Arbeitsgericht Fulda

Urteil vom - Az: 1 Ca 431/09

Urlaubsabgeltung; tarifliche Ausschlussfrist

Die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs sowie des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte kann keinen tariflichen Ausschlussfristen unterliegen; nur ein etwaiger tariflicher Mehrurlaub bzw. dessen Abgeltung kann einer tariflichen Ausschlussfrist unterliegen. Denn die Dauer des gesetzlichen Mindesturlaubs nach § 3 BUrlG und des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen nach § 125 Abs. 1 SGB IX kann nach §§ 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, 125 Abs.1 Satz 2 SGB IX tarifvertraglich nur zugunsten der Arbeitnehmer geändert werden.
Die Entscheidung wurde zunächst durch das LAG Hessen abgeändert und daraufhin durch das Bundesarbeitsgericht gänzlich aufgehoben. Auch die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs sowie Zusatzurlaubs unterliege tariflichen Ausschlussfristen.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 899,81 EUR (in Worten: Achthundertneunundneunzig und 81/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 85% und die Beklagte 15% zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.170,08 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltungsansprüche.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Kautschukindustrie. Der schwerbehinderte Kläger war schon seit dem 01. Juni 1978 im Rahmen einer 5-Tage-Woche gegen ein arbeitstägliches Arbeitsentgelt in Höhe von zuletzt 108,02 EUR brutto bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden sowohl kraft einzelvertraglicher Bezugnahme als auch kraft beidseitiger Tarifgebundenheit die Regelungen des Manteltarifvertrages für die Kautschukindustrie in Hessen Anwendung. Nach dessen § 16 müssen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen einer Frist von drei Monaten nach ihrem Entstehen geltend gemacht werden. Bei Ausscheiden eines Arbeitnehmers sind Ansprüche spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen; werden Ansprüche erst später fällig, so berechnet sich die Frist von zwei Monaten vom Tag der Fälligkeit an. Ansprüche, die nicht innerhalb der genannten Fristen geltend gemacht werden, sind hiernach ausgeschlossen. Dem Kläger stand ein tariflich geregelter Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen zuzüglich eines tariflich geregelten zusätzlichen Urlaubsgeldes in Höhe von 17,90 EUR brutto pro Urlaubstag sowie der nach § 125 SGB IX einschlägige Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen in Höhe von fünf Arbeitstagen zu. Der Kläger hat zwei Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2004 sowie alle weiteren Urlaubsansprüche für die Kalenderjahre 2005 und 2006 nicht in Anspruch nehmen können, da er seit 2004 arbeitsunfähig erkrankt ist. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete am 30. April 2006. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers, der seither eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht, dauert bis heute an.

Mit an die Beklagte gerichteten Geltendmachungsschreiben vom 15. Juli 2009 ließ der Kläger die Beklagte erstmals auffordern, die seiner Ansicht nach 49 unerledigten Urlaubstage der Kalenderjahre 2004 bis 2006 finanziell abzugelten. Nachdem die Beklagte hierauf nicht reagiert hat, nimmt der Kläger die Beklagte nunmehr mit seiner bei Gericht am 12. August 2009 eingegangenen und ihr am 18. August 2009 zugestellten Klage vom 11. August 2009 weiter gerichtlich in Anspruch.

Der Kläger bezieht sich zur Begründung der Klageforderung auf die jüngst zur Frage des Verfalls von Urlaubsansprüchen bei andauernder Arbeitsunfähigkeit ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts. Der Kläger beziffert seine Urlaubsabgeltungsansprüche unter Berücksichtigung des tariflich vorgesehenen zusätzlichen Urlaubsgeldes auf 125,92 EUR brutto pro Urlaubstag, was in Bezug auf die seiner Ansicht nach unerledigten 49 Urlaubstage zu einer Forderung in Höhe von 6.170,08 EUR brutto führt.

