Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 7 Sa 641/14

Negative Prognose und Betriebsbeeinträchtigung bei Alkoholkrankheit

(1.) Die Alkoholabhängigkeit als solche ist kein Kündigungsgrund, wenn und soweit betriebliche Interessen nicht beeinträchtigt werden. Ein Kündigungsgrund ist folglich nur und erst dann gegeben, wenn im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt ist, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen. Da es sich um eine alkoholbedingte Suchtkrankheit handelt, sollen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geringere Anforderungen an die negative Gesundheitsprognose zu stellen sein. Voraussetzung ist, dass aus der negativen Gesundheitsprognose eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen folgt, diese durch mildere Mittel nicht abgewendet werden kann und sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss.

(2.) Eine negative Prognose kann nicht allein aufgrund unentschuldigten Fehltagen (von weniger als 6 Wochen) und infolgedessen eingetretenen Dispositionsschwierigkeiten oder zeitlichen Verzögerungen und Mehrbelastungen von Kollegen angenommen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der betreffende Arbeitnehmer keine Therapieunwilligkeit zeigt. Von einer Therapieunwilligkeit wiederum kann nicht allein aufgrund der Tatsache, dass der Arbeitnehmer noch keine (neue) Therapie begonnen hat, ausgegangen werden.

(3.) Auch aus Rückfällen ergibt sich nicht zwingend eine negative Prognose für die weitere, nachteilige Entwicklung einer Alkoholkrankheit. Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach ein Rückfall nach einer zunächst erfolgreichen Entwöhnungskur und längerer Abstinenz einen endgültigen Fehlschlag jeglicher Alkoholtherapie für die Zukunft bedeutet. Maßgebend ist stets die Beurteilung im Einzelfall.

Im vorliegenden Einzelfall lag die erfolgreiche Entwöhnungskur des Klägers nach dessen Angaben bereits mehr als acht Jahre zurück als es zu einem Rückfall kam. Auslöser war mit dem Tod der Schwester nach dem Tod der Mutter im Vorjahr eine ungewöhnlich schwierige Situation, die sich nicht wiederholen kann.
Nach Ansicht des Gerichts hat die beklagte Arbeitgeberin keine erheblichen betrieblichen Auswirkungen der Alkoholsucht des Klägers in Form von prognostizierten erheblichen Entgeltfortzahlungskosten für krankheitsbedingte Fehltagen vorgetragen. Der Kläger ist nicht alkoholisiert oder in einem Zustand, der den Anschein einer Alkoholisierung erweckte, zur Arbeit erschienen.

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 15. Oktober 2014, Az. 4 Ca 1005/14 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Mai 2014 nicht beendet wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lagerarbeiter/Staplerfahrer weiterzubeschäftigen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung als unzulässig verworfen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12. Mai 2014, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund anderer Beendigungstatbestände und die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Der 1969 geborene Kläger ist geschieden und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet.

Seit dem 7. Februar 1990 ist er bei der Beklagten im Lebensmittelumschlaglager in A-Stadt als Lagerarbeiter beschäftigt. Er arbeitet als Staplerfahrer in der Abteilung Trockensortiment. In seiner Funktion hat er die im Lager gemäß eingegangener Bestellungen von den Lagerarbeitern auf Paletten gerichtete Ware zum Verladestandort zu transportieren, damit die so gerichteten Lebensmittel rechtzeitig vor 8.00 Uhr, das heißt vor dem Geschäftsbeginn der bestellenden Warenhäuser von den Lkws angeliefert, dort angenommen und auf die Verkaufsfläche verteilt werden können. Der Kläger ist eingruppiert in Lohngruppe 3 des Tarifvertrages für den Groß- und Außenhandel Rheinland-Rheinhessen. Er erzielte zuletzt ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 2.504,00 € bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden.

Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Ein Betriebsrat ist im Betrieb der Beklagten gewählt.

Am Freitag, 7. Juni 2013 fehlte der Kläger unentschuldigt. Es musste kurzfristig ein Ersatz für ihn beschafft werden. Die Beladung der Lkws verzögerte sich. Die Beklagte händigte ihm daraufhin am 2. Juli 2013 eine Abmahnung vom 18. Juni 2013 wegen unentschuldigten Fehlens aus. Wegen des Inhalts der Abmahnung wird auf Bl. 25 d. A. Bezug genommen.

Am 1. Oktober 2013 hatte der Kläger einen Tag Freizeitausgleich, am 2. Oktober 2013 war er wegen eines familiären Todesfalls bezahlt freigestellt. Am Brückentag 4. Oktober 2013 fehlte er unentschuldigt.

Nachdem der Kläger von Montag, 7. bis Montag, 14. Oktober 2013 seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß erbracht hat, war er vom 15. bis 25. Oktober 2013 stationär in der Z.-Klinik aufgenommen. Die entsprechende Aufenthaltsbescheinigung (Bl. 65 d. A.) ging bei der Beklagten am 15. Oktober 2013 ein.

Am 8. November 2013 erschien der Kläger erneut nicht zur Frühschicht mit Arbeitsbeginn 5.45 Uhr und teilte dem Betrieb keine Verhinderung mit. Die Betriebsablaufstörung wiederholte sich.

Die Beklagte erteilte dem Kläger sodann unter dem 11. November 2013 eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens am 4. Oktober 2013 (Arbeitsbeginn um 14.00 Uhr) sowie am 8. November 2013 (Frühschicht ab 5.45 Uhr) (Bl. 23 f. d. A.). Die Abmahnung vom 11. November 2013 wegen unberechtigten und unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit wurde noch am 11. November 2013 durch die beiden Mitarbeiter der Beklagten Herr Y. (Abteilungsleiter Technik) und Frau X. (Personalsachbearbeiterin) gegen 14.15 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen.

Vom 11. bis 21. November 2013 fehlte der Kläger wieder unentschuldigt. Deswegen wurde er am 13. November 2013 von den Schichtleitern W. und V. zu Hause aufgesucht und dort alkoholisiert angetroffen.

Mit schriftlichen und persönlich übergebenen Schreiben vom 15. November 2013 (Bl. 67 d. A.), übergeben am 18. November 2013 durch die Mitarbeiter der Beklagten Herr Y. und Herr U. (Mitarbeiter Personalverwaltung) und vom 20. November 2013 (Bl. 69 d. A., übergeben ebenfalls durch die Mitarbeiter Y. und U. am 20. November 2013) wurde der Kläger weitere Male aufgefordert, entweder sofort seine Arbeit wieder aufzunehmen oder aber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.

Am 22. November 2013 ging bei der Beklagten eine Bescheinigung des T., Evangelisches Krankenhaus, B-Stadt (Bl. 71 d. A.) ein, wonach der Kläger sich seit dem 21. November 2013 in stationärer Behandlung im Krankenhaus eingefunden habe. Für die Zeit vom 27. bis 29. November 2013 lag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Hausarztes des Klägers vor.

Am 2. Dezember 2013 fand ein Rückkehrgespräch mit dem Kläger in Anwesenheit des Betriebsleiters S., des Lagerleiters R., des Betriebsratsvorsitzenden Q. und des Betriebsratsmitglieds P. statt. Der Kläger erklärte auf Frage, er sei wieder o. k. und voll einsatzfähig, müsse aber abends zur Beruhigung noch Medikamente einnehmen.

Nach dem Rückkehrgespräch legte der Kläger eine zum Teil abgedeckte Kopie des an Frau Dr. med. N. M. gerichteten Entlassungsbriefes des T. Krankenhauses vom 26. November 2013 (Bl. 72 d. A.) vor.

Am 10. Dezember 2013 wurde dem Kläger sodann eine „letztmalige Abmahnung“ (Bl. 26 f. d. A.) wegen unentschuldigten Fehlens vom 8. November 2013 bis einschließlich 20. November 2013 und Verstoßes gegen die Meldepflicht bei Arbeitsverhinderung übergeben.

Für den 28. und 29. April 2014 erhielt der Kläger kurzfristig wegen behaupteter Probleme mit seiner Tochter Urlaub genehmigt. Anschließend ging er am 30. April 2014 wieder regulär gemäß seinem Schichtplan der Arbeit nach.

Am Freitag, den 2. Mai 2014, dem Brückentag nach dem 1. Mai 2014, erschien der Kläger zum Arbeitsbeginn um 6.00 Uhr nicht, auch zeigte er sein Fehlen nicht an. Die Beklagte musste für ihn kurzfristig einen Ersatz beschaffen, was die Beladung der Lkws verzögerte, außerdem Arbeitsverdichtung für die eingesetzten Kollegen zur Folge hatte.

Am Montag, den 5. Mai 2014 befragte ihn der Lagerleiter, Herr R., warum er am 2. Mai 2014 weder zur Arbeit erschienen sei noch sich abgemeldet habe. Der Kläger gab zur Antwort, er habe sich im Urlaub vertan und gedacht, er habe Urlaub.

Mit dem Formular „Kündigungsanhörung nach §§ 102, 103 BetrVG“ vom 7. Mai 2014 nebst Anlagen (Bl. 28 ff. d. A.), übergeben an den Betriebsratsvorsitzenden L. Q. am 7. Mai 2014, hörte die Beklagte den Betriebsrat des Betriebs A-Stadt zur beabsichtigten fristgerechten Kündigung “aus verhaltensbedingten Gründen“ zum 31. Mai 2015 an.

Am 8. Mai 2014 erklärte der Betriebsrat abschließend (Bl. 32 d. A.), dass er die Kündigung zur Kenntnis nehme und eine weitere Stellungnahme nicht erfolge.

Mit Schreiben vom 12. Mai 2014 (Bl. 4 d. A.), das dem Kläger am selben Tag übergeben wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 31. Mai 2015, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 26. Mai 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Für den Brückentag am 30. Mai 2014 hatte der Kläger Urlaub beantragt. Dieser war von der Beklagten genehmigt worden.

Mit beim Betriebsrat am 19. März 2015 eingegangenen Schreiben ohne Datum (Bl. 179 d. A.) teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, dass sie die ausgesprochene Kündigung vorsorglich auch auf personenbezogene Gründe stützen wolle. Dies für den Fall, dass bei dem Kläger tatsächlich Alkoholerkrankung vorgelegen und diese seine Steuerungsfähigkeit ausgeschaltet habe. Diesem Schreiben waren die Schriftsätze vom 29. Juli 2014, 30. September 2014 und 29. Januar 2015 sowie die Entlassungsberichte vom 24. Oktober 2013 und 26. November 2013 beigefügt. Der Betriebsrat gab hierzu keine Stellungnahme ab.

Der Kläger war der Ansicht,

die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Gründe in seinem Verhalten oder in seiner Person lägen ebenso wenig vor wie dringende betriebliche Gründe.

Er hat vorgetragen, er sei irrtümlich davon ausgegangen, am 2. Mai 2014 frei zu haben. Der Lagerleiter, Herr R., habe ihm zwar erklärt, der Urlaub am 28./29. April 2014 sei eine Ausnahme. Nach seiner Erinnerung habe Herr R. aber nicht ausdrücklich erklärt, er müsse am 2. Mai 2014 kommen, vielmehr sei dies nach seiner Erinnerung gar nicht thematisiert worden.

Am 13. November 2013 habe er gegenüber den Schichtleitern W. und V. auf die Aufforderung, sich am 14. November 2013 um 14.00 Uhr am Arbeitsplatz einzufinden, sinngemäß erklärt: „Ich kann nicht mehr und mag nicht mehr“.

Sein Verhalten sei ihm nicht vorwerfbar und von ihm nicht steuerbar. Er sei Alkoholiker, sei allerdings nach einer Entziehungskur vor circa 8 Jahren „trocken“. Über die Alkoholerkrankung und die beabsichtigte Kur habe er die Beklagte seinerzeit nicht informiert, sondern für die Dauer des Klinikaufenthaltes Urlaub genommen.

