Arbeitsgericht Mainz

Urteil vom - Az: 10 Ca 284/13

Anfechtung eines Vergleichs

(1.) Wird der Arbeitgeber bzw. der Arbeitnehmer durch arglistige Täuschung durch die Gegenseite zum Abschluss eines Vergleichs bestimmt, so darf der Getäuschte den Vergleich -genauer: seine Willenserklärung- anfechten, §123 BGB.
Grundsätzlich obliegt es jeder Partei, sich über die Risiken eines Vertragsschlusses und die Tatsachen, die sie ihrer eigenen Willenserklärung zugrunde legen will, selbst zu informieren. Die Grenze, ab der den Vertragspartner eine Aufklärungspflicht trifft, bildet dabei nur Treu und Glauben. Dies setzt eine für den Anfechtungsgegner erkennbare Informationsasymmetrie voraus, die eine Aufklärungspflicht jedoch nur dann eröffnet, wenn die andere Partei sich die ihr fehlenden Informationen vernünftigerweise nicht selbst beschaffen kann.

Verlangt der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber innerhalb eines Vergleichs, dass ihm 8.135 Aktien "zustehen", und lag dem Arbeitgeber ein Kontoauszug mit dem bisherigen Aktienbestand von 4.535 vor, so kann der Arbeitgeber nicht einwenden, er wusste nicht, dass eine Aufstockung auf 8.135 (und nicht nur deren Freigabe) verlangt war.

(2.) Die Anfechtung eines Vergleichs wegen eines Inhalts- oder Erklärungsirrtums (§119 BGB) ist nur zulässig, wenn die Anfechtung unverzüglich gegenüber dem Anfechtungsgegner erklärt wird.
Das Privileg des §121 I 2 BGB, wonach das unverzügliche Absenden der Anfechtungserklärung genügt, wirkt dann nicht zu Gunsten des Anfechtenden, wenn die Anfechtungserklärung an das Gericht anstatt den Anfechtungsgegner gesendet wurde.
Eine Anfechtung nach mehr als drei Wochen (ab Kenntnis des Irrtums) ist grundsätzlich verspätet.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Verfahren 10 Ca 284/13 (ehemals 10 Ca 1179/11) durch Vergleich vom 20.11.2012 beendet wurde.

2. Die Beklagten zu 1) und zu 2) tragen die durch die Anfechtung verursachten Kosten als Gesamtschuldner.

3. Der Streitwert wird auf € 1.066.987,90 festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht zugelassen, soweit sie nicht kraft Gesetzes an sich statthaft ist.

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob der Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen 10 Ca 284/13 (vormals 10 Ca 1179/11) durch Vergleich beendet wurde, hilfweise im Fall wirksamer Vergleichsanfechtung, ob das zwischen den Parteien bestehenden Beschäftigungsverhältnisses (Streit besteht über die Einordnung als Arbeitsverhältnis) beendet wurde und noch Zahlungs- und Leistungsansprüche des Klägers bestehen.

Ausgangspunkt des Verfahrens war die Klage des Klägers mit Schriftsatz vom 27.06.2011, Gerichtseingang 27.06.2011, mit der der Kläger nachfolgende Anträge ankündigte:

1. Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnisdurch die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung vom 6. Juni 2011 nicht zum 31. Dezember 2012 aufgelöst worden ist,

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. Dezember 2012 hinaus fortbesteht.

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer der Tätigkeit sowie Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt.

Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) beantragen wir,

4. die Beklagte zu verteilen, den Kläger entsprechend seinem Arbeitsvertrag vom 12. März 2007 als ... Manager bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu Ziffer 1) weiterzubeschäftigen.

Für den Fall, dass dem Antrag zu Ziffer 1) nicht stattgegeben wird, beantragen wir,

5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt.

Zu diesen Anträgen vertrat der Kläger die Ansicht, er sei Arbeitnehmer der Beklagten, sowohl vor seiner Bestellung zum Vorstandvorsitzenden, der ehemals als Aktiengesellschaft geführten Beklagten zu 1) im Jahre 2007, als auch in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) nach Formumwandlung, gewesen. Daher sei nach Abberufung aus der zuletzt ausgeübten Geschäftsführerstellung das ehemalige Arbeitsverhältnis wieder aufgelebt, insbesondere weil ein schriftlicher Geschäftsführerdienstvertrag in Ablösung des zwischen den Parteien zu Anfang geschlossenen Arbeitsvertrages (Blatt 18 bis 21 der Akten), der Grundlage der gesamten Tätigkeit sei, nicht existiert.
Die Beklagte zu 1) hat insoweit die Auffassung vertreten, der Kläger sei von Anfang an als Organ der Beklagten zu 1) beschäftigt worden und dies sei auch Grundlage der vertraglichen Vereinbarung der Parteien gewesen.

Die Beklagte zu 1) hat das Beschäftigungsverhältnis der Parteien mit Kündigung vom 06.06.2011 zum 31.12.2012 gekündigt. Unterzeichnet wurde diese Kündigung vom Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der Beklagten zu 1) und bezog sich inhaltlich (Blatt 26 der Akten) auf die Beendigung der Geschäftsführerstellung des Klägers.

Mit Schriftsatz vom 05.01.2012 (Gerichtseingang per Fax 04.01.2012, im Original 09.01.2012) hat der Kläger die Klage um einen weiteren Kündigungsschutzantrag, bezogen auf eine zweite Kündigung vom 15.12.2011 (Blatt 219 der Akten) erweitert. Mit Schriftsatz vom 02.03.2012 (Blatt 378 der Akten) hat die Beklagte zu 1) (hilfsweise) den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung angekündigt.

Mit Schriftsatz vom 28.03.2013 hat der Kläger hilfsweise zu seinen im Hauptantrag gestellten Kündigungsschutzanträgen und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung einen Anspruch auf Wiedereinstellung, abgestuft für fünf verschiedene Tätigkeiten, geltend gemacht (Blatt 433 der Akten).

Die Klage hat er erneut mit Schriftsatz vom 13.04.2012 (Blatt 480 der Akten) um einen Zahlungsanspruch, unter Bezugnahme auf ein Aktienzuteilungsprogramm der Beklagten mit der Bezeichnung ... Restricted Stock Unit Plan, erweitert und hierzu folgendes vorgetragen:

"Im Rahmen dieses Aktienprogramms wurden dem Kläger in der Vergangenheit zu bestimmten Zeitpunkten jeweils eine bestimmte Anzahl an Aktienoptionen zugeteilt. Nach Ablauf einer Wartefrist, die drei Jahre beträgt, war der Kläger berechtigt, sich entweder die Aktien auf seinem Aktiendepot gutschreiben zu lassen oder sich den Wert der Aktien in Geld auszahlen zu lassen.

Die dem Kläger in der Vergangenheit zugeteilten Aktienoptionen ergeben sich aus der als Anlage K 36 vorgelegten Portfolioübersicht.

Hieraus ist ersichtlich, dass dem Kläger mit Zuteilungsdatum 1. Oktober 2007 eine Stückzahl von 1.600 Aktienoptionen zugeteilt wurde. Diese Aktienoptionen hat der Kläger nach Ablauf der dreijährigen Wartefrist ausgeübt und sich die Aktien zuteilen bzw. deren Wert auszahlen lassen. Sie sind daher nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Aus der Portfolioübersicht ist weiterhin ersichtlich, dass dem Kläger mit Zuteilungsdatum 1. Februar 2008 weitere 2.000 Aktienoptionen zugeteilt wurden. Auch diese Aktienoptionen hat der Kläger nach Ablauf der dreijährigen Wartefrist ausgeübt und sich die Aktien zuteilen bzw. deren Wert auszahlen lassen. Sie sind daher ebenfalls nicht streitgegenständlich.

Ausweislich der Portfolioübersicht wurden dem Kläger mit Zuteilungsdatum 1. Februar 2009 eine weitere Stückzahl von 2.720 Aktienoptionen zugeteilt. Diese Aktienoptionen sind Gegenstand der vorliegenden Klageerweiterung."

Die Anlage K 36 hat folgenden Inhalt:

UBS

Aktuelle Portfoliopositionen für Nutzer

am 26 April 2011 - 20:54:57 GEST

Aktuelle Bestände - Portfolioübersicht

Plan     RSUP

Art des Planinstrumentes       RSU

Anzahldetails

Ausstehende Anzahl              4,535

Verfügbare Anzahl     0

Angaben zum Wert

Aktueller Wert (EUR)           190,532.46

Verfügbarer Gesamtwert (EUR)       0.00 EUR

Summe aller Pläne 190,532.46 EUR

HINWEIS

Wenn die Wahrung eines Finanzprodukts oder einer Finanzdienstleistung sich von der Währung Ihres Heimatlandes unterscheidet, kann der Ertrag sich aufgrund von Währungsschwankungen möglicherweise erhöhen oder mindern. Die steuerliche Behandlung ist abhängig von den jeweiligen Umständen und unterliegt in der Zukunft möglicherweise Änderungen. Die UBS bietet keine rechtliche oder steuerliche Beratung an und übernimmt keine Haftung hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Anlagen oder den darauf entfallenden Anlageerträgen, sei es allgemein oder in Bezug auf die speziellen Umstände und Anforderungen des Kunden. Kunden sollten, soweit sie dies für zweckmässig 'rfaltenT Uhabhärglgen~sfeülVlichen Rät" hinsichtlich der Eignung von Programmen, Anlagen oder Instrumenten einholen, bevor sie investieren. Sollten Sie weitere Erklärungen benötigen, verweisen wir Sie auf unser ÜBS Bankfachwörterbuch unter www.ubs.com oder an Ihren UBS-Kundenberater. Es ist möglich, dass dem Kunden weitere Kosten, wie beispielsweise Steuern, im Zusammenhang mit dem Finanzinstrument oder den Wertpapierdienstleistungen entstehen, die nicht über die Investmentgesellschaft bezahlt oder durch diese erhoben werden.

Mit Schriftsatz vom 25.06.2012 (Blatt 613 der Akten) hat der Kläger die Klage auf die Beklagte zu 2) wie folgt erweitert:

13. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger € 121.312,00 brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. März 2012 zu bezahlen.

Hilfsweise beantragen wir,

14. die Beklagte als Gesamtschuldner zu verurteilen, nach ihrer Wahl entweder an den Kläger € 121.312,00 brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. März 2012 zu bezahlen oder dem Aktiendepot UID ... eine Stückzahl von 2.720 Aktien gutzuschreiben.

Letztmalig die Klage erweitert hat der Kläger im Schriftsatz vom 03.09.2012 (Blatt 701 der Akten) mit nachfolgenden Anträgen:

15. Die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an den Kläger € 73.837,80 brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Juni 2012 zu bezahlen.

Hilfsweise beantragen wir,

16.die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an den Kläger € 37.338,00 brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Juni 2012 zu bezahlen.

17. Die Beklagten zu verurteilen, dem Kläger

a. Auskunft über die Zusammensetzung und Berechnung der von der Beklagten zu 1) angenommenen Zielerreichung für das Ziel "Zone Objectives" gemäß OBJECTIVES CONTRACT FISCAL YEAR 2011 zu erteilen und dem Kläger hierüber einen Buchauszug zu erteilen,

b. Auskunft über die Zusammensetzung und Berechnung der von der Beklagten zu 1) angenommenen Zielerreichung für die Ziele "Value Market Share Evolution" und Volume Market Share Evolution" gemäß OBJECTIVES CONTRACT FISCAL YEAR 2011 zu erteilen und dem Kläger Nachweis über die Zielerreichung durch Vorlage aussagekräftiger Belege, insbesondere durch Vorlage der ... Daten zur Marktanteilsentwicklung, zu erbringen,

c. die Richtigkeit der Auskünfte, des Buchauszugs sowie der Belege an Eides Statt zu versichern,

d. den sich daraus ergebenden Bonus für das Ziel "Zone Objectives" sowie für die Ziele "Value Market Share Evolution" und "Volume Market Share Evolution" gemäß OBJECTIVES CONTRACT FISCAL YEAR 2011 unter Berücksichtigung der für diese Ziele bereits geleisteten Zahlungen dem Kläger gegenüber abzurechnen,

e. den sich daraus ergebenden Betrag zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Juni 2012 an den Kläger zu bezahlen.

In der Kammersitzung vom 17.09.2012 (Blatt 794 bis 812 der Akten) schlössen die Parteien einen widerruflichen Vergleich der auszugsweise nachfolgenden Inhalt hatte:

5. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dem Kläger auf Grundlage des ... Restricted Stock Unit Plan (RSUP) derzeit insgesamt (inklusive 2012)10135 Restricted Stock Units (RSU) zustehen. Sollte das Konto des Klägers bei der UBS-Bank (Portfolioposition für Nutzer...) am 31.12.2012 Teile der vorgenannten RSU nicht ausweisen, so verpflichtet sich die Beklagte zu 2) gegenüber dem Kläger, das Konto unverzüglich zu berichtigen oder berichtigen zu lassen.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass ein Verfall der RSU durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des etwaigen Geschäftsverdienstvertrages nicht eintritt. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die RSU dem Kläger zum Beendigungszeitpunkt (31.12.2012) nach Wahl der Beklagten zu 2) als freihandelbare Aktien auf sein privates Depot übertragen werden oder aber dem Kläger der Wert der Aktien zum Beendigungszeitpunkt (31.12.2012) auf Grundlage des aktuellen Tageskurses ausbezahlt wird.

Diese Formulierung des Vergleichs beruhte im Wesentlichen auf einem außergerichtlichen Vergleichsvorschlag des Klägervertreters (Blatt 973 der Akten), der noch einzel nach Datum aufgeführte jährliche Aktienzuteilungen vorsah.

Nach Widerruf des Vergleiches seitens der Beklagten schlössen die Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO (Blatt 871 bis 876 der Akten) unter dem Datum vom 20.11.2012 erneut einen Vergleich, nachdem beide Parteien übereinstimmende Vergleichsvorschlagsschriftsätze zu Gericht gereicht (Blatt 858 bis 870 der Akten) und jeweils die Protokollierung gemäß § 278 Abs. 6 ZPO beantragt hatten.

Unter dem Datum vom 08.02.2013, Gerichtseingang 13.02.2013, beantragte die Klägerseite vollstreckbare Ausfertigung des Vergleiches. Mit Gerichtseingang 21.02.2013 des Schriftsatzes vom 15.02.2013 (Blatt 1011 f. der Akten) leitete der Kläger die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 5) des Vergleiches vom 20.11.2012 gegen die Beklagte zu 1) ein.

Mit Schriftsatz vom 14.02.2013, Gerichtseingang 14.02.2013, haben die Beklagten den Vergleich der Parteien vom 20.11.2012 gegenüber dem Gericht angefochten. Der Anfechtungsschriftsatz, wie auch die Ladung zum nachfolgenden Termin vom 24.04.2013 wurden dem Klägerprozessbevollmächtigten am 21.02.2013 (Blatt 1010 der Akten) zugestellt.

Der Kläger ist der Ansicht,

das Verfahren sei durch Vergleichsschluss vom 20.11.2012 rechtskräftig beendet, hilfsweise sei die Klage im Umfang der zuvor gestellten Anträge begründet.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 20.11.2012 beendet worden sei.

Vorsorglich für den Fall, dass eine Anfechtung des Vergleiches wirksam sein sollte, stellt er die Anträge aus der Sitzung vom 17.09.2012 (Bl. 796 d.A.9).

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen

und die Beklagte zu 1) wiederholt hilfsweise den Auflösungsantrag.

Die Beklagte trägt vor:

Das Verfahren sei fortzusetzen und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Vergleich sei aufgrund Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise Irrtums von Anfang an nichtig. Den im Kammertermin vom 17.09.2012 geschlossenen Widerrufsvergleich, der die Leistung von 10.135 Restricted Stock Units (RSU) inclusive 2.000 RSU für 2012 vorgesehen habe, habe die Beklagte widerrufen, nachdem ihrerseits dem Kläger am 28.09.2012 mitgeteilt worden sei, ein Anspruch für 2012 in Höhe von 2.000 RSU werde von der Beklagten nicht akzeptiert. In diesem Schreiben (Blatt 980, 981 der Akten) sei auch die Zuteilung der verschiedenen RSU in Einzelpositionen detailliert dargestellt worden, mit der Maßgabe, dass sich über die gesamte Vertragsdauer ein Anspruch von 8.135 RSU ergebe. Der Kläger sei darauf hingewiesen worden, er vertausche Anwartschaften und erteilte Aktien. Mit Schreiben vom 02.10.2012 (Blatt 982 und 983 der Akten) und erneut mit Schreiben vom 12.10.2012 (Blatt 984 der Akten) sei gegenüber dem Kläger gerügt worden, es sei nicht erkennbar, woraus sich klägerseitig die Auffassung ergebe, ihm stünden 10.135 Aktien zu. Hierauf habe der Kläger mit Schreiben vom 16.10.2012 (Blatt 985 und 986 der Akten) antwortend nur darauf hingewiesen, seiner Ansicht nach ergebe sich die Höhe aufgrund des Aktienzuteilungsanspruchs für 2012 mit einer Zahl von 2.000.

