Landesarbeitsgericht Nürnberg

Urteil vom - Az: 8 Sa 756/12

Anspruch auf Übertragung des Resturlaubs - Urlaub als Schadensersatz

1. Die jahrelang gehandhabte Übertragung des Resturlaubes auf das Folgejahr durch den öffentlichen Arbeitgeber begründet keinen Anspruch auf Fortführung der Handhabung.

2. Ein Urlaubsersatzanspruch als Schadensersatz setzt voraus, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber mit der Urlaubsgewährung in Verzug setzt. Die hierfür erforderliche Mahnung nach § 286 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Arbeitnehmer rechtzeitig die Urlaubsgewährung für einen bestimmten Zeitraum beantragt. Eine bloße Aufforderung zur Bestätigung, dass noch Resturlaub in bestimmtem Umfang zusteht, reicht ebenso wenig aus, wie die zeitlich nicht konkretisierte rein vorsorgliche Geltendmachung des Resturlaubs oder eine Klage auf Feststellung, dass noch Resturlaub in bestimmtem Umfang zusteht.
(Leitsätze)

(3.) Bei einem öffentlichen Arbeitgeber ist zu unterstellen, dass dieser sich aufgrund haushaltsrechtlicher Vorgaben im Zweifel nur normgemäß verhalten und keine über- oder außertariflichen Leistungen erbringen wolle. Ohne besondere Anhaltspunkte darf daher ein im öffentlichen Dienst beschäftigter Arbeitnehmer auch bei langjähriger Gewährung von Vergünstigungen nicht annehmen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und werde unabhängig von einer zugrundeliegenden normativen Regelung unbefristet beibehalten (BAG vom 29.09.2004, AP Nr. 67 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG vom 18.09.2002, AP Nr. 59 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 28.09.2012, Az. 2 Ca 590/11, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um das Bestehen eines Resturlaubsanspruches für das Kalenderjahr 2010.

Der Kläger ist seit 01.04.2004 bei dem Beklagten zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von € 3.300,-- als Wasserwart tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TVöD Anwendung.

Über Jahre hinweg, mindestens seit 2006, leitete der Beklagte Resturlaub des Klägers aus dem Vorjahr auf das Folgejahr über und führte ihn über den 31.03. bzw. über den 31.03. und den 31.05. des Folgejahres fort. Die jeweiligen Urlaubsstände wies er in jahresbezogenen „Urlaubsnachweisen“ aus (auf die Urlaubsnachweise 2006 mit 2010, Bl. 60ff d.A. wird Bezug genommen). Darüber hinaus wies der Beklagte jeweils monatlich die Soll- und Ist-Stunden sowie den Stand des Urlaubsanspruches unter Berücksichtigung des übertragenen Urlaubs sowie der tatsächlich genommenen Tage in monatlichen „Stunden- und Urlaubsabrechnungen“ aus (auf die als Anlage K4 zur Klageschrift vom 26.05.2011 eingereichten Kopien der Stunden- und Monatsabrechnungen für die Monate Januar mit November 2010, Bl. 16 mit 26 d.A. wird Bezug genommen). Die Stundenabrechnung für Oktober 2010 wies einen Resturlaubsanspruch von 50 Tagen aus (Bl. 25 d.A.). Die Stundenabrechnung des folgenden Monats November 2010 wies demgegenüber einen Resturlaub in Höhe von „-1,00“ aus (Bl.26 d.A.). In einem Schreiben vom 16.11.2010 an den Kläger führte der Beklagte u.a. Folgendes aus: „Der nicht genommene alte Urlaub zum Stand 31.5.2010 ist verfallen. Der aktuelle Stand beträgt bei W... L... minus 1 Tag ...“ (auf Bl. 86 f d.A. wird Bezug genommen).

Mit Schreiben seines vormaligen Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2010 wandte sich der Kläger gegen die Zurücksetzung seines Urlaubes zum 31.05.2010 auf „minus 1 Tag“ und forderte den Beklagten auf, bis spätestens 03.12.2010 schriftlich zu erklären, dass dem Kläger noch ein Urlaubsanspruch von 50 Tagen zustehe (Bl. 222 d.A.). Mit weiterem Schreiben seiner vormaligen Prozessbevollmächtigten vom 16.03.2011 führte der Kläger u.a. Folgendes aus:

„Vor diesem Hintergrund ist natürlich für das Jahr 2011 von dem vollen Urlaubsanspruch zuzüglich der auf dem Jahr 2010 noch bestehenden 50 Urlaubstage gegeben .... Aus Gründen der Rechtssicherheit machen wir hiermit rein vorsorglich zurückliegende Urlaubsansprüche und Überstundenansprüche ausdrücklich geltend ...“ (Bl. 224 ff, 226 d.A.).

Mit der am 30.05.2011 beim Arbeitsgericht Bamberg eingereichten und dem Beklagten am 06.06.2011 zugestellten Klage vom 26.05.2011 begehrte der Kläger u.a. die Feststellung, dass er für das Jahr 2010 noch einen Resturlaubsanspruch von 50 Tagen habe und dieser Urlaubsanspruch auch zum 30.03.2011 nicht verfallen sei (Bl. 1 ff d.A.).

Der Kläger war vom 01.12.2010 bis 05.12.2010, 09.12.2010 bis 09.01.2011, 10.02.2011 bis 05.03.2011 sowie 19.04.2011 bis einschließlich 29.05.2011 krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie der Antragstellung wird auf den Tatbestand des Ersturteils verwiesen.

Durch Endurteil vom 28.09.2012, das dem Kläger am 03.12.2012 zugestellt wurde, wies das Arbeitsgericht die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, zwar habe der Beklagte den Urlaubsanspruch nicht einfach streichen können, jedoch habe es der Kläger unterlassen, die ihm auch unter Berücksichtigung seiner Krankheitszeiten bis zum Verfallszeitpunkt 31.05.2011 mögliche vollumfängliche Einbringung des Urlaubs zu beantragen. Die Erhebung der vorliegenden Klage sei wegen ihrer erst nach dem tariflichen Verfallszeitpunkt 31.05.2011 erfolgten Zustellung am 06.06.2011 zu spät erfolgt.

Hiergegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 28.12.2012, beim Landesarbeitsgericht am selben Tage eingegangen, Berufung ein und begründete diese innerhalb der bis zum 01.03.2013 verlängerten Begründungsfrist mit Schriftsatz vom 01.03.2013, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag.

Der Kläger trägt unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag sowie dessen Vertiefung im Berufungsverfahren vor, der Beklagte habe in den vergangenen Jahren wie auch insbesondere im Jahr 2010 durch die Übertragung der Resturlaubsansprüche in das Folgejahr auf einen Verfall von Urlaubsansprüchen verzichtet. Der Beklagte habe daher den Urlaub 2010 nicht wegen eines im Schreiben vom 16.11.2010 mitgeteilten Verfalls zum 31.05.2010 streichen können, zumal weil dem Kläger vorher keine Gelegenheit gegeben worden sei, den Urlaub abzubauen.

Weiter habe der Kläger nach der Mitteilung vom 16.11.2010, dass sein Urlaub verfallen sei, keinen Urlaub mehr beantragen können, da er immer wieder arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen sei.

Zudem habe der Kläger die 50 Tage Resturlaub jeweils rechtzeitig gegenüber dem Beklagten geltend gemacht, und zwar durch die außergerichtlichen Schreiben seines vormaligen Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2010 und vom 16.03.2011 sowie durch die vorliegende Klage vom 26.05.2011. Durch diese beiden Geltendmachungsschreiben sowie durch die Klage habe der Kläger den Beklagten hinsichtlich der Gewährung des Resturlaubes für 2010 in Verzug gesetzt, so dass mit Ablauf des Verfallszeitpunktes an die Stelle des ursprünglichen Naturalurlaubsanspruches ein Urlaubsersatzanspruch als Schadensersatz in gleicher Höhe getreten sei.

Auch könne dem Kläger nicht entgegengehalten werden, dass er zur wirksamen Geltendmachung des Resturlaubsanspruches selbst einen eigenen schriftlichen Urlaubsantrag bei dem Beklagten hätte einreichen müssen statt sich mit einer anwaltlichen Geltendmachung zu begnügen. Eine derartige Betrachtungsweise erschöpfe sich in reinem Formalismus. Im Übrigen habe der Beklagte seine kategorisch ablehnende Haltung bereits in seinem Schreiben vom 16.11.2010 zum Ausdruck gebracht, so dass ein rein formalistisch durchgeführter eigener Urlaubsantrag des Klägers dazu geführt hätte, dass der Beklagte diesen nicht gewährt hätte. Eine eigene Urlaubsbeantragung durch den Kläger persönlich sei daher unzumutbar gewesen.

Schließlich handele der Beklagte rechtsmissbräuchlich, wenn er nunmehr dem Kläger eine angebliche Nichtbeantragung von Urlaub vorwerfe, obwohl dieser doch angeblich schon gar keinen Anspruch mehr auf die Gewährung von Urlaub gehabt habe.

Der Kläger stellt folgenden Antrag:

Es wird, unter Abänderung des am 28.09.2012 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Bamberg, Az.: 2 Ca 590/11, festgestellt, dass dem Berufungskläger gegenüber dem Beklagten aus dem Jahr 2010 noch ein Resturlaubsanspruch von 50 Tagen zusteht und dieser Urlaubsanspruch zu gewähren und auch nicht verfallen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt unter Aufrechterhaltung und weiterer Vertiefung seines erstinstanziellen Vortrages im Wesentlichen Folgendes vor:

Ein Ersatzurlaubsanspruch sei mangels ausreichender Geltendmachung nicht entstanden. Weder durch die Anwaltsschreiben vom 23.11.2010 und vom 16.03.2011 noch durch die Klage habe der Arbeitnehmer den Beklagten aufgefordert, den Urlaub zeitlich festzulegen. Nur durch eine ausreichende zeitraummäßige Festlegung, von wann bis wann er Urlaub haben möchte, wäre ein Ersatzurlaubsanspruch entstanden. Demgegenüber habe der Kläger in dem Anwaltsschreiben nur seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass er von einem Noch-Bestehen eines Urlaubsanspruches von 50 Tagen ausgeht. Weder liege hierin ein Antrag auf Gewährung von Resturlaub in Höhe von 50 Tagen noch sei Urlaub für bestimmte Zeiträume verlangt worden.

Ebenso wenig greife der Vorwurf des Klägers, der Beklagte habe sich rechtsmissbräuchlich verhalten. Der Beklagte habe seine Meinung dahingehend geäußert gehabt, dass dem Kläger kein Urlaubsanspruch mehr zustehe. Soweit der Kläger anderer Meinung gewesen sei, wäre es ihm unbenommen gewesen, rechtzeitig vor dem Verfall Urlaub zu beantragen, was er jedoch unterlassen habe.

Im Übrigen hätten dem Kläger keine 50 Tage Resturlaub aus 2010 zustehen können, sondern allenfalls 39 Tage, wie sich aus der als Anlage B2 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 31.10.2011 vorgelegten Aufstellung über Soll- und Ist-Stunden ab 2004 bis 2010 ergebe (Bl. 44 d.A.). Jedoch sei der Kläger nicht etwa durch die Überlassung der Aufstellung über die angeblich noch bestehenden Resturlaubstage rechtlich gebunden gewesen. Diese habe insoweit weder ein abstraktes noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dargestellt.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf die Berufungsbegründung vom 01.03.2013 nebst Anlagen sowie auf die Berufungsbeantwortung vom 04.04.2013 verwie-sen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

A

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Erstgericht hat mit zutreffender Begründung festgestellt, dass der streitgegenständliche Urlaubsanspruch des Klägers für 2010 jedenfalls mangels ausreichender Geltendmachung mit Ablauf des 31.05.2011 verfallen ist. Dem folgt das Berufungsgericht und macht sich die Entscheidungsgründe des Ersturteils zueigen. Auf eine bloß wiederholende Darstellung wird im Hinblick auf § 69 Abs. 2 ArbGG verzichtet.

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind noch folgende Ausführungen veranlasst:

Nach der Handhabung der Parteien wurde der Resturlaub des Vorjahres jeweils über die gesetzlichen und tariflichen Verfallszeitpunkte - den 31.12. des Urlaubsjahres sowie den 31.03. und den 31.05. des Folgejahres - hinaus jeweils auf das gesamte Folgejahr übertragen. Einen verbindlichen Anspruch auf zeitlich unbegrenzte Fortführung dieser Handhabung hat der Kläger nicht erworben (vgl. nachfolgend I). Durch seine Mitteilung vom 16.11.2010 hat der Beklagte von der bisherigen Handhabung der Urlaubsübertragung wirksam zumindest für die Zukunft mit der Folge Abstand genommen, dass eine Übertragung von Resturlaub aus 2010 in das Kalenderjahr 2011 über den tariflichen Verfallszeitpunkt 31.05.2011 hinaus nicht mehr möglich war (II). Der vom Kläger behauptete An-spruch auf restliche 50 Urlaubstage aus dem Jahr 2010 ist mangels Antritts bis spätestens am 31.05.2011 verfallen (nachfolgend III). Mangels ausreichender Leistungsaufforderung hat der Kläger den Beklagten hinsichtlich des behaupteten Resturlaubsanspruches aus 2010 auch nicht in den Schuldnerverzug gesetzt, so dass ihm der geltend gemachte Urlaubsanspruch auch nicht als Schadenersatzanspruch zusteht (IV).

I. Nach der Handhabung der Parteien wurde Resturlaub jeweils über die Verfallszeitpunkte hinaus in das Folgejahr übertragen. Einen rechtsverbindlichen Anspruch auf Fortführung dieser Handhabung hat der Kläger indes nicht erworben:

1. Weder durch die Aufnahme des aus dem Vorjahr übertragenen Urlaubs in die Urlaubsnachweise für die Jahre 2006 mit 2010 (Bl. 60 mit 64 d.A.) noch durch die Aufführung der „Überträge vom Vormonat“ in den jeweiligen monatlichen Stunden- und Urlaubsabrechnungen (Bl. 16 mit 26 d.A.) bis hin zu dem Abrechnungsmonat November 2010 hat der Beklagte dem Kläger gegenüber ein abstraktes oder ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgegeben.

Ein abstraktes Schuldanerkenntnis scheidet schon mangels Wahrung der gesetzlichen Schriftform aus (§§ 781, 126 BGB). Die Abrechnungen sind aber auch nicht als formlos wirksames deklaratorisches Schuldanerkenntnis anzusehen, in dem der Beklagte darauf verzichten würde, sich auf den Verfall des Resturlaubsanspruches mit Ablauf des Übertragungszeitraumes zu berufen. Ein bestätigender Schuldanerkenntnisvertrag liegt nur vor, wenn die vereinbarte Regelung zum Ziele hat, ein bestehendes Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen (Palandt/Thomas, Kommentar zum BGB, 71. Auflage, § 781 Rn. 4 mit vielen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur). Eine Lohnabrechnung oder eine Aufstellung über Arbeitszeit- und Urlaubssalden enthält jedoch grundsätzlich kein Schuldanerkenntnis. Derartige Abrechnungen haben nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen; ihnen kann daher regelmäßig nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber die Zahl der angegebenen Urlaubstage auch dann gewähren will, wenn er diesen Urlaub nach Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag nicht schuldet (BAG vom 10.03.1987, 8 AZR 610/84; BAG vom 28.07.2010, 5 AZR 521/09, jeweils zitiert nach juris). Die vorbehaltlose Mitteilung eines Arbeitgebers an den Arbeitnehmer über den Stand des Arbeitszeitkontos sowie Lohn- oder Gehaltsmitteilung stellen kein Anerkenntnis im Rechtssinn dar, sondern sind lediglich Wissenserklärungen (BAG vom 28.07.2010, 5 AZR 521/09; BAG vom 19.03.2008, 5 AZR 328/07, jeweils zitiert nach juris).

