Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Beschluss vom - Az: 1 Ta 68/16

Arbeitszeugnis: Fehlendes Leerzeichen ist kein Geheimcode

1. Auch in einer Arztpraxis mit nur wenigen Beschäftigten darf ein Arbeitszeugnis vom Personalleiter unterzeichnet werden. Dem steht weder entgegen, dass die Inhaberin der Praxis selbst zur Zeugniserteilung verurteilt worden ist, noch sonstige Gesichtspunkte.

2. Die Verwendung von Geheimzeichen im Sinne von § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO muss derjenige belegen, der sich auf diese Norm beruft.
(Leitsätze des Gerichts)

(3.) Ein derartiges verbotenes Geheimzeichen enthält ein Zeugnis nicht, wenn zwischen dem maschinenschriftlich geschriebenen Nachnamen des Personalleiters und der sich anschließenden öffnenden Klammer für den Zusatz „Personalleiter“ ein Leerzeichen fehlt. Einen entsprechenden Erfahrungssatz, dass sich der Verfasser hierdurch vom Zeugnisinhalt distanziert, gibt es nicht.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 03.05.2016 – 5 Ca 1416 a/15 – aufgehoben. Der Zwangsvollstreckungsantrag wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO im Hinblick auf eine Verpflichtung zur Zeugniserteilung.

Durch Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 25.02.2016 ist die Beklagte zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses mit bestimmtem vom Arbeitsgericht formuliertem Inhalt verurteilt worden.

Mit Schreiben vom 29.03.2016 übersandte sie an die Klägerin ein Zwischenzeugnis auf rosafarbenem Papier, das die Klägerin nicht als ordnungsgemäße Erfüllung des titulierten Anspruchs ansah. Neben anderem rügte sie, dass das Zeugnis nicht eigenhändig von der Beklagten, sondern von ihrem Sohn unterzeichnet war, wobei der Unterzeichnung handschriftlich der Name des Sohnes und in Klammern der Zusatz Personalverantwortlicher zugefügt war. Wegen Einzelheiten des erteilten Zeugnisses wird auf die Anlage Ast 2 (Bl. 185 d. A.) verwiesen. Die Klägerin beantragte darauf die Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO, das das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 03.05.2016, der Beklagten am 09.05.2016 zugestellt, in Höhe von EUR 500,00, im Nichtbeitreibungsfall ersatzweise zwei Tage Haft, festsetzte.

Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte am 11.05.2016 eingehend bei Gericht sofortige Beschwerde eingelegt und darauf verwiesen, sie habe gleichzeitig den weiteren Beanstandungen der Klägerin abgeholfen. Allerdings sei das Zeugnis erneut durch den Sohn der Beklagten in seiner Eigenschaft als Personalleiter unterzeichnet worden. Die Beklagte sei zu einer persönlichen Unterzeichnung nicht verpflichtet.

Die Klägerin hält an ihrem Zwangsgeldantrag fest und meint, die Beklagte sei persönlich zur Abänderung des Zwischenzeugnisses verurteilt worden. Auch ein zuvor erteiltes Zwischenzeugnis habe die Beklagte selbst unterzeichnet. Auch enthalte das nunmehr übersandte Zwischenzeugnis ein verstecktes Zeichen, weil nach dem maschinenschriftlich geschriebenen Nachnamen des Personalleiters und dem Klammerzusatz „Personalleiter“ eine Leertaste fehle.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 07.06.2016 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Arbeitsgericht hat gemeint, ein Zwischenzeugnis, das sich mit der Leistungsbewertung der Arbeitsleistungen einer medizinischen Fachangestellten befasse, bekomme mit der Unterzeichnung durch den Personalleiter einer kleinen Arztpraxis, bei der es sich um einen Kleinbetrieb im Sinne von § 23 KSchG handele, einen anderen Stellenwert, als wenn dies durch die fachlich ausgewiesene Ärztin und Praxisinhaberin unterzeichnet werde.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 793 ZPO statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet. Der Anspruch der Klägerin aus dem Schluss-Urteil vom 25.02.2016 ist im Beschwerdeverfahren erfüllt worden. Das zuletzt von der Beklagten vorgelegte Zwischenzeugnis genügt den Anforderungen.

1. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist es nicht zu beanstanden, dass das Zwischenzeugnis der Klägerin durch den Sohn der Beklagten in der Eigenschaft als deren Personalleiter unterzeichnet worden ist.

a) Die Anforderungen an die unterzeichnende Person ergeben sich aus dem Zweck des Arbeitszeugnisses. Es soll zum einen dem Arbeitnehmer Aufschluss über seine Beurteilung durch den Arbeitgeber geben. Zum anderen dient es der Unterrichtung künftiger Arbeitgeber über die Befähigung des Arbeitnehmers. Es soll dem Arbeitnehmer die Suche nach einer neuen Beschäftigung erleichtern. Hierfür ist die Person des Unterzeichnenden von erheblichen Belangen. Mit seiner Unterschrift übernimmt der Unterzeichnende als Aussteller des Zeugnisses die Verantwortung für dessen inhaltliche Richtigkeit. Dieser Zweck erfordert nicht, dass das Zeugnis vom bisherigen Arbeitgeber selbst oder seinem gesetzlichen Vertretungsorgan gefertigt und unterzeichnet wird. Der Arbeitgeber kann einen unternehmensangehörigen Vertreter als Erfüllungsgehilfen beauftragen, das Zeugnis in seinem Namen zu erstellen. In einem solchen Fall sind jedoch das Vertretungsverhältnis und die Funktion des Unterzeichners anzugeben (BAG, Urteil vom 04.10.2005 – 9 AZR 509/04 -, juris Rm15 f). In einer arbeitsteiligen Organisation versteht es sich von selbst, dass der Arbeitgeber die Verpflichtung zur Zeugnisausstellung auch durch andere Betriebsangehörige wahrnehmen lassen kann. Daher gehören zum Kreis der zeugnisberechtigten Personen u. a. auch mit Personalangelegenheiten betraute Personen, die insoweit für den Arbeitgeber verbindliche Erklärungen abgeben dürfen (LAG Hamm, Urteil vom 17.06.1999 – 4 Sa 2587/98 – juris, Rn 105).

b) Danach bestehen gegen die Unterzeichnung des Zwischenzeugnisses der Klägerin durch den Personalleiter der Beklagten keine Bedenken.