Am 18.10.2012 habe dann ein Telefongespräch stattgefunden zwischen dem Kläger, dessen Rechtsanwalt Herr F, dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten und Herrn G, in dem die Einzelpositionen der Aktienzuteilungen nochmals detailliert unter Angabe der jeweiligen Zuteilungsmenge und -daten erörtert worden seien. Es sei auch die Frage diskutiert worden, ob eine Barauszahlung anstatt Freigabe der Aktien in Betracht käme. Am 19.10.2012 habe sich dann der Rechtsanwalt des Klägers, Herr F, gemeldet und mitgeteilt, die Beklagte habe das Spiel gewonnen, der Kläger sei mit einer Beschränkung auf 8.135 RSU einverstanden. Der Klägerbevollmächtigte habe einen Formulierungsvorschlag angekündigt, der dann auch am 22.10.2012 (Blatt 987 und 988 der Aktien) schriftlich eingegangen sei.

Nachfolgend sei nach weiteren Diskussionen über die Frage der Freigabe oder unmittelbarer Zahlungspflicht auf Vorschlag der Klägerseite aus Vereinfachungsgründen die Vergleichsformulierung mit Schriftsatz vom 19.11.2012 (Blatt 996 der Akten), die auch Gegenstand des gerichtlichen Vergleichs geworden sei, zustande gekommen.

Am 02.01.2013 habe sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Prozessbevollmächtigten der Beklagten telefonisch gemeldet und reklamiert, die 8.135 RSU seien nicht übertragen worden. Dem Kläger sei mitgeteilt worden, die 8.135 RSU stünden ohne Einschränkung zur Verfügung, er könne die Übertragung der Aktien aus dem Depot selbst veranlassen (Blatt 965 der Akten). Mit Schreiben vom 10.01.2013 (Blatt 966 und 967 der Akten) habe der Kläger die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich angekündigt. Die Beklagten hätten daraufhin mit Mail vom 16.01.2013 an die Klägerseite erklärt, sie würden den Vergleich anfechten, falls der Kläger hieraus vollstrecke (Blatt 1086 der Akten).

Die Beklagten hätten bei Vergleichsschluss angenommen, dem Kläger sollten nur die bereits zugeteilten RSU unter Aufhebung der verfügten Sperrung übertragen werden. Die gewählte Regelung habe auf der ausdrücklichen Behauptung des Klägers beruht, ihm sei es nicht möglich, über die auf dem UBS-Depot befindlichen Aktien zu verfügen. Die Beklagten hätten sich daher in dem Irrtum befunden, im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses, befänden sich tatsächlich 8.135 RSU auf dem UBS-Konto in der Schweiz, die lediglich freigegeben und an den Kläger übertragen werden sollten. Eine Aufstockung der Ansprüche des Klägers habe die Beklagte erkennbar nicht in Betracht gezogen.

Daher läge auch eine arglistige Täuschung vor, denn es habe der Gegenseite oblegen, wenn sie eine abweichende Regelung über die ihr schon zugeteilten RSU hinaus hätte haben wollen, dies ausdrücklich zum Ausdruck zu bringen, was der Kläger zu keiner Zeit getan habe.

Die Anfechtung sei auch rechtzeitig erklärt, nachdem die Beklagte mit Mail vom 16.01.2013 die Anfechtung für den Fall der Zwangsvollstreckung angekündigt habe, sei dem Schutzbedürfnis der Klägerseite, das seinen Ausdruck in § 121 BGB finde, genüge getan.

Die Klägerseite erwidert,

er habe schon mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 13.04.2012, in dem er 2.720 Restricted Stock Units geltend machte, die ihm am 01.02.2009 zugeteilt wurden und deren Haltefrist von drei Jahren abgelaufen gewesen sei, deutlich darauf hingewiesen, dass er die ihm am 01.10.2007 und 01.02.2008 jeweils zugeteilten Aktienoptionen in Zahl von 1.600 und 2.000 erhalten und sich zuteilen bzw. deren Wert auszahlen lassen hat. Er habe deutlich gemacht, diese seien nicht Gegenstand des Rechtsstreites. Der Kläger habe erkennbar die Ansicht vertreten, ihm stünden noch weitere Aktien zu. Dies habe er auch in dem Vergleichsvorschlag der Klägerseite in Ziffer 5) zum Ausdruck gebracht. Der Kläger habe daher weitere 8.135 Aktien beansprucht und noch dazu 2.000 Aktien für das Jahr 2012, in dem er freigestellt worden sei. Den Widerrufsvergleich hätten die Beklagten widerrufen, da sie nicht bereit gewesen seien, 10.135 Aktien sondern nur 8.135 Aktien zu übertragen. Auch in der Telefonkonferenz vom 18.10.2012, die ohne Einigung endete, habe der Kläger weiterhin 10.135 Aktienoptionen gefordert, die Beklagten 8.135 gewähren wollen. Darüber hinaus sei zutreffend, an diesem Datum sei auch über die Frage der Aktiengewährung bzw. der Direktauszahlung gesprochen worden. Zutreffend sei auch, dass am 19.10.2012 der Klägerprozessbevollmächtigte den gegnerischen Bevollmächtigten anrief und ihm mitteilte, die Beklagten hätten das Spiel gewonnen und der Kläger sei mit der Übertragung von 8.135 Aktien einverstanden. Im Rahmen der Abstimmung des Vergleichstextes auch im Hinblick auf die Frage "Auszahlungsoption, Übertragung der Aktien" sei es dann zu der endgültigen Fassung des Vergleiches mit Schriftsatz vom 19.11.2012, die dann auch dem gerichtlichen Vergleich zugrunde gelegt worden ist, gekommen.

