule (Lordosierung) sei aufgehoben. Anschließend wird jedoch festgestellt, dass das Hinterkantenalignment intakt sei und die Wirbelkörper normal hoch und ihre Randkonturen regelrecht abgrenzbar seien. Abnorme Signalveränderungen könnten nicht festgestellt werden, auch gebe es "keine erkennbaren posttraumatischen Knochenmarksveränderungen". Lediglich im Bereich LWK 4/5 gebe es eine Bedrängung der rechten L4-Nervenwurzel und dort sowie der näheren Umgebung dazu auch eine "Verplumpung der kleinen Wirbelgelenke". In der Bewertung stellt der befundende Arzt eine forminale Bandscheibenprotursion im Segment LWK 4/5 mit Ruptur des Anulus fibrosus und konsequtiver Bedrängung der rechten L4 Nervenwurzel im Foramen" fest.

Damit steht fest, dass medizinisch lediglich eine Bandscheibenvorwölbung (Protursion) und nicht ein Bandscheibenvorfall (Prolaps) festgestellt wurde. Bei der Bandscheibenprotursion kommt es noch nicht zum Kontakt zwischen der Gallertmasse aus dem Inneren der Bandscheibe mit dem umgebenden Gewebe, vielmehr ist lediglich der äußere Faserring der Bandscheibe (Anulus fibrosus) in seiner Funktionstüchtigkeit so eingeschränkt, dass sich die Gallertmasse im Inneren bereits auf den Rand zu vorwölben konnte. Die Aufgabe des äußeren Faserrings, den Kontakt der Gallertmasse mit umgebendem Gewebe zu verhindern, ist dabei noch erfüllt. Medizinisch gesehen gibt es auch keinen Automatismus, eine Protursion mündet nicht zwangsläufig in einen Prolaps. Wie die Klägerin zutreffend vorgetragen hat, kann eine Protursion entweder jahrelang beschwerdefrei ertragen werden oder sie kann sich gar gänzlich zurückbilden.

Aus dem Befundbericht ergeben sich auch sonst keine Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass das beim MRT zu Tage getretene Bandscheibenproblem der Klägerin Beschwerden bereitet. Das Gericht geht davon aus, dass der Arzt in seinem Bericht mitgeteilt hat, dass der kleine Kanal, der zwischen den Bandscheiben und der Wirbelsäule vorhanden ist und durch den die Nervenstränge nach außen geführt werden (Spinalkanal), im Bereich zwischen den Lendenwirbeln 4 und 5 aufgrund einer Beschädigung (Ruptur) des äußeren Faserrings der Bandscheibe (Anulus fibrosus) den Nerv L4 rechts bedrängt.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass gerade das im Befund beschriebene Problem für das seinerzeitige Leiden der Klägerin verantwortlich war. Diese Folgerung stützt das Gericht einerseits darauf, dass der befundende Arzt keine Folgen der festgestellten Bedrängung des Nervs festgestellt hat und auch darauf, dass der Begriff Bedrängung sehr offen ist. Er würde zumindest sehr gut zu einer Problembeschreibung passen, die akut keine Folgen mit Krankheitswert zeitigt, vielmehr ein bei negativer Entwicklung des Bedrängungsprozesses zukünftig möglicherweise auftretendes Problem skizziert. Diese Interpretation der Bewertung durch den befundenden Arztes harmoniert insbesondere mit dessen vorangegangener Feststellung, dass eine abnorme Signalveränderung nicht festgestellt werden könne.

Zum anderen stützt das Gericht seine Folgerung auch auf den Umstand, dass die Klägerin in den Tagen vor und nach der Befunderstellung überhaupt nicht arbeitsunfähig erkrankt war. Im fraglichen Zeitraum war sie zunächst vom 11. bis zum 21. September 2014 für 8 Kalendertage wegen ihres Rückenleidens erkrankt. Danach war sie wieder arbeitsfähig und zwar über den Tag der MRT-Untersuchung am 7. Oktober hinaus. Erst vom 23. Oktober 2014 an war sie dann nochmals 30 Kalendertage wegen des Rückenleidens erkrankt. Da man aus dem Gesamtverhalten der Klägerin wohl den Schluss ziehen darf, dass sie sich beim Auftreten ernsthafter Beschwerden krank gemeldet hätte, muss im Umkehrschluss davon ausgegangen werden, dass sie zum Zeitpunkt der Erstellung des MRT beschwerdefrei war.

Im Übrigen muss beachtet werden, dass nach dem Unfallbericht vom 16. März 2014 das Kreuzbein (Os sacrum), das sich am Ende der Wirbelsäule sozusagen als Lendenwirbelknochen 0 befindet, durch den Sturz in Mitleidenschaft gezogen wurde und nicht der Bereich bei den Lendenwirbelsäulenknochen 4 und 5, auf den sich die im MRT festgestellte Anomalie bezieht.

Damit kann lediglich festgestellt werden, dass die Klägerin im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule ein Problem hat, das theoretisch geeignet ist, zukünftig Leiden zu verursachen. Es ist aber weder klar, wann diese Probleme auftreten werden, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass das beim MRT festgestellte Problem notwendig oder mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu weiteren Ausfallzeiten der Klägerin führen wird. Dabei muss zu Gunsten der Klägerin auch berücksichtigt werden, dass ihr erheblicher Gewichtsverlust, den die Klägerin im weiteren Verlauf des Jahres 2015 zu verzeichnen hatte, und den sie auf die Überforderungssituation aufgrund der Scheidung zurückführt, sich generell positiv auf die Belastungssituation der unteren Wirbelsäule ausgewirkt haben dürfte.

In der Gesamtbetrachtung reicht das für eine Indizwirkung der festgestellten Ausfallzeiten 2014 und 2015 wegen der Rückenprobleme der Klägerin für zukünftige Ausfallzeiten nicht aus.

c)

Auch die Ausfallzeiten wegen der körperlichen Reaktion der Klägerin auf die durch die Scheidung ausgelöste Lebenskrise (54 Kalendertage in 2015) bieten keine Basis für eine Prognose weiterer Ausfallzeiten, da derartige Krankheiten nach allgemeiner Lebenserfahrung überwunden werden und Indizien für eine andere Prognose hier nicht vorliegen.

aa)

Dass diese Ausfallzeiten auf eine körperliche Reaktion der Klägerin auf ihre familiäre Belastungssituation zurückzuführen sind, steht für das Gericht aufgrund der ärztlichen Mitteilung vom 25. April 2014 (Anlage K 18, hier Blatt 251) mit ausreichender Sicherheit fest.

Der Arzt hat bei der Klägerin Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen festgestellt und hat diese ursächlich in Zusammenhang gestellt mit einem traumatischen Ereignis ("posttraumatischer Beschwerdekomplex"). Dieser kausale Zusammenhang ergab sich zwar für den Arzt in erster Linie aus dahingehenden Schilderungen der Klägerin, die subjektiv eingefärbt gewesen sein mögen. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass der Arzt aufgrund seiner Fachkunde in der Lage ist einzuschätzen, ob derartige Bekundungen eines Patienten nur vorgeschoben sind, oder ob man sie aus medizinischer Sicht für gegeben erachten kann. Auch wenn die Klägerin die Scheidung wegen der berichteten häuslichen Gewalt selbst vorangetrieben hat, ist es naheliegend, dass bei der Klägerin aus Anlass der Scheidung im Mai 2015 wegen der heftigen Auswirkungen der Scheidung auf ihren Mann und auf ihr Kind (erneut) Schuldgefühle und ähnliche Zweifel aufgekommen sind, auf die sie körperlich reagiert hat. Im Übrigen versteht das Gericht den Arztbericht dahin, dass die klägerische Lebenskrise nicht ausschließlich durch die Scheidung im Mai 2015 selbst verursacht wurde, die ja aus der Sicht der Klägerin sogar als befreiend angesehen werden könnte, sondern insbesondere auch aus der Sorge um die Folgeprobleme, nämlich die notwendige Neuordnung ihres Lebens unter Einschluss der Neuordnung der Aufsichtspflicht gegenüber ihrem noch im Haushalt lebenden minderjährigen Kind.

bb)

Wegen der zeitlichen Nähe der Kündigung zu der Ausfallzeit der Klägerin wegen des posttraumatischen Beschwerdekomplexes kann vorliegend zwar nicht festgestellt werden, dass dieses Leiden zum Zeitpunkt der Kündigung bereits ausgeheilt war. Allerdings kann festgestellt werden, dass weder das Leiden selbst noch die damit vor Ausspruch der Kündigung verbundenen Ausfallzeiten eine ausreichende Indizwirkung für die notwendige Fehlzeitenprognose haben.

