Landesarbeitsgericht Hessen

Beschluss vom - Az: 5 TaBV 242/15

Überstunden als Arbeitskampfmaßnahme

1. Arbeitskampfbedingte Beschränkungen der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats greifen nicht ein, wenn es sich bei der Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber um eine reine Streikfolgenkompensation handelt.

2. Die Anordnung von Überstunden ist als Kampfmaßnahme zu werten, wenn sie sich räumlich und zeitlich mit einer Streikmaßnahme deckt.
(Leitsätzes des Gerichts)

(3.) Eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats während eines Arbeitskampfes ist geboten, wenn bei deren uneingeschränkter Aufrechterhaltung die ernsthafte Gefahr besteht, dass der Betriebsrat eine dem Arbeitgeber selbst mögliche Arbeitskampfmaßnahme verhindert und dadurch zwangsläufig zu dessen Nachteil in das Kampfgeschehen und damit in die Arbeitskampffreiheit eingreift.

(4.) Von einer reinen Streikfolgenkompensation - die nicht paritätsrelevant ist - kann nur ausgegangen werden, wenn die Streikmaßnahme durch die (kampfführende) Gewerkschaft beendet ist und der Arbeitgeber durch Aufarbeitung des streikbedingten Arbeitsausfalls lediglich reagiert, ohne andere Arbeitnehmer als die Arbeitsplatzinhaber einzusetzen oder sonst den Kampfrahmen zu überschreiten, um zusätzlichen Druck auf die Gewerkschaft auszuüben.

Im vorliegenden Fall kann der antragstellende Betriebsrat (BR) keine Unterlassung der Anordnung von Überstunden ohne Zustimmung des BR oder die Androhung eines Ordnungsgeldes verlangen, da der Arbeitgeber die Überstunden während eines laufenden Warnstreiks anordnete. Folglich handelte es sich bei der Anordnung um eine Kampfmaßnahme, für die der Arbeitgeber nicht die Zustimmung des Betriebsrates benötigte.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 14.09.2015 - 7 BV 7/15 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Anordnung von Überstunden anlässlich eines Warnstreiks.

Der Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betriebsrat) repräsentiert die bei der Beteiligten zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) in der Niederlassung BRIEF A beschäftigten Arbeitnehmer/innen. Die Arbeitszeiten der Zusteller richten sich nach der "Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung in der Zustellung", insbesondere werden auf dieser Grundlage Dienstpläne erstellt. Wegen des Inhalts der Betriebsvereinbarung vom 16.03.2009 wird auf Blatt 8 bis Blatt 14 der Akten Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 15.04.2015 teilte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di der Arbeitgeberin mit, dass sie ab dem 15.04.2015 ihre Mitglieder zu Warnstreikmaßnahmen "auf unbestimmte Zeit" im Unternehmen der B aufrufen werde. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf die Kopie Blatt 88 der Akten verwiesen. Aufgrund des Streikaufrufs wurde ohne weitere Informationen über die Streikdauer am 16. und 17.04.2015 gestreikt. Infolgedessen konnte im Bereich des Zustellstützpunktes C ein erheblicher Teil der Sendungen nicht zugestellt werden. Aufgrund der Rückstände war bereits am Samstag absehbar, dass es am folgenden Werktag, Montag, den 04.05.2015, zu erheblich erhöhten Sendungsmengen kommen werde, die im Rahmen dies Dienstplanes nicht zu bewältigen sein würden. Noch am Samstag, den 02.05.2015 wurde für die Beschäftigten des Zustellstützpunktes C ohne Beteiligung des Betriebsrats Mehrarbeit in Höhe von fünf Stunden am kommenden Montag angeordnet. Ferner sollten zwei Beschäftigte an ihrem dienstplanmäßig freien Tag eingesetzt werden. Eine Beteiligung des Betriebsrats an dieser Maßnahme erfolgte ebenfalls nicht. Am 4.5.2016 streikten die Arbeitnehmer im Zustellstützpunkt C nicht. Wegen des Weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der dort gestellten Anträge wird ergänzend auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses - Blatt 152 bis Blatt 157 der Akten - Bezug genommen.

Mit dem am 14.09.2015 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - kurz zusammengefasst - Folgendes ausgeführt: Ein Unterlassungsanspruch stehe dem Betriebsrat nicht zu, da die gebotene arbeitskampfkonforme Auslegung zu einer Einschränkung der Mitbestimmungsrechte führe. Bei der Anordnung der Mehrarbeit für den 04.05.2015 handele es sich um eine Arbeitskampfmaßnahme der Arbeitgeberin während eines Streikgeschehens. Eine Warnstreikmaßnahme sei nicht beendet, wenn die streikführende Gewerkschaft dem Arbeitskampfgegner mitteilt, dass sie auf unbestimmte Zeit zu Warnstreikmaßnahmen aufrufen werde. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird auf den angefochtenen Beschluss - Blatt 157 bis Blatt 164 der Akten - verwiesen. Gegen den am 09.11.2015 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 30.11.2015 Beschwerde eingelegt und sie nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 11.02.2016 auf rechtzeitigen Antrag hin mit dem am 11.02.2016 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Er meint nach wie vor, dass seine Mitbestimmungsrechte nicht eingeschränkt seien, da der Warnstreik am 04.05.2015 beendet gewesen sei. Bei der Kompensation der Streikfolgen aufgrund des Streiks vom 02.05.2015 handele es sich nicht um eine Streikmaßnahme, sondern lediglich um die Aufarbeitung des streikbedingten Arbeitsausfalls. Würde man der Rechtsprechung des Arbeitsgerichts folgen, könne dies zu einer schrankenlosen Suspendierung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats führen.

Der Betriebsrat beantragt,

der Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 14.09.2015 - 7 BV 7/15 - wird abgeändert:

1.    Der Arbeitgeberin wird aufgegeben es zu unterlassen, Mehrarbeit (Überstunden) an einem Folgetag nach Beendigung eines rechtmäßigen Streiks gegenüber Beschäftigten, die ganz oder teilweise Zustelltätigkeiten ausüben, anzuordnen, zu vereinbaren, entgegenzunehmen oder zu dulden solange der Betriebsrat seine Zustimmung nicht erteilt hat bzw. die fehlende Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist, es sei denn, es lägen Notfälle im Sinne der Rechtsprechung bzw. gem. § 7 Abs. 1 und 3 der im Betrieb geltenden "Betriebsvereinbarung Arbeitszeitreglung in der Zustellung" vor.

2.    Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, die "Betriebsvereinbarung Arbeitszeitregelung in der Zustellung" vom 16.03.2009 einzuhalten und die Zustimmung des Betriebsrates bei Überschreitungen der dienstplanmäßigen Arbeitszeit von in der Zustellung Beschäftigten zu beantragen, es sei denn, es lägen Notfälle im Sinne der Rechtsprechung bzw. gem. § 7 Abs. 1 und 3 der Betriebsvereinbarung vor.

3.    Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus den Ziffern 1 und 2 der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens den angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift über die Anhörung am 28.07.2016 Bezug genommen.

B.

I.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist gem. §§ 8 Abs. 4, 87 Abs. 1 ArbGG statthaft sowie nach §§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden.

II.

In der Sache hat die Beschwerde des Betriebsrats keinen Erfolg.

1.

Die Anträge sind dahingehend zu verstehen, dass der Betriebsrat auch soweit er sein Begehren auf die "Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung in der Zustellung" stützt, Unterlassungsansprüche geltend macht und von der Beendigung eines Streiks ausgeht, wenn sich die Arbeitnehmer nicht mehr am Streik beteiligen und ihre Arbeitsleistung anbieten. Dies ergibt sich aus dem tatsächlichen Vorbringen in der Antragsschrift unter Berücksichtigung des Vorgangs, der Anlass für den Streit der Betriebsparteien gegeben hat sowie dem Grundsatz, Anträge möglichst so auszulegen, dass sie eine erstrebte Sachentscheidung zulassen (vgl. zum Vorstehenden BAG 27.10.1992 - 1 ABR 17/92 - Rn. 27, zitiert nach juris; BAG 21.07.2009 - 1 ABR 42/08 - Rn. 13, zitiert nach juris).

2.

Durchgreifende prozessuale Bedenken gegen die Zulässigkeit des Unterlassungsantrages bestehen nicht, insbesondere ist er gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt und ggfs. gem. § 85 Abs. 1 S. 1, S. 3 ArbGG i.V.m. § 890 Abs. 1 ZPO vollstreckungsfähig. Das Verhalten, welches der Arbeitgeberin untersagt werden soll, steht mit der gebotenen Eindeutigkeit fest. Das angestrebte Verbot enthält eine hinreichende Bezeichnung der betrieblichen Maßnahme derer sich die Arbeitgeberin enthalten soll und wann sie wegen eines Verstoßes mit der Verhängung eines Ordnungsgeldes rechnen muss (vgl. in diesem Zusammenhang z.B. BAG 22.07.2014 - 1 ABR 9/13 - Rn. 12, zitiert nach juris). Die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes "Notfall" in der Einschränkung des Anspruchs ist ebenso unschädlich (vgl. BAG 17.11.1998 - 1 ABR 12/98 - Rn. 33, zitiert nach juris) wie der Umstand, dass es sich um Globalanträge handelt, mit denen Unterlassungsansprüche für eine Vielzahl künftiger Fallkonstellationen verfolgt werden (vgl. z.B. BAG 03.06.2003 - 1 ABR 19/02 - Rn. 27, zitiert nach juris; BAG 22.06.2005 - 10 ABR 34/04 - Rn. 36, zitiert nach juris). Ob der Anspruch tatsächlich in allen Fällen besteht, ist eine Frage der Begründetheit des Antrages (vgl. BAG 20.04.2010 - 1 ABR 78/08 - Rn. 14, zitiert nach juris).

3.

Die Unterlassungsanträge sind nicht begründet. Eine Anspruchsgrundlage bilden weder der allgemeine Unterlassungsanspruch, der sich als Nebenleistungspflicht des Arbeitgebers aus dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Verbindung mit § 2 BetrVG ergibt (vgl. seit BAG 03.05.1994 - 1 ABR 24/93 - LS 1, zitiert nach juris) noch die Betriebsvereinbarung zur "Arbeitszeitregelung in der Zustellung" in Verbindung mit § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG, wonach die Arbeitgeberin im Betrieb alle betriebsvereinbarungswidrigen Maßnahmen unterlassen muss (vgl. z.B. BAG 29.04.2004 - 1 ABR 30/04 - Rn. 128, zitiert nach juris). Da arbeitskampfbedingte Einschränkungen des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG im Streitfall geboten sind, sind die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des allgemeinen Unterlassungsanspruchs nicht erfüllt und die Betriebsvereinbarung beansprucht am 04.05.2015 keine Geltung. Zwar enthält sie ihrem Wortlaut nach keine Einschränkungen der Anwendbarkeit der vereinbarten Arbeitszeitregelungen aus arbeitskampfbedingten Gründen. Da sie aber in Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG ergangen ist und Arbeitgeber sowie Betriebsrat keine Regelungen wirksam treffen können die die Kampfparität beeinträchtigten würden (vgl. BAG 30.08.1994 - 1 ABR 30/94 - Rn. 24, zitiert nach juris), ist sie dahingehend auszulegen, dass ihre Geltung während eines Arbeitskampfes der Reichweite des Mitbestimmungsrechts entspricht.

4.