Sollte bei den Beklagten die von diesen behauptete Fehlvorstellung bestanden haben, auf dem UBS-Depot hätten sich bei Vergleichsschluss 8.135 Aktien befunden, so sei dieser Irrtum jedoch nicht vom Kläger oder seinem Prozessbevollmächtigten hervorgerufen worden. Nicht der Kläger sondern die Beklagten hätten Zugriff auf das UBS-Depot. Diese hätten veranlasst, dass die 2.720 Restricted Stock Units, die dem Kläger am 01.02.2009 zugeteilt wurden, als verfallen geführt worden seien, so dass sich der Kläger diese nicht auf sein Deutsche Bank Depot habe übertragen lassen können. Der Kläger habe keine sichere Kenntnis gehabt, welche Aktien sich aktuell auf diesem UBS-Depot befunden hätten. Daher sei für die Beklagten erkennbar gewesen, dass sich der Kläger nicht an die Anzahl der Aktien habe binden wollen, die auf dem UBS-Depot befindlich seien. Die Vergleichsformulierung habe folglich auch den Anspruch des Klägers von dem Kontostand des UBS-Depots entkoppelt.

Soweit sich die Beklagten in einem Irrtum befunden hätten, sei dieser zumindest als Motivirrtum unbeachtlich.

Darüber hinaus sei die Anfechtung der Beklagten auch nicht unverzüglich erfolgt. Zwischen Kenntnisnahme der Beklagten mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 10.01.2013, wo dieser die fehlende Übertragung der gesamten Zahl der Aktien rügte, bis zum Eingang der Anfechtung bei dem Kläger am 21.02.2013, seien exakt sechs Wochen vergangen.

Für den weiteren Sachvortrag der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2011, 09.11.2011, 14.04.2012, 28.06.2012 und 17.09.2012 sowie 24.04.2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die von dem Kläger zuletzt im Hauptantrag zur Entscheidung gestellte Feststellungsklage, der anhängige Prozess sei durch Vergleichsschluss vom 20.11.2012 rechtskräftig beendet, ist zulässig und begründet.

1. Im Falle der Anfechtung eine Prozessvergleiches ist der Rechtsstreit im gleichen Prozessverfahren fortzusetzen (BAG 12.05.2010 - 2 AZR 544/08 - EzA § 123 BGB 2002 Nr 9). Der Vergleich ist einerseits Prozesshandlung, andererseits materiellrechtliches Rechtsgeschäft. Aufgrund seiner Doppelnatur teilt die Prozesshandlung das Schicksal der materiell rechtlichen Grundlage. Soweit diese wirksam beseitigt ist, § 142 BGB, entfällt auch die Prozesshandlung. Bei wirksamer Anfechtung entfällt daher die den Prozess beendende Wirkung.

Nach Anfechtung ist der Anfechtungsgegner, hier der Kläger, gehalten, die Feststellung zu begehren, das Prozessverhältnis sei durch Vergleich beendet. Dem Feststellungsantrag des Klägers im Sinne von § 256 ZPO steht daher ein ausreichendes Feststellungsinteresse zur Seite.

2. Die gebunden an eine prozessuale Potestativbedingung zulässig hilfsweise zur Entscheidung gestellten ehemaligen Klageanträge sind aus dem Tenor ersichtlich, nicht zur Entscheidung angefallen.

Ob diese hilfsweise gestellten Klagebegehren dem Rechtsweg der Arbeitsgerichtsbarkeit unterfallen oder für sie die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichtsbarkeit eröffnet ist kann (daher) offen bleiben.

a) Für die als Kündigungsschutzanträge gegen die Beklagte zu 1) gestellten Klageanträge des Klägers auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses kommt der Rechtsweg zu Arbeitsgerichten (§ 2 Abs. 1 Ziffer 3 b ArbGG) als sic-non-Fall in Betracht, da diese nur bei Arbeitnehmereigenschaft unter Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes begründet sein können und der Kläger schon als Geschäftsführer abberufen war (BAG 10 AZB 55/12 - 26.10.2012 - zitiert nach juris).

Auch die vom Kläger gegen die Beklagte zu 1) in Klageerweiterung gestellten Weiterbeschäftigungs- bzw. Wiedereinstellungsanträge als Arbeitnehmer, können als sic-non-Fälle in den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten (§ 2 Abs. 1 Ziffer 3 a/c ArbGG) fallen, da diesen ebenfalls nur bei Arbeitnehmereigenschaft des Klägers Erfolg beschieden wäre.