Denn die Klägerin hat sich nach der Überzeugung des Gerichts im Sommer und Herbst 2015 in einer Lebenskrise befunden, in der sie vorübergehend ihren Lebensmut verloren hatte. Die vom Arzt beschriebenen Leiden sind für das Gericht als bekannte menschliche Reaktion auf derartige Krisen ohne weiteres nachvollziehbar. Allerdings entspricht es ebenso der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der angesichts solcher Lebenskrisen verlorene Lebensmut mit dem zeitlichen Abstand zu dem auslösenden Ereigniskomplex wiederkehrt, weil sich im Regelfall herausstellt, dass es trotz der erlebten Krise möglich ist, das Leben auch unter den veränderten Bedingungen geordnet und möglicherweise alsbald auch wieder mit Lebensfreude fortzuführen.

Angesichts dieses sozusagen natürlichen Verlaufs von Lebenskrisen mit Verlust des Lebensmuts kann man ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht davon ausgehen, dass diese Lebenskrise zukünftig zu Ausfallzeiten führen wird, die es erforderlich machen, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufzulösen. Irgendwelche objektiven Umstände aus der Zeit vor Ausspruch der Kündigung, die geeignet wären, den von der Beklagten gewünschten Schluss zu ziehen, die Klägerin werde nicht wieder auf die Beine fallen, sind jedenfalls nicht vorgetragen. Auf die mutmaßliche Dauer der Ausfallzeiten wegen der Lebenskrise kommt es dabei so gut wie nicht an. Denn erst dann, wenn festgestellt werden müsste, dass die Klägerin gar nicht mehr in der Lage ist, einen Ausweg aus der Lebenskrise zu finden, könnte man eine darauf aufbauende Kündigung ins Auge fassen. Weitere Ausführungen dazu können dahinstehen, da sich das Leben der Klägerin glücklicherweise nicht in diese Richtung entwickelt hat.

d)

Die danach für eine Zukunftsprognose der Ausfallzeiten noch heranziehbaren übrigen Ausfallzeiten sind so gering, dass eine zur Kündigung ausreichende negative Prognose nicht mehr möglich ist. Davon ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen.

Lässt man die oben unter b) und c) betrachteten Ausfallzeiten und Krankheitsursachen aus den dort genannten Gründen für die Fehlzeitenprognose außer Acht, sind die Ausfallzeiten der Klägerin insgesamt unauffällig niedrig. Im Jahre 2011 ergeben sich keine Ausfallzeiten, im Jahre 2012 ergeben sich 33 Kalendertage Ausfallzeit, im Jahre 2013 ergeben sich 8 Kalendertage Ausfallzeit, im Jahre 2014 ergeben sich 10 Kalendertage Ausfallzeit und im Jahre 2015 mindestens 11 Kalendertage Ausfallzeit. Zählt man die 5 Ausfalltage im Februar wegen des Rückenleidens ebenfalls dazu, kommt man auf 16 Ausfalltage. Das ergibt über die Jahre 2012 bis 2015 eine durchschnittliche Ausfallzeit pro Jahr im Umfang von etwas unter 17 Kalendertagen. Das ergibt gemessen in Kalendertagen eine Ausfallquote unter 5 Prozent. Würde man die durch die Ausfalltage ausgefallenen Arbeitstage als Rechengröße zu Grunde legen, wäre die Quote sicher etwas höher anzusetzen. Sie könnte aber die von der Beklagten angegebenen Ausfallquote im Betrieb im Umfang von rund 6 Prozent der Arbeitszeit jedenfalls nicht deutlich übersteigen.

Wegen dieses Befundes, der selbst bei fehlender Kenntnis der Krankheitsursachen nicht für eine grobe Prognose zukünftiger unzumutbarer Fehlzeiten ausreichen würde, kann das Gericht offen lassen, ob die zu Grunde liegenden Krankheiten ausgeheilt sind.