Seine Mutter sei vor etwa zwei Jahren verstorben. Er habe diese bis zu ihrem Tod gepflegt und sei dazu in deren Wohnung eingezogen. Als dann auch noch seine Schwester am 1. Oktober 2013 an Krebs verstorben sei und er somit seine letzte verbliebene Angehörige auch noch verloren gehabt habe (zu seinen Kindern habe seit der Scheidung kaum noch Kontakt bestanden), habe er einen Rückfall erlitten und begonnen wieder zu trinken. Deshalb sei er vom 8. bis 21. November 2014 krankheitsbedingt weder in der Lage gewesen, zur Arbeit zu erscheinen noch zum Arzt zu gehen. Am 21. November 2013 sei es ihm dann gelungen, sich so weit aufzuraffen, dass er sich selbst zur stationären Entgiftung ins T. Krankenhaus B-Stadt eingewiesen habe, wo er bis zum 26. November 2014 geblieben sei (Entlassungsbrief vom 26. November 2013, Bl. 45 f. d. A.). Dem Betriebsleiter der Beklagten Herrn S. habe er bereits zuvor den Entgiftungsbericht der Z.-Klinik in K.-Stadt vom 24. Oktober 2013 (Bl. 47 f. d. A.), wonach er sich dort aus Angst vor einem Trinkrückfall zur Entgiftung eingefunden und vom 15. bis 25. Oktober 2013 aufgehalten habe, durch seine Cousine J. I. persönlich überbringen lassen. Außerdem habe er Herrn S. selbst aus dem T. Krankenhaus heraus angerufen und ihm mitgeteilt, dass er dort zur Entgiftung sowie wegen Depressionen und Suizidgedanken sei. Herr S. habe diese Information zum Anlass genommen, ihn am 5. Dezember 2014 zur Vorlage einer Staplerführer-Tauglichkeitsbescheinigung aufzufordern. Er habe wegen der im Krankenhaus verordneten Gabe von „Doxepin“ zunächst befürchtet, keine solche Bescheinigung zu bekommen und daher versucht, die Untersuchung zu verzögern.

Die Anhörung des Betriebsrats vom 7. Mai 2014 sei fehlerhaft. Es sei nicht die Tatsache erwähnt worden, dass die Beklagte zumindest den Verdacht hätte haben müssen, dass die Fehlzeiten ihren Grund in einer Alkoholabhängigkeit hätten. Stattdessen werde in der Zusammenfassung erklärt, es bestehe zumindest der dringende Verdacht, dass er vorsätzlich seiner Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin zuwider gehandelt habe.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1.    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Mai 2014 nicht beendet wird,

2.    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht,

3.    im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder 2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lagerarbeiter weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

dem Kläger sei im Zusammenhang mit der ausnahmsweisen Urlaubsgewährung am 28. und 29. April 2014 durch den Lagerleiter im Hinblick auf den besonderen Arbeitskräftebedarf in dieser Woche wegen des folgenden Feiertags klar gemacht worden, dass diese Urlaubsgewährung eine absolute Ausnahme darstelle und er auf jeden Fall am Freitag, 2. Mai 2014 benötigt werde. Es sei davon auszugehen, dass sein unberechtigtes, unentschuldigtes und erneutes Fehlen am 2. Mai 2014 erneutem Alkoholmissbrauch geschuldet gewesen sei, nicht dem behaupteten Irrtum. Hierfür spreche auch, dass er sich in der Vergangenheit durch Arbeitsunfähigkeit vom 6. bis 11. Mai 2013 inklusive Urlaub am 29. April 2013 freie Zeit im Umfang vom 29. April bis einschließlich Sonntag, 12. Mai 2013 verschafft habe. Ebenso habe er sich durch eine krankheitsbedingte Fehlzeit vom 14. bis 17. April 2014 wegen der darauf folgenden Osterfeiertage im Ergebnis freie Zeit vom 12. bis 21. April 2014 geschaffen. Wegen des sich wiederholenden Schemas in der Vergangenheit sei davon auszugehen, dass er nach dem Termin beim Jugendamt am 28./29. April 2014 erneut zum Alkoholtrinken veranlasst gewesen sei. Deshalb und weil der Kläger sich vor Ausspruch der Kündigung keiner Alkoholentziehungstherapie unterzogen oder solches angekündigt habe, habe sie von weiteren nicht mehr hinnehmbaren alkoholbedingten Verhaltensweisen mit erneuten erheblichen Betriebsablaufstörungen ausgehen müssen.

Es sei davon auszugehen, dass auch das Fehlen am 7. Juni 2013 alkoholbedingte Folge gewesen sei. Am 4. Oktober 2013 sei er erneut alkoholbedingt der Arbeit ferngeblieben, offensichtlich im Gefolge des Todes der Schwester.

Der Bericht vom 24. Oktober 2013 habe ihr nicht vorgelegen. Von diesem Schreiben habe Herr S. erstmals aufgrund des Schriftsatzes der Klägervertreterin vom 29. Juli 2014 erfahren. Herr S. sei vom Kläger auch nicht aus der Klinik heraus angerufen worden.

Am 13. November 2013 habe der Kläger gegenüber ihren Schichtleitern W. und V., die ihn zu Hause aufgesucht und ihn aufgefordert hätten, sich im Betrieb zur Arbeit zu melden, erklärt, ihn interessiere dies alles nicht, er werde weiterhin trinken.

Eine Kopie des Entlassungsbriefes des T. Krankenhauses vom 26. November 2013 habe der Kläger nie eingereicht.

Im Rahmen des Rückkehrgesprächs am 2. Dezember 2013 habe der Kläger keinen Hinweis auf eine mögliche Alkoholproblematik gegeben. Die abendliche Medikamenteneinnahme habe er alleine mit dem Tod der Schwester am 1. Oktober 2013 begründet und damit, er sei deshalb emotional instabil geworden und habe sich zurückgezogen. Allein im Hinblick auf die im Rückkehrgespräch erklärte abendliche Einnahme von Beruhigungsmitteln habe Herr S. den Kläger zu einer Bescheinigung darüber aufgefordert, dass er uneingeschränkt wieder als Staplerfahrer tätig sein könne. Zum Schluss des Rückkehrgesprächs hätten Herr S. ebenso wie die beiden Betriebsratsmitglieder den Kläger mündlich eindringlich darauf hingewiesen, dass er bei einem nächsten unentschuldigten Fehlen mit einer Kündigung zu rechnen habe.

Die Beklagte hat das Vorliegen einer vom Kläger behaupteten Alkoholsucht bestritten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 15. Oktober 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es – soweit im Berufungsverfahren von Bedeutung - ausgeführt, die Klage sei hinsichtlich des allgemeinen Feststellungsantrags unzulässig. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Kündigung sei nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Der Kläger sei auch in der Lage gewesen, sein Verhalten zu steuern, so dass die Kündigung sich als verhaltensbedingte sozial gerechtfertigt im Sinn von § 1 Abs. 1 KSchG erweise. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz (Bl. 112 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 30. Oktober 2014 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit zwei am 28. November 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsätzen vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese innerhalb der durch Beschluss vom 18. Dezember 2014 bis zum 30. Januar 2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 29. Januar 2015 begründet.

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes vom 29. Januar 2015 und des Schriftsatzes vom 4. Mai 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 143 ff. und 183 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,

er habe vor circa acht bis neun Jahren auf Anraten und Unterstützung seines damaligen Hausarztes Dr. H. eine Therapie in der Z.-KLINIK K.-Stadt durchgeführt. Nach diesen sechs Wochen Therapie sei er über Jahre hinweg, nachdem er seine familiären Probleme auch habe lösen können, völlig unauffällig gewesen und habe seine Arbeit wie bisher vorbildlich durchgeführt. Er habe seinerzeit auch die Unterstützung des damaligen Betriebsleiters Herrn S. erhalten.

Dadurch, dass er von sich aus nach seinem Rückfall sofort wieder eine Entgiftung in der Z.-KLINIK K.-Stadt vorgenommen habe, zeige sich, dass er durchaus ein Problembewusstsein und auch die Bereitschaft gehabt habe, dem Problem entgegenzuwirken. Allerdings habe diese Maßnahme noch keine langfristige Änderung gebracht. Im Hinblick auf die Kündigung habe er sich einfach nicht mehr getraut, eine längerfristige Entziehungskur anzutreten. Mit Medikamenten, die er inzwischen habe absetzen können, habe er jedoch den Alkoholmissbrauch bekämpfen können, so dass er seit dem letzten Vorfall, bei dem er unentschuldigt gefehlt habe, keinerlei Fehlzeiten mehr gehabt und seine Arbeit wie bisher ordnungsgemäß und ohne jegliche Beanstandungen durchgeführt habe. Die Tatsache, dass er wieder rückfällig geworden sei, lasse keine zwingende negative Prognose für die weitere Entwicklung zu.

Spätestens als die beiden Schichtleiter W. und V. ihn zu Hause aufgesucht und alkoholisiert angetroffen hätten, dürfte auch der Beklagten klar gewesen sein, dass hier ein massives Alkoholproblem bestehe.

Soweit die Beklagte die Kündigung nunmehr vorsorglich auf personenbedingte Gründe stütze, habe sie den Betriebsrat in ihrem Schreiben vom März 2015 nur sehr rudimentär unterrichtet.

Wäre ihm die Möglichkeit eröffnet worden, eine entsprechende Entziehungskur vorzunehmen, wäre er weiterhin in der Lage, seine Arbeit, die für ihn stets ein besonderer Halt gewesen sei und sei, durchzuführen. Die Beklagte beschäftige eine Vielzahl von Lagerarbeitern und Gabelstaplerfahrern, die durchaus in der Lage seien, vorübergehend seine Arbeiten zu übernehmen, ohne dass es zu erheblichen Nachteilen im Arbeitsablauf der Beklagten komme. Zumindest sei der Beklagten zuzumuten, ihn weiterhin als Lagerarbeiter zu beschäftigen, wenn sie ihn schon nicht als Gabelstaplerfahrer einsetzen wolle.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz, Az. 4 Ca 1005/14 vom 15. Oktober 2014, zugestellt am 30. Oktober 2014, festzustellen,

1.    dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Mai 2014 nicht beendet wird;

2.    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände beendet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;

3.    im Falle des Obsiegens mit den Anträgen zu Ziffer 1 und 2 die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lagerarbeiter/Staplerfahrer weiterhin zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 16. März 2015 und des Schriftsatzes vom 16. April 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 165 ff., 177 f. d. A.) als rechtlich zutreffend.

Sie ist der Ansicht,

die Kündigung sei zu Recht aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochen worden. Eine Alkoholisierung des Klägers im Zusammenhang mit den gerügten Verhaltensweisen möge der Fall sein, eine Alkoholsucht oder -erkrankung werde dagegen ausdrücklich bestritten. Gegen eine Alkoholsucht des Klägers spreche, dass der Kläger diese nie geltend gemacht habe. Vor allem habe er an den anderen Tagen davor oder danach seine Arbeitsleistung erbracht, ohne erkennbar unter Alkoholeinfluss zu stehen. Damit sei er sehr wohl in der Lage gewesen, die Folgen des Alkoholeinflusses zu erkennen, seine Pflichtwidrigkeit einzusehen und zu wissen, dass ihm im Wiederholungsfall die Kündigung drohte, so wie es ihm mit den erteilten Abmahnungen eindringlich vor Augen gehalten worden sei. Ausweislich des Kurzentlassungsberichts der Z.-Klinik K.-Stadt vom 24. Oktober 2013 habe er sich sogar während der stationären Behandlung zuverlässig an die Absprachen über seinen Ausgang gehalten. Auch im Entlassungsbrief des T. Krankenhauses vom 26. November 2013 sei die Rede davon, dass er unter Gabe von Distraneurin in absteigender Dosierung und Doxepin keine Entzugssymptomatik gezeigt habe und eine erneute Entgiftungstherapie weder erforderlich noch sinnvoll sei. Die Beklagte bestreitet daher weiterhin das Vorliegen einer krankhaften Alkoholabhängigkeit sowie einer Depression und bzw. oder Belastungssituation, die seine Steuerungsfähigkeit in Frage gestellt habe.

Den Geboten des § 102 BetrVG habe sie Folge geleistet. Sie habe dem Betriebsrat nichts verschwiegen, was ihr bekannt gewesen sei. Sie habe zu keinem Zeitpunkt etwas von einer Alkoholsucht oder einem Alkoholproblem erkennen können. Dies sei für sie auch nicht offensichtlich gewesen, insbesondere im Hinblick darauf, dass der Kläger seine Arbeitsleistung bei Anwesenheit ohne erkennbaren Alkoholeinfluss erbracht habe. Auch habe sie den Betriebsrat im Zusammenhang mit Alkohol sehr wohl informiert und zwar insoweit, als ihr solches bekannt gewesen sei, nämlich im Zusammenhang mit dem Besuch der beiden Schichtleiter V. und W. im November 2013, wonach die beiden Herren den Kläger in erkennbar alkoholisierten Zustand angetroffen gehabt hätten.

Die erheblichen Betriebsablaufstörungen, die der Kläger durch sein Fernbleiben bewirkt habe, seien auch nicht dadurch zu überwinden gewesen, dass andere Lagerarbeiter vorübergehend seine Arbeit übernommen hätten. Ebenso wenig sei ihr zuzumuten gewesen, ihn weiterhin als Lagerarbeiter zu beschäftigen. Tatsächlich sei der Kläger zwar als Lagerarbeiter tätig, jedoch als Staplerfahrer eingruppiert. Eine Umsetzung per Direktionsrecht sei damit ausgeschieden. Darüber hinaus sei eine andere freie Stelle als Lagerarbeiter nicht vorhanden. Auch die Arbeit eines einfachen Lagerarbeiters sei nicht überflüssig, wiederholtes unentschuldigtes und unberechtigtes Fehlen hätte daher ebenfalls nicht unerhebliche betriebliche Auswirkungen im Zusammenhang mit der Auslieferung der Ware.

Tatsächlich lägen jedenfalls personenbedingte Gründe vor, die die ausgesprochene Kündigung rechtfertigten und deren sich sie sich vorsorglich ausdrücklich berühme. Der Kläger habe sich laut eigener Angaben – die bestritten würden – bereits vor rund 10 Jahren einer Entziehungskur unterzogen. Außerdem sei auch bei einer personenbedingten, auf Alkoholerkrankung beruhenden Kündigung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sie aufgrund des geschilderten Sachverhalts mit Wiederholungen zu rechnen habe, insoweit eine negative Prognose vorliege. Der Kläger selbst habe sich vor Ausspruch der Kündigung keiner Alkoholbehandlung bzw. Entziehungskur unterzogen, ebenso wenig eine diesbezügliche Bereitschaft erklärt.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 5. Mai 2015 (Bl. 187 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und hinsichtlich der Anträge zu 1. und 3. begründet worden. Sie erweist sich hinsichtlich dieser Anträge auch sonst als zulässig.

Hinsichtlich des Antrags zu 2. ist die Berufung bereits unzulässig. Der Kläger hat nicht begründet, aus welchem Grund der allgemeine Feststellungsantrag zu 2. entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts zulässig ist. Ist in einem arbeitsgerichtlichen Urteil – wie hier – über mehrere Ansprüche entschieden worden, dann muss sich die Berufungsbegründung der erstinstanzlich unterlegenen Partei – soll die Berufung insgesamt ordnungsgemäß begründet sein – mit jedem Einzelanspruch auseinandersetzen, der in das Berufungsverfahren gelangen soll. Eine Ausnahme von der notwendigen umfassenden Begründungspflicht gilt nur dann, wenn ein Anspruch von einem anderen Anspruch in seinem Bestehen unmittelbar abhängt. Eine solche Ausnahme liegt im Hinblick auf den Klageantrag zu 2. nicht vor.

B.  In der Sache hatte die Berufung des Klägers - soweit sie zulässig war - Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Mai 2014 nicht beendet. Daneben hat der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lagerarbeiter/ Staplerfahrer.

Dabei kann für die Beurteilung des Kündigungsschutzantrags nach Auffassung der Kammer letztlich offen bleiben, ob der Kläger alkoholsüchtig ist und sich in einem Stadium befindet, in dem der Trunksucht ein medizinischer Krankheitswert zukommt. Die Kündigung ist sowohl in dem Fall, dass der unentschuldigte Fehltag am 2. Mai 2014 dem Kläger vorwerfbar ist, als auch in dem Fall, dass dieser Fehltag seine Ursache in einer krankhaften Alkoholabhängigkeit des Klägers hat, nach Auffassung der Kammer sozial nicht gerechtfertigt. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens oder der Einvernahme der den Kläger behandelnden Ärzte zur Frage des Vorliegens einer krankhaften Alkoholabhängigkeit beim Kläger bedurfte es daher nicht. Im Einzelnen:

I.  Die Kündigung vom 12. Mai 2014 ist nach Auffassung der Kammer (auch dann) nicht als verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt, wenn der Fehltag am 2. Mai 2014 seine Ursache nicht in einer krankhaften Alkoholabhängigkeit des Klägers hatte. Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt grundsätzlich so lange in Betracht, wie der Arbeitnehmer nicht alkoholkrank ist.

Auf das Arbeitsverhältnis findet das KSchG Anwendung, §§ 1 Abs. 1, 23 KSchG.

Eine ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung ist nach § 1 Abs. 2 KSchG grundsätzlich nur dann sozial gerechtfertigt, wenn ein (in der Regel schuldhaftes) Fehlverhalten des Arbeitnehmers gegeben ist, der Arbeitnehmer also seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkungen hat, (in der Regel zumindest) eine einschlägige vorherige Abmahnung gegeben ist, danach ein weiteres einschlägiges schuldhaftes Fehlverhalten mit betrieblichen Auswirkungen vorliegt und eine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkungen des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung und des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt.

Zwar hat der Kläger am 7. Juni 2013 unentschuldigt gefehlt und ist aus diesem Grund unter dem 18. Juni 2013 abgemahnt worden. Auch am 4. Oktober 2013 sowie vom 8. bis 20. November 2013 fehlte der Kläger unentschuldigt. Dieses unentschuldigte Fehlen für erhebliche Zeit hat die Beklagte nicht zum Anlass für den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung genommen, sondern den Kläger mit Schreiben vom 11. November 2013 abgemahnt bzw. unter dem 10. Dezember 2013 eine "letztmalige Abmahnung" ausgesprochen. Nach diesen Abmahnungen hat der Kläger erneut am 2. Mai 2013 unentschuldigt gefehlt.

Nach Ansicht der Kammer überwiegt aber das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber demjenigen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Selbst wenn an sich ein geeigneter Grund zur Rechtfertigung einer Kündigung vorliegt, kann eine hierauf gestützte Kündigung das Arbeitsverhältnis gleichwohl nur dann beenden, wenn sich bei einer umfassenden Interessenabwägung ergibt, dass das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers im Verhältnis zum Bestandschutzinteresse des Arbeitnehmers überwiegt.

Im Rahmen der Interessenabwägung ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass es bei jedem unentschuldigten Fehlen des Klägers zu Betriebsablaufstörungen kommt, da die Arbeit kurzfristig umverteilt werden und die Ware – besonders im Zusammenhang mit Feiertagen - rechtzeitig in den Warenhäusern eintreffen muss. Weiter sind der Unmut der Kollegen bei einem Fehlen des Klägers besonders an einem Brückentag und ein möglicher Vorbildeffekt zu berücksichtigen.

Zugunsten des Klägers ist hingegen zu berücksichtigten. dass er im Jahr 1969 geboren und bereits seit dem 7. Februar 1990 bei der Beklagten beschäftigt ist. Bis zum Juni 2013 - und damit für die Dauer von mehr als 23 Jahren - verlief das Arbeitsverhältnis störungsfrei. Zu berücksichtigen ist weiter, dass das unentschuldigte Fehlen am 4. Oktober 2013 wie auch das in der Zeit vom 8. bis 21. November 2013 in zeitlichem Zusammenhang mit dem Tod seiner Schwester am 1. Oktober 2013 und nachfolgenden stationären Krankenhausaufenthalten standen. Aus Anlass des Todes seiner Schwester hat die Beklagte dem Kläger am 1. Oktober 2013 Freizeitausgleich gewährt und ihn am 2. Oktober 2013 bezahlt wegen des familiären Todesfalls freigestellt. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann daher nach Auffassung der Kammer nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich bereits durch sein unentschuldigtes Fehlen nach dem Feiertag am 4. Oktober 2013 ein langes Wochenende "verschafft" hat und dies als besonders verwerflich zu beurteilen ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger sich in der Folgezeit vom 15. bis 25. Oktober 2013 stationär zu einer Entgiftungstherapie in der Z.-Klinik K.-Stadt mit den von der Klinik angegebenen Diagnosen "Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD 10:F33.1); Psychische und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen, Abhängigkeitssyndrom (ICD 10:F19.2); Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom (ICD 10:F10.2) aufgehalten hat (vgl. den Kurzentlassungsbericht vom 24. Oktober 2013, Bl. 47 f. d. A.). Im Anschluss an das unentschuldigte Fehlen vom 8. bis 21. November 2013 befand sich der Kläger erneut in stationärer Behandlung, diesmal in dem T. Krankenhaus B-Stadt mit den bescheinigten Diagnosen "Entgiftung bei Äthylusmus, Äthyltoxische Hepatopathie, Ex-Drogenabusus (anamnestisch), Psychische und Verhaltensstörungen durch Polytoxikomanie, Rezidivierende depressive Störung".

Hinsichtlich des unentschuldigten Fehlens am 2. Mai 2014 hat der Kläger hingegen angegeben, er habe sich im Datum geirrt und angenommen, er habe diesen Brückentag und nicht den ihm unstreitig genehmigten 30. Mai 2014 frei. Zwar hat ein Arbeitnehmer sich zu vergewissern, dass er an Tagen, an denen er der Arbeit fernbleibt, tatsächlich keine Arbeitsleistung zu erbringen hat, weil ihm beispielsweise Urlaub bewilligt wurde. Ein Fehlen aufgrund eines Irrtums wiegt jedoch nicht so schwer wie ein - ihm von der Beklagten vorgeworfenes - vorsätzliches Erschleichen eines arbeitsfreien Brückentags. Die Beklagte hat zwar unter Beweisantritt vorgetragen, dem Kläger sei im Zusammenhang mit der ausnahmsweisen Urlaubsgewährung am 28. und 29. April 2014 durch den Lagerleiter im Hinblick auf den besonderen Arbeitskräftebedarf in dieser Woche wegen des folgenden Feiertags klar gemacht worden, dass diese Urlaubsgewährung eine absolute Ausnahme darstelle und er auf jeden Fall am Freitag, 2. Mai 2014 benötigt werde. Die Beklagte hat jedoch nicht näher den genauen Zeitpunkt sowie die näheren Umstände dieser Äußerung dargelegt. Offen geblieben ist auch, wer im Betrieb zur Urlaubsgewährung berechtigt ist und in welchem zeitlichen Verhältnis dieses von der Beklagten behauptete Gespräch zur unstreitig erfolgten Urlaubsbewilligung für den Brückentag am 30. Mai stand. Daher kann nach Auffassung der Kammer ohne das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Vorliegen eines Irrtums lediglich um eine "Schutzbehauptung" des Klägers gehandelt hat.

Schließlich ist zu Gunsten des Klägers seine Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind zu berücksichtigen. Daher überwiegt nach Auffassung der Kammer in dem Fall, dass das unentschuldigte Fernbleiben des Klägers am 2. Mai 2014 diesem vorwerfbar ist, das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber demjenigen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falls hätte eine (weitere) eindringliche Abmahnung nach Auffassung der Kammer als Reaktion von Seiten der Beklagten als milderes Mittel ausgereicht.

II.  Auch dann, wenn der Fehltag des Klägers am 2. Mai 2014 seine Ursache in einer krankhaften Alkoholabhängigkeit des Klägers hatte, ist die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt. Sie ist in diesem Fall weder als verhaltensbedingte Kündigung noch aus den von der Beklagten in zweiter Instanz nachgeschobenen krankheitsbedingten Gründen gerechtfertigt.

1. Die Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung liegen in diesem Fall nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Kündigung wegen Alkoholsucht nur nach den für die krankheitsbedingte Kündigung entwickelten Grundsätzen zu beurteilen. Denn Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit. Verstößt ein Arbeitnehmer infolge seiner Abhängigkeit gegen arbeitsvertragliche Pflichten, ist ihm zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen. Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Pflichtverletzungen (zum Beispiel wie im vorliegenden Fall wegen unentschuldigten Fehlens), die auf Alkoholabhängigkeit beruhen, ist danach in der Regel mangels Verschuldens sozialwidrig.

2. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung ist aber auch - den Vortrag des Klägers unterstellt, er sei alkoholkrank - nach Auffassung der Kammer nicht als krankheitsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt. War der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung alkoholabhängig sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 – NZA-RR 2013, 627, 629 Rn. 14; vom 13. Dezember 1990 – 2 AZR 336/90 – BeckRS 1990, 30735892) sowie des LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 27. März 2008 – 10 Sa 669/07 – BeckRS 2008, 53518) an die Kündigung, die eine Reaktion auf ein Verhalten des Arbeitnehmers darstellt, grundsätzlich die gleichen Anforderungen zu stellen wie an eine krankheitsbedingte Kündigung.

Die Alkoholabhängigkeit als solche ist kein Kündigungsgrund, wenn und soweit betriebliche Interessen nicht beeinträchtigt werden (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. März 2008 – 2 Sa 612/07 -, juris). Ein Kündigungsgrund ist folglich nur und erst dann gegeben, wenn im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt ist, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen. Da es sich um eine alkoholbedingte Suchtkrankheit handelt, sollen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geringere Anforderungen an die negative Gesundheitsprognose zu stellen sein (BAG, Urteil vom 16. September 1999 - 2 AZR 123/99 – NZA 2000, 141, 143). Voraussetzung ist, dass aus der negativen Gesundheitsprognose eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen folgt, diese durch mildere Mittel nicht abgewendet werden kann und sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss (BAG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - NZA 2014, 602; Urteil vom 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 – NZA-RR 2013, 627, 629 Rn. 22).

Für die Prognose im Hinblick auf die weitere Entwicklung einer Alkoholerkrankung kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung bereit ist, eine Entziehungskur bzw. Therapie durchzuführen. Lehnt er das ab, kann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit nicht geheilt wird. Ebenso kann eine negative Prognose dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer nach abgeschlossener Therapie rückfällig geworden ist (BAG, Urteil vom 20. März 2014 – 2 AZR 565/12 – NZA 2014, 602, 603 Rz. 15 m. w. N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung auch dann als sozial ungerechtfertigt, wenn der Kläger - wie von ihm vorgetragen - alkoholkrank ist. Im Streitfall kann nach Ansicht der Kammer nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund von Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr bietet, seine Tätigkeit dauerhaft ordnungsgemäß erbringen zu können.

Die Beklagte hat keine erheblichen betrieblichen Auswirkungen der Alkoholsucht des Klägers in Form von prognostizierten erheblichen Entgeltfortzahlungskosten für krankheitsbedingte Fehltagen vorgetragen. Aus dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass es bereits vor dem Jahr 2013 zu - möglicherweise – durch eine Alkoholkrankheit verursachten Fehltagen gekommen ist. Im Jahr 2013 ist es sodann zu einem unentschuldigten Fehltag am 7. Juni 2013, unentschuldigtem Fehlen vom 8. bis 21. November 2013 und Klinikaufenthalten vom 15. bis 25. Oktober 2013, vom 21. bis 26. November 2013 und einer Arbeitsunfähigkeit vom 27. bis 29. November 2013 gekommen, die auf eine Alkoholerkrankung zurückgeführt werden könnten. Im Jahr 2014 kam es lediglich zu dem einen unentschuldigten Fehltag am 2. Mai 2014. Daneben hat die Beklagte erstinstanzlich auf Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers vom 6. bis 11. Mai 2013 sowie vom 14. bis 17. April 2014 hingewiesen, die im Zusammenhang mit Feiertagen standen und möglicherweise auf Alkoholgenuss zurückzuführen sind. Aus dem Umfang dieser Fehlzeiten in der Vergangenheit ergeben sich keine in der Zukunft zu erwartenden erheblichen Entgeltfortzahlungskosten, die eine krankheitsbedingte Kündigung rechtfertigen könnten.

Dafür, dass dem Kläger aufgrund einer Alkoholerkrankung die Eignung fehle, seine Tätigkeit - etwa als Staplerfahrer - ordnungsgemäß auszuüben, hat die Beklagte nichts vorgetragen, sondern den Kläger tatsächlich beschäftigt. Der Kläger ist nicht alkoholisiert oder in einem Zustand, der den Anschein einer Alkoholisierung erweckte, zur Arbeit erschienen.

Auch soweit es in der Vergangenheit aufgrund einer Alkoholerkrankung des Klägers zu unentschuldigten Fehltagen und infolge dessen zu Dispositionsschwierigkeiten, zeitlichen Verzögerungen und Mehrbelastungen von Kollegen gekommen sein sollte, kann insoweit keine negative Prognose angenommen werden. Es kann nach Auffassung der Kammer nicht davon ausgegangen werden, dass eine Behandlung des Klägers keinen Erfolg haben würde und es auch nach einer solchen Behandlung noch zu (unentschuldigten) Fehlzeiten des Klägers aufgrund einer Alkoholerkrankung kommen würde. Zwar hat der Kläger nicht behauptet, bereits vor dem Ausspruch der Kündigung eine neuerliche Alkoholtherapie begonnen zu haben. Die Beklagte durfte den Umständen nach jedoch nicht von einer Therapieunwilligkeit ausgehen. Da der Beklagten – nach ihrem Vortrag – die Alkoholabhängigkeit des Klägers vor Kündigungsausspruch nicht bekannt war, hat sie dem Kläger nicht zuvor angeboten, eine Alkoholtherapie durchzuführen. Ihm wurde nicht vor Augen geführt, welche Bedeutung seine Arbeitgeberin seiner Abstinenz zumaß. Der Kläger musste eine solche Alkoholtherapie im vorliegenden Fall auch nicht von sich aus beginnen oder anbieten. Er durfte aufgrund seiner Klinikaufenthalte davon ausgehen, dass keine Alkoholtherapie durchgeführt werden musste, um abstinent zu leben und seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erfüllen zu können. So ist im Entlassungsbrief des T.-Krankenhauses Evangelisches Krankenhaus vom 26. November 2013 ausgeführt: „Eine erneute Entgiftungstherapie bei Internisten aufgrund Polytoxikomanie und psych. Störungen weder erforderlich noch sinnvoll.“ Tatsächlich verhielt sich der Kläger im Betrieb dann auch bis zum 2. Mai 2014 unauffällig.

Auch aus Rückfällen des Klägers ergibt sich nicht zwingend eine negative Prognose für die weitere, nachteilige Entwicklung seiner – von ihm behaupteten - Alkoholkrankheit. Es ergibt keinen Erfahrungssatz, wonach ein Rückfall nach einer zunächst erfolgreichen Entwöhnungskur und längerer Abstinenz einen endgültigen Fehlschlag jeglicher Alkoholtherapie für die Zukunft bedeutet. Maßgebend ist stets die Beurteilung im Einzelfall (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. August 2009 – 10 Sa 506/09 und 10 Sa 1568/09 – BeckRS 2009, 72819; LAG Hamm, Urteil vom 4. September 2001 – 11 Sa 1918/00 – BeckRS 2001, 30793167). Im vorliegenden Einzelfall lag die erfolgreiche Entwöhnungskur nach den Angaben des Klägers bereits mehr als acht Jahre zurück als es zu einem Rückfall kam. Auslöser war mit dem Tod der Schwester nach dem Tod der Mutter im Vorjahr eine ungewöhnlich schwierige Situation, die sich nicht wiederholen kann.

Schließlich ergibt auch in dem Fall, dass der Kläger alkoholkrank ist, zumindest die abschließende Interessenabwägung kein Überwiegen der Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber demjenigen des Kläger an seiner Fortsetzung. Auf der einen Seite ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass nicht vorhersehbare unentschuldigte Fehltage zu Dispositionsschwierigkeiten und Ablaufstörungen führen. Die Beklagte beschäftigt jedoch mehrere Gabelstaplerfahrer, die im Bedarfsfall die Arbeit des Klägers übernehmen können.

Zwar sollen auf der anderen Seite private Schicksalsschläge wie Scheidung, fehlender oder geringer Kontakt zu Kindern, der Tod der Mutter oder der Schwester, nicht berücksichtigt werden können, da der Arbeitgeber hierfür keine Verantwortung trägt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. März 2008 – 10 Sa 669/07 – BeckRS 2008, 53518). Im Rahmen der Interessenabwägung ist jedoch in besonderem Maße zu berücksichtigen, dass gerade der Süchtige in besonderem Maß ein möglichst intaktes soziales Umfeld braucht, um überhaupt eine Chance zu haben, sich von der Sucht zu befreien (APS/Dörner/Vossen, Kündigungsrecht, 4. Aufl. 2012, § 1 KSchG Rn. 234a). Das gilt besonders in dem vorliegenden Fall, da der Kläger nach dem Tod von Mutter und einziger Schwester nahezu keine familiären Bindungen mehr hat. Er ist bereits seit seinem 21. Lebensjahr, im Kündigungszeitpunkt seit über 24 Jahren, mithin mehr als die Hälfte seines Lebens und praktisch sein ganzes Arbeitsleben bei der Beklagten tätig. Die Arbeit bei der Beklagten und das Zusammenarbeiten mit den Kollegen ist eine wichtige Konstante im Leben des Klägers. Zugunsten des Klägers ist weiter seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind zu berücksichtigen. Dagegen ist es der Beklagten zuzumuten, dem Kläger eine - für die Beklagte erste - Gelegenheit zur Durchführung einer Therapie zu geben und abzuwarten, ob durch eine Alkoholtherapie oder die vom Kläger durchgeführte medikamentöse Behandlung eine dauerhafte Abstinenz erreicht werden kann.

3. Da die ausgesprochene Kündigung nach Auffassung der Kammer sozial nicht gerechtfertigt ist, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr auf die Frage an, ob der Betriebsrat zur verhaltensbedingten sowie zur nachgeschobenen krankheitsbedingten Kündigung von der Beklagten ordnungsgemäß angehört wurde (§ 102 BetrVG).

III.  Weil das Arbeitsverhältnis von der Beklagten ordentlich zum 31. Mai 2015 gekündigt worden ist, hat der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung durch die Beklagte aus dem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zur Leistungserbringung - etwa aus krankheitsbedingten Gründen - nicht in der Lage wäre, liegen nicht vor. Nach den Ausführungen der Parteien im Kammertermin vor dem Landesarbeitsgericht erbrachte der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt auch beanstandungsfrei seine Arbeitsleistungen für die Beklagte.

Für die Zeit ab dem 1. Juni 2015 hat der Kläger sodann einen Weiterbeschäftigungsanspruch nach den von dem Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) entwickelten Grundsätzen. Danach hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Solche Gegeninteressen hat die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht substantiiert geltend gemacht.

C.  Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Durch den unzulässigen allgemeinen Feststellungsantrag wurden keine zusätzlichen Kosten verursacht.

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.



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