Ein Personalleiter ist typischerweise diejenige Person, die neben den Organvertretern oder dem Arbeitgeber selbst ein Zeugnis unterzeichnen dürfen. Der Sohn der Beklagten nimmt auch die Funktion des Personalleiters in der Praxis der Beklagten wahr. Das ergibt sich aus der Verfahrensakte mit hinreichender Sicherheit. So ist der Sohn der Beklagten für diese im Laufe des erstinstanzlichen Erkenntnisverfahrens als Personalleiter aufgetreten. Außerdem hat er bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien mit der Klägerin im Namen der Beklagten die Gespräche über den Inhalt des Arbeitsvertrags geführt, wie im Berufungsverfahren über das Teil-Urteil von der Klägerin selbst noch einmal ausgeführt worden ist. Dass der Sohn der Beklagten, wie das Arbeitsgericht ausgeführt hat, gerichtsbekannt auch Jura studiert, steht seiner Eigenschaft als Personalleiter der Beklagten nicht entgegen.

Die Verurteilung der Beklagten als Schuldnerin des Anspruchs führt nicht dazu, dass diese zur Unterzeichnung des Zeugnisses höchstpersönlich verpflichtet ist. Eine entsprechende Verpflichtung ergibt sich auch nicht daraus, dass sie in der Vergangenheit einmal ein Zwischenzeugnis der Klägerin unterzeichnet hat.

Ferner steht der Unterzeichnung des Zwischenzeugnisses durch den Sohn der Beklagten nicht entgegen, dass die Beklagte nur eine kleine Arztpraxis mit wenigen Beschäftigten führt. Auch in einer kleinen Praxis gibt es gute Gründe, die für eine arbeitsteilige Organisation jedenfalls im Hinblick auf die ärztlichen Angelegenheiten und die Personalangelegenheiten sprechen. Es ist auch gerichtsbekannt in vielen kleinen Betrieben, etwa Handwerksbetrieben absolut üblich, dass das „operative“ Geschäft (nicht im Sinne von ärztlicher Tätigkeit gemeint) und Personal- und Verwaltungsangelegenheiten von verschiedenen Familienmitgliedern wahrgenommen werden.

Soweit das Arbeitsgericht gemeint hat, einer Unterzeichnung durch die Beklagte höchstpersönlich komme inhaltlich ein anderer Stellenwert zu, folgt dem das Beschwerdegericht nicht. Einen entsprechenden Erfahrungssatz gibt es nicht. Auch in anderen Betrieben ist es keineswegs ungewöhnlich, dass ein Zeugnis allein vom Personalleiter und nicht etwa zusätzlich von einem Fachvorgesetzen unterzeichnet wird.

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt das zuletzt erteilte Arbeitszeugnis auch nicht gegen das Verbot der Geheimzeichen nach § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO.

a) Nach dieser Vorschrift darf ein Zeugnis keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Durch die äußere Form des Zeugnisses darf nicht der Eindruck erweckt werden, der Aussteller distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärung (ErfKomm-Müller-Glöge 16. Auflage 2016, § 109 GewO, Rn154 mwN).

Ein derartiges verbotenes Geheimzeichen enthält das Zeugnis nicht, insbesondere folgt aus der fehlenden Leertaste zwischen dem maschinenschriftlich geschriebenen Nachnamen des Personalleiter und der sich anschließenden öffnenden Klammer für den Zusatz „Personalleiter“, keine Distanzierung vom sonstigen Inhalt des Zeugnisses. Einen entsprechenden Erfahrungssatz gibt es nicht. Einen solchen behauptet die Klägerin auch nicht oder benennt sonstige Belege dafür, dass es sich bei der fehlenden Leertaste um etwas anderes als ein Versehen, nämlich um eine zielgerichtete versteckte Distanzierung vom Zeugnistext handelt.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht. Mit dem ursprünglich zur Erfüllung des titulierten Zwischenzeugnisanspruchs erteilten Zeugnis auf rosa Papier, das mit Schreiben vom 23.03.2016 übersandt wurde, hatte sie den Zeugnisanspruch der Klägerin nämlich nicht bereits erfüllt. Zu Recht hat das Arbeitsgericht insoweit ausgeführt, das Zeugnis könne „wie hingeschmiert“ wirken. Insbesondere die Nachlässigkeit in der Unterzeichnung des Zeugnisses, bei der die Zusätze zur Unterschrift ebenfalls handschriftlich hinzugefügt waren, zum Teil auch im Originalzeugnis überschrieben (das betrifft das „d“ im Vornamen des Unterzeichners) erweckten den Eindruck, dass der Zeugnisaussteller sich von dem Inhalt des Zeugnisses stillschweigend distanziere.

Da die Beanstandungen aber bereits mit der Übersendung des korrigierten Zeugnisses behoben waren und die Klägerin an dem festgesetzten Zwangsgeld festgehalten hat, trägt sie die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.



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