Das gilt auch für die von der Beklagten in den Vordergrund gestellten Ausfallzeiten wegen der Erkrankung der Atemwege. Atemwegserkrankungen haben 2012 zu 26 Kalendertagen Ausfallzeit geführt, 2013 zu keiner Ausfallzeit, 2014 zu 7 Kalendertagen Ausfallzeit und 2015 zu 4 Kalendertagen Ausfallzeit. In 4 Kalenderjahren sind also insgesamt 37 Kalendertage auf die Erkrankung der Atemwege zurückzuführen. Das ergibt einen Jahresdurchschnitt von 9,25 Kalendertagen. Das sind zwar auffällig hohe und auffällig häufige Ausfallzeiten. Das Gericht sieht sich aber nicht in der Lage, allein aufgrund dieser Umstände von einer chronischen Erkrankung der oberen Atemwege zu sprechen. Dazu fehlt es insbesondere an Sachvortrag zur medizinischen Bewertung der Problemlage. Für den Vortrag entsprechender medizinischer Einschätzungen liegt die Darlegungs- und Beweispflicht bei der Beklagten, da sie den Kündigungsgrund darzustellen hat (§ 1 Absatz 2 KSchG). Die Anzahl der Ausfallereignisse (im Durchschnitt eine Ausfallzeit pro Kalenderjahr) und die Anzahl der Ausfalltage geben jedenfalls keinen Anlass, die Darlegungs- und Beweislast für eine fehlende chronische Erkrankung in Richtung der Klägerin zu verschieben.

Das Gericht möchte der Klägerin allerdings den ernst gemeinten Rat erteilen, sie möge den Auszug aus der ärztlichen Krankenakte der Ärzte B. & B., der als Anlage K 3 zur Akte gereicht wurde (Computerausdruck, hier Blatt 78f) – insbesondere soweit sich die Parteien nicht auf diese Anlage bezogen haben – aufmerksam durchlesen und beachten, dass dort mehrfach die Diagnose (Kürzel "QDG" in Spalte 2 der tabellarischen Zusammenstellung) Nikotinabusus auftaucht. Auch wenn bisher keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Erkrankungen der oberen Atemwege auf diese Ursache zurückzuführen sind, sollte die Klägerin ernsthaft darüber nachdenken, ihre bisherigen Rauchgewohnheiten aufzugeben, denn über die Jahre kann sich aus einem Nikotinabusus sehr wohl eine chronische Erkrankung ergeben.

e)

Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich die notwendige Fehlzeitenprognose auch nicht mit einer Krankheitsanfälligkeit der Klägerin begründen.

aa)

Wird die negative Zukunftsprognose auf eine Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers gestützt, betrachtet man alle Ausfallzeiten gemeinsam unter Einschluss der ausgeheilten Krankheiten. Hier bedarf es der positiven Feststellung, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer konstitutionellen Schwäche oder aus sonstigen feststellbaren Gründen dazu neigt, krank zu werden (BAG 10. November 2005 – 2 AZR 44/05 – AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = NZA 2006, 655). Eine Krankheitsanfälligkeit verlangt die gerichtliche Feststellung, dass sich die Anzahl der Krankheitsereignisse und deren Dauer signifikant über dem zu erwartenden Durchschnitt des Auftritts gleicher oder vergleichbarer Krankheiten bei anderen Beschäftigten bewegt. Das BAG hat in der vorerwähnten Entscheidung dementsprechend darauf abgestellt, ob die Ausfallzeiten, die auf eine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, den Schwellenwert von 42 Kalendertagen im Kalenderjahr überschreiten.