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf unbegrenzte Fortführung der Urlaubsübertragung nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung erworben.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG kann ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers vertragliche Ansprüche auf eine Leistung begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgeber schließen dürften, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt (vgl. nur BAG vom 16.07.1997, AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung; Schaub/Koch, Handbuch des Arbeitsrechts, 15. Auflage, § 110 Rn. 8 ff).

Das Entstehen eines Anspruches aus betrieblicher Übung setzt jedoch einen kollektiven Bezug des Verhaltens des Arbeitgebers voraus. Eine betriebliche Übung muss sich auf eine Vielzahl von Arbeitnehmern oder eine zumindest abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern beziehen. Wird eine Leistung nur einem einzelnen Arbeitnehmer gewährt, ohne dass andere Arbeitnehmer eine zumindest vergleichbare Leistung erhielten, scheidet eine betriebliche Übung aus (BAG vom 21.04.2010, 10 AZR 163/09, zitiert nach juris).

Vorliegend fehlt es an jedwedem Sachvortrag des Klägers zu einem kollektiven Bezug des Verhaltens des Beklagten. Insbesondere ist weder aus dem Sachvortrag der Parteien noch sonst ersichtlich, dass der Beklagte gegenüber allen Arbeitnehmern oder gegenüber einer nennenswerten Gruppe von Arbeitnehmern hinsichtlich der Urlaubsübertragung in der in Rede stehenden Art und Weise verfahren wäre.

b) Darüber hinaus unterstellt das BAG bei einem öffentlichen Arbeitgeber wie vor-liegend dem Beklagten, dass dieser sich aufgrund haushaltsrechtlicher Vorgaben im Zweifel nur normgemäß verhalten und keine über- oder außertariflichen Leistungen erbringen wolle. Ohne besondere Anhaltspunkte darf daher ein im öffentlichen Dienst beschäftigter Arbeitnehmer auch bei langjähriger Gewährung von Vergünstigungen nicht annehmen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und werde unabhängig von einer zugrundeliegenden normativen Regelung unbefristet beibehalten (BAG vom 29.09.2004, AP Nr. 67 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG vom 18.09.2002, AP Nr. 59 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).

3. Der Kläger hat auch nicht durch schlüssige Individualzusage einen rechtsverbindlichen Anspruch auf Fortsetzung der Urlaubsübertragung erworben.

a) Das BAG hält grundsätzlich eine individuelle konkludente Abrede über zukünftige Leistungsansprüche für möglich. Danach kommt es grundsätzlich in Frage, aus dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers - gegebenenfalls im Zusammenhang mit begleitenden Äußerungen - auf ein Angebot des Arbeitgebers zu folgern, das der Arbeitnehmer durch schlüssiges Verhalten annehmen könne (BAG vom 21.04.2010, 10 AZR 163/09, zitiert nach juris, betreffend die Zusage auf Zahlung eines Jahresbonus).

Vorliegend kommt grundsätzlich eine durch konkludente individuelle Zusage begründete Pflicht des Beklagten in Betracht, auch in Zukunft den jeweils am Jahresende noch nicht verbrauchten Resturlaub unabhängig vom Vorliegen etwaiger Übertragungsgründe über gesetzliche oder tarifliche Übertragungszeiträume hinaus auf das gesamte Folgejahr zu übertragen, gegebenenfalls sogar ohne zeitliche Einschränkung auf weitere Folgejahre.

b) Der Kläger hat das Vorliegen eines derart weitreichenden Anspruches nicht aufgezeigt. Grundlegende Voraussetzung für die Zurechnung eines Verhaltens als konkludente Willenserklärung ist, dass der Arbeitgeber in dem Bewusstsein handelt, dass im Zusammenhang mit seinem Verhalten eine Willenserklärung wenigstens möglicherweise erforderlich ist (BGH vom 29.11.1994, NJW 1995, 953). Notwendig ist weiter, dass der Arbeitgeber erkennen konnte, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden durfte und dass der Arbeitnehmer es auch tatsächlich so verstanden hat (BGH vom 07.06.1984, NJW 1984, 2279; BGH vom 02.11.1989, NJW 1990, 454; vgl. zu alledem: Salomon, Umgehung der Voraussetzungen einer betrieblichen Übung durch Anerkennung schlüssiger Individualzusagen?, NZA 2010, 1272). Entscheidend ist, ob der konkrete Geschäftswille des Arbeitgebers aus Sicht des Arbeitnehmers gleichermaßen eine Verpflichtung für die Zukunft über die einzelne Leistung hinaus umfasst (so zutreffend: Salomon, a.a.O.).

Vorliegend hat der Kläger nicht aufzuzeigen vermocht, dass der Beklagte durch die jeweilige Urlaubsübertragung in der Vergangenheit sich auch für die Zukunft zu einer Fortsetzung dieser Übertragungspraxis verpflichten wollte. Der aus Sicht des Klägers erkennbare Bedeutungsgehalt des Verhaltens des Beklagten, der in den jährlichen Urlaubsnachweisen den Urlaub für das Vorjahr als Übertrag aufführte und unter Hinzuaddierung zum Urlaub des Folgejahres einen Gesamturlaubsanspruch für das Folgejahr auswies sowie die monatliche Fortschreibung des Urlaubssaldos in den Stunden- und Urlaubsabrechnungen, beschränkte sich darauf, den konkret ausgewiesenen Resturlaub aus dem Vorjahr auf das Folgejahr zu übertragen, wobei nach den Berechnungen des Beklagten von der konkret ausgewiesenen Gesamturlaubshöhe auszugehen sei. Ein Bindungswille des Beklagten, auch nach Ablauf des zuletzt ausgewiesenen Urlaubsjahres den dann gegebenenfalls noch bestehen den Resturlaub wiederum auf das Folgejahr zu übertragen, war aus Sicht des Klägers aus den jeweils davor liegenden Urlaubsübertragungen nicht zu erkennen. Einen derart weitreichenden Bindungswillen hätte der Kläger berechtigterweise nur dann annehmen können, wenn der Beklagte sich dazu verpflichten wollte, dem Kläger etwaigen Resturlaub des laufenden Jahres in jedem Fall während des gesamten folgenden Jahres zu gewähren, unabhängig von der Aufführung des übertragenen Resturlaubes in dem nächsten jährlichen Urlaubsnachweis sowie unabhängig von der Fortführung der Urlaubssaldierung in den monatlichen Stunden- und Urlaubsabrechnungen. Ein solcher Verpflichtungswille setzt über die bloße Übertragung des Vorjahresurlaubes in den jährlichen Urlaubsnachweisen hinaus weitere Anhaltspunkte voraus, die die Annahme eines derart weitgehenden Bindungswillens für die Zukunft rechtfertigen könnten.

Somit bleibt festzuhalten, dass der Kläger keinen Anspruch auf Übertragung des Resturlaubes aus 2010 in das gesamte Folgejahr 2011 erworben hat. Der Beklagte konnte vielmehr einseitig von seiner Handhabung Abstand nehmen, den Resturlaub jeweils auf das gesamte Folgejahr zu übertragen.

II. Wie das Erstgericht zutreffend festgestellt hat, war es dem Beklagten jedoch nicht möglich, den von ihm mit „50 Tagen“ ausgewiesenen Urlaubsanspruch 2010 mit dem Schreiben vom 16.11.2010 rückwirkend zum 31.05.2010 zu streichen.

1. Durch die Ausweisung eines Gesamturlaubsanspruches von 90 Tagen in dem Urlaubsnachweis für 2010 (Bl. 60 d.A.), bestehend aus 30 Tagen „Urlaub 2010“ zuzüglich 60 Tagen „aus Vorjahr übertragen“ hat der Beklagte die Übertragung von 60 Tagen Resturlaub aus 2009 in das gesamte Folgejahr 2010 unabhängig vom Vorliegen gesetzlich oder tariflicher Übertragungsgründe und von der Beachtung gesetzlicher oder tariflicher Übertragungszeiträume eingeräumt.

Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden und erlischt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres. Eine Übertragung des Urlaubes auf das nächste Kalenderjahr ist nur bei Vorliegen dringender betrieblicher oder in der Person des Arbeitnehmers liegender Gründe möglich, wobei der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgendes Jahres gewährt und genommen werden muss (§ 7 Abs. 3 Satz 2 u. 3 BUrlG). Hiervon weicht vorliegend § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD zugunsten des Arbeitnehmers ab, indem im Fall der Übertragung der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres nicht gewährt und genommen, sondern lediglich angetreten werden muss. Im Fall des Nichtantrittes des Erholungsurlaubes wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen bis zum 31.03. verschiebt sich der Zeitpunkt, bis zu dem der Resturlaub anzutreten ist, nach § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 TVöD auf den 31.05..

Durch eine einschränkungslose Ausweisung des aus dem Vorjahr 2009 übertragenen Resturlaubes in dem Urlaubsnachweis 2010 sowie durch die Fortschreibung des sich hieraus ergebenden Urlaubssaldos in den monatlichen Stunden- und Urlaubsabrechnungen hat der Beklagte den Kläger ersichtlich von den gesetzlichen und tariflichen Einschränkungen der Übertragbarkeit des Resturlaubes aus 2009 auf das Urlaubsjahr 2010 befreit. Insbesondere bestand keinerlei Anlass für den Kläger, den Resturlaub aus 2009 zur Vermeidung des Verfalles bis spätestens zum 31.05.2010 anzutreten. Der Resturlaub aus 2009 bestand zuzüglich des Jahresurlaubes für 2010 über den 31.05.2010 hinaus fort und konnte von dem Beklagten nicht im November 2010 einseitig rückwirkend zum Erlöschen gebracht werden.

2. Jedoch konnte der Beklagte von seiner bisherigen Praxis, den nicht genommenen Urlaub fortzuschreiben, für die Zukunft Abstand nehmen, zumindest wenn und soweit dem Kläger die Möglichkeit verblieb, übertragenen Urlaub noch innerhalb der gesetzlichen oder tarifvertraglichen Verfallsfristen zu nehmen. Auch insoweit folgt das Berufungsgericht dem Erstgericht.
Der Erklärung des Beklagten vom 16.11.2010, wonach der nicht genommene alte Urlaub zum Stand 31.05.2010 verfallen sei, sowie den entsprechenden Eintragungen in den Stunden- und Urlaubsabrechnungen für Oktober und November 2010 war aus der maßgeblichen Sicht des Empfängerhorizontes des Klägers in genügender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Beklagte eine Übertragung des noch offenen Anspruches aus 2010 in das Folgejahr 2011 nicht mehr ohne die gesetzlich bzw. tariflich erforderlichen Übertragungsgründe und nicht mehr über die gesetzlich bzw. tariflich vorgesehenen Übertragungszeiträume hinaus vornehmen werde. Somit war für den Kläger erkennbar, dass er selbst bei Vorliegen von Übertragungsgründen seinen Gesamturlaub aus 2010 nach § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD in Verbindung mit § 7 Abs. 3 BUrlG spätestens bis zum 31.05.2011 werde antreten müssen.

III. Der vom Kläger mit der vorliegend gemachten Klage geltend gemachte Urlaubsanspruch für 2010 ist spätestens mit Ablauf des 31.05.2011 verfallen.

Zwar ist seit der Entscheidung des EuGH vom 20.01.2009 (Rs. C-350/06, Gerhard Schultz-Hoff, zitiert nach juris) und deren Umsetzung in der nationalen Rechtsprechung (BAG vom 24.03.2009, 9 AZR 983/07, zitiert nach juris) geklärt, dass der Urlaubsanspruch mit Ablauf des Bezugszeitraumes, gegebenenfalls des Übertragungszeitraumes, dann nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit den Urlaub nicht im Bezugszeitraum bzw. im Übertragungszeitraum nehmen konnte.

Vorliegend jedoch war der Kläger trotz der im Ersturteil im Einzelnen aufgeführten Krankheitszeiten wegen der ebenso aufgeführten dazwischen liegenden Zeiten von Arbeitsfähigkeit bereits nicht gehindert, den streitgegenständlichen Urlaubsanspruch für 2010 in der gesamten Höhe von 50 Urlaubstagen bis spätestens zum 31.05.2011 nicht nur anzutreten, sondern sogar vollumfänglich einzubringen.

IV. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz im Umfang der Klageforderung.

1. Ist Urlaubsanspruch wegen Unmöglichkeit untergegangen, haftet der Arbeitgeber auf Schadenersatz, wenn er die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Dies gilt sowohl für den Fall des Unterganges mit Ende des Urlaubsjahres nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG als auch für den Fall der Übertragung nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG bzw. nach entsprechenden tariflichen Regelungen mit Ende des Übertragungszeitraums.
Anspruchsgrundlage für den Schadensersatz sind die §§ 275 Abs. 1, Abs. 4, 280, 283 Satz 1, 286 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 BGB. Voraussetzung des Anspruchs ist, dass der Arbeitgeber die Nichtgewährung des Urlaubs zu vertreten hat. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Urlaub trotz Geltendmachung durch den Arbeitnehmer nicht erteilt hat. Voraussetzung ist weiter, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber mit dessen Pflicht zur Urlaubsgewährung in Verzug gesetzt hat. Dies erfordert eine Geltendmachung des Urlaubsanspruches durch den Arbeitnehmer nach § 286 Abs. 1 BGB (BAG vom 14.05.2013, 9 AZR 760/11; BAG vom 24.09.1996, AP ArbGG § 64 Nr. 25; ErfK/Gallner, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 13. Auflage, § 7 BUrlG, Rn. 39 f).

2. Vorliegend hat der Kläger den Beklagten mangels ausreichender Geltendmachung des Urlaubes nicht in den Schuldnerverzug gesetzt, wie das Erstgericht zutreffend festgestellt hat.

a) Ausreichend aber auch erforderlich für eine Mahnung nach § 286 Abs. 1 BGB ist es, dass der Arbeitnehmer die Urlaubsgewährung für einen bestimmten Zeitraum beantragt oder hinreichend deutlich den Urlaubsanspruch für das Urlaubsjahr gefordert hat (BAG vom 18.09.2001, 9 AZR 571/00; vom 21.09.1999, 9 AZR 705/98; vom 17.01.1995, 9 AZR 664/93; vom 26.06.1986, 8 AZR 550/84; vom 28.01.1982, 6 AZR 636/79, jeweils zitiert nach juris). Im ungekündigten wie auch im gekündigten Arbeitsverhältnis obliegt es dem Arbeitnehmer, für die Wahrung seiner vermeintlichen Urlaubsansprüche zu sorgen und insbesondere die für die Festlegung des Urlaubes nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG maßgeblichen Urlaubswünsche zu äußern. Der Arbeitgeber ist nach § 7 Abs. 1 BUrlG nicht verpflichtet, den Urlaub des Arbeitnehmers von sich aus festzulegen. Der Urlaub ist vielmehr vom Arbeitnehmer ausdrücklich geltend zu machen. Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber auffordern, den Urlaub zeitlich festzulegen (BAG vom 21.09.1999, 9 AZR 705/98; BAG vom 18.09.2001, 9 AZR 751/00; BAG vom 17.01.1995, 9 AZR 664/93, a.a.O.).

b) Eine ausreichende Geltendmachung des streitgegenständlichen Urlaubsanspruches liegt auch in Anbetracht des zweitinstanziellen Sachvortrages des Klägers nicht vor.

aa) Sowohl das vorgerichtliche Schreiben der vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23.11.2010 als auch deren vorgerichtliches Schreiben vom 16.03.2011 entbehren der zeitlichen Festlegung des begehrten Urlaubs.

