Bundesarbeitsgericht

Urteil vom - Az: 9 AZR 844/11

Verzicht auf Urlaubsabgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

1. Hatte der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich die Möglichkeit, die Abgeltung des ihm zustehenden gesetzlichen Mindesturlaubs in Anspruch zu nehmen, und schließt er einen Vergleich mit einer Ausgleichsklausel, der zufolge sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis "erledigt" sind, erfasst diese grundsätzlich auch den Urlaubsabgeltungsanspruch. Der Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung stehen weder § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG noch Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie entgegen. (Leitsatz)

(2.) Bei der Vereinbarung, wonach mit Erfüllung des Vergleichs wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt sein sollten, handelt es sich um ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB).

(3.) § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG dient dem Schutz des Arbeitnehmers. Die Vorschrift stellt sicher, dass der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub hat.
Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedarf es dieses Schutzes des Arbeitnehmers nicht.

(4.) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf nach Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.
Der EuGH hat die grundsätzliche Feststellung, dass die Abgeltung des Urlaubs nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch untergehen kann, an die Voraussetzung geknüpft, dass der Arbeitnehmer zuvor die tatsächliche Möglichkeit gehabt haben müsse, die ihm von der Richtlinie verliehenen Ansprüche auszuüben.
Wird die obengenannte Ausgleichsklausel nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart, so hatte der Arbeitnehmer die Möglichkeit die Ansprüche vor deren Untergang zu realsieren.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Mai 2011 - 9 Sa 86/11 - teilweise aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 20. Dezember 2010 - 11 Ca 2485/10 - wird insgesamt zurückgewiesen.

3. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 6.856,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2011 zu zahlen.

4. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand     

Der Kläger verlangt von der Beklagten, gesetzlichen Mindesturlaub aus den Jahren 2006 bis 2009 abzugelten.

Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger war infolge eines Arbeitsunfalls ab Januar 2006 arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 26. November 2008 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2009. Im Kündigungsrechtsstreit schlossen die Parteien am 29. Juni 2010 vor dem Sächsischen Landesarbeitsgericht einen Vergleich. In diesem vereinbarten sie ua. Folgendes:

 „1.     Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch die ordentliche personenbedingte Kündigung der Beklagten vom 26.11.2008 mit Ablauf des 30.06.2009 aufgelöst wurde.

2.    Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Sozialabfindung in Höhe von 11.500,00 EUR brutto bis zum 15.07.2010.

3.    Mit Erfüllung des vorliegenden gerichtlichen Vergleichs sind wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt.“

Der Kläger hat die Rechtsauffassung vertreten, zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe ihm gesetzlicher Mindesturlaub von 70 Arbeitstagen zugestanden, den die Beklagte abzugelten habe. Wegen seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sei der Urlaubsanspruch nicht verfallen. Der Vergleich vom 29. Juni 2010 stehe seinem Abgeltungsanspruch nicht entgegen. Auf die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs habe er nicht wirksam verzichten können.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.543,60 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. August 2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, weder das Bundesurlaubsgesetz noch unionsrechtliche Vorgaben sähen vor, dass ein Arbeitnehmer zeitlich unbegrenzt Urlaubsansprüche ansammeln könne. Im Übrigen sei der Abgeltungsanspruch des Klägers durch den Vergleich vom 29. Juni 2010 „erledigt“.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - abgeändert und der Klage stattgegeben. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahlte die Beklagte am 1. Juli 2011 an den Kläger einen Bruttobetrag iHv. 6.856,29 Euro. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Rückzahlung des zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Betrags.

Entscheidungsgründe

I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger Urlaubsabgeltung iHv. 6.543,60 Euro brutto zu zahlen. Deshalb hat die Beklagte gegen den Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung. Soweit die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung der Kläger verlangt, zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht bereits verfallen waren, steht dem Abgeltungsanspruch die Ausgleichsklausel im gerichtlichen Vergleich der Parteien vom 29. Juni 2010 entgegen.

1. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Arbeitgeber Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. Juni 2009 hatte der Kläger Anspruch auf 30 Arbeitstage Mindesturlaub; die übrigen Urlaubsansprüche waren gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG bereits verfallen.

a) Die langjährige Arbeitsunfähigkeit des Klägers hat das Entstehen von Urlaubsansprüchen in den Jahren 2006 bis 2009 im Umfang von jeweils 20 Arbeitstagen zwar nicht gehindert, weil für das Entstehen des Urlaubsanspruchs nach dem Bundesurlaubsgesetz allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung ist (vgl. BAG 18. September 2012 - 9 AZR 623/10 - Rn. 10). Die jeweils zu Beginn der Kalenderjahre 2006 und 2007 entstandenen Urlaubsansprüche sind jedoch gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen (BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32).

b) Der Anspruch des Klägers auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs aus dem Jahr 2008 und des gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG auf die Hälfte gekürzten gesetzlichen Urlaubs aus dem Jahr 2009 im Umfang von zusammen 30 Arbeitstagen ging infolge der Ausgleichsklausel im Vergleich vom 29. Juni 2010 unter. Bei der Vereinbarung in Ziff. 3 des Vergleichs, wonach mit Erfüllung des Vergleichs wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt sein sollten, handelt es sich um ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB). Dieses hat auch den Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers erfasst. Dem steht weder die Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG entgegen, noch hindern unionsrechtliche Vorgaben den Untergang des Abgeltungsanspruchs.   

aa) Welche Rechtsqualität und welchen Umfang die Erklärungen in einer Ausgleichsklausel haben, ist durch Auslegung zu ermitteln (BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - Rn. 20, BAGE 138, 136). Das Landesarbeitsgericht hat dies unterlassen. Die Auslegung von atypischen Willenserklärungen ist zwar grundsätzlich Sache der Tatsachengerichte. Der Senat kann jedoch die gebotene Auslegung selbst vornehmen, weil das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen getroffen hat und weiterer Sachvortrag nicht zu erwarten ist (vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 475/10 - Rn. 45). Ausgleichsklauseln, die - wie die im Streitfall - ausdrücklich auch unbekannte Ansprüche erfassen sollen und auf diese Weise zu erkennen geben, dass die Parteien an die Möglichkeit des Bestehens ihnen nicht bewusster Ansprüche gedacht und auch sie in den gewollten Ausgleich einbezogen haben, sind regelmäßig als umfassender Anspruchsausschluss (BAG 23. September 2003 - 1 AZR 576/02 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 107, 347) in Form eines konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses zu verstehen (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 225/08 - Rn. 49, BAGE 134, 111; 24. Juni 2009 - 10 AZR 707/08 (F) - Rn. 24; 23. Februar 2005 - 4 AZR 139/04 - zu II 4 a bb der Gründe, BAGE 114, 33). Ein solches bringt alle Ansprüche, die den Erklärenden bekannt waren oder mit deren Bestehen zu rechnen war, zum Erlöschen (BAG 9. Juni 1998 - 9 AZR 43/97 - zu I 3 a der Gründe, BAGE 89, 91). Dies schließt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung ein (vgl. BAG 31. Mai 1990 - 8 AZR 132/89 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 65, 171).

bb) § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG, dem zufolge von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes, abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG, zu Ungunsten des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden kann, steht dem Untergang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht entgegen. Das Bundesarbeitsgericht ging bislang davon aus, der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs sei einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, in deren Folge der Arbeitnehmer im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 4 BUrlG schlechter stehe, entzogen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Parteien die Vereinbarung vor (vgl. BAG 31. Mai 1990 - 8 AZR 132/89 - zu III 2 b der Gründe, BAGE 65, 171) oder nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 21. Juli 1978 - 6 AZR 1/77 - zu 3 b der Gründe) schlössen. Denn der Abgeltungsanspruch genieße denselben Schutz wie der Urlaubsanspruch. An dieser Rechtsprechung, die an die vom Senat aufgegebene Surrogatstheorie anknüpfte, wird nicht festgehalten, soweit die Vereinbarung nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustande kommt.

 (1) § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG dient dem Schutz des Arbeitnehmers. Die Vorschrift stellt sicher, dass der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub hat. Ferner sichert die Bestimmung den Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, den der Arbeitgeber wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewähren kann. Der gesetzliche Schutzzweck würde verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte.

 (2) Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedarf es dieses Schutzes des Arbeitnehmers nicht. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ein reiner Geldanspruch und nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs (vgl. zuletzt BAG 19. Juni 2012 - 9 AZR 652/10 - Rn. 23). Er verdankt seine Entstehung zwar urlaubsrechtlichen Vorschriften. Ist er entstanden, bildet er jedoch einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber. Deshalb unterfällt der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, wie andere Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers auch, grundsätzlich tariflichen Ausschlussfristen (vgl. BAG 21. Februar 2012 - 9 AZR 486/10 - Rn. 19). Macht der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegenüber dem Arbeitgeber nicht vor Ablauf der Ausschlussfrist geltend, wird dieser von seiner Leistungspflicht frei. Rechtlich verhält es sich nicht anders, als wenn der Arbeitnehmer, anstatt auf eine fristgerechte Geltendmachung zu verzichten, nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit konstitutiver Wirkung anerkennt, dass er nicht länger Inhaber eines Abgeltungsanspruchs ist.

cc) Der Einwand des Klägers, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei für den Arbeitnehmer ähnlich unverzichtbar wie der Anspruch auf tarifliche Rechte, verhilft seiner Klage nicht zum Erfolg. Gemäß § 4 Abs. 3 TVG sind zwar Abmachungen, die von tariflichen Regelungen abweichen, nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Auch ist nach § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch keine Tarifbindung der Parteien festgestellt und ausgeführt, der Kläger habe eine solche weder behauptet noch dargetan, welche Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

dd) Die Ausgleichsklausel in Ziff. 3 des Vergleichs steht im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie). Der Senat kann den Streitfall abschließend entscheiden, ohne den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Gemäß Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf nach Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Der Gerichtshof der Europäischen Union, dem nach Art. 267 AEUV die Aufgabe der verbindlichen Auslegung von Richtlinien zugewiesen ist, hat wiederholt entschieden, diese unionsrechtlichen Gewährleistungen stünden einer nationalen Regelung grundsätzlich nicht entgegen, die für die Ausübung der Ansprüche aus Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie Modalitäten vorsehe, die den Verlust dieser Ansprüche umfassten. Allerdings hat er diese grundsätzliche Feststellung an die Voraussetzung geknüpft, dass der Arbeitnehmer, der einen Rechtsverlust erleide, zuvor die tatsächliche Möglichkeit gehabt haben müsse, die ihm von der Richtlinie verliehenen Ansprüche auszuüben (vgl. EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 26). Unionsrecht steht damit der Annahme, der Arbeitnehmer dürfe über die ihm durch Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte im Wege des Rechtsgeschäfts verfügen, nicht entgegen, sofern der Arbeitnehmer die tatsächliche Möglichkeit hatte, die Ansprüche vor deren Untergang zu realisieren. Dies ist der Fall, wenn Arbeitsvertragsparteien erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Ausgleichsklausel vereinbaren, die auch einen (etwaigen) Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers erfasst.

ee) Die Frage, ob die Ausgleichsklausel in Ziff. 3 des Vergleichs Dritte bindet, insbesondere die Bundesagentur für Arbeit, ist für die Entscheidung des Streitfalls ohne Bedeutung. Jedenfalls im Verhältnis zur Beklagten konnte der Kläger auf die Abgeltung seines Urlaubs im Wege eines konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses verzichten.

2. Der Kläger ist gemäß § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO verpflichtet, an die Beklagte 6.856,29 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2011 zu zahlen.

a) Soweit ein Berufungsurteil aufgehoben wird, ist der Kläger gemäß § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO auf Antrag des Beklagten zur Erstattung des von diesem aufgrund des Urteils Gezahlten oder Geleisteten zu verurteilen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beklagte zahlte am 1. Juli 2011 an den Kläger zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts 6.856,29 Euro.

b) Der Kläger hat den zurückzuzahlenden Betrag gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Der Zinslauf begann am 1. Juli 2011. Stellt eine Partei einen Erstattungsantrag nach § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO, so ist der Anspruch gemäß § 717 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 1 ZPO als zur Zeit der Zahlung rechtshängig geworden anzusehen. Dies gilt unabhängig davon, dass die Beklagte den Antrag auf Erstattung nicht zum Zeitpunkt der Zahlung am 1. Juli 2011, sondern erst mit Schriftsatz vom 3. Januar 2012 gestellt hat (§ 717 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 ZPO).

II. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen (§ 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO).



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