Dementsprechend beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.170,08 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Änderung der Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei andauernder Arbeitsunfähigkeit stelle eine Missachtung der Rechtslage und mithin einen Akt der rechtsstaatswidrigen gerichtlichen Rechtssetzung dar. Die Beklagte meint, dem Kläger könnte keine Urlaubsabgeltung zustehen, da er auch bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses infolge der andauernden Arbeitsunfähigkeit keine Urlaubsansprüche hätte verwirklichen können. Im Übrigen ist die Beklagte der Auffassung, der Klageforderung stehe die Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist einerseits sowie jedenfalls der rechtsstaatliche Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes andererseits entgegen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 13. November 2009 (Bl. 38 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nur teilweise begründet, ganz überwiegend ist sie unbegründet.

Der Kläger hat nur insoweit Erfolg, als er eine Abgeltung der unerledigten Urlaubsansprüche für das Kalenderjahr 2006 begehrt. Der Abgeltungsanspruch beruht auf § 7 Abs. 4 BUrlG. Er ist allerdings auf den für das Kalenderjahr 2006 geschuldeten gesetzlichen Teilurlaub begrenzt, der sich unter Berücksichtigungder Schwerbehinderung des Klägers auf 8,33 Arbeitstage beläuft. Da der Kläger zuletzt eine rechnerisch unstreitige arbeitstägliche Arbeitsvergütung in Höhe von 108,02 EUR brutto erzielt hat, ergibt sich so ein Zahlungsanspruch in Höhe von 899,81 EUR brutto.

Der Kläger hat dem Grunde nach hinsichtlich des für das Kalenderjahr 2006 einschlägigen Teilurlaubs einen Abgeltungsanspruch, weil er - insoweit unstreitig - wegen seiner schon seit dem Kalenderjahr 2004 bis heute andauernden Arbeitsunfähigkeit an der tatsächlichen Inanspruchnahme des Erholungsurlaubes gehindert war und eine Nachholung der Urlaubsgewährung wegen der mit Wirkung schon vom 30. April 2006 eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht kommt. § 7 Abs. 4 BUrlG bestimmt nun aber, dass Urlaub abzugelten ist, wenn er wegen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht gewährt werden kann.

Zu Recht geht der Kläger davon aus, dass sein Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2006 nicht mit Ablauf des Übertragungszeitraums am 31. März 2007 (vgl. § 7 Abs. 3 BUrlG) erloschen ist. Die Kammer folgt der jüngsten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 = AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG; BAG vom 19.05.2005 - 9 AZR 477/07 = DB 09, 20, 51 f.; LAG Düsseldorf vom 02.02.2009 - 12 Sa 486/06 = NZA-RR 2009, 149 ff.; LAG Rheinland-Pfalz vom 29.05.2009 - 9 Sa 163/09; zitiert nach juris), wonach im Rahmen einer gemeinschaftsrechtskonformen Fortbildung des § 7 Abs. 3 BUrlG jedenfalls der gesetzliche Mindesturlaub entgegen der seitherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt vom 21.06.2005 - 9 AZR 200/04 = AP Nr. 11 zu § 55 InsO) nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer - wie hier - bis zum Ende des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist. Die Beklagte geht fehl, soweit sie in der Änderung der Rechtsprechung eine Missachtung der Gesetzeslage und mithin einen Akt der rechtsstreitswidrigen gerichtlichen Rechtssetzung sieht. Nach der insoweit bindenden (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 22.10.1986 - 2 BvR 197/83 = BVerfGE 73, 339) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vom 20.01.2009; C-350/06, Schultz-Hoff) ist Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG entgegen der Ansicht der Beklagten dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf eines Bezugszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer infolge einer Arbeitsunfähigkeit darin gehindert war, einen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben. Dementsprechend ist nach der Rechtsprechung des EuGH Art. 7 Abs. 2 der genannten Richtlinie dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer wegen einer andauernden Arbeitsunfähigkeit an der Ausübung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gehindert ist. Die nationalen Gerichte sind nun aber wegen Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag verpflichtet, innerstaatliche Bestimmungen jedenfalls gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Der Wortlaut der §§ 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG steht dem vom EuGH gefundenen Auslegungsergebnis zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG durchaus nicht entgegen. Das Erfordernis der Erfüllbarkeit der Freistellung, der Verfall des Urlaubsanspruchs und der Surrogationscharakter des Abgeltungsanspruchs sind im Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich angelegt. Selbst ein Verfall von Ansprüchen ist nicht ausdrücklich angeordnet. Die Abgeltung ist im Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG nicht davon abhängig gemacht, dass der Urlaubsanspruch erfüllbar ist. Dementsprechend hat der vor 1982 für das Urlaubsrecht zuständige 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts stets angenommen, dass Urlaubsansprüche bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht verfielen (BAG vom 13.11.1969 - 5 AZR 82/69 = AP Nr. 2 zu § 7 BUrlG „Übertragung“). Daran zeigt sich, dass eine richtlinienkonforme Anwendung des nationalen Urlaubsrechts ohne weiteres möglich und auch geboten ist (vgl. BAG vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 = AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG). Kommt es nach alledem in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer wegen einer andauernden Arbeitsunfähigkeit an der tatsächlichen Inanspruchnahme des bezahltenErholungsurlaubs gehindert ist, nicht zum Verfall von Urlaubsansprüchen, kann es folglich auch bei der Behandlung des darauf aufbauenden Urlaubsabgeltungsanspruchs entgegen der Ansicht der Beklagten nicht mehr auf eine etwaige Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ankommen.