Blickt man nur auf diese statistischen Daten der klägerischen Ausfallzeiten, könnte man durchaus von einer Krankheitsanfälligkeit sprechen.

bb)

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Negativprognose aufgrund einer Krankheitsanfälligkeit erschöpft sich allerdings nicht in einer statistischen Analyse der Ausfallzeiten. Vielmehr verlangt das Bundesarbeitsgericht zusätzlich so etwas wie eine plausible Erklärung für die Krankheitsanfälligkeit. Allgemein gesprochen kann ein solche Erklärung beispielsweise in einem ungesunden Lebenswandel gesehen werden, im Betreiben verletzungsgeneigter Sportarten, in einer konstitutionellen Schwäche (Anfälligkeit für bestimmte Krankheitsarten) oder – insbesondere bei fortgeschrittenem Lebensalter – im Auftreten körperlichen Verschleißerscheinungen. In der bereits mehrfach zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. November 2005 hatte das Gericht beispielsweise darauf abgestellt, dass sich nahezu alle Ausfallzeiten auf Rückenprobleme im weitesten Sinne und auf Entzündungen der Nebenhöhlen und Schleimhäute zurückführen ließen, und hat damit auf eine konstitutionelle Schwäche des dortigen Arbeitnehmers abgestellt, was freilich auch dadurch erheblich erleichtert wurde, dass ein Arbeitsmediziner dem dortigen Kläger bereits aus seinem medizinischen Blickwinkel eine "schicksalhafte Krankheitsanfälligkeit" bescheinigt hatte.

Ein vergleichbarer gemeinsamer Nenner für die verschiedenen Krankheiten der Klägerin lässt sich vorliegend nach Überzeugung des Gerichts (noch) nicht feststellen. Die Klägerin hatte 2011, 2012 und 2013 Probleme mit ihrem linken Arm (eingeklemmter Nerv, Sehnenscheidenentzündung), 2014 und 2015 hatte sie Rückenprobleme und 2015 hat sie körperlich auf eine Lebenskrise reagiert. Dazu gesellen sich über die Jahre verteilt kürzere Ausfallzeiten wegen Zahnproblemen, wegen Augenleiden, wegen einer Hauterkrankung, wegen Atemwegserkrankungen, wegen Erkrankungen im Magen- und Darmbereich und wegen urologischer Erkrankungen. Einen irgendwie gearteten Zusammenhang zwischen diesen verschiedenen Krankheiten kann das Gericht nicht erkennen. Selbst eine geschwächte körperliche Konstitution als Erklärung für die Krankheitsanfälligkeit kann nicht festgestellt werden, denn das Gericht ist nicht in der Lage das Element der körperlichen Konstitution zu benennen, das diese Schwäche ausgelöst hat.

cc)

Selbst wenn man – hilfsweise – davon ausgehen wollte, dass sich die Feststellung der Krankheitsanfälligkeit in einer statistischen Analyse der Ausfallzeiten erschöpfen soll, könnte vorliegend keine Krankheitsanfälligkeit festgestellt werden, da es die Beklagte unterlassen hat, die klägerischen Ausfallzeiten für die gesamte Zeit der Zusammenarbeit oder jedenfalls für einen deutlich längeren Zeitraum vorzutragen. Die Klägerin ist seit 2003 bei der Beklagten beschäftigt, Angaben zu den Ausfallzeiten liegen jedoch nur für die Zeit ab August 2011 vor. Wie die mehrfach zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. November 2005 zeigt, bedarf es jedoch für die Feststellung der Krankheitsanfälligkeit einer umfassenden Analyse der Ausfallzeiten im gesamten Arbeitsverhältnis, zumindest muss einen sehr viel größeren Beobachtungszeitraum als vorliegend zu Grunde legen.

Denn wenn man den vorliegenden Betrachtungszeitraum von knapp 5 Jahren ausreichen lassen würde, würde es zwischen den Anforderungen an die erste Grobprognose des Arbeitgebers ohne Kenntnis medizinischer Ursachen der Ausfallzeiten und der Feststellung der Krankheitsanfälligkeit keinen Unterschied mehr geben. Das kann nicht richtig sein, denn dann käme es unter keinen Umständen mehr auf eine medizinische Bewertung der Ausfallzeiten an, was ersichtlich nicht mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Einklang steht.

4.

Da die soziale Rechtfertigung der Kündigung hier schon an der Negativprognose scheitert, kann das Gericht alle weiteren Prüfungsschritte einer wirksamen krankheitsbedingten Kündigung und den damit verbundenen Streit der Parteien offenlassen.

II.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da das von ihr eingelegte Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 ZPO).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.



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