Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 3 Sa 390/13

Verkaufsstellenleiterin in (Eltern-)Teilzeit

Begehrt eine (in Vollzeit arbeitende) Verkaufsstellenleiterin Elternzeit in Teilzeit, so steht diesem Begehren grundsätzlich nicht das Stellenprofil entgegen. Insbesondere kann der Arbeitgeber dieses Verlangen nicht mit dem Argument ablehnen, er beschäftige Verkaufsstellenleiter nur in Vollzeit. Auch die ständige Erreichbarkeit, die die Stelle erfordert, oder Probleme mit der Zuweisung eines Dienstwagens stellen keine betrieblichen Gründe für die Ablehnung dar.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts  Koblenz vom 11.07.2013, Az.: 2 Ca 2312/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über Ansprüche der Klägerin auf Beschäftigung in Elternteilzeit.

Die Klägerin wurde mit Anstellungsvertrag vom 28.07.2010 von der Beklagten in Vollzeit (40 Wochenstunden) bei zuletzt 4.843,00 EUR Bruttomonatsverdienst und Tätigkeit im Homeoffice eingestellt in der Funktion eines regionalen Verkaufsleiters; hinsichtlich des Inhalts des schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages und der dazu ergangenen Stellenbeschreibung wird auf die Darstellung im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (S. 2 bis 4 = Bl. 130 bis 132 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin brachte am 27.07.2011 ihr Kind zur Welt. Die Beklagte willigte in das Elternzeitbegehren der Klägerin bis 26.07.2013 ein. Die Klägerin strebt für Teile der Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung an und hat sich insoweit per E-Mail an vom 02.08.2011 an die Beklagte gewandt, hinsichtlich deren Inhalts auf Seite 4 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 132 d. A. und Bl. 19 f. d. A.) Bezug genommen wird.

Schlussendlich lehnte die Beklagte mit Bevollmächtigtenschreiben vom 06.06.2012, hinsichtlich dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 26 f. d. A. sowie S. 6 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 134 d. A.) Bezug genommen wird, eine Teilzeitbeschäftigung mit reduzierter Arbeitszeit für die Klägerin ab. Hinsichtlich der insoweit gefolgten Korrespondenz, E-Mails, Telefonate usw. wird auf S. 4 bis 6 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 132 bis 134 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beruft sich für die Ablehnung einer Beschäftigung in Elternteilzeit auf dringende betriebliche Gründe im Sinne von § 15 As. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG. Zur Darstellung des Vorbringens der Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug insoweit wird auf S. 7 bis 9 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 135 bis 137 d. A.) Bezug genommen. Insbesondere macht die Beklagte geltend, dass sie als regionale Verkaufsleiter ausschließlich Vollzeitkräfte beschäftigt. Im Hinblick auf die Besonderheiten dieser Tätigkeit sei zudem eine wechselseitig stetige Erreichbarkeit vorauszusetzen. Zudem müsse der Arbeitsplatz der Klägerin während der Elternzeit mit einem weiteren Mitarbeiter besetzt sein; insoweit sei zwischenzeitlich eine Neueinstellung erfolgt. Schließlich entstünden unverhältnismäßig hohe Kosten bei einer (zeitweiligen) Besetzung des Arbeitsplatzes der Klägerin mit zwei Teilzeitkräften; dies gelte insbesondere im Hinblick auf den zur Verfügung ge-stellten Dienstwagen.

Die Klägerin hat demgegenüber vorgetragen,

sie bestreite, dass der Arbeitsplatz eines Regionalverkaufsleiters nach dem unternehmerischen Konzept der Beklagten nicht in Teilzeit auszuüben sei bzw. eine Beschäftigung von zwei Teilzeitregionalverkaufsleitern in ihrem Arbeitsvertragsgebiet zu unverhältnismäßigen Mehrkosten der Beklagten führe. Im Übrigen sei sie  - die Klägerin - durchaus bereit, an den zwei verbleibenden Arbeitstagen ein bis zwei Stunden telefonisch oder per E-Mail bzw. SMS, was die regelmäßige Kommunikationsform ausmache, erreichbar zu sein.

Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens der Klägerin im erstinstanz-lichen Rechtszug wird auf S. 10 bis 12 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 138 bis 140 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag der Klägerin auf Verringerung ihrer vertraglichen Arbeitszeit auf 24 Wochenstunden für die Zeit vom 27. Juli 2012 bis zum 26. Juli 2013, verteilt auf 8 Stunden (ohne Pause) pro Tag an den Tagen Montag bis Freitag, zuzustimmen

hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag der Klägerin auf Verringerung ihrer vertraglichen Arbeitszeit auf 24 Wochenstunden für die Zeit vom 27. Juli 2012 bis zum 26. Juli 2013, verteilt auf 8 Stunden (ohne Pause) pro Tag an den Wochentagen Montag bis Freitag, wobei die Beklagte ein Wahlrecht betreffend die Wochentage haben soll, zuzustimmen

hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag der Klägerin auf Verringerung ihrer vertraglichen Arbeitszeit auf 24 Wochenstunden in der Zeit vom 27. Juli 2012 bis zum 26 Juli 2013 zuzustimmen, wobei die Verteilung der Arbeitszeit, die täglich 8 Stunden (ohne Pause) betragen soll, in das Wahlrecht der Beklagten gestellt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ergänzend vorgetragen,

dass spätestens mit Ablauf des 26.07.2013 jedes Rechtsschutzbedürfnis für die gestellten Klageanträge entfallen müsse bzw. entfallen sei.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin durch Urteil vom 11.07.2013 die Beklagte verurteilt, dem Antrag der Klägerin auf Verlängerung der vertraglichen Arbeitszeit auf 24 Wochenstunden in der Zeit vom 27.07.2012 bis zum 26.07.2013 zuzustimmen, wobei die Verteilung der Arbeitszeit, die täglich 8 Stunden (ohne Pause) betragen solle, in das Wahlrecht der Beklagten gestellt wird. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 130 bis 157 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 02.09.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 11.09.2013 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 04.212.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag durch Beschluss vom 23.10.2013 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 04.12.2013 einschließlich verlängert worden war.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, dem Teilzeitbegehren der Klägerin während der Elternzeit stünden dringende betriebliche Gründe der Beklagten im Sinne von § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG entgegen. Dies gelte insbesondere für die Unzumutbarkeit aufgrund erhöhter Kosten (Dienstwagen, Laptop, Handy usw.). Des Weiteren ergebe sich die Unzumutbarkeit auch daraus, dass die Stelle als Regionalverkaufsleiter ausschließlich mit Vollzeitkräften zu besetzen sei und schließlich daraus, dass auch die Einstellung des Mitarbeiters B. auf dem Arbeitsplatz der Klägerin dem Teilzeitbeschäftigungswunsch der Klägerin entgegenstehe. Denn diese Einstellung stelle einen entgegenstehenden dringenden betrieblichen Grund dar.

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im zweitinstanzlichen Rechtszug wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 04.12.2013 (Bl. 190 bis 200 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.07.2013 (2 Ca 2312/12) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die Anspruchsvor-aussetzungen zur Elternzeit seien erfüllt. Ihrem Ansinnen stünden keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen. Unabdingbar erhöhte Kosten seien schon deshalb vermeidbar, weil sie - die Klägerin - stets angeboten habe, auch außerhalb ihrer regulären Arbeitstage telefonisch erreichbar zu sein. Im Übrigen widerspreche das Vorgehen der Beklagten dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, in Elternzeit befindlichen Eltern die Möglichkeit zu geben, während der Elternzeit in Teilzeit zu arbeiten. Auch habe sie - die Klägerin - angeboten, die Kosten für private Fahrten für die Beklagte auf Null zu reduzieren. Der Wille der Beklagten, die Stelle der Klägerin als Regionalverkaufsleiter ausschließlich mit Vollzeitkräften zu besetzen, sei kein objektives Kriterium und begründe nicht die Unzumutbarkeit der Beklagten zur Beschäftigung der Klägerin in Teilzeit. Ein irgendwie geartetes dahingehendes organisatorisches Konzept der Beklagten sei nicht nachvollziehbar. Auf eine Neueinstellung könne sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil diese erfolgt sei, obwohl die Klägerin zuvor bereits ihren Teilzeitwunsch (E-Mail vom 02.08.2011) mitgeteilt habe. Von daher habe die Beklagte keineswegs alles getan, was von ihr verlangt werden könne.

Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 08.01.2014 (Bl. 216 bis 221 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 24.02.2014.

Entscheidungsgründe

I.  Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.  Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die streitgegenständliche Verurteilung der Beklagten verlangen kann.

Der geltend gemachte Antrag ist bei gebotener Auslegung einheitlich aufzufassen und als solcher hinreichend bestimmt; davon ist das Arbeitsgericht mit ausführ-licher und zutreffender Begründung ausgegangen. Deshalb wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 13 bis 17 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 141 bis 145 d. A.) Bezug genommen.

Mit dem Arbeitsgericht ist des Weiteren davon auszugehen, dass auch keinerlei Zweifel am Rechtsschutzinteresse bestehen. Denn im Fall der begehrten Elternzeit verbleibt auch dann ein Leistungsinteresse für den auf Annahme des Elternteilzeitwunschs gerichteten Antrag, wenn der Zeitraum, für den die Vertragsänderung gelten soll, bereits abgelaufen ist. Dies gilt schon deshalb, weil das ggf. zeitweilig veränderte Vertragsverhältnis abzuwickelnde Anspruchs- und Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft haben kann (BAG 15.12.2009, NZA 2010, 447; 05.06.2007, NZA 2007, 1352).

Die Klage ist auch in der Sache voll umfänglich begründet. Denn die Anspruchsvoraussetzungen zur Elternteilzeit im Sinne des § 15 Abs. 7 BEEG waren erfüllt. Der Klägerin war zunächst Elternzeit im Sinne von § 16 BEEG bewilligt worden, ein Teilzeitantrag nach § 15 Abs. 7 BEEG lag vor, die allgemeinen Bewilligungsbedingungen nach § 15 Abs. 7 BEEG waren erfüllt und es standen schließlich entgegen der Auffassung der Beklagten keine dringenden betrieblichen Gründe im Sinne von § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4, Satz 4 BEEG dem Teilzeitwunsch als solchem oder Ermessensgründe der konkreten Arbeitszeitverteilung entgegen.

Davon ist das Arbeitsgericht mit ausführlicher und zutreffender Begründung ausgegangen; deshalb wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 17 bis S. 27 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 145 bis 155 d. A.) Bezug genommen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der vermeintlich erhöhten Kosten, der nicht zu teilenden Auffassung der Beklagten, der Arbeitsplatz sei aufgrund des Stellenprofils keiner Teilbarkeit zugänglich, der ebenso wenig geteilten Annahme nennenswerter Störungen sowie der zu verneinenden Annahme eines fehlenden Beschäftigungsbedürfnisses für die Klägerin wegen der unbefristeten (Fest-)Anstellung des neuen Mitarbeiters.

Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichenden Beurteilungen des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tat-sachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht lediglich - wenn auch aus der Sicht der Beklagten verständlich - deutlich, dass die Beklagte die vom Arbeitsgericht vorgenommene tatsächliche und rechtliche Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug, der die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht teilt. Das gilt zum einen im Hinblick auf die vermeintliche Unzumutbarkeit aufgrund erhöhter Kosten, die vermeintliche Unzumutbarkeit aufgrund Unteilbarkeit der Stelle sowie schließlich die vermeintliche Unzumutbarkeit aufgrund fehlenden Beschäftigungsbedarfs. All diese Umstände hat das Arbeitsgericht ausführlich und zutreffend gewürdigt, so dass das Berufungsvorbringen keine Veranlassung zu weiteren Ausführungen gibt.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.



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