Der nach alledem nicht verfallene gesetzliche Teilurlaub des Klägers für das Kalenderjahr 2006 beläuft sich der Höhe nach auf 8,33 Arbeitstage. Der Kläger hat in Anwendung von § 5 Abs. 1 c BUrlG für das Kalenderjahr 2006 einen Teilurlaubsanspruch in Höhe von 4/12 des Jahresurlaubs, da er nach erfüllter Wartezeit mit Ablauf des 30. April 2006 und mithin nach Ablauf von 4/12 des Urlaubsjahres in der ersten Hälfte des Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Der gesetzliche Jahresurlaubsanspruch des Klägers beläuft sich auf insgesamt 25 Arbeitstage. Er setzt sich zusammen aus einerseits dem gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen (§ 3 BUrlG), was unter Berücksichtigung der von den Parteien gehandhabten 5-Tage-Woche 20 Arbeitstagen entspricht, und andererseits aus dem gesetzlichen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 Abs. 1 SGB IX in Höhe von fünf Arbeitstagen. Der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen unterliegt durchweg den allgemeinen Grundsätzen des BUrlG (BAG vom 21.02.1995 - 9 AZR 166/94 = AP Nr. 7 zu § 47 SchwbG 1986), weshalb auch insoweit im Falle einer andauernden Arbeitsunfähigkeit des schwerbehinderten Menschen kein Verfall von Ansprüchen eintritt (LAG Düsseldorf vom 02.02.2009 - 12 Sa 486/06 = NZA-RR 2009, 149 ff.; a. A. ArbG Berlin vom 22.04.2009 - 56 Ca 21280/08 = NZA-RR 2009, 411 ff.).

Der Abgeltungsanspruch des Klägers ist entgegen der weiteren Ansicht der Beklagten nicht wegen der Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist erloschen. Die Dauer des gesetzlichen Mindesturlaubs nach § 3 BUrlG und des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen nach § 125 Abs. 1 SGB IX kann nach §§ 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, 125 Abs.1 Satz 2 SGB IX tarifvertraglich nurzugunsten der Arbeitnehmer geändert werden. Deshalb kann nur ein etwaiger tariflicher Mehrurlaub einer tariflichen Ausschlussfrist unterliegen.

