Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 3 Sa 545/13

Arbeitsfehler und Schuldanerkenntnis - Praktikantin haftet trotzdem nicht

(1.) Wird eine Praktikantin mit der Aufgabe betraut Handys zu verkaufen und die entsprechenden Daten in ein Computersystem einzutragen, so muss sie nicht damit rechnen, dass sie für einen eingegebenen Vertrag und seine korrekte Durchführung einzustehen hat. Die Verantwortung trägt bei einer solchen Beziehung mit Ausbildungszweck regelmäßig die den Praktikanten anweisende Person; sollte es insoweit zu Fehlern kommen, beruht dies letztlich auf einem Organisationsverschulden auf Seiten des Unternehmens.

(2.) Verlangt ein Arbeitgeber wegen des Verlusts von Handys Schadensersatz von einer Praktikantin, so kann er diesen Anspruch nicht allein auf ein Schuldanerkenntnis der Praktikantin stützen, wenn dieses folgenden Wortlaut hat:

„Schuldanerkenntnis
Hiermit erkenne ich ... an, bei Vertragsschaltungen im Zeitraum X vorsätzlich meinen Arbeitgeber ... betrogen zu haben."

Der Hinweis auf "Betrug" kann sich nämlich auch auf Händlerfehler beziehen. In dem Anerkenntnis räumt die Praktikantin nicht ein, Handys entwendet zu haben oder für den Verlust einzustehen.

(3.) Dass die Praktikantin ihren Arbeitgeber im vorliegenden Fall getäuscht hat, hat der klagende Arbeitgeber nicht substantiiert vorgetragen.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 20.9.2013, Az.: 4 Ca 2432/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtstreits streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Die Klägerin betreibt als Franchisenehmerin der B.GmbH & Co. OHG selbständig einen XY-Partnershop. Die Beklagte war vom 01.11.2011 bis zum 01.02.2012 als Praktikantin im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei der Klägerin beschäftigt. Sie sollte 400,00 € monatlich erhalten. In dem Shop war neben ihr noch Herr E. tätig, wobei seine Funktion - normaler Angestellter, so die Klägerin, oder Shopleiter, so die Beklagte - von den Parteien unterschiedlich dargestellt wird.

Die Kunden schließen bei der Klägerin Handy-Kaufverträge ab. Sie entrichten sodann monatliche Ratenzahlungen an die B.GmbH & Co. OHG. Die Herausgabe eines Handys im Shop erfolgt nach Bonitätsprüfung und Anzahlung mit Karte gegen Quittung.

Die Klägerin hat folgendes Schriftstück vom 20.02.2012 vorgelegt, das u. a. folgenden Wortlaut hat und hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 8 d. A. Bezug genommen wird:

„Schuldanerkenntnis

Hiermit erkenne ich, M. geb. 1993 an, bei Vertragsschaltungen im Zeitraum 01.11.2011 bis 01.02.2012 vorsätzlich meinen Arbeitgeber, die B., betrogen zu haben. Unter den gegebenen Umständen ist die Firma B. berechtigt, die mir für diese Verträge ausgezahlten Provisionen zurückzufordern. Mit ist bewusst, dass die Firma B. berechtigt ist eine Strafanzeige bei der Polizei zu stellen.

Datum: 20.02.2012“

Darunter befinden sich Unterschrift und Namensangabe des Geschäftsführers der Klägerin. Daneben befindet sich die Unterschrift der Beklagten. Die unter ihrer Unterschrift befindliche vorgedruckte Namensangabe “E.“ ist durchgestrichen und handschriftlich der Name der Beklagten vor ihrer Eheschließung “ M.“ eingefügt.

Die Klägerin beruft sich auf insgesamt 46 Schadensfälle, die auf Bl. 3 ff. d. A. (Bl. 82 ff. d. A. und 98 d. A.) aufgelistet sind.