Im Streitfall konnte die Mehrarbeit für den 04.05.2015 am 02.05.2015 ohne Beteiligung des Betriebsrats angeordnet werden, da arbeitskampfbedingte Begrenzungen des Mitbestimmungsrechts eingreifen.

a) Grundsätzlich ist das Betriebsverfassungsgesetz auch während eines Arbeitskampfes anzuwenden. Der Betriebsrat bleibt mit allen Rechten und Pflichten im Amt und hat diese neutral wahrzunehmen. Mögliche Einschränkungen bedürfen einer arbeitskampfrechtlichen Begründung.

aa) Eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats während eines Arbeitskampfes ist geboten, wenn bei deren uneingeschränkter Aufrechterhaltung die ernsthafte Gefahr besteht, dass der Betriebsrat eine dem Arbeitgeber selbst mögliche Arbeitskampfmaßnahme verhindert und dadurch zwangsläufig zu dessen Nachteil in das Kampfgeschehen und damit in die Arbeitskampffreiheit eingreift (vgl. BAG 13.12.2011 - 1 ABR 2/10 - Rn. 25, zitiert nach juris). In diesen Fällen ist das Mitbestimmungsrecht arbeitskampfkonform auszulegen. Hierdurch wird sichergestellt, dass nicht eine der Tarifvertragsparteien der anderen von vornherein ihren Willen aufzwingen kann, sondern annähernd gleiche Verhandlungschancen bestehen. Allerdings haben Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte des Betriebsrats nur insoweit zurückzustehen, wie deren Ausübung die Kampffähigkeit des Arbeitgebers ernsthaft beeinträchtigt (vgl. BAG 13.12.2011 - 1 ABR 2/10 - Rn. 27, zitiert nach juris), wenn also der Arbeitgeber an der Durchführung einer beabsichtigten kampfbedingten Maßnahme zumindest vorübergehend gehindert ist und auf diese Weise zusätzlich Druck auf ihn ausgeübt wird (vgl. BAG 13.12.2011 - 1 ABR 2/10 - Rn. 28, zitiert nach juris). Infolgedessen bedarf der Arbeitgeber, der während eines Streiks in seinem Betrieb für arbeitswillige Arbeitnehmer aus streikbedingten Gründen die betriebliche Arbeitszeit vorübergehend verlängert, der Zustimmung des Betriebsrats nicht (vgl. BAG 10.12.2002 - 1 ABR 7/02 - Rn. 27, zitiert nach juris). Dies gilt nicht für Maßnahmen, die zwar während des Kampfgeschehens getroffen werden, mit der Kampfabwehr aber in keinem Zusammenhang stehen und sich auf das Kampfgeschehen auch nicht auswirken.

bb) Für Grund und Ausmaß der arbeitskampfbedingten Beschränkung des Mitbestimmungsrechts kann nicht auf die subjektive Regelungsabsicht des einzelnen Betriebsrats abgestellt werden. Eine arbeitskampfneutrale Ausübung des Mitbestimmungsrechts ist regelmäßig unmöglich. Eine zustimmende Entscheidung stärkt die Kampfführung des Arbeitgebers und eine Zustimmungsverweigerung letztlich die der Gewerkschaft (vgl. BAG 13.12.2011 - 1 ABR 2/10 - Rn. 29, zitiert nach juris).

b) In Anwendung dieser Grundsätze steht dem Betriebsrat kein uneingeschränktes Mitbestimmungsrecht zu. Die Ausübung des Mitbestimmungsrechts gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat im Streitfall unmittelbar und zwangsläufig zur Folge, dass die Freiheit der Arbeitgeberin, Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen oder den Folgen des Arbeitskampfes zu begegnen ernsthaft beeinträchtigt werden (vgl. nochmals BAG 10.12.2002 - 1 ABR 7/02 - Rn. 25, zitiert nach juris).

aa) Bei der Anordnung der Überstunden handelt es sich nicht um eine reine Streikfolgenkompensation, sondern es geht um eine Streikabwehrmaßnahme, da der Warnstreik am 4.5.2014 nicht beendet war.

 (1) Die Anordnung von Mehrarbeit ist als Kampfmaßnahme zu werten, wenn sie sich räumlich und zeitlich mit einer Streikmaßnahme deckt. Denn dann versucht der Arbeitgeber, das mit einem Warnstreik verfolgte Ziel der zeitweisen Stilllegung des Betriebes mit Hilfe arbeitswilliger Arbeitnehmer zu unterlaufen und die Betriebsstörungen zu minimieren. Die Folgen der Arbeitsniederlegung durch einen Teil der Arbeitnehmer werden vom Arbeitgeber nicht widerstandslos hingenommen Einer darüber hinausgehenden Erweiterung des Kampfrahmens oder des Einsatzes anderer Arbeitnehmer als die Arbeitsplatzinhaber bedarf es für die Qualifizierung als Kampfmaßnahme nicht. Demgegenüber kann von einer reinen Streikfolgenkompensation - die nicht paritätsrelevant ist - nur ausgegangen werden, wenn die Streikmaßnahme beendet ist und der Arbeitgeber durch Aufarbeitung des streikbedingten Arbeitsausfalls lediglich reagiert, ohne andere Arbeitnehmer als die Arbeitsplatzinhaber einzusetzen oder sonst den Kampfrahmen zu überschreiten, um zusätzlichen Druck auf die Gewerkschaft auszuüben (vgl Hessisches LAG 5 TaBV 196/15).

 (2) Bei der Beendigung eines Streiks ist zwischen der Streikteilnahme des einzelnen Arbeitnehmers und der kollektiven Maßnahme zu unterscheiden. Es genügt nicht, wenn die in den Streik getretenen Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung wieder anbieten. Hinzukommen muss, dass die kampfführende Gewerkschaft ihre Mitglieder wieder zur Arbeitsaufnahme auffordert und den Kampf für alle Streikteilnehmer verbindlich für beendet erklärt (vgl. BAG 01.03.1995 - 1 AZR 786/94 - Rn. 23, zitiert nach juris). Die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungspflichtigkeit einer Maßnahme kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob eine Arbeitnehmergruppe ihre Arbeit überraschend niederlegt, um sie nach einiger Zeit überraschend wieder aufzunehmen, da dies die Einbeziehung der Mitbestimmungsrechte in kampftaktische Überlegungen der Gewerkschaft uneingeschränkt zuließe.

bb) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats war der Warnstreik am 04.05.2015 immer noch im Gange. Der Aufruf der Gewerkschaft zu einem unbefristeten Warnstreik war nach wie vor in Kraft und die Arbeitgeberin musste davon ausgehen, dass sich die Arbeitnehmer jederzeit wieder aktiv am Warnstreik im Zustellstützpunkt C beteiligen. Die Streikmaßnahme der Gewerkschaft war nicht einmal unterbrochen, denn auch hierfür hätte es einer entsprechenden Erklärung der Gewerkschaft bedurft (vgl. BAG 01.03.1995 - 1 AZR 786/94 - Rn. 23, zitiert nach juris). Vor diesem Hintergrund ist die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats als eine zusätzliche, den Druck verstärkende Maßnahme anzusehen, da ein Bezug zur künftigen Fortführung des Warnstreiks im Zustellstützpunkt C besteht. Der Einwand des Betriebsrats, wonach eine zeitlich unbegrenzte Einschränkung der Mitbestimmungsrechte zu befürchten sei, verfängt nicht. Die Tragweite der Einschränkung ist dem Arbeitskampfrecht geschuldet und hängt im Wesentlichen vom Umfang des Streikbeschlusses der Gewerkschaft ab. Soweit sich die Maßnahme der Arbeitgeberin in dessen zeitlichen und räumlichen Rahmen bewegt, würde durch die Ausübung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG die Arbeitskampffreiheit der Arbeitgeberin ernsthaft beeinträchtigt und das Verhandlungsgleichgewicht verschoben, was verfassungsrechtlich nach Art 9 GG zu vermeiden geboten ist.

c) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bleibt auch nicht deshalb uneingeschränkt bestehen, weil die Arbeitskampfmaßnahme der Arbeitgeberin rechtswidrig wäre. Anhaltspunkte die in diese Richtung weisen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

5.

Da ein Verstoß der Arbeitgeberin gegen eine Unterlassungspflicht nicht vorliegt, scheidet auch die Androhung eines Ordnungsgeldes gem. § 85 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 890 ZPO aus.

C.

Gegen diese gem. § 3 Abs. 2 GKG kostenfrei ergehende Entscheidung ist gem. § 92 Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entscheidungserheblich sind.



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