Dem Abgeltungsanspruch für den hiernach geschuldeten Teilurlaub für das Kalenderjahr 2006 steht entgegen der Ansicht der Beklagten kein Erfüllungshindernis entgegen, welches sich aus dem nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) zu beachtenden Grundsatz des Vertrauensschutzes ergibt. Die Beklagte weist zwar zutreffend auf die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 24. März 2009 (9 AZR 983/07 = AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG) und die hiernach durch das Vorabentscheidungsersuchen des LAG Düsseldorf vom 02. August 2006 (12 Sa 486/06 = NZA-RR 2006, 628 ff) sich ergebende Zäsur hin. Die Kammer folgt der genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach seit Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des LAG Düsseldorf kein schützenswertes Vertrauen mehr in den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaubsansprüchen bestanden hat und all denjenigen gesetzlichen Urlaubsansprüchen kein Erfüllungshindernis mehr entgegensteht, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfallen waren. Die Beklagte übersieht, dass im Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Vorabentscheidungsersuchens des LAG Düsseldorf vom 02. August 2006 die Urlaubsansprüche aus dem laufenden Kalenderjahr 2006 urlaubsrechtlich noch nicht verfallen sein konnten.

Der vom Kläger geltend gemachte Zinsanspruch beruht auf dem Gesichtspunkt des Verzuges (vgl. §§ 286, 288 Absatz 1 BGB).

Darüber hinaus ist die Klage unbegründet.

Soweit der Kläger für das Kalenderjahr 2006 weitergehend eine Abgeltung auch für den tariflichen Mehrurlaub sowie die Zahlung eines tariflich vorgesehenen zusätzlichen Urlaubsgeldes begehrt, sind Ansprüche jedenfalls wegen Nichteinhaltung der kraft einzelvertraglicher Bezugnahme sowie kraft beidseitigerTarifgebundenheit geltenden Ausschlussfrist des § 16 des Manteltarifvertrages für die Kautschukindustrie Hessen erloschen. Es ist unstreitig, dass der Kläger mit dem Geltendmachungsschreiben vom 15. Juli 2009 hinsichtlich des schon seit dem Jahre 2006 bestehenden Urlaubsabgeltungsanspruchs die vorgesehene tarifvertragliche Ausschlussfrist bei weitem nicht eingehalten hat. Nun findet eine tarifliche Ausschlussfrist auf Urlaubsansprüche zwar insoweit keine Anwendung, als diese nur befristet für den Zeitraum eines Urlaubsjahres bzw. eines sich daran anschließenden Übertragungszeitraums bestehen (BAG vom 24.11.1992 - 9 AZR 549/91 = AP Nr. 23 zu § 1 BUrlG). Wie sich aber gezeigt hat, unterliegt ein Urlaubsanspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit gerade keinen zeitlichen Begrenzungen. Dann aber besteht auch kein Grund, die darauf aufbauenden Urlaubsabgeltungsansprüche von der Anwendung allgemeiner tarifvertraglicher Ausschlussfristen auszunehmen.

Soweit der Kläger eine Abgeltung auch für die unerledigten Urlaubstage der Kalenderjahre 2004 und 2005 begehrt, so wendet die Beklagte zutreffend das Erfüllungshindernis ein, welches sich aus dem nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) zu beachtenden Grundsatz des Vertrauensschutzes ergibt. Die innerstaatlichen Gerichte müssen bei einer Rechtsprechungsänderung den nötigen Schutz vor Rückwirkungen in Betracht ziehen. Der Bürger darf grundsätzlich auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgestellte Rechtslage vertrauen. Dementsprechend konnte und durfte sich die Beklagte auf die seit dem Jahre 1992 bestehende gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei andauernder Arbeitsunfähigkeit einstellen. Diesem Vertrauensschutz ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. März 2009 (9 AZR 983/07 = AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG) bis zum Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des LAG Düsseldorf vom 02. August 2006 (12 Sa 486/06 = NZA-RR 2006, 628 ff) zu entsprechen. Ein Anlass, sich auf eine Rechtsprechungsänderung einzustellen, bestand nur für solche gesetzlichen Urlaubsansprüche, die in diesem Zeitpunkt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nochnicht verfallen waren. Alle unerledigten Urlaubsansprüche bis einschließlich zum Kalenderjahr 2005 waren indes nach der seitherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wegen § 7 Abs. 3 BUrlG bereits mit Ablauf des 31. März 2006 verfallen.

Die Kosten des Rechtsstreits sind verhältnismäßig zu teilen, da jede Partei teils obsiegt, teils unterlegen ist (vgl. §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO entsprechend der Höhe der Klageforderung festgesetzt.

 

 



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen