Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Urteil vom - Az: 1 Sa 177/16

Alte Kantine - neues Konzept

1. Auch bei Verlust eines Bewirtschaftungsauftrags für eine Betriebskantine bedarf es vor Ausspruch der Kündigungen für die in der Kantine beschäftigten Mitarbeiter einer unternehmerischen Entscheidung. Die Kündigung selbst ist keine Unternehmerentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG.

2. Ein Betriebs(teil-)übergang liegt nicht vor, wenn ein Cateringunternehmen die Bewirtschaftung einer Kantine vertraglich übernimmt, sämtliche Betriebsmittel neu angeschafft werden und der Verpächter ein völlig neues Bewirtschaftungskonzept vertraglich vorgibt (hier: Ausgabe ausschließlich frisch zubereiteter Speisen statt Convenienceprodukten, vorgekochtem Essen und gelegentlich frisch zubereiteten Gerichten).
(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 27.04.2016 - 7 Ca 1649 d/15 - teilweise geändert:

Die Klage gegen die Beklagte zu 2) wird abgewiesen.

Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 27.04.2016 - 7 Ca 1649 d/15 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten erster Instanz tragen der Kläger und die Beklagte zu 1) je zur Hälfte.

Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger und die Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger die Hälfte seiner eigenen Kosten sowie die der Beklagten zu 2).

Die Beklagte zu 1) trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer Kündigung und das Vorliegen eines Betriebsübergangs.

Die Beklagte zu 1) betreibt auf Grundlage von Catering-/Bewirtschaftungsverträgen fremde Kantinen und Küchen, um die Beschäftigten und Gäste ihrer Auftraggeber mit Speisen und Getränken zu versorgen. Die Räume und Betriebsmittel (Kücheneinrichtung und -maschinen) stellt der Auftraggeber zur Verfügung.

Auf diese Weise führte die Beklagte zu 1) die Kantine der Firma S. GmbH in S. (Firma S.). Diese Kantine wurde im November 2013 bei einer Explosion auf dem Firmengelände vollständig zerstört. Zur Aufrechterhaltung des Kantinenbetriebs wurde die Kantine zunächst in einer Zeltanlage und ab November 2014 in einem Container weiter betrieben. Zeltanlage und Container waren inklusive der Einrichtungsgegenstände von der Firma S. komplett gemietet worden. In der Kantine in S. beschäftigte die Beklagte zu 1) sieben Mitarbeiter, insgesamt sind bei ihr mehr als 10 Arbeitnehmer tätig.

Der Kläger ist seit dem 01.08.2004 bei der Beklagten zu 1) beschäftigt, seit dem 01.03.2007 auf Grundlage des Arbeitsvertrags vom 22.02.2007 (Anlage K1, Bl. 5 - 16 d. A.) als Betriebsleiter der Kantine in S. Er war als einziger „Warmkoch“ in der Kantine tätig. § 1 des Arbeitsvertrags lautet auszugsweise:

 „Die Arbeitsleistung ist in dem vorbenannten Betrieb zu erbringen. Bei dringenden betrieblichen Erfordernissen kann der Mitarbeiter vorübergehend in einem anderen Betrieb eingesetzt werden.“

Im Juli 2015 schrieb die Firma S. die Bewirtschaftung der Kantine neu aus. Unter dem 12.06./03.09.2015 schlossen die Beklagte zu 1) und die Firma S. eine Vereinbarung, wonach der zwischen ihnen bestehende Bewirtschaftungsvertrag bis zum 29.02.2016 abgeschlossen sei und ende, ohne, dass es einer separaten Kündigung bedürfe (Bl. 78 d. A.). Am 15.09.2016 legte die Beklagte zu 1) der Firma S. ihr Angebot für den weiteren Betrieb der Kantine vor. Nicht sie, sondern die Beklagte zu 2) - ebenfalls ein Cateringunternehmen - erhielt den Zuschlag.

Mit Schreiben vom 23.09.2016 hörte die Beklagte zu 1) ihren Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung aller Mitarbeiter in S. an. Wegen des Inhalts der Betriebsratsanhörung wird auf Bl. 49 - 51 d. A. verwiesen. Der Betriebsrat äußerte sich am 29.09.2015. Mit am 06.10.2015 übergebenem Schreiben kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgemäß zum 29.02.2016. Zu diesem Zeitpunkt betrieb die Beklagte zu 1) unter anderem die Kantine der Firma C. in K., der Firma E. in N. und der Firma St. M. in H..

Seit dem 01.03.2016 bewirtschaftet die Beklagte zu 2) die Kantine der Firma S., zunächst noch im Container, weil der Kantinenneubau erst Mitte März bezogen werden konnte. Die Beklagte zu 2) beteiligte sich an den Kosten der Einrichtung der neuen Kantine aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Firma S. mit einem Betrag von 60.000,-- €. Zwei ehemalige Mitarbeiter der Beklagten zu 1) sind auf ihre Bewerbung hin von der Beklagten zu 2) angestellt worden. Sie sind in einer anderen von der Beklagten zu 2) bewirtschafteten Kantine in K. eingesetzt.

Gegen die Kündigung hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er macht deren Unwirksamkeit und den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2) geltend. Hierzu hat er vorgetragen:

Er bestreite die Existenz einer unternehmerischen Entscheidung der Beklagten zu 1) zur Schließung der Kantine in S. und insbesondere den von der Beklagten zu 1) geschilderten zeitlichen Ablauf. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe die Beklagte zu 1) auch freie Stellen gehabt. Sie habe einen Betriebsleiter für die Kantine bei der Firma C., einen Koch für die Kantine der Firma E. in N. und einen Koch/Betriebsleiter für die Kantine der Firma St. M. in H. gesucht. Außerdem sei die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs erfolgt und auch deswegen unwirksam.

Die Beklagte zu 2) habe den Kantinenbetrieb zunächst in denselben Räumen und mit denselben Betriebsmitteln fortgesetzt. Investitionskosten von 60.000,-- € fielen bei einem Gesamtwert des Inventars von 200.000 bis 300.000,-- € nicht ins Gewicht. Der von der Beklagten zu 2) behauptete Konzeptwechsel werde ebenso mit Nichtwissen bestritten wie die Anschaffung spezieller Küchengeräte. Auch er habe Nudeln und Backwaren in der Vergangenheit stets frisch zubereitet, ebenso wie Wokgerichte. Es sei täglich ein frisches Salatbuffet angeboten worden. Die Beklagte zu 2) habe durch eine Mitarbeiterin der Firma S. die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) aufgefordert, sich bei der Beklagten zu 2) zu bewerben. Nur ihm sei diese Möglichkeit nicht eröffnet worden. Sollte ein Betriebsübergang bereits bei Ausspruch der Kündigung vereinbart gewesen sein, gehe sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2) über. Anderenfalls müsse diese ihn einstellen.

Der Kläger hat beantragt

1. festzustellen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die Beklagte zu 1) vom 06.10.2015 unwirksam ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers ab 01. 03.2016 mit der Beklagten zu 2) zu unveränderten Bedingungen und unter Wahrung des Besitzstandes des Klägers fortbesteht,

hilfsweise,

die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen unter Wahrung seines Besitzstandes einzustellen.

Die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) hat erwidert:

Ihr Verkaufsleiter R. habe am 17. oder 18.09.2015 von der Firma S. per Mail erfahren, dass diese sich gegen ihr Angebot entschieden habe. Darauf hätten sich ihr Bereichsleiter G. und der Gebietsleiter B. bei einer persönlichen Abstimmung am 21.09.2015 im Büro in H. entschieden, den Betrieb im Hause S. zum 29.02.2016 endgültig stillzulegen.

Die Stelle der Betriebsleiterin in der Kantine der Firma C. sei bereits zum 01.06.2015 mit Frau J. W. besetzt worden. Bei Zugang der Kündigung sei die Stelle in N. mit Frau A. F. besetzt gewesen. Die Stelle in H. sei seit dem 01.03.2015 mit Frau U. M. besetzt gewesen. Diese sei länger erkrankt gewesen und habe ihre Arbeit im Rahmen einer Wiedereingliederung am 01.10.2015 wieder aufgenommen. Sie sei weiterhin in H. tätig.

Sie habe bei der Firma S. eine sogenannte „Mischküche“ betrieben, bei der teilweise frisch gekocht und teilweise mit Convenience Produkten gearbeitet worden sei.

Die Beklagte zu 2) hat erwidert:

Sie habe keinen Betriebsteil der Beklagten zu 1) übernommen. Sie sei in anderen Räumen tätig und habe keine Betriebsmittel übernommen. Diese seien von der Firma S. im Rahmen der Zeltlösung nur gemietet gewesen und nach Beendigung des Provisoriums zurückgegeben worden. Sämtliche Betriebsmittel seien neu angeschafft worden. Hieran habe sie sich mit 60.000,-- € beteiligt.

Sie betreibe aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Firma S. die Kantine nach einem völlig anderen Konzept. Dieses sehe vor, dass sämtliche Speisen vor Ort frisch zubereitet würden. Es sei ihr in weiten Teilen untersagt, mit Convenience Produkten wie vorgefertigten Dessertmischungen, Pulverkartoffelpüree etc. zu kochen. Sie habe deswegen auch in eine „Front-Cooking-Station“ investiert, bei der die Gerichte in der Ausgabe vor den Augen der Gäste frisch zubereitet würden. Es gebe eine Nudelmaschine, in der Nudeln frisch hergestellt würden sowie einen Wok, in dem sie mit ausschließlich frischen Zutaten vor den Augen der Gäste Gerichte zubereiten lasse. Für die Umsetzung dieses Konzeptes benötige und beschäftige sie zwei Vollzeitköche. Sie habe zu keinem Zeitpunkt Mitarbeiter der Beklagten zu 1) aufgefordert, sich bei ihr zu bewerben.

Das Arbeitsgericht hat den Hauptanträgen des Klägers stattgegeben und ist dabei von einem zum Zeitpunkt der Kündigung bereits absehbaren Betriebsübergang von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) ausgegangen. Die Kündigung sei daher gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Das Arbeitsverhältnis des Klägers bestehe mit der Beklagten zu 2) fort. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen das ihr am 07.06.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte zu 1) am 07.07.2016 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 07.09.2016 - am 07.09.2016 begründet.

Die Beklagte zu 2) hat gegen das ihr am 08.06.2016 zugestellte Urteil am 17.06.2016 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 08.09.2016 - am 08.09.2016 begründet.

Die Beklagte zu 1) trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags vor:

Ihre Kündigung sei nicht nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Zum Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung habe für sie allein festgestanden, dass sie die Kantine nicht weiter bewirtschaften werde. Es sei zwar klar gewesen, dass die Container weiter bewirtschaftet werden. Sie habe jedoch nicht wissen oder erkennen können, in welcher Art und Weise dies geschehen werde und ob dies zu einem Betriebsteil-übergang führe. Von den Konzepten der Mitbewerber sei ihr nichts bekannt gewesen. Etwas anderes habe auch der Kläger nicht vorgetragen.

Die Kündigung sei wegen der Einstellung der Bewirtschaftung der Kantine sozial gerechtfertigt. Freie Arbeitsplätze habe es bei Zugang der Kündigung nicht gegeben. Insoweit wiederholt und vertieft die Beklagte zu 1) ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte zu 2) trägt vor:

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe sie den Betrieb der Beklagten zu 1) nicht übernommen. Das Arbeitsgericht messe im Rahmen der Gesamtabwägung dem Umstand, dass sie keine materiellen Betriebsmittel übernommen habe, zu Unrecht keine Bedeutung zu. Die Firma S. habe ca. 260.000,-- € für das neue Kücheninventar aufgewandt. Es seien sämtliche Betriebsmittel, also insbesondere Mobiliar, Küchenausstattung, Geräte, Geschirr und Besteck neu angeschafft worden. Daneben habe sie eine Konzeptänderung umgesetzt, die nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts stets einen Betriebsübergang ausschließe. Insbesondere der Neuerwerb einer „Front-Cooking-Station“, die es vorher nicht gegeben habe, mache deutlich, dass sie auch der Art nach andere Betriebsmittel nutze. Die Beklagte zu 1) habe im wesentlichen Umfang in sogenannten Zentralküchen (vor-) kochen und zubereiten lassen. Erst danach erfolge die Anlieferung der vorgewärmten Speisen. Sie selbst koche in der Kantine der Firma S. täglich drei frische Hauptgerichte zum Mittag und ein frisches Gericht abends. Zur Einhaltung dieses Konzepts habe sie sich vertraglich verpflichtet. Sie beschäftige auch zwei Vollzeitköche und keine bisher bei der Beklagten zu 1) beschäftigten Mitarbeiter in der Kantine. Schließlich habe sie keine Lieferantenbeziehungen oder Rohstoffe übernommen.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 27.04.2016 - 7 Ca 1649 d/15 - dahingehend abzuändern, dass der Klageantrag zu Ziff. 1. abgewiesen wird.

Die Beklagte zu 2) beantragt wie folgt zu erkennen:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kiel vom 27.04.2016, Az. 7 Ca 1649 d/15, wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen der Beklagten/Berufungsklägerinnen zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Beklagte/Berufungsklägerin zu 2) zu verurteilen, den Kläger/Berufungsbeklagten ab 01.03.2016 zu unveränderten Arbeitsbedingungen unter Wahrung seines Besitzstandes einzustellen durch Abgabe eines an den Kläger/Berufungsbeklagten gerichteten und von ihm anzunehmenden entsprechenden Arbeitsvertragsangebotes.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung.

Der Beklagten zu 1) sei bekannt gewesen, dass die Kantine fortgeführt werde. Damit habe sie ohne weiteres auch gewusst, dass es zu einem Betriebsübergang kommen werde. Unstreitig habe die Beklagte zu 1) auch gewusst, dass ein anderer Anbieter den Zuschlag erhalten habe. Jedenfalls habe ihm die Beklagte zu 1) eine Weiterbeschäftigung anbieten müssen. Auch habe er einen Wiedereinstellungsanspruch, da während der laufenden Kündigungsfrist auch nach dem Vortrag der Beklagten zu 1) ein Arbeitsplatz frei geworden sei.

Die Beklagte zu 2) könne das Vorlegen eines Betriebsübergangs nicht ernsthaft in Abrede stellen. Der Betriebszweck einer Kantine sei die Versorgung der Mitarbeiter mit Speisen und werde von der Beklagten zu 2) fortgeführt. Es liege keine Konzeptänderung vor. Auch er habe frische Speisen zubereitet, wie er bereits erstinstanzlich dargelegt habe. Auch habe er frische Speisen aus frischen Produkten vor den Augen der Gäste zubereitet.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 31.01.2017. Wegen des Inhalts des Beweisbeschlusses und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 31.01.2017 Bezug genommen. Ergänzend wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaften Berufungen beider Beklagten sind form- und fristgemäß eingelegt und begründet und damit zulässig. Begründet ist hingegen nur die Berufung der Beklagten zu 2), die Berufung der Beklagten zu 1) ist unbegründet.

A.

Die Berufung der Beklagten zu 1) ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 06.10.2015 unwirksam ist. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 KSchG. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Die Beklagte zu 1) hat das Vorliegen einer sozialen Rechtfertigung im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG nicht beweisen können.

Die Beklagte hat insbesondere nicht beweisen können, dass die von ihr behaupteten dringenden betrieblichen Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Sinne des § 1 Abs. 2 S.1 KSchG entgegenstehen, bei Zugang der Kündigung vorgelegen haben.

1. Die Beklagte zu 1) hat die Kündigung mit ihrer Entscheidung begründet, den Betrieb der Kantine bei der Firma S. zum 29.02.2016 zu schließen. Sie hat die von ihr behauptete Schließungsentscheidung jedoch nicht beweisen können.

2. Innerbetriebliche Umstände, wie etwa die Entscheidung zur Schließung eines Betriebsteils, begründen ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Eine solche unternehmerische Organisationsentscheidung ist von den Arbeitsgerichten nur begrenzt überprüfbar, nämlich darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Dagegen obliegt es den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung überhaupt getroffen wurde und ob sie sich betrieblich dahingehend auswirkt, dass der Beschäftigungsbedarf für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist (BAG, Urt. v. 16.12.2004 - 2 AZR 66/04 - Juris, Rn 22; st. Rechtspr.).