Die Klägerin hat dazu eine tabellarische Übersicht vorgelegt, hinsichtlich deren Inhalts auf Bl. 137 ff. d. A. Bezug genommen wird, mit dem Hinweis, es handele sich um einen Auszug aus dem E.-System, über das ein Kaufvertrag abgelehnt oder zugelassen werde. Bei der Nummer in der Rubrik „Dealer Code“ in der Tabelle handelt es sich um die Nummer, die für den ganzen Shop gilt.

Die Klägerin beruft sich auf Schäden im Zusammenhang mit einer Reihe von Handy-Kaufverträgen, hinsichtlich deren Darstellung im Einzelnen auf S. 3, 4 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 164, 165 d. A.) Bezug genommen wird.

Die Klägerin hat des Weiteren eine Mitteilung der Sparkasse XY vom 19.04.2012 aus der Strafermittlungsakte der Staatsanwaltschaft zur Akte gereicht, aus der sich als Kontoinhaber bestimmter Kontonummern (vgl. Bl. 92 d. A.) die Mutter der Beklagten, Frau W., Herr L. sowie Frau  Ma. ergeben. Das Konto der Mutter der Beklagten wurde von der Beklagten als Konto für die Vergütungszahlung durch die Klägerin an sie genutzt.

Die Klägerin hat eine an sie gerichtete Rechnung ihrer Vertriebspartnerin B. GmbH & Co. OHG vom 23.05.2012 (vgl. Bl. 9 d. A.) vorgelegt, in der diese einen Schadensersatzanspruch i. H. v. insgesamt 25.000,00 € für den XY- Partnershop der Klägerin in H. und den XY-Partnershop der Klägerin in M. geltend macht. Weiter hat die Klägerin ein Schreiben der Vertriebspartnerin vom 27.08.2012 (vgl. Bl. 10 d. A.) mit u. a. folgendem Inhalt vorgelegt:

“Schadensersatzanspruch: Vergleich H. und M.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Gern komme ich Ihrer Anfrage nach und bestätige Ihnen die Aufteilung der Schadenssumme wie folgt:

Standort H. mit 56 % der Anteil am Gesamtrechnungsbetrag in Summe 14.000 €

und

Standort M. II mit 44 % Anteil am Gesamtrechnungsbetrag in Summe 11.000€.

Eine Rechnung über den Gesamtbetrag haben wir Ihnen bereits zugestellt."

Die Klägerin hat des Weiteren eine Stellungnahme der Jugendhilfe vom 15.05.2013 (Bl. 94 d. A.) in dem gegen die Beklagte geführten Strafverfahren vorgelegt. Dort heißt es u. a.:

“...Im Anschluss hatte sie einen 400,-€ Job bei XY, als Praktikantin angenommen...

Zur Tat gibt sie an, sie habe nicht in betrügerischer Absicht gehandelt. Sie habe sich bei ihrem Anleiter (Herr E.) und ihrem Chef rückversichert. Ihr Anteil an Provision habe pro Vertrag unter 1,-€ gelegen.

Die Heranwachsende gibt zu, die Namen durch Weglassen oder Hinzufügen eines Buchstabens verändert zu haben, wenn das System die Annahme verweigerte. Dies sei auf Anregung von Herrn E. erfolgt. Ihr Schuldeingeständnis beziehe sich auf diese Handlungen.“

Die Klägerin hat vorgetragen,

Herr E. sei nur Angestellter im Shop. Es gebe leitende Außendienstmitarbeiter, die mehrere Shops betreuten und die Vorgesetztenfunktion hätten.

Die Klägerin habe ihre Praktikantenstellung missbraucht und Mobilfunkverträge ohne tatsächliche Kundenaufträge in das EDV-System (E.) eingegeben und die betroffenen Handygeräte entwendet bzw. Provisionen für die manipulierten Verträge kassiert.