Ob die Klageanträge gegen die Beklagte zu 1), die RSU und die variable Vergütung betreffend, die ihre Grundlage im Zeitraum der organschaftlichen Stellung des Klägers haben, in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fallen, ist zweifelhaft, hängt letztendlich davon ab, ob der Kläger nach Abberufung (wieder) als Arbeitnehmer einzuordnen wäre, da der Rechtsweg als Sachzusammenhangsklage gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG nicht ausschließlich über eine nur als sic-non-Fall einzuordnende Klage begründet werden kann (BAG 5 AZB 43/02 - 11.06.2003 - NZA 2003, 1163).

b) Ob die Klageerweiterung gegen die Beklagte zu 2) in die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit fällt, da die Beklagte zu 2) ihren Sitz (außerhalb der EU) hat und ein Rechtsverhältnis des Klägers zur Beklagten zu 2) im Sinne eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses nicht besteht, ist nach dem Lugano Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit (Lug-Ü) zweifelhaft, kann jedoch offen bleiben. Bei fehlender internationaler Zuständigkeit als Teil der Zulässigkeit der Klage ist die Klage nicht zu verweisen, sondern abzuweisen. Eine Bindungswirkung der Entscheidung über den Hauptantrag, findet, falls der Rechtsstreit dem Landesarbeitsgericht anfällt, nicht statt.

c) Unabhängig, ob internationale oder Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts Mainz für die Ausgangsanträge (nunmehr hilfweise gestellten Anträge) vorliegt, ist die Kammer zur Entscheidung in der Hauptsache (Antrag auf Feststellung der Verfahrensbeendigung) berufen. Die Prozessordnung untersagt den Parteien jedenfalls nicht, sich in einem laufenden Prozess -auch vor einem unzuständigen Gericht- vergleichsweise zu einigen und den Rechtsstreit zu erledigen. Da im Falle der Anfechtung eine Prozessvergleiches der Rechtsstreit im gleichen Prozessverfahren fortzusetzen ist (BAG 12.05.2010 - 2 AZR 544/08 - EzA § 123 BGB 2002 Nr 9) ist für den nunmehr gestellten Hauptantrag des Klägers das Arbeitsgericht Mainz daher sowohl international als auch im Rechtsweg zuständig.

Die etwaige Unzuständigkeit der Kammer für (für Teile) der hilfsweise gestellten Klageanträge steht der Entscheidung in der Hauptsache daher nicht entgegen.

II.

Die Klage ist auch im Hauptantrag begründet. Es war festzustellen, dass der Rechtsstreit durch Vergleichsschluss vom 20.11.2012 beendet worden ist.

Der Vergleich ist nicht wegen Anfechtung aufgrund arglistiger Täuschung im Sinne von § 123 BGB oder Irrtums nach § 119 BGB gemäß § 142 BGB von Anfang an unwirksam.

1. Nach § 123 Abs. 1 BGB kann eine Willenserklärung anfechten, wer zu ihrer Abgabe durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung bestimmt worden ist. Die arglistige Täuschung setzt dabei eine Täuschung durch positives Tun oder Unterlassung zum Zwecke der Erregung eines Irrtums voraus. Die Täuschung durch Vorspielung von Tatsachen muss sich dabei auf objektiv nachprüfbare Umstände beziehen und erfordert Vorsatz bezüglich der Täuschungshandlung, der Irrtumserregung, der Kausalität und der Arglist. Der Handelnde muss dabei die Unrichtigkeit seiner Angaben zumindest kennen oder für möglich halten, bedingter Vorsatz genügt daher. Die Beweislast für all diese Umstände trägt der Anfechtende.

a) Eine relevante positive Täuschungshandlung des Klägers oder seines Prozessbevollmächtigten als dessen Vertreter, die dem Kläger zuzurechnen wäre (§ 166 BGB), liegt nicht vor. Die Beklagte behauptet vielmehr, nachdem im Rahmen der Verhandlung zum Abschluss des endgültigen Vergleiches vom 20.11.2012 sie ihrerseits schriftlich und auch noch einmal im Gespräch vom 18.10.2012 die Zuteilungsdaten der verschiedenen RSU definiert und klargestellt habe, hätte es dem Kläger oblegen darauf hinzuweisen, dass er über die von ihr genannten Daten hinaus weitere RSU beanspruche. Es hätte dem Kläger außerdem oblegen, zu offenbaren, dass das Konto der UBS keine 8135 Aktien (mehr) sondern nur 4535 enthielt. Die Beklagte behauptet daher, der Kläger habe die Beklagte durch Unterlassen der Aufklärung getäuscht.

Dabei ist zutreffend, auch eine Täuschung durch Unterlassen (Verschweigen) kann den Tatbestand des § 123 BGB ausfüllen, wenn der andere Teil bei Vertragsverhandlungen einen Umstand verschweigt, hinsichtlich dessen er gegenüber dem Vertragspartner aufklärungspflichtig gewesen wäre.

In jedem Arbeitsverhältnis trifft die Parteien eine wechselseitige Nebenpflicht, die Interessen des Gegners soweit zu wahren, als dies nach Treu und Glauben verlangt werden kann, wenn ein erkennbares Informationsbedürfnis im Einzelfall beachtenswert ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Zustandekommen der vertraglichen Vereinbarungen auf Initiative einer Seite beruht und erkennbar wird, dass der Vertragsgegner durch redlicherweise zu erwartende Aufklärung wegen erkennbarer Unkenntnis davor geschützt werden muss, sich selbst zu schädigen (vgl. BAG 22.04.2004 - 2 AZR 281/03, 04.05.2010 - 9 AZR 184/09, zitiert nach juris).

Ein allgemeiner Grundsatz zur Offenbarungspflicht besteht jedoch nicht. Grundsätzlich obliegt es jeder Partei, sich über die Risiken eines Vertragsschlusses und die Tatsachen, die sie ihrer eigenen Willenserklärung zugrunde legen will, selbst zu informieren. An sich ist im Geschäftsverkehr jeder befugt, überlegenes Wissen zum eigenen Nutzen zu verwerten. Die Grenze bildet dabei nur Treu und Glauben. Dies setzt eine für den Anfechtungsgegner erkennbare Informationsasymmetrie voraus, die eine Aufklärungspflicht jedoch nur dann eröffnet, wenn die andere Partei sich die ihr fehlenden Informationen vernünftigerweise nicht selbst beschaffen kann (vgl. Münch. Kom. z. BGB 6. Auflage 2012 Rn. 30 f.).

In diesem Sinne kann vorliegend nicht angenommen werden, den Kläger habe gegenüber den Beklagten eine Aufklärungspflicht getroffen. Der Kläger hat schon mit seiner Klageerweiterung vom 13.04.2012 zum Ausdruck gebracht, dass er sich die ihm zugeteilten RSU aus 2007 und 2008 zum Geldwert einverleibt hat. Dies ist auch aus dem Kontoauszug ersichtlich, den der Kläger der Klage beigefügte und der den Beklagten, auch ihrem Prozessbevollmächtigten, daher bekannt war. Einerseits geht aus diesem ein Zählbestand der aktiv auf dem Konto befindlichen RSU hervor, der unter 8.135 liegt (4535 RSU) und auch, dass die in den Jahren 2007 und 2008 zugeteilten RSU schon nicht mehr auf dem Schweizer Konto befindlich sind. Diesen Kontoauszug hatten die Beklagten wie auch ihr Prozessbevollmächtigter zur Verfügung. Ein erkennbares Informationsdefizit lag daher bei den Beklagten und ihrem Prozessbevollmächtigten (§ 166 BGB) nicht (mehr) vor.

Außerdem hat der Kläger mit der Klage, wie auch mit den in den Vergleichsvorschlägen jeweils formulierten Angaben unter Nennung konkreter Zuteilungsdaten immer deutlich zum Ausdruck gebracht, er gehe davon, dass ihm noch 8135 (zuzüglich weiterer 2000 für 2012) RSU zugeteilt werden müßten. Dies hätten auch die Beklagten ohne Weiteres erkennen können. Eine Täuschung durch Unterlassen liegt daher nicht vor.

Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kommt daher nicht in Betracht.

2. Offen bleiben kann, ob im Sinne von § 119 BGB ein Erklärungsirrtum der Beklagten zu 1) und 2), jeweils vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten (§§ 164, 166. BGB), vorlag.

a) Dabei kann schon unentschieden bleiben, ob die Behauptung der Beklagten bzw. ihres Prozessbevollmächtigten, sie (er) hätten angenommen, 8.135 Aktien befänden sich aktuell im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses auf dem Konto in der Schweiz, überhaupt einen Erklärungsirrtum darstellt oder nur einen unbeachtlichen Kalkulations- und Motivirrtum beinhaltet, da nach dem Wortlaut des Vergleiches die Verpflichtung der Beklagten in Ziffer 5) von dem Kontostand in der Schweiz bei der UBS inhaltlich völlig entkoppelt war.

b) Letztendlich  kommt es darauf nicht an, da die Beklagten die Anfechtungsfrist des § 121 BGB nicht gewahrt haben.

Denn die Beklagten (und deren Prozessbevollmächtigter, § 166 BGB) wurden mit Anschreiben der Klägerseite vom 10.01.2013 darüber aufgeklärt, dass sich keine 8.135 Aktien auf dem Schweizer Bankdepot befinden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt erhielten sie Kenntnis der Abweichung von der Tatsachenlage, die sie ihrer Behauptung nach irrtümlich angenommen hatten. Schon unter dem Datum vom 16.01.2013 haben die Beklagten, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, gegenüber dem Kläger zum Ausdruck gebracht, dass ihnen der Irrtum bewusst ist und in diesem Schreiben ohne die Anfechtung zu erklären, diese nur in Abhängigkeit vom Verhalten des Klägers in Aussicht gestellt.

Erst mit Schriftsatz vom 14.02.2013, bei Gericht am selben Tage eingegangen, haben die Beklagten zu 1) und zu 2), vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, die Anfechtung, nicht jedoch gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber dem Gericht erklärt. Dieser Schriftsatz ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21.02.2013 zugestellt worden.

Unterstellend die Prozessbevollmächtigten des Klägers seien empfangsberechtigt hinsichtlich der Anfechtung des Vergleiches, sind daher zwischen Kenntniserlangung von den die Anfechtung begründenden Tatsachen um den 10.01.2013, bewusst werden, darauf eine Anfechtung zu stützen zu können (Ausdruck des Schreibens vom 16.01.2013) bis zum Zugang der Anfechtungserklärung am 21.02.2013 nahezu sechs Wochen vergangen.

Der Beklagtenseite kommt vorliegend das Privileg des § 121 Abs. 1 S. 2 BGB gerade nicht zu Gute, der es für die Einhaltung der Frist bei Erklärung unter Abwesenden genügen lässt, diese abzusenden. Da die Beklagten nicht die Anfechtung unmittelbar gegenüber dem Kläger als Anfechtungsgegner erklärt haben, sondern gegenüber dem Gericht und damit nicht den unmittelbaren Weg der Anfechtung gewählt haben, ist das Privileg des § 121 Abs. 1 S. 2 BGB nicht anzuwenden (vgl. LAG Hamm 18.01.2022 - 5 Sa 1091/01 - LAG Report 2002, 181; MünchKom z.BGB/Armbrüster, 6. Auflage 2012 § 121 BGB Rn. 15; Staudinger Kom. z. BGB/Singer Neubearbeitung 2011 § 121 Rn. 11). Aufgrund der Sonderregelung des § 121 Abs. 1 BGB kommt auch keine analoge Anwendung des § 167 ZPO (BGH 17.07.2008, I ZR 109/05, NJW 2009, 765) in Betracht.

Unverzüglich im Sinne von § 121 Abs. 1 BGB bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Dies verlangt keine sofortige jedoch unter Einzelfallbetrachtung und bei Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite eine alsbald mögliche zumutbare Erklärung nach Prüfung des Anfechtungsgrundes. Eine allgemeine Orientierung an der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB mag zwar nicht geboten sein, eine Anfechtung nach Ablauf von drei Wochen nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes ist jedoch grundsätzlich verspätet.

Ausgehend von spätester Kenntniserlangung der Beklagten und ihres Bevollmächtigten am 10.01.2013 haben die Beklagten durch ihren Bevollmächtigten mitSchreiben vom 16.01.2013 die Anfechtung (nur) in Aussicht gestellt. Bis zum Zugang der Anfechtung am 21.02.2013 haben sie dann einem Zeitraum von fünf Wochen und drei Tagen verstreichen lassen. Dies kann nicht mehr als unverzüglich angesehen werden.

Soweit die Beklagten schriftsätzlich am 15.04.2013 darauf hinweisen, der Kläger habe erst mit Schreiben vom 30.01.2013 zu verstehen gegeben, dass er die Sachlage anders sehe als die Beklagte, kann die Kammer dem nicht folgen. Ohne Zweifel hat der Kläger schon mit Schreiben vom 10.01.2013 (Blatt 1019 der Akten) mitgeteilt, er dulde von der klaren Regelung des Vergleiches keine Abweichung und hat unmissverständlich, falls die Übertragung der insgesamt 8.135 Aktien nicht unverzüglich erfolge, die Zwangsvollstreckung angedroht.

Wie die Beklagte selbst behauptet hat, hat sie daher auch schon im Schreiben vom 16.01.2013 die Anfechtung im Falle der Zwangsvollstreckung in Aussicht gestellt. Insoweit ist der Vortrag der Beklagten, der 30.01.2013 sei Angriffspunkt, nicht nachvollziehbar.

Unabhängig davon ist, ausgehend vom 30.01.2013 ebenfalls eine Verfristung im Sinne von § 121 BGB anzunehmen. Denn es ist nicht ersichtlich, welche besonderen Prüfungsumstände bei den Beklagten, die ja schon zuvor die Anfechtung in Aussicht gestellt hatten, eine weitere dreiwöchige Verzögerung der Anfechtung begründen sollten.

Die Anfechtung war daher nicht unverzüglich.

Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass die Anfechtung der Beklagten den Vergleich nicht wirksam beseitigt hat.

3. Eine Unwirksamkeit des Vergleiches nach den Regelungen des Dissens, §§ 154, 155 BGB, kommt ebenfalls nicht in Betracht.

a) Ein offener Einigungsmangel (§ 154 BGB) liegt erkennbar nicht vor. Dies hätte ein Bewusstsein beider Parteien vorausgesetzt, einen Punkt, der einer Einigung zuzuführen wäre, bewusst offen gelassen zu haben.

b) Ein versteckter Einigungsmangel ( § 155 BGB), der die Nichtigkeit des Vertrages nach sich ziehen könnte, liegt nur vor, wenn die Parteien meinen, über einen Punkt eine Einigung getroffen zu haben, ohne sich tatsächlich geeinigt zu haben. Zur Irrtumsanfechtung (§119 BGB) ist der versteckte Dissens abzugrenzen, da bei der Anfechtung die Auslegung der Erklärung einen übereinstimmenden Willen ergibt, der allerdings von dem, was die Parteien (zumindest eine) wollte, abweicht.

Vorliegend ist Ziffer 5) des Vergleiches, der eine von dem UBS-Konto in der Schweiz abgekoppelte Übertragungspflicht der Beklagten in der Zukunft nach Vergleichsschluss zu einem Stichtag vorsah, einer mehrdeutigen Auslegung nicht zugänglich. Ein Fall des versteckten Dissens in Abgrenzung zum Fall des Irrtums nach § 119 BGB liegt daher nicht vor.

4. Auch ein Fall der "falsa demonstratio non nocet" kann nicht angenommen werden, da keine beiderseits übereinstimmende Abweichung des inneren Willens vom äußerlich erklärten vorliegt. Dies Beklagte behauptet gerade nicht.

5. Auch eine Anpassung des Vergleiches nach § 313 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage kommt vorliegend nicht in Betracht.

a) Eine Änderung der die Geschäftsgrundlage der Ziffer 5) des Vergleiches bildenden tatsächlichen Umstände im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB nach Vergleichsschluss ist nicht eingetreten.

b) In Betracht gekommen wäre daher lediglich die Anwendung des § 313 Abs. 2 BGB. Dass sich wesentliche Vorstellungen, die die Vertragsparteien übereinstimmend der Vertragsregelung zugrunde gelegt haben, nachträglich als falsch herausstellten, ist nicht ersichtlich. In Abgrenzung zum Irrtum nach § 119 BGB erfasst §313 BGB die einseitige Fehlvorstellung grundsätzlich nicht.

Daher kann offen bleiben, ob vorliegend eine Anpassung vorrangig wäre oder ein Rücktritt der Beklagten nach § 313 BGB in Betracht käme, auch wenn retrospektiv nach dem Vortrag der Beklagten und des Klägers wohl ein Vergleich, mit vermittelnder Regelung eines Anspruchs des Klägers in Ziffer 5) des Vergleiches vom 20.11.2012 gescheitert wäre.

Der Rechtsstreit 10 Ca 284/13 ist daher rechtswirksam durch Vergleich vom 20.11.2012 beendet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 ZPO. Da der Vergleich wirksam ist sind die Verfahrenskosten nach Ziffer 13 des Vergleiches rechtskräftig vereinbart. Die nachfolgend verursachten Kosten der Anfechtung sind daher im Tenor zu 2) Entscheidungsgegenstand (LAG Hamm 08.11.2012 - 15 Sa 806/12 - zitiert nach juris).

IV.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 3 f ZPO, 42 GKG.

V.

Der Ausspruch zur Berufungszulassung beruht auf § 64 ArbGG.



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