Dieser Nachweis ist der Beklagten zu 1) nicht gelungen. Sie hat behauptet, ihr Gebietsleiter B. habe zusammen mit dem Bereichsleiter G. am 21.09.2015 anlässlich einer Besprechung im H.er Büro entschieden, den Betrieb zum 29.02.2016 stillzulegen. Der Kläger hat diesen Vortrag zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Die Beklagte zu 1) hat den ihr obliegenden Beweis für die Stilllegungsentscheidung nicht geführt.

Der Zeuge B. konnte sich an eine entsprechende Besprechung zwischen ihm und Herrn G. nicht erinnern. Er hat ausdrücklich erklärt, „weil wir nicht wussten, wie es weitergeht“ seien die Kündigungen durch Herrn I. ausgesprochen worden. Das spricht gerade gegen die Existenz der von der Beklagten zu 1) behaupteten Stilllegungsentscheidung bei Zugang der Kündigung. Der Zeuge hatte auch bei mehrmaligen Nachfragen keine Erinnerung daran, dass es eine Besprechung zum Thema „Schließung Kantine S.“ gegeben habe. Der Zeuge wusste zwar, dass über Herrn I., den Personalleiter der Beklagten zu 1), Kündigungen ausgesprochen worden sind. Er konnte jedoch die Entscheidung zur Betriebsstilllegung nicht bestätigen.

Entgegen der von der Beklagten zu 1) im Berufungstermin geäußerten Auffassung genügt es nicht, dass Kündigungen ausgesprochen worden sind. Die unternehmerische Entscheidung ist von der Entscheidung zur Kündigung zu trennen. Die unternehmerische Entscheidung muss im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes Kündigungen bedingen, sonst sind diese nicht wirksam. Schon das zeigt, dass der Ausspruch der Kündigung zu trennen ist von der Entscheidung selbst. Das entspricht im Übrigen ständiger Rechtsprechung.

Damit erweist sich die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Antrag zu 1. des Klägers als jedenfalls im Ergebnis zutreffend, so dass die dahingehende Berufung der Beklagten zu 1) zurückgewiesen worden ist.

B.

Die Berufung der Beklagten zu 2) ist demgegenüber begründet. Haupt- und Hilfsantrag des Klägers sind unbegründet.

I.

Der gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Hauptantrag zu Ziff. 2. des Klägers, mit dem dieser den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2) ab 01.03.2016 festgestellt begehrt, ist nach gebotener Auslegung zulässig, aber nicht begründet.

1. Soweit der Kläger im Antrag Bezug nimmt auf „das Arbeitsverhältnis“ ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang ohne weiteres, dass er das mit der Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis meint. Soweit es im Antrag lautet, dieses solle zu unveränderten Bedingungen und unter Wahrung seines Besitzstandes übergehen, ist dies dahin zu verstehen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 2) inhaltlich nach Maßgabe des Arbeitsvertrags zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) fortbestehen soll. Der Zeitpunkt des Übergangs soll zum Ausdruck bringen, dass der Kläger die nahtlose Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses festgestellt wissen will.

2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag als allgemeine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Das Feststellungsinteresse des Klägers besteht, weil die Beklagte zu 2) den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bestreitet.

3. Der Antrag ist unbegründet. Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis zum 01.03.2016 begründet worden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist nicht zu jenem Datum und auch zu keinem anderen Datum gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs liegen nicht vor.

a) Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB setzt die Wahrung der Identität einer auf gewisse Dauer angelegten, hinreichend strukturierten und selbständigen wirtschaftlichen Einheit voraus. Die Wahrung der Identität kann sich aus dem Übergang sachlicher und immaterieller Betriebsmittel, aber auch aus dem Übergang von Personal, Führungskräften, der Übernahme von Arbeitsorganisation und Betriebsmethoden herleiten. Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände an. Es muss eine im Wesentlichen unveränderte Fortführung der bisher in dieser abgrenzbaren Einheit geleisteten Tätigkeit möglich sein. Die bloße Möglichkeit allein, den Betrieb selbst unverändert fortführen zu können, reicht nicht für die Annahme eines Betriebsübergangs, vielmehr muss der Betrieb auch tatsächlich weitergeführt werden. Keine unveränderte Fortführung liegt vor, wenn der neue Betreiber eine andere Leistung erbringt, den Betriebszweck ändert oder ein anderes Konzept verfolgt. Ebenso reicht eine bloße Funktionsnachfolge nicht aus, bei der nur die Tätigkeit ausgeübt oder die Funktion am Markt übernommen wird, ohne Übernahme der Betriebsmittel oder der Belegschaft. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, bei der je nach Einzelfall folgende relevante Umstände in Betracht zu ziehen sind: Die Art des Betriebes oder Unternehmens; der Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude, Maschinen und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung; der Wert der übernommenen immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation; die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, also des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals; der etwaige Übergang der Kundschaft und der Lieferantenbeziehungen; der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten; die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit (BAG, Urt. v. 17.12.2009 - 8 AZR 1019/08 - Juris, Rn 20 f.).

b) Nach vorstehenden Grundsätzen ist der Betrieb der Beklagten zu 1) in der Firma S. nicht auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Die Beklagte zu 2) hat zwar die von der Beklagten zu 1) bislang wahrgenommene Funktion der Bewirtschaftung der Kantine übernommen, nicht aber einen bei der Beklagten zu 1) bestehenden Betriebsteil.

aa) Zwischen den Parteien nicht umstritten ist, dass die Beklagte zu 2) den Betrieb der Beklagten zu 1) nicht dadurch übernommen hat, dass sie für 13 Tage noch in den Containern auf dem Gelände der Firma S. das Essen an die Beschäftigten ausgegeben hat. In dem Zeitraum Anfang März 2015 hat die Beklagte zu 2) nämlich tatsächlich nur Essen ausgegeben. Dieses wurde von einem anderen Unternehmen angeliefert und von den Mitarbeitern der Beklagten zu 2) nur verteilt. Geschuldet war dies allein dem Umstand, dass das von der Firma S. neu errichtete Kantinengebäude (Anbau) zum vorgesehenen Zeitpunkt am 01.03.2015 noch nicht fertig war. Abzustellen ist aber wegen der geringen zeitlichen Zäsur vorliegend allein auf die Frage, ob die Beklagte zu 2) ab dem 14.03.2015 den bisher von der Beklagten zu 1) geführten Kantinenbetrieb fortgeführt hat.

bb) Auch dies ist nach den Erörterungen im Berufungstermin nicht der Fall.

 (1) Die Beklagte zu 2) hat keine bislang von der Beklagten zu 1) genutzten materiellen Betriebsmittel übernommen. Das Gebäude, in dem die Kantine untergebracht war, ist neu errichtet worden. Sämtliche Maschinen und beweglichen Güter sind von der Firma S. neu angeschafft worden. Das hat der Kläger auf Befragen im Berufungstermin ausdrücklich bestätigt und seinen insoweit in der Vergangenheit zumindest teilweise anders lautenden Vortrag korrigiert.

 (2) Immaterielle Betriebsmittel hat die Beklagte zu 2) überhaupt nicht übernommen, ebenso wenig eine bei der Beklagten zu 1) bereits vorhandene Organisation.

 (3) Die Beklagte zu 2) hat auch keine Mitarbeiter der Beklagten zu 1) in der Kantine der Firma S. beschäftigt. Zwar sind zwei ehemalige Mitarbeiter der Beklagten zu 1) bei ihr angefangen. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Weiterbeschäftigung in derselben Kantine. Im Übrigen machten diese beiden auch nicht den nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals der Beklagten zu 1) aus. Dies dürfte allein der Kläger als Betriebsleiter gewesen sein.

 (4) Allerdings verrichtete die Beklagte zu 2) ähnliche Tätigkeiten wie die Beklagte zu 1). Die Mitarbeiter der Firma S. sollen von ihr verpflegt werden. Dies erfolgt aber bei der Beklagten zu 2) auf Grundlage eines gänzlich anderen Konzepts als bei der Beklagten zu 1). Insoweit hat der Kläger selbst im Berufungstermin ausgeführt, er habe in der Vergangenheit sowohl mit Convenience Produkten gearbeitet, als auch selbst frisch gekocht. Er hat dabei angegeben, er habe eines der drei Hauptgerichte am Tag frisch zubereitet und im Übrigen schon aus Gründen des Personalmangels und der vorgegebenen Kostenstruktur auf Convenience Produkte zurückgegriffen. Unstreitig servierte die Beklagte zu 2) daneben in einer Zentralküche vorgekochtes Essen. Demgegenüber war es Auflage der Firma S. an die Anbieter, ab dem 01.03.2016 auf Basis eines sogenannten „Frischekonzeptes“ Essen anzubieten. Die von der Beklagten zu 2) insoweit geschilderten, vom Kläger im Berufungstermin als ihm ebenfalls bekannt eingeräumten Vorgaben waren, dass mit frischen Zutaten täglich frisch gekochte Gerichte den Mitarbeitern angeboten werden. Das ist ein anderes Konzept als das bisher von der Beklagten zu 1) verfolgte. Diese hat mit vorgekochten Essen, das dann nur erwärmt wurde, mit den bereits erwähnten Convenience Produkten und daneben auch mit frisch gekochten Produkten die Mitarbeiter der Firma S. versorgt. Die Umstellung auf das von der Beklagten zu 2) vorgesehene Konzept führt auch nach den Erörterungen im Berufungstermin unstreitig zu einem erhöhten Personalbedarf. Die Beklagte zu 2) beschäftigt zwei Köche in Vollzeit, bei der Beklagten zu 1) war der Kläger der einzige als „Warmkoch“ angestellte Mitarbeiter. Mit dem Aufstellen einer Einrichtung zum „Front-Office-Cooking“ bekommt die Kantine im Übrigen auch nach außen und für den Kunden ein völlig anderes Gepräge, als wenn nur, wie der Kläger eingeräumt hat, etwa 15 Mal im Jahr, offen vor den Kunden Gerichte zubereitet werden.

cc) In der Gesamtschau ergibt sich damit aus Sicht des Berufungsgerichts dass nahezu alle maßgeblichen Kriterien gegen das Vorliegen eines Betriebsübergangs sprechen. So hat das Bundesarbeitsgericht auch entschieden, dass es sich bei einer Kantine grundsätzlich nicht um einen betriebsmittelarmen Betrieb handelt (a. a. O., Rn 25). Mag auch der Einzug in neue Räume eher der faktischen Notwendigkeit geschuldet sein, so sind jedenfalls die fehlende Übernahme auch nur eines Teils der Betriebsmittel, die in der Vergangenheit von der Beklagten zu 1) genutzt wurden, zusammen mit dem neuen Betriebskonzept, das auf die Zubereitung täglich frischer Speisen setzt, ausschlaggebende Gründe gegen die Annahme eines Betriebsübergangs.

Entgegen der Auffassung des Klägers im Berufungstermin kommt es nicht darauf an, dass auch die Beklagte zu 1) auf Basis des - wie der Kläger es selbst genannt hat - „neuen Konzepts der Firma S.“ ein Angebot hätte unterbreiten können. Dieser Umstand ist für das Vorliegen eines Betriebsübergangs nicht maßgeblich.

II.

Damit ist auch der Hilfsantrag des Klägers gegen die Beklagte zu 2), der darauf gerichtet ist, die Beklagte zu 2) zu verurteilen, dem Kläger den Abschluss eines Arbeitsvertrags mit Wirkung ab dem 01.03.2016 zu den Bedingungen seines Arbeitsvertrags mit der Beklagten zu 1) anzubieten, unbegründet. Mangels Vorliegen eines Betriebsübergangs besteht auch der vom Kläger geltend gemachte Wiedereinstellungsanspruch nicht.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sieht die Kammer nicht. Die Entscheidung ist in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Betriebsübergang bei Cateringunternehmen ergangen. Auch die Entscheidung zur betriebsbedingten Kündigung folgt der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage vermag das Berufungsgericht nicht zu erkennen.



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