Da tatsächlich keine Kundenbestellungen vorgelegen hätten, seien sämtliche Ratenzahlungen, die die fiktiven Kunden eigentlich monatlich zum Erwerb der Handys hätten leisten müssen, ausgeblieben. Die angeblich an die Kunden verkauften Handygeräte habe die Beklagte dann aus dem Herrschaftsbereich der Klägerin entwendet. Insgesamt sei ein Schaden von 27.940,00 € brutto - Kaufpreissumme- und 23.478,99 € netto entstanden.

Hinsichtlich der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Klägerin im erstinstanzlichen Rechtszug wird auf die Darstellung in der angefochtenen Entscheidung (S. 5-7 = Bl. 166-168 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16.06.2012 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber aufgrund der Schadensereignisse vom 01.11.2011 bis 01.02.2012 im XY-Partnershop, X-Straße , H., Schadensersatz in Höhe von € 14,000,00 aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung schuldet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

sie habe vor dem Praktikum noch nie gearbeitet. Es habe sich vorliegend um ihre erste Praktikumsstelle bzw. eventuelle Arbeitsstelle gehandelt. Die Einstellung habe Herr E. vorgenommen. Dieser habe sich ihr und ihrer mitgekommenen Mutter als Shop-Manager vorgestellt. Sie bestreite den Schaden dem Grunde und der Höhe nach.

Der Shopleiter Herr E. habe ihr gegenüber erklärt, dass bei eventuell vorhersehbarem Scheitern eines Antrags ein „Händlerfehler“ gemacht werden solle, d. h. dass ein Buchstabe des Namens des Kunden vertauscht und hinterher richtig gestellt werde. Dies habe sie auch auf Wunsch des Herrn E. mehrfach getan und dafür habe sie das Schuldanerkenntnis unterschrieben. Die streitgegenständlichen Fälle erfassten aber nicht diese Sachverhalte. Sie habe einen Provisionsanspruch von unter 1,00 € pro abgeschlossenem Vertrag gehabt.

In Bezug auf sämtliche Verträge seien schriftliche Unterlagen - die Anträge zum Vertragsabschluss, Kopien der Ausweise und Vollmachten - in einem Ordner vorhanden. Die Klägerin möge die Unterlagen zu den streitgegenständlichen Fällen vorlegen. Sie - die Beklagte - bestreite, die streitgegenständlichen Verträge geschlossen zu haben. Die von ihr eingeräumten absichtlichen Händlerfehler umfassten nicht die streitgegenständlichen Verträge. Herr E. habe ihr Verträge zur Abrechnung überlassen, die sie über ihren Zugang selbst eingebucht habe. Herr E. habe ihr erklärt, dass er der beste Verkäufer der Klägerin sei, der Shop immer mit in der Bestenliste stehe und sie, die Beklagte, auch einige Verkäufe nachweisen können solle. Herr E. habe ihr im Übrigen mitgeteilt, dass er auch eine Forderung über 12.000,00 € erhalten habe. Er habe auch gesagt, dass er diesen Betrag gezahlt habe.

Hinsichtlich der weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens der Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug im Einzelnen wird auf die Seiten 8 bis 9 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 169, 170 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 20.09.2013 - 4 Ca 2432/12 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 163-168 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 19.11.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 02.12.2013 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 19.02.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 20.01.2014 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 19.02.2014 einschließlich verlängert worden war.

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor,

die Begründetheit der Klage folge bereits aus dem Schuldanerkenntnis der Beklagten vom 20.12.2012. Denn die Beklagte habe dort gerade nicht auf Händlerfehler, sondern auf ihr eigenes betrügerisches Verhalten ausdrücklich abgestellt. Sie habe nach eigenem Vortrag mit Wissen und Wollen nicht nur die streitgegenständlichen Mobilfunkverträge manipuliert, sondern dabei mitgewirkt, dass die streitgegenständlichen Handygeräte aufgrund der von ihr manipulierten E.Systems an unbefugte Dritte durch sie und Herrn E. herausgegeben worden seien. Aufgrund dieser Sachlage und nicht zuletzt auch infolge ihres Schuldanerkenntnisses treffe die Beklagte die von ihr nicht erfüllte Darlegungslast, die sie keineswegs mit unsubstantiierten, lapidaren Einwendungen füllen könne.

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Klägerin im zweitinstanzlichen Rechtszug wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 19.02.2014 (Bl. 212-217 d. A.) sowie ihrer Schriftsätze vom 02.06.2014 (Bl. 237, 238 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 239-247 d. A.) sowie vom 11.06.2014 (Bl. 255-257 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen/Rhein vom 20.09.2013, AZ: 4 Ca 2432/12, verurteilt,

an die Klägerin 14.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16.06.2012 zu zahlen;

es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber aufgrund der Schadensereignisse vom 01.11.2011 bis 01.02.2012 im XY-Partnershop, X.-Straße ,  H., Schadensersatz in Höhe von 14,000,00 € aus einer vorsätzlich  begangenen unerlaubten Handlung schuldet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor,

sie sei als Praktikantin tätig gewesen und habe nur auf Anweisung ihres Vorgesetzten gehandelt. Insgesamt sei das Vorbringen der Klägerin völlig unsubstantiiert; zu berücksichtigen sei auch, dass die Jugendhilfe im Strafverfahren davon ausgehe, dass ihr strafrechtlich relevantes Verhalten eher gering zu sein scheine (vgl. Bl. 251 d. A.).

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 03.03.2014 (Bl. 222, 223 d. A.) Bezug genommen sowie auf den Schriftsatz vom 10.06.2014 (Bl. 249, 250 d. A.) nebst Anlage (Bl. 251 d. A.) und vom 16.06.2014 (Bl. 261, 262 d. A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 28.07.2014.

Entscheidungsgründe

I.  Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.  Das Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in seiner Begründung zurecht davon ausgegangen, dass die Klägerin weder die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 14.000,00 € nebst Zinsen, noch die Feststellung verlangen kann, dass sie aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung Schadensersatz in Höhe von 14.000,00 € schuldet.

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag oder aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 242, 246 StGB hat. Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass die Beklagten Handys aus dem Shop entwendet hat oder an der Tat eines anderen bewusst mitgewirkt hat.

Einen konkreten Beweis dafür, dass die Beklagte 46 bestimmte Handys aus dem XY-Shop entfernt hat, hat die Beklagte nicht erbracht.

Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen des Verlusts bzw. des Abhandenkommens der Handys würde voraussetzen, dass die Beklagte aufgrund von nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiertem tatsächlichen Vorbringen der Klägerin ihre vertraglichen Verpflichtungen aus dem Praktikanten-Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien schuldhaft verletzt hätte, diese Handys abhanden gekommen wären und der Klägerin dadurch ein bestimmter Schaden infolge adäquat-kausaler Verursachung entstanden wäre.

Eine Vortäuschung der Ausgabe von Handys an Kunden lässt sich hinreichend substantiiert dem tatsächlichen Vorbingen der Klägerin nicht entnehmen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (S. 10-17 = Bl. 171-178 d. A.) Bezug genommen.

Bei der schriftlichen Eingabe von Vertragsdaten in ein Computersystem auf Anweisung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände - wie Quittungserteilung oder Anzahlung über die eigene EC-Karte - ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass es sich bei der Beklagten um eine Praktikantin handelte. Unabhängig von der Stellung des Herrn E. als Shop-Manager oder Mitarbeiter war die Beklagte diesem jedenfalls untergeordnet; ein weiterer Mitarbeiter war im Shop der Klägerin nicht beschäftigt. Praktikanten sind aber in der Regel vorübergehend oder in Vorbereitung auf ein Arbeitsverhältnis in einem Betrieb praktisch tätig, um sich praktische Kenntnisse oder Erfahrungen anzueignen. Demnach steht bei einem Praktikantenverhältnis ein Ausbildungszweck im Vordergrund. Dementsprechend ist die Vergütung der Höhe nach eher eine Aufwandsentschädigung oder Beihilfe zum Lebensunterhalt. Dem entspricht es auch, dass die Provision für einen abgeschlossenen Vertrag für die Beklagte nicht einmal einen Euro betragen sollte. Aufgrund dieser Stellung musste die Beklagte bei der einweisungsgemäßen Eingabe von Daten ins Computersystem nicht damit rechnen, dass damit ein Einstehen- müssen für einen eingegebenen Vertrag und seine korrekte Durchführung verbunden war. Die Verantwortung trägt bei einer solchen Beziehung mit Ausbildungszweck regelmäßig die den Praktikanten anweisende Person; sollte es insoweit zu Fehlern kommen, ist dies letztlich nicht der Beklagten, sondern der Klägerin (Organisationsverschulden) zuzurechnen.

Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Rechtszug auch den Schadensumfang nicht schlüssig dargelegt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 18 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 179 d. A.) Bezug genommen.

Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem Schuldanerkenntnis vom 20.02.2012. Denn die Beklagte hat dort nicht etwa eingeräumt, der Klägerin den Abschluss tatsächlich nicht existenter Verträge vorgespiegelt zu haben. Sie hat vielmehr erklärt, bei Vertragsschaltungen im Zeitraum 01.11.2011 bis 01.02.2012 vorsätzlich ihre Arbeitgeberin betrogen zu haben und dass die Klägerin berechtigt sei, die ihr für diese Verträge ausgezahlten Provisionen zurückzufordern. Ihr sei bewusst, dass die Klägerin berechtigt sei, eine Strafanzeige bei der Polizei zu stellen.

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass der Hinweis auf "Betrug" sich auch auf Händlerfehler beziehen kann. In diesem Sinne hat die Beklagte, darauf hat das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen, sich auch bei der Jugendhilfe geäußert und ihr Schuldeingeständnis erläutert. Die Beklagte hat in dem Anerkenntnis gerade nicht eingeräumt, Handys entwendet zu haben und eine Ersatzpflicht für deren Verlust anerkannt. Sie hat der Klägerin lediglich eine Berechtigung zur Rückforderung ausgezahlter Provisionen zugebilligt. Dieser Schadensposten entsteht gerade auch dann, wenn ein Vertrag entgegen der Vorgaben der Klägerin mit Kunden abgeschlossen wird, die mangels Bonität eigentlich hätten abgelehnt werden müssen.

Auch das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält zum einen keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht lediglich - wenn auch aus der Sicht der Klägerin verständlich - deutlich, dass die Klägerin der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien durch das Arbeitsgericht, dem die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht zu folgen vermag.

Soweit die Klägerin insoweit nochmals maßgeblich auf das "Schuldanerkenntnis" hinweist, ist zu berücksichtigen, dass mit dem Arbeitsgericht schon nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich aus diesem Schuldanerkenntnis überhaupt ein Bezug zur hier von der Klägerin geltend gemachten Schadenssumme ergibt, sondern allenfalls, wenn überhaupt, ein Bezug zu den von der Beklagten vereinnahmten Provisionen, die sie selbst mit weniger als einem Euro pro Vertrag angegeben hat, wozu sich die Klägerin in beiden Rechtszügen inhaltlich nicht erklärt hat. Anhaltspunkte dafür, darin ein selbständiges - abstraktes, konstitutives - Schuldversprechen nach Maßgabe der §§ 780, 781 BGB zu sehen sein könnte, bestehen mangels entsprechendem tatsächlichen Vorbringen der Klägerin nicht (vgl. insoweit BAG 15.03.2005, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 2; 22.07.2010, EzA § 781 BGB 2002 Nr. 2; vgl. Dörner/Luczak,/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 11. Auflage 2014, Kap. 3 Rn. 764 ff.).

Im Übrigen ist vorsorglich nochmals darauf hinzuweisen, dass ein Schadenersatzanspruch gegenüber der Beklagten eine schuldhafte Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten vorausgesetzt hätte. Insoweit hat die Kammer durch Hinweisbeschluss vom 05.05.2014 folgende Hinweise erteilt:

"... Die Parteien werden nach dem Ergebnis der heutigen mündlichen Verhandlung gemäß § 139 ZPO darauf hingewiesen, dass nach dem schriftsätzlichen Vorbringen in beiden Rechtszügen der Sachvortrag in allen wesentlichen Punkten nicht hinreichend konkret erscheint, um eine abschließende Sachentscheidung zu treffen.

Dabei geht die Kammer hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast davon aus, dass einerseits die Klägerin für die anspruchsbegründenden Tatsachen die volle Substantiierungspflicht trägt, dass andererseits einer darlegungspflichtigen Partei aber auch nichts Unmögliches abverlangt werden darf. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird durch das Prinzip der Sachnähe gelöst, d. h. je näher eine Partei an dem fraglichen Geschehen selbst unmittelbar beteiligt ist, desto intensiverer und präziserer Tatsachenvortrag ist zu verlangen. Insgesamt muss der Sachvortrag wahrheitsgemäß gestaltet sein.

Im Hinblick darauf ist für die Kammer zunächst nicht hinreichend nachvollziehbar, welche konkreten Tätigkeitspflichten die Klägerin im Hinblick auf den hier eingetretenen Schaden einerseits und im Hinblick auf ihre Praktikanteneigenschaft andererseits im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss hatte. Das gilt auch im Hinblick darauf, wer sonst seitens der Klägerin an entsprechenden Vertragsabschlüssen, z. B. zu Kontrollzwecken beteiligt war, bzw. inwieweit entsprechende Kontrollen durchgeführt wurden. Nicht präzise dargelegt ist auch, welchen Vorteil die Beklagte von manipulativ zustande gekommenen Verträgen hatte. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin behauptet hat, die zunächst erforderlichen "Anfangszahlungen" seien durchweg mit der EC-Karte der Beklagten bzw. deren Mutter geleistet worden; darüber müsste es entsprechende Belege geben, die von der Klägerin bislang aber nicht vorgelegt worden sind. Des Weiteren bleibt unklar, welchen Sinn die von der Klägerin behauptete Vorgehensweise der Beklagten überhaupt hatte, nachdem es selbstverständlich im Hinblick auf die behaupteten Manipulationen schnell auffallen musste, dass keine Zahlungen geleistet werden würden.

Andererseits ist die Beklagte darauf hinzuweisen, dass unsubstantiiertes Bestreiten im Hinblick auf die eigene Sachnähe nicht ausreichend ist. Auch hinsichtlich ihres tatsächlichen Vorbringens bleibt völlig unklar, welche Tätigkeit sie im Rahmen des Praktikantenverhältnisses überhaupt verrichtet hat, ebenso wie Einzelheiten zu der Tatsache, dass es zu dem "Schuldanerkenntnis" gekommen ist (Motiv, Anlass, Ursachen, Einzelheiten); insoweit ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass von beiden Parteien im Hinblick auf ihre Sachnähe sehr viel detaillierterer Sachvortrag zu verlangen ist ..."

Auch im Hinblick darauf lässt sich dem Vorbringen der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin auch nicht im Ansatz entnehmen, welche konkreten Verpflichtungen die Beklagte im Rahmen des Praktikanten-Arbeitsverhältnisses konkret bezogen auf die von der Klägerin dargestellten Schadensereignisse zu erfüllen hatte. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf ihre Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation; insgesamt fällt beim Vorbringen der Klägerin maßgeblich auf, dass es sich zur Tätigkeit, Funktion und Weisungsbefugnis ihres Mitarbeiters E. gegenüber der Klägerin und in Bezug auf die hier maßgeblichen Schadensereignisse überhaupt nicht nachvollziehbar verhält.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.



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