Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 3 Sa 247/12

Offenbarungspflicht bei Vertragsverhandlungen - Anordnung von Kurzarbeit

Bei der Anbahnung eines Arbeitsvertrages muss der Arbeitgeber nicht von sich aus dem Bewerber offenbaren, dass in der Abteilung, die er (hier: als Key Account Manager) mit Aufträgen versorgen wird, Kurzarbeit angeordnet ist.
Daran ändert sich auch nichts, wenn der Bewerber noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.04.2012 - 8 Ca 2101/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen.

Der am 11. April 1974 geborene, verheiratete und gegenüber zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Firma P. Engineering Systems AG in D. beschäftigt. Dort bezog er ausweislich der Abrechnung seines Vorarbeitgebers für den Monat Oktober 2010 (Bl. 113 d. A.) ein Gesamt-Bruttoentgelt in Höhe von 5.545,00 EUR (Fix-Gehalt in Höhe von 4.667,00 EUR brutto zzgl. eines variablen Gehaltsbestandteils in Höhe von 583,00 EUR brutto und eines Betrags in Höhe von 295,00 EUR brutto für die Nutzung des Dienstwagens).

Die Beklagte beauftragte im August 2010 Herrn H. mit der Vermittlung eines Mitarbeiters für ihren Vertrieb, woraufhin zwischen den Parteien Vertragsverhandlungen geführt wurden. Im Betrieb der Beklagten waren damals insgesamt 16 Arbeitnehmer beschäftigt, davon acht Arbeitnehmer in der Abteilung Systemberatung/Technik, für die in der Zeit von März 2010 bis Juni 2011 Kurzarbeit angeordnet war. Die Abteilung Vertrieb hat die Aufgabe, die Abteilung Systemberatung/Technik mit Dienstleistungsaufträgen zu versorgen, Projekte mit Handelsware und Dienstleistungen zu generieren und marketingtechnische Aktivitäten zur Bekanntmachung des Unternehmens zu veranlassen. Diese Aktivitäten haben das gemeinsame Ziel, eine möglichst hohe Auslastung der Abteilung Systemberatung/Technik zu erreichen. Nach entsprechendem Hardwareverkauf über die Außendienstmitarbeiter des Vertriebs wird im Rahmen der Einrichtung und Betreuung der jeweiligen Systeme durch die Abteilung Systemberatung/Technik der Hauptumsatz der Beklagten erwirtschaftet, weil die Marge im Hardwareverkauf äußerst gering ist. Im Rahmen der zwischen den Parteien geführten Vertragsverhandlungen wurde von Seiten der Beklagten weder der Kläger noch der von ihr beauftragte Personalvermittler H. auf die angeordnete Kurzarbeit in der Abteilung Systemberatung/Technik hingewiesen. Der Beklagten war bekannt, dass der Kläger noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stand. Am 3. November 2010 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 17 - 20 d. A.), der u.a. folgende Regelungen enthält:

"§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses
(1) Der Mitarbeiter tritt mit Wirkung vom 01.01.2011 in die Dienste der Firma. Vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ist die Kündigung ausgeschlossen.
(2) Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit. Während dieser Zeit können die Vertragspartner das Arbeitsverhältnis mit gesetzlicher Frist kündigen.

§ 2 Tätigkeit
(1) Der Mitarbeiter wird im Bereich Vertrieb als Key Account Manager angestellt.

(...)

§ 4 Vergütung
(1) Der Mitarbeiter erhält für seine vertragliche Tätigkeit innerhalb der Probezeit ein festes Jahresbruttogehalt von 63.000,00 EUR. Die Vergütung ist in zwölf Teilbeträgen jeweils am Letzten eines Monats fällig. Mit der Vergütung sind sämtliche, von der Firmenleitung angeordneten, Überstunden abgegolten.
(2) Der Mitarbeiter erhält innerhalb der Probezeit bei Überschreitung des Margenziels einen variablen Gehaltsanteil. Die Regelung des variablen Gehaltsanteils ist in der Anlage "Ziel- und Provisionsvereinbarung innerhalb der Probezeit, 01.01.2011 - 30.06.2011" vereinbart.
(3) Der Mitarbeiter erhält für seine vertragliche Tätigkeit nach Ablauf der Probezeit ein festes Jahresbruttogehalt von 63.000,00 EUR. Die Vergütung ist in zwölf Teilbeträgen jeweils am Letzten eines Monates fällig. Mit der Vergütung sind sämtliche, von der Firmenleitung angeordneten, Überstunden abgegolten.
(4) Der Mitarbeiter erhält nach Ablauf der Probezeit einen variablen Jahresbruttogehaltsanteil in Höhe von 27.000,00 EUR bei 100% Zielerreichung. Die Ziele werden jährlich zum 01.04. beginnend mit dem Geschäftsjahr festgelegt.

(...)"

In der Anlage zum Arbeitsvertrag der Parteien vom 3. November 2010 (Bl. 59, 60 d.A.) heißt es u.a.:

„Ziel- und Provisionsvereinbarung innerhalb der Probezeit, 01.01.2011-30.06.2011

§ 1 Zielvereinbarung
(1) Für den Zeitraum der Probezeit vereinbaren die Vertragsparteien ein Margenziel in Höhe von 42.525,00 Euro.
Das Margenziel ergibt sich aus dem Verkauf von Hard-, Software und Wartungsverträgen sowie Dienstleistungen externer Mitarbeiter. Die Berechnung der Marge erfolgt aus der Differenz des Verkaufs- und Einkaufspreises. Verkaufspreis abzgl. Einkaufspreis = Marge.
(2) Die Zielvorgabe wird als Grundlage zur Ermittlung des variablen Gehaltsanteils verwendet.

(...)“

Nach Abschluss des Arbeitsvertrags der Parteien am 3. November 2010 kündigte der Kläger noch am gleichen Tag sein Arbeitsverhältnis mit der Firma P. Engineering Systems AG in D. mit Schreiben vom 3. November 2010 (Bl. 22 d. A.) zum 31. Dezember 2010.

Die Beklagte kündigte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 1. Juni 2011 (Bl. 21 d. A.) "innerhalb der Probezeit" zum 15. Juni 2011. Seine hiergegen beim Arbeitsgericht Mainz erhobene Kündigungsschutzklage (AZ: 3 Ca 1145/11) nahm der Kläger zurück. Zum 1. März 2012 hat er eine neue Anstellung gefunden.

Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 13.379,51 EUR für die Zeit vom 16. Juni 2011 bis Februar 2012 wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen in Anspruch.

Er hat erstinstanzlich vorgetragen, die Beklagte habe ihn über wesentliche Tatsachen, die erkennbar seinen Entschluss zu einem Arbeitsplatzwechsel hätten beeinflussen müssen, im Unklaren gelassen, nämlich über die seit Monaten andauernde Kurzarbeit. Er hätte keinesfalls sein langjährig bestehendes Arbeitsverhältnis bei der Firma P. Engineering Systems AG in D. beendet, falls ihm dies von Seiten der Beklagten mitgeteilt worden wäre. Bei dem Umstand, dass in einem Unternehmen schon seit Monaten Kurzarbeit angeordnet sei, handele es sich um eine bei Vertragsanbahnung offenbarungspflichtige Tatsache, weil diese in jedem Fall den Entschluss eines wechselwilligen Arbeitnehmers beeinflusse. Für die Beklagte habe sich aufdrängen müssen, dass er eine entsprechende Information erwartet hätte und mangels Angabe dieser Tatsache davon habe ausgehen müssen, dass sich die Beklagte in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen befinde. Das Verschweigen der Anordnung von Kurzarbeit sei auch kausal für den bei ihm eingetretenen Schaden gewesen. Bei Kenntnis der bestehenden Kurzarbeit hätte er sein bestehendes unbelastetes Arbeitsverhältnis zum Vorarbeitgeber nicht gekündigt. Zu dem Arbeitsverhältnis der Parteien sei es nicht etwa aus dem Grunde gekommen, dass er auf der Suche nach einem neuen Arbeitsverhältnis gewesen sei und er sich wegen einer Veränderung seines beruflichen Werdeganges mit Herrn H. in Verbindung gesetzt habe. Vielmehr sei der Kontakt über den sog. Headhunter H. nicht von ihm, sondern von diesem selbst gekommen. Dieser habe ihn über die Internetplattform Xing kontaktiert und ihm die zu besetzende Stelle der Beklagten vorgestellt. Die Beklagte habe sich aufgrund des Verschweigens der Kurzarbeit als offenbarungspflichtiger Tatsache wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen dem Grunde nach schadensersatzpflichtig gemacht. Bei Ausspruch der Kündigung sei durch den Geschäftsführer der Beklagten kommuniziert worden, dass man es sich aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Beklagten nicht mehr leisten könne, ihn weiterzubeschäftigen. Es seien rein wirtschaftliche Gründe genannt worden. Entgegen der Darstellung der Beklagten habe er das vereinbarte Margenziel erreicht; wegen der diesbezüglichen Ausführungen des Klägers wird auf seinen Schriftsatz vom 27. Februar 2012 (Ziff. I 2) verwiesen. Im Übrigen sei aus seiner Sicht die Erzielung der Marge auch nicht Bedingung für ein Bestehen der Probezeit gewesen. Gemäß den von ihm exemplarisch genannten Bewerbungen habe er sich intensiv bemüht, eine Neuanstellung zu finden, so dass er damit seiner Schadensminderungspflicht genügt habe. Ausgehend von seinem erzielten Monatsgehalt in Höhe von 3.811,76 EUR netto errechne sich unter Berücksichtigung des von ihm bezogenen Arbeitslosengeldes in Höhe von monatlich 2.237,70 ein monatlicher Fehlbetrag in Höhe von 1.574,06 EUR netto, den er für die Zeit vom 16. Juni 2011 bis Februar 2012 als Schadensersatz geltend mache (8,5 Monate x 1.574,06 EUR = 13.379,51 EUR).

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.379,51 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 787,03 EUR netto in der Zeit vom 16. Juni bis 30. Juni 2011, aus jeweils 1.574,06 EUR seit dem 1. Juli 2011, 1. August 2011, 1. September 2011, 1. Oktober 2011, 1. November 2011, 1. Dezember 2011, 1. Januar 2012 und seit dem 1. Februar 2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert, sie sei nicht dazu verpflichtet gewesen, dem Kläger mitzuteilen, dass Mitarbeiter einer anderen Abteilung Kurzarbeit ausführten. Im Übrigen fehle es an der erforderlichen Kausalität, weil die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auf die angeordnete Kurzarbeit zurückzuführen sei. Bei der Festlegung des in § 1 der Zielvereinbarung vorgesehenen Margenziels sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Erreichung dieses Ziels die Grundlage einer Festanstellung nach der Probezeit sei. Sie habe jedoch dann feststellen müssen, dass der zur Neukundenakquise eingestellte Kläger die Zielvereinbarung auch nicht einmal annähernd erreichen werde. Der Kläger sei entlassen worden, weil er noch nicht einmal 2 % des vereinbarten Margenziels erreicht habe. Die vom Kläger behaupteten Umsätze und Margen zum 30. Juni 2011 seien tatsächlich überwiegend nicht realisiert worden. Ihre Kündigung habe in keinem Zusammenhang mit der angeordneten Kurzarbeit gestanden.

Mit Urteil vom 27. April 2012 - 8 Ca 2101/11 - hat das Arbeitsgericht Mainz die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte keine Aufklärungspflicht verletzt habe. Bei der in der Abteilung Systemberatung/Technik angeordneten Kurzarbeit handele es sich um keinen Umstand, der die vollständige Durchführung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien in Frage gestellt habe. Die Anordnung von Kurzarbeit in einer Betriebsabteilung sei nicht gleichbedeutend mit erheblichen Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens. Aus der Kurzarbeit in der Abteilung Systemberatung/Technik folge auch nicht, dass die Beklagte Zweifel hätte haben müssen, ob sie den Kläger tatsächlich werde beschäftigen können. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass durch den Vertrieb die von der Abteilung Systemberatung/Technik dann abzuwickelnden Aufträge vermittelt würden und nicht etwa umgekehrt die Tätigkeit des Klägers als Vertriebsmitarbeiter von dem Arbeitsergebnis der Abteilung Systemberatung/Technik abhängig sei. In Anbetracht der in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages ausdrücklich vereinbarten Probezeit von sechs Monaten habe die Beklagte dem Kläger auch nicht ein "geschütztes" Arbeitsverhältnis zugesagt.

Gegen das ihm am 24. Mai 2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 31. Mai 2012, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12. Juli 2012, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Er trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe eine Aufklärungspflicht der Beklagten aufgrund der in ihrem Betrieb angeordneten Kurzarbeit bestanden. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn über alle wesentlichen Umstände aufzuklären, die aus ihrer Sicht für seinen Entschluss, sein bestehendes und der Beklagten bekanntes Arbeitsverhältnis zu beenden und zu ihr überzuwechseln, maßgeblich sein mussten. Hierzu habe insbesondere auch ohne ausdrückliches Nachfragen die Offenbarung angeordneter Kurzarbeit gehört. Denn alleine die Anordnung von Kurzarbeit lasse Rückschlüsse darauf zu, wie die Auftragslage bei der Beklagten beschaffen sei und inwieweit es sich bei ihr um ein wirtschaftlich solide dastehendes Unternehmen handele. Er hätte sein bestehendes Arbeitsverhältnis nicht gekündigt, wenn ihm mitgeteilt worden wäre, dass Kurzarbeit angeordnet gewesen sei. Die Beklagte habe seinen Wechselentschluss im Rahmen der Personalgespräche vor Abschluss des Arbeitsvertrages beeinflusst. Sie habe eine besondere Aufklärungspflicht getragen, die im vorliegenden Einzelfall noch über diejenige hinausgehe, die das Bundesarbeitsgericht in den Entscheidungen vom 14. Juli 2005 und 24. Februar 2011 aufgestellt habe. Für die Kausalität des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs komme es nicht darauf an, wie das Arbeitsverhältnis beendet worden sei, sondern dass es unter verschwiegenen, entscheidungserheblichen Tatsachen durch die Beklagte überhaupt begründet worden sei.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichtes Mainz vom 27. April 2012 - 8 Ca 2101/11 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.379,51 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 787,03 EUR netto in der Zeit vom 16. Juni bis 30. Juni 2011, aus jeweils 1.574,06 EUR seit dem 1. Juli 2011, 1. August 2011, 1. September 2011, 1. Oktober 2011, 1. November 2011, 1. Dezember 2011, 1. Januar 2012 und seit dem 01. Februar 2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, das ihr vom Kläger vorgeworfene Aufklärungsverschulden beim Abschluss des Arbeitsvertrages liege nicht vor. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts müsse ein Arbeitgeber dann besondere Umstände, gleich welcher Art, dem Arbeitnehmer offenbaren, wenn die vollständige Durchführung des Arbeitsverhältnisses durch ein Verschweigen dieser Umstände in Frage gestellt werde, was hier jedoch nicht zutreffe. Die vorübergehende Maßnahme der Kurzarbeit habe sich weder in finanzieller Hinsicht zu Lasten des Klägers noch im Hinblick auf seine Beschäftigung ausgewirkt. Abgesehen davon gehe jeder Arbeitnehmer, der einen Arbeitsplatzwechsel vollziehe, auch ein Risiko ein, denn üblicherweise müsse er sich im Rahmen einer vereinbarten Probezeit profilieren. Aufgrund der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Probezeit habe der Kläger damit rechnen müssen, dass eine Kündigung in der Probezeit erfolge, wenn er sich nicht bewähre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung des Klägers hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (§ 280 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 249 Abs. 1 BGB). Gemäß der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts, auf die gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird, hat die Beklagte keine ihr gegenüber dem Kläger obliegende Aufklärungspflicht verletzt. Der hiergegen gerichtete Berufungsangriff ist unbegründet.

1. Das Arbeitsgericht hat die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Aufklärungspflichten des Arbeitgebers im Rahmen der von ihm geführten Vertragsverhandlungen zutreffend dargestellt, so dass hierauf Bezug genommen wird. Danach darf ein Arbeitgeber, der Vertragsverhandlungen führt, bestehende Umstände, gleich welcher Art, die die vollständige Durchführung des Rechtsverhältnisses in Frage stellen können, nicht verschweigen, soweit sie ihm bekannt sind oder bekannt sein müssen (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 55, NZA-RR 2012, 148). Eine Pflicht einer Vertragspartei, eigene wirtschaftliche Bedrängnis zu offenbaren, besteht allerdings nicht allgemein, sondern nur dann, wenn diese wirtschaftliche Lage zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet ist und daher für die Entschließung des Vertragspartners von wesentlicher Bedeutung sein kann (BGH 21. Juni 1974 - V ZR 15/73 - Rn. 13, NJW 1974, 1505).

2. Im Streitfall bestand keine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger auf die in der Abteilung Systemberatung/Technik angeordnete Kurzarbeit hinzuweisen.

Durch die Kurzarbeit war die Durchführung des Arbeitsverhältnisses der Parteien weder in Bezug auf die Zahlung der Vergütung noch hinsichtlich der Beschäftigung des Klägers gefährdet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass die Anordnung von Kurzarbeit nicht gleichbedeutend mit erheblichen Zahlungsschwierigkeiten sein muss. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich die wirtschaftliche Lage der Beklagten bei Vertragsschluss als derart schlecht dargestellt hat, dass mit Zahlungsschwierigkeiten zu rechnen war, sind vom Kläger nicht vorgetragen worden. Die angeordnete Kurzarbeit in der Abteilung Systemberatung/Technik war auch nicht geeignet, die Beschäftigung des Klägers als Key Account Manager im Bereich Vertrieb in Frage zu stellen. Die Abteilung Vertrieb hat unstreitig die Aufgabe, die Abteilung Systemberatung/Technik mit Aufträgen zu versorgen und deren möglichst hohe Auslastung sicherzustellen. Der Kläger, der auch bei seiner Vorarbeitgeberin als Key Account Manager beschäftigt gewesen war, ist von der Beklagten gerade eingestellt worden, um mit Hilfe seiner Fähigkeiten und Kenntnisse den eigenen Vertrieb zu stärken und Aufträge für die Abteilung Systemberatung/Technik zu gewinnen. Dementsprechend war der Arbeitsplatz des Klägers im Vertrieb durch eine bei Vertragsschluss unzureichende Auslastung der Abteilung Systemberatung/Technik nicht gefährdet.

Im Streitfall kann auch nicht angenommen werden, dass in Anbetracht der von der Beklagten angeordneten Kurzarbeit von einer negativen Prognose in Bezug auf den Beschäftigungsbedarf für den Kläger auszugehen war. Die Einführung von Kurzarbeit spricht eher dafür, dass die Beklagte von einem nur vorübergehenden Arbeitsmangel in der Abteilung Systemberatung/Technik und nicht etwa von einem dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf ausgegangen war (vgl. BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 21, NZA 2012, 852). Es besteht keine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer bei Vertragsverhandlungen eine wirtschaftliche Bedrängnis zu offenbaren, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens - wie hier - die Durchführung des Arbeitsverhältnisses nicht gefährdet.

Soweit es dem Kläger für seinen Entschluss, sein bestehendes Arbeitsverhältnis bei seiner Vorarbeitgeberin zu beenden und zur Beklagten zu wechseln, auf die Beschaffenheit der Auftragslage der Beklagten angekommen sein sollte, hätte er im Rahmen der geführten Vertragsverhandlungen danach fragen können und müssen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger mit der Beklagten einen Arbeitsvertrag mit vereinbarter Probezeitregelung und Ziel-/Provisionsvereinbarung abgeschlossen hat, musste er auch damit rechnen, dass sein mit der Beklagten begründetes Arbeitsverhältnis von dieser ohne weiteres innerhalb der Probezeit wieder beendet werden kann, z.B. wenn der erhoffte Erfolg seiner Vertriebsbemühungen nach Einschätzung der Beklagten nicht erreicht wird. Die Beklagte hat bei Vertragsschluss nach dem von beiden Parteien unterzeichneten Arbeitsvertrag keine irgendwie gearteten Zusagen hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung des Klägers bei Erreichen bestimmter Margen gemacht. Ob und inwieweit der Kläger sein Margenziel innerhalb der Probezeit tatsächlich erreicht hat, ist unerheblich. Auf die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt es nicht an. Der Kläger hat seine gegen die Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage zurückgenommen, so dass die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung von Anfang an als rechtswirksam gilt (§ 7 KSchG).

Der Kläger hat die Beklagte im Rahmen der geführten Vertragsverhandlungen nicht darauf hingewiesen, dass für seine Entscheidung im Zusammenhang mit dem Zustandekommen oder der Durchführung des Arbeitsverhältnisses ihre derzeitige Auftragslage erheblich ist. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte den Kläger in der Abteilung Vertrieb gerade zur Neukundenakquise und Auftragsgewinnung eingestellt hat, war sie aufgrund der ihr obliegenden Rücksichtnahmepflicht nicht dazu verpflichtet, den Kläger unaufgefordert über die von ihr in der Abteilung Systemberatung/Technik angeordnete Kurzarbeit zu informieren. Mangels Pflichtverletzung der Beklagten ist die Schadensersatzklage unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen