Arbeitsgericht Koblenz

Urteil vom - Az: 7 Ca 1034/99

Betriebliche Übung

Die betriebliche Übung ist ein schuldrechtlicher Verpflichtungstatbestand, dessen bindende Wirkung je nach Standpunkt entweder aus einem konkludent zustande gekommenen Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder aber aus einer entsprechenden Vertrauenshaftung des Arbeitgebers hergeleitet wird.

I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 24.06.99 nicht am 31.10.99 aufgelöst wird, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.10.99 hinaus fortbesteht.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Der Streitwert wird auf 10.500,- DM festgesetzt.

Tatbestand

Mit vorliegender Klage wendet sich die Klägerin gegen die Veränderung des Inhalts ihres Arbeits-verhältnisses bzw. dessen Beendigung. Die am 12.4.1955 geborene Klägerin ist seit dem Oktober 1981 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Als Arbeiterin verdient sie monatlich brutto ca. 3.500,- DM. Die Betriebsstätte der Beklagten befand sich bis Januar 1988 in Köln. Dort erbrachte die Klägerin ihre Arbeitsleistung. Dann zog die Beklagte mit ihrer Betriebsstätte um in den Industriepark Nord in Buchholz. Für diejenigen Mitarbeiter, die in Köln leben, aber bei der Beklagten weiterarbeiten wollten, hat die Beklagte einen Busverkehr zwischen Köln und der Betriebsstätte in Buchholz mit Hin- und Rückfahrt organisiert und eingerichtet. Dieser Bustransfer ist seit seiner Einrichtung für die Mitarbeiter kostenfrei. Zunächst hat die Beklagte mit Schreiben vom 31.03.99 (Bl. 7 d.A.) angekündigt, dass der Busverkehr zwischen Köln und Buchholz aus Kosten-gründen nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Lediglich bis zum 30.06.99 werde der Werksverkehr als Übergangsregelung aufrechterhalten. Anschliessend hat die Beklagte unter dem 24.06.99 (Bl. 22 d.A.) das Arbeitsverhältnis vorsorglich zum 31. Jan. 2000 gekündigt und der Klägerin zugleich angeboten, das Arbeitsverhältnis zu den alten Bedingungen fortzusetzen, den Bustransfer zwischen Buchholz und Köln aber einzustellen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.

Sie macht geltend, die Kündigung sei sozialwidrig. Die Parteien hätten eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, wonach bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Beklagte den kostenfreien Transport zur Betriebsstätte vorzunehmen gehabt habe. Im Übrigen gebe es betriebliche Gründe für die Kündigung ebenso wenig, wie personen- oder verhaltensbedingte Gründe. Im Übrigen habe es weniger einschneidende Mittel gegeben, dem Fiskalinteresse der Beklagten Rechnung zu tragen. So sei man ohne weiteres bereit, die Deutsche Bundesbahn in Anspruch zu nehmen. Für die Fahrt vom Bahnhof zur Arbeitsstätte habe man bei mehreren Unternehmen Erkundigungen eingezogen. Diese hätten eine Tagespauschale von 60,- DM angeboten. Selbst bei 3 Mitarbeitern bedeute dies, dass pro Mitarbeiter und Tag 20,- DM anfallen würden. Der Jahresbetrag liege somit bei 4.800,- DM, statt von der Beklagten angegebenen 20.000,- DM. Im Übrigen habe die Beklagte einen steuerlichen Vorteil durch Aufwendung dieser Kosten. Im Übrigen spreche der umfangreiche Einsatz von Leiharbeitnehmern gegen betriebliche Gründe für die Änderungskündigung. In der vorletzten mündlichen Verhandlung hat die Beklagte zugesagt, den Busverkehr nicht vor dem 31.01.2000 einstellen zu wollen. 

Die Klägerin stellt den Antrag,
festzustellen, dass die Kündigung vom 24.06.1999 zum 31.10.1999 unwirksam ist, sondern das Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des geschlossenen Arbeitsverhältnisses unverändert über den 31.01.2000 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor,
das Schreiben vom 31.03.99 sei keine Kündigung, aber ein zulässiger und rechtswirksamer Widerruf einer freiwillig gewährten Leistung. Eine ausdrückliche Zusage zur Einrichtung und Aufrechterhaltung einer Buslinie bis zum Ende des jeweiligen Arbeitsverhältnisses sei nicht gegeben worden. Tatsächlich habe es überhaupt keine konkreten Absprachen gegeben. Bei der Veränderung der Betriebsstätte sei lediglich schriftlich festgehalten worden, dass mit Wirkung vom 01.01.1998 der Leistungsort ein anderer geworden sei. Es hätte nichts näher gelegen, als eine etwa gewollte Verpflichtung der Beklagten, die Buslinie bis zur Beendigung aller Altarbeitsverhältnisse aufrechtzuerhalten, in dieser Änderungsvereinbarung niederzulegen. Das Fehlen einer derartigen Regelung belege, dass die Beklagte sich gerade habe nicht binden wollen. Eine betriebliche Übung sei ebenfalls nicht entstanden. Ein schutzwürdiges Vertrauen der betroffenen Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber die Leistungen auf Dauer aufrechterhalten werde, habe im vorliegenden Fall nicht entstehen können und sei auch nicht entstanden. Zunächst sei der Bus mit 28 Mitarbeitern besetzt gewesen und im Laufe der letzten 10 Jahre sei die Benutzerzahl immer mehr zurückgegangen. Der Beklagten seien immer wieder Diskussionen zugetragen worden, die sich um die Frage rankten, wie lange die Beklagte angesichts dieser geringen Auslastung den Bustransfer noch aufrechterhalten werde. Im Übrigen sei in keinem Fall ein Vertrauen der beschäftigten Arbeitnehmer schutzwürdig gewesen. Von Anfang an sei nämlich absehbar gewesen, dass durch natürliche Fluktuation die Zahl der Benutzer der Buslinie kontinuierlich zurückgehen werde. Die Kosten für die Aufrechterhaltung der Buslinie seien demgegenüber vom Grad der Auslastung völlig unabhängig. Von derzeit 7 Nutzern scheide eine Ende 1999 aus, eine weitere Ende 2000. Hinzukämen erhebliche krankheitsbedingte Ausfallzeiten der  Arbeitnehmer aus Köln. Vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit sei demzufolge der Widerruf nicht willkürlich, sondern geradezu zwingend ausgeübt worden. Jedenfalls bestehe ein dringendes betriebliches Bedürfnis für die ausgesprochene Änderungskündigung. Die Buslinie sei keine unselbständige Betriebsabteilung im Sinne der BAG Entscheidung in NZA 1999, 471. Zwar habe die Klägerin durchweg bei der Fahrtmöglichkeit Kosten, die sie bislang habe nicht tragen müssen. Die Wegekosten seien jedoch normalerweise immer vom Arbeitnehmer zu tragen. Ziel der Kündigung sei damit die Angleichung des Kostenrisikos an das allgemein Übliche. Die wirtschaftliche Situation der Beklagten sei durchaus dramatisch. Seit drei Jahren erwirtschafte man nur noch Verluste mit steigender Tendenz. Demgegenüber sei der Personalkostenanteil trotz reduzierter Belegschaft in 1999 nahezu gleich geblieben. Rechnerisch entsprächen die Kosten für den Bustransfer etwa einem Vollzeitarbeitsplatz. Vor dem Hintergrund der dringenden Notwendigkeit der Kostenreduktion verbleibe als Einsparpotential der Personalkostenblock. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Parteien verwiesen.

 

Entscheidungsgründe 

Die vorliegende Klage ist in beiden Anträgen - der Sache nach handelt es sich um zwei Anträge - als Feststellungsklage zulässig. Beim ersten Antrag handelt es sich um eine Feststellungsklage in der besonderen Form der Änderungsschutzklage gem. § 2, 4 und 7 KSchG die gegen die Änderungskündigung vom 24.06.1999 gerichtet ist. Im Weiteren will die Klägerin aber auch im Wege der allgemeinen Feststellungsklage festgestellt haben, dass durch den Widerruf - die Ankündigung vom 31.03.99 in der angepassten Form - die Verpflichtung der Beklagten zur Gestellung einer Transfermöglichkeit von Köln zum Werk der Beklagten in Buchholz nicht weggefallen ist.

Die Erklärung vom 31.03.99 in ihrer zuletzt geäußerten Form hat die Verpflichtung der Beklagten zur Gestellung einer Bustransfermöglichkeit für die Klägerin von ihrem Wohnort nach der Betriebsstätte nicht entfallen lassen. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich insoweit nicht um eine freiwillige Leistung der Beklagten. Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass im Zeitpunkt der Einführung der Leistung zu keinem Zeitpunkt seitens der Beklagten die Erklärung abgegeben wurde, es handle sich um eine freiwillige Leistung. Nach Darstellung der Klägerin handelt es sich sogar um eine ausdrücklich für die Dauer des Arbeitsverhältnisses zugesagte Leistung der Beklagten. 

Im Ergebnis kann dies aber dahinstehen, da nach Auffassung der Kammer durch die über 10 Jahre geübte Praxis zwischenzeitlich eine betriebliche Übung dahingehend entstanden ist, den in Köln wohnenden Mitarbeitern der Beklagten kostenlos eine Beförderungsmöglichkeit zur Betriebsstätte in Buchholz zur Verfügung zu stellen. Die betriebliche Übung ist ein schuldrechtlicher Verpflichtungstatbestand, dessen bindende Wirkung je nach Standpunkt entweder aus einem konkludent zustande gekommenen Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder aber aus einer entsprechenden Vertrauenshaftung des Arbeitgebers hergeleitet wird. Insoweit muss zunächst der Arbeitgeber ein bestimmtes Erklärungsverhalten an den Tag legen, das geeignet ist, bei dem Erklärungsempfänger einen Sinn zum Ausdruck zu bringen. Hierbei müssen regelmäßig die allgemeinen Voraussetzungen einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung vorhanden sein. Maßgeblich ist demzufolge, dass ein entsprechender Verpflichtungswille des Arbeitgebers besteht. Allerdings kommt es insoweit nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers, sondern auf den aus dem Verhalten des Arbeitgebers zu schließenden Willen an. Ausreichend ist mithin, dass der Arbeitgeber den objektiven Tatbestand einer betrieblichen Handhabung wissentlich gesetzt hat und die Arbeitnehmer aus seinem Verhalten nach Treu und Glauben auf einen entsprechenden Willen haben schließen können (vgl. Schaub, Arbeitsrechthandbuch, 8. Aufl., § 111 I 3 a u. b. m.w.N.).  

Soweit es sich um eine den Arbeitnehmern günstige Betriebsübung handelt - beispielsweise die Gewährung von Gratifikationen - kann ohne weiteres von ihrer stillschweigenden Annahme durch die Arbeitnehmer ausgegangen werden. Da die Betriebsübung auf der Willenserklärung des Arbeitgebers beruht, kann dieser bei ihrer Abgabe grundsätzlich jede Bindung für die Zukunft ausschliessen (beispielsweise Betonung einer freiwilligen Leistung, Einführung des Vorbehalts des Widerrufs). Der fehlende Bindungswille kann sich aber auch aus den Umständen des Einzelfalles ergeben (vgl. Schaub a.a.O. m.w.N.). Ob aus einem wiederholten tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers eine betriebliche Übung mit Anspruch der Arbeitnehmer auf eine zukünftige Gewährung entsteht oder ob aus dem Verhalten des Arbeitgebers nur eine Vergünstigung für das jeweilige Jahr abzuleiten ist, müssen die Tatsachengerichte unter Berücksichtigung aller Umstände ermitteln. Im vorliegenden Fall hat die Kammer durch den über 10 Jahre geübten Brauch ohne jegliche zusätzliche Erklärung von Seiten des Arbeitgebers das Entstehen einer betrieblichen Übung im o. g. Sinne angenommen. 

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Einführung des Bustransfers nicht verpflichtet war, eine entsprechende Einrichtung zu schaffen. Sie hätte ohne weiteres die Einführung des Transfers zeitlich befristen können, eine Übergangsregelung vorsehen können, Personenuntergrenzen festlegen können, bei deren Unterschreiten die Beförderung eingestellt worden wäre oder generell einen Widerrufsvorbehalt vorsehen können. Dies alles hat sie aber nicht getan. Hieraus konnte der unbefangene Arbeitnehmer ohne weiteres den Schluss ziehen, die Beklagte wolle - ungeachtet eventueller weiterer Zusagen - dauerhaft die in Köln wohnenden Arbeitnehmer zur Betriebsstätte nach Buchholz auf ihre eigenen Kosten bringen. Soweit die Beklagte hiergegen eingewandt hat, nach einem zwischenzeitlichem Absinken der Mitfahrerzahl seien ihr immer wieder Gespräche zugetragen worden, in denen die Arbeitnehmer die Vermutung geäussert hätten, die Linie werde eingestellt, vermag ihr dies nicht zu helfen. Zum einen lässt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen, ab welchem Zeitpunkt die Mitfahrerzahl konkret erheblich gesunken ist. Zum anderen fehlt auch jegliche Angabe zum Zeitpunkt und zur Urheberschaft entsprechender Mitteilungen. Demzufolge ist der Kammer dieses Vorbringen zu unsubstantiiert, um die oben näher dargestellte mögliche Auffassung der Arbeitnehmer im Hinblick auf den Sinn des Verhaltens des Arbeitgebers in Zweifel zu ziehen. Eine entsprechende Auffassung der Arbeitnehmer hätte nämlich nur dann verhindert werden können, wenn bereits in den ersten drei Jahren ein erhebliches Absinken der Mitfahrerzahl zu verzeichnen gewesen wäre, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt entsprechende Zweifel hätten entstehen müssen. Daneben wäre nach Auffassung der Kammer aber noch die Schilderung weiterer Umstände notwendig geworden, die das Entstehen einer entsprechenden Überzeugung auf Arbeitnehmerseite hätten verhindern können. All dies lässt sich aus dem Beklagtenvortrag aber im Ergebnis nicht entnehmen. Die entstandene betriebliche Übung konnte durch das Schreiben der Beklagten vom 31.03.99 auch im Laufe des Prozesses veränderten Form nicht beeinträchtigt werden, da ein entsprechender Widerrufsvorbehalt in der betrieblichen Übung gar nicht vorgesehen war. Schließlich hat auch die ausgesprochene Kündigung der Beklagten den Inhalt des Arbeitsverhältnisses im Ergebnis nicht verändert, respektive hier das Arbeitsverhältnis beendet, da die Klägerin das Änderungsangebot nicht angenommen hat. Die Kündigung ist gemäß §§ 1 und 2 KSchG sozial ungerechtfertigt und daher unwirksam. Die Kündigung ist deshalb sozial nicht gerechtfertigt, weil für die ausgesprochene ordentliche Änderungskündigung die Voraussetzungen nach § 1 II S. 1-3 KSchG nicht vorgelegen haben. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung - die Beklagte hat hier die Änderung der Arbeitsbedingungen auf betriebliche Umstände gestützt - ist zunächst das Änderungsangebot des Arbeitgebers danach zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 II KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung sich darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (BAG vom 12.11.98 - 2 AZR 91/98, NZA 1999, 471 m.w.N.). Bei der Prüfung ob ein dringendes betriebliches Erfordernis zu einer Änderung der Arbeitsbedingungen besteht, ist auf die wirtschaftliche Situation des Gesamtbetriebes und nicht nur auf die eines unselbständigen Betriebsteils abzustellen. Bei der betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nachhaltig in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift, wenn er die vereinbarte Vergütung reduziert (vgl. BAG a.a.O.). 

Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten und es ist anerkannt, dass Geldmangel den Schuldner nicht entlastet. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist deshalb nur dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen.  Regelmäßig setzt eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft (BAG a.a.O). 

Als solche milderen Mittel können etwa in Betracht kommen die Absenkung von freiwilligen Zulagen, Rationalisierungsmaßnahmen und sonstigen Einsparungen, wobei auch die Sanierungsfähigkeit des Betriebes und eigene Sanierungsbeiträge des Arbeitgebers zu bewerten sind. Im vorliegenden Fall stellt zwar die von der Beklagten unterhaltene Buslinie keine sogenannte unselbständige Betriebsabteilung i. S. d. o. g. Rechtsprechung dar. Allerdings hat die Gewährung eines kostenlosen Bustransfers vom Wohnort zur Arbeitsstelle Entgeltcharakter. Die Arbeitnehmer werden nämlich der Notwendigkeit enthoben, für ihre Beförderung vom Arbeitsort eigene Mittel aufzuwenden. Dementsprechend wirkt sich die kostenlose Beförderung unmittelbar lohnsteigernd bzw. lohnerhaltend aus. Demzufolge ist es nach Würdigung der Kammer sachgerecht, die vom Bundesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung aufgestellten Grundsätze auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Insoweit kann dahinstehen, ob die seitens der Beklagten geschilderten Umstände hinreichend substantiiert sind, ein dringendes betriebliches Bedürfnis für die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin abzugeben. Im Ergebnis ist die ersatzlose Streichung des kostenlosen Bustransfers der Klägerin jedenfalls aus Sicht der Kammer deshalb nicht zuzumuten, weil die Beklagte nicht alle aus Sicht der Kammer möglichen milderen Mittel ausgeschöpft hat. Als solche kamen nämlich insbesondere die in der letzten mündlichen Verhandlung angesprochenen Möglichkeiten der Gewährung eines Zuschusses für die Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs mit Abschmelzungstendenz sowie die Gestellung eines angemieteten oder eigenen Fahrzeuges, das von den Arbeitnehmern gefahren werden konnte, in Betracht. Da mit dieser Lösung rechnerisch eine erhebliche Reduzierung des Defizits verbunden gewesen wäre, erscheint die ausgesprochene Änderungskündigung in ihrer vorliegenden Form nicht als mildestes mögliches Mittel, das das arbeitgeberisch Ziel in gleicher Weise zu erreichen geeignet ist. Darüber hinaus fehlt von Seiten der Beklagten jede substantiierte Darstellung zu einem vorhandenen Sanierungsplan, so dass sich diese nicht darauf berufen kann, dass auch bei dem hier infrage kommenden milderen Mittel noch Kosten entstünden, die anders nicht aufgefangen werden könnten. Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO stattzugeben. 

Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 61 I, 46 II ArbGG i. V. m. § 12 VII ArbGG sowie §§ 3 ff ZPO und 12 ff GKG.



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