Mit dem Schreiben vom 23.11.2010 hat der Kläger den Beklagten lediglich zur schriftlichen Bestätigung aufgefordert, dass ihm noch ein Urlaubsanspruch von 50 Tagen zusteht. Diese Aufforderung entbehrt jeglicher Präzisierung, wann der Kläger den behaupteten Urlaub nehmen möchte. Vielmehr beschränkt sich dieses Schreiben auf die bloße Behauptung des Bestehens eines Urlaubsanspruches von 50 Tagen für 2010 sowie auf die Forderung zu dessen Bestätigung.
Ebenso wenig enthält das weitere Schreiben der vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.03.2011 die erforderliche zeitliche Präzisierung hinsichtlich des geltend gemachten Urlaubsanspruches. Die Ausführungen auf Seite 3 in der Mitte des Schreibens beschränken sich auf die Behauptung, für 2010 bestehe noch ein Urlaubsanspruch in Höhe von 50 Urlaubstagen, der auf das Jahr 2011 übergegangen sei.
Auch die „rein vorsorgliche Geltendmachung aus Gründen der Rechtssicherheit“ im vorletzten Absatz auf Seite 3 des Schreibens vom 16.03.2011erfüllt nicht die Anforderungen an die zeitliche Festlegung eines Urlaubsbegehrens. Zwar mag dahingestellt bleiben, ob eine ausreichende Geltendmachung des Urlaubsanspruches voraussetzt, dass der Arbeitnehmer „zeitraummäßig“ genau festlegt, von wann bis wann er Urlaub haben möchte. In jedem Fall muss der Arbeitgeber unmissverständlich darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass der Arbeitnehmer den geltend gemachten Urlaub vom Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 BUrlG zeitlich so festgelegt bekommen möchte, dass dieser Urlaub innerhalb eines bestimmten Zeitraumes oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vollumfänglich eingebracht oder zumindestens angetreten wird.
Vorliegend hätte der Kläger den Beklagten unmissverständlich dazu auffordern müssen, ihm den Urlaub so zu gewähren, dass er diesen - je nach seiner Auffassung - entweder bis zum 31.03. oder zum 31.05.2011 vollumfänglich einbringen oder zumindest mit dem 1. Tag antreten kann. Eine derartige zeitliche Präzisierung lässt sich den anwaltlichen Geltendmachungen vom 23.11.2010 und vom 16.03.2011 nicht entnehmen. Auch im Anwaltsschreiben vom 16.03.2011 beschränkt sich der Kläger im Kern auf die bloße Behauptung des Bestehens eines Urlaubsanspruches für 2010 in Höhe von 50 Tagen. Eine zeitliche Festlegung, bis wann oder ab wann dieser Urlaub vom Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 BUrlG durch zeitliche Festlegung zu gewähren sei, lässt sich dem Anwaltsschreiben nicht entnehmen.

bb) Dem steht auch nicht die Auffassung des Klägers entgegen, dass es reiner Formalismus wäre, vom Kläger anstelle der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe noch einen eigenen separaten schriftlichen Urlaubsantrag gegenüber dem Beklagten zu verlangen. Der Kläger verkennt, dass eine ausreichende Geltendmachung des Urlaubsanspruches nicht daran scheitert, dass nicht der Kläger persönlich, sondern der von ihm bevollmächtigte Anwalt die in Rede stehenden Geltendmachungen vom 23.11.2010 und vom 16.03.2011 anbrachte. Entscheidend ist vielmehr, dass weder der Kläger noch ein bevollmächtigter Anwalt den Urlaub auch hinsichtlich der zeitlichen Lage ausreichend bestimmt geltend machten.

cc) Ebenso wenig verfängt das Argument des Klägers, die kategorisch ablehnende Haltung des Beklagten hätte bei einem rein formalistisch durchgeführten eigenen Urlaubsantrag des Klägers dazu geführt, dass der Beklagte diesen Urlaub nicht gewährt hätte, so dass dem Kläger eine ausdrückliche Urlaubsbeantragung nicht zumutbar gewesen sei.
Zwar bedarf es nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB zur Begründung des Schuldnerverzuges dann einer Mahnung nicht, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Entgegen der offensichtlichen Auffassung des Klägers hat der Beklagte jedoch weder in seinem Schreiben vom 16.11.2010 noch durch die Ausweisung eines Resturlaubes von „-1,00“ in der Stunden- und Urlaubsabrechnung für November 2010 die Urlaubsgewährung im Sinn von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verweigert.
An die Annahme, der Schuldner verweigere ernsthaft und endgültig die Erfüllung einer ihm obliegenden Leistung, sind in der Regel strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung liegt vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen. Das ist regelmäßig nur anzunehmen, wenn dieser sich beharrlich weigert, die Leistung zu erbringen. In diesem Fall entbehrt eine Mahnung ihres Sinnes, den Schuldner zu vertragsgerechtem Verhalten anzuhalten (BAG vom 14.05.2013, 9 AZR 760/11, Rn. 12; BAG vom 13.12.2011, 9 AZR 420/10, Rn. 44, jeweils zitiert nach juris).

dd) Dem in Rede stehenden Schreiben des Beklagten vom 16.11.2010 sowie den Eintragungen der Stunden- und Urlaubsabrechnung November 2010 kann für sich allein ohne Hinzukommen weiterer Einzelfallumstände nicht von vornherein der Inhalt beigemessen werden, der Beklagte werde die für die Erfüllung des Urlaubsanspruches nötige Freistellung von der Arbeitspflicht verweigern, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub in der erforderlichen zeitlichen Bestimmtheit geltend macht.

ee) Schließlich hat der Kläger den streitgegenständlichen Urlaubsanspruch auch nicht durch die Klage vom 26.05.2011 in einer zur Begründung von Schuldnerverzug ausreichenden Weise geltend gemacht.

Die klageweise Geltendmachung ist bereits nicht rechtzeitig erfolgt. Im Zeitpunkt des Zuganges der Klage vom 26.05.2011 bei dem Beklagten am 06.06.2011 wäre eine zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Beklagten dergestalt, dass zumindest ein Antritt des Urlaubes noch vor Ablauf des 31.05.2011 erfolgen könnte, nicht mehr möglich gewesen.

Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Rückwirkung der Zustellung vom 06.06.2011 auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung am 30.05.2011 berufen. Nach dieser Vorschrift tritt, wenn durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrages ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Zwar ist die Klageschrift vom 26.05.2011 bereits am 30.05.2011 und somit vor dem Zeitpunkt des spätest möglichen Urlaubsantrittes am 31.05.2011 bei Gericht eingegangen und auch „demnächst“ am 06.06.2011 zugestellt worden.

Jedoch scheidet vorliegend eine Anwendung des § 167 ZPO aus. Zwar hat der BGH mit Urteil vom 17.07.2008 seine jahrzehntelange Rechtsprechung zu § 167 ZPO geändert und wendet diesen nun auch auf solche Fristen an, für deren Wahrung eine sofortige Klageerhebung nicht erforderlich ist, weil hierzu bereits eine außergerichtliche Geltendmachung ausreichen würde (BGH vom 17.07.2008, I ZR 109/05, zitiert nach juris). Seither werden die Auswirkungen dieser Rechtsprechungsänderung auf die Rechtsprechung des BAG kontrovers diskutiert, insbesondere hinsichtlich der Wahrung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG, der Frist des § 2 KSchG zur Vorbehaltsannahme bei Änderungskündigung, der Mitteilung des Bestehens der Schwangerschaft gemäß § 9 MuSchG, der Frist zur Anzeige der Schwerbehinderung bei Ausspruch einer Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer, der Frist zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG sowie der Geltendmachung von (tarif-)vertraglichen Ausschlussfristen (vgl. hierzu Nägele/Gertler, Der „neue“ § 167 ZPO und seine Auswirkungen im Arbeitsrecht, NZA 2010, 1377; Gehlhaar, Viel Lärm um nichts: Der „neue“ § 167 ZPO, NZA-RR 2011, 169; Kloppenburg, Anmerkung zu BGH vom 17.07.2008, jurisPR-ArbG 7/09).

Jedoch scheitert eine Anwendbarkeit des § 167 ZPO vorliegend bereits an dem Umstand, dass nicht eine gesetzliche oder (tarif-)vertragliche Frist entweder durch Klageerhebung oder auch außergerichtlich geltend zu machen wäre. Vielmehr geht es um die Aufforderung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, den Urlaub nach § 7 Abs. 1 BUrlG ab einem bestimmten Zeitpunkt und/oder innerhalb eines bestimmten Zeitraumes durch Festlegung und Freistellung des Arbeitnehmers von der Pflicht zur Arbeitsleistung zu gewähren. Im Falle des Verstreichens des Gewährungs- oder Übertragungszeitraumes bzw. des Zeitpunktes des spätest möglichen Urlaubsantrittes geht der Urlaubsanspruch unwiederbringlich und endgültig unter. Diese Rechtsfolge kann nicht durch eine rückwirkende Fiktion rechtzeitiger Geltendmachung vermieden werden.

Somit verbleibt es dabei, dass eine ausreichende Geltendmachung des streitgegenständlichen Urlaubs durch die vorliegende Klage vom 26.05.2011 bereits wegen Verspätung von vornherein ausgeschlossen ist.

Darüber hinaus entbehrt auch der Klageantrag wieder um der erforderlichen zeitlichen Festlegung der vom Kläger begehrten Urlaubsnahme. Vielmehr beschränkt sich die Klage auf die Feststellung, dass der Kläger für das Jahr 2010 noch einen Restanspruch von 50 Tagen hat. Eine zur Begründung von Schuldnerverzug wiederum erforderliche zeitliche Präzisierung, dass zumindest der Urlaub ab sofort begehrt werde, ist hierin nicht enthalten. Der Klageantrag beschränkt sich vielmehr auf die grundsätzliche Feststellung, ob und in welcher Höhe Urlaubsanspruch für 2010 besteht und lässt die zeitliche Lage der Einbringung dieses Urlaubsanspruches offen. Dies genügt nicht, um den Beklagten mit der Folge eines Urlaubs-Schadensersatzanspruches in den Schuldnerverzug zu setzen.

Nach alledem bleibt festzuhalten, dass dem Kläger der geltend gemachte Urlaubsanspruch für 2010 nicht mehr zusteht. Das Ersturteil hat die Klage daher zu Recht abgewiesen. Der hiergegen gerichteten Berufung des Klägers musste der Erfolg versagt bleiben.

C

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass (§ 72 Abs. 1 u. Abs. 2 